Tagebuch aus dem London des 17. Jahrhunderts (eBook)
424 Seiten
Reclam Verlag
978-3-15-962002-2 (ISBN)
1660
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1669
Anhang
Karten
Anmerkungen
Häufig vorkommende Namen
Nachwort
Zeittafel
1660
Gott sei Dank, am Ende des letzten Jahres war ich bei sehr guter Gesundheit, ohne irgendwelche Spuren meiner alten Schmerzen – nur noch bei Kälte. Meine Frau, die Magd Jane und ich wohnten in der Axe Yard; die Familie besteht nur aus uns dreien. Nachdem bei meiner Frau sieben Wochen lang die Regel ausgeblieben war, glaubte ich, sie sei schwanger, aber am letzten Tag des Jahres war alles wieder in Ordnung. Die Lage des Staates war folgendermaßen. Das Rumpfparlament ist, nach einer Störung durch Lord Lambert, wieder zusammengetreten. Die Offiziere wurden zum Einlenken gezwungen. Lawsons Flotte ankert noch immer in der Themse, und Monck ist mit seiner Armee in Schottland. Nur Lord Lambert ist noch nicht ins Parlament gekommen, man erwartet auch nicht, dass er es freiwillig tut. Der neue Stadtrat will hoch hinaus; man hat den Schwertträger als Boten zu Monck gesandt, um ihn über den Wunsch nach einem freien und vollständigen Parlament zu informieren – dieser Wunsch ist im Augenblick die Hoffnung und die Erwartung aller. Zweiundzwanzig ehemalige, ausgeschlossene Abgeordnete erschienen letzte Woche vor der Tür des Parlamentsgebäudes und forderten Einlass, vergeblich; man glaubt, dass weder sie noch das Volk Ruhe geben, bis das Parlament wieder vollzählig ist. Meine privaten Verhältnisse sind sehr ordentlich; man hält mich für reich, dabei bin ich ziemlich arm, außer dass ich mein Haus und eine Anstellung habe, die aber im Augenblick nicht ganz gesichert ist. Mr Downing ist mein Amtsvorsteher.
Samuel Pepys, gemalt von John Hayls im Jahre 1666. In der Hand hält er das Manuskript seines Liedes ›Beauty Retire‹. (Reproduktion mit freundlicher Genehmigung der National Portrait Gallery, London)
1. 1. Heute Morgen (wir schlafen seit einiger Zeit in der Dachkammer) stand ich auf, zog meinen Anzug mit den langen Rockschößen an, den ich seit einiger Zeit nur noch trage.
Ging zu Mr Gunnings Gottesdienst in Exeter House, wo er eine sehr gute Predigt über den Text hielt: Als aber die Zeit erfüllet ward, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einem Weibe usw.; er zeigte, dass »unter das Gesetz getan« die Beschneidung bedeutet, die heute gefeiert wird.
Mittagessen in der Dachstube, wo meine Frau die Reste eines Truthahns zubereitete, dabei verbrannte sie sich die Hand.
Ich blieb den ganzen Nachmittag zu Hause und ging meine Tabellen durch. Dann mit meiner Frau zu meinem Vater; sah unterwegs die Befestigungen, die von der Stadt am Kanal in der Fleet Street errichtet worden sind.
Abendbrot bei meinem Vater, wo auch Mrs Th. Turner und Madam Morris erschienen und mit uns zusammen aßen. Danach brachten meine Frau und ich sie nach Hause, und dann gingen wir auch heim.
2. 1. Morgens, bevor ich aufbrach, kam der alte East und brachte mir ein Dutzend Flaschen Sherry; ich gab ihm einen Shilling Trägerlohn. Dann ging ich zu Mr Sheply, der im Weinkeller Sherry zapfte, für Neujahrsgeschenke meines Herrn, er erzählte mir, dass mein Herr ihn beauftragt habe, mir die zwölf Flaschen zu schenken. Dann ging ich zum Temple, um mit Mr Calthropp über die £ 60 zu sprechen, die er meinem Herrn schuldet; er war aber nicht da, sondern verreist. Dann ging ich zu Mr Crew und borgte mir £ 10 von Mr Andrew für meinen persönlichen Bedarf, und dann in mein Büro, wo es nichts zu tun gab. Dann ging ich ziemlich lange in Westminster Hall herum, wo ich hörte, dass Lambert nach London kommt und dass Lord Fairfax an der Spitze der irischen Brigade steht, man aber noch nicht weiß, wofür er sich entscheiden wird. Das Unterhaus befasste sich heute in letzter Lesung mit dem Akt für den Staatsrat und mit der Straffreiheit für die Soldaten; am Nachmittag wurde die Sitzung fortgesetzt. Alle reden davon, dass sich viele Orte für ein freies Parlament ausgesprochen haben; man glaubt, dass das Unterhaus mit den alten Abgeordneten aufgefüllt werden muss. Von Westminster Hall ging ich kurz nach Hause und dann zu Mr Crew (meine Frau sollte zu ihrem Vater kommen), um dort zu Abend zu essen, kam aber zu spät. Daher gingen Mr Moore und ich und ein anderer Herr ein Bier trinken, im neuen Markt, dort aß ich auch etwas Brot und Käse zum Abendbrot. Danach gingen Mr Moore und ich bis zur Fleet Street zusammen und trennten uns dann – er ging in die City, und ich versuchte noch einmal, Mr Calthropp anzutreffen, hatte aber wieder kein Glück. Deshalb zurück zu Mr Crew, von da brachte ich Mrs Jemima nach Hause, wo sie mir Cribbage-Spielen beibrachte. Dann ging ich nach Hause, meine Frau war zu Mrs Hunt gegangen. Darauf ich zu ›Will’s‹, unterhielt mich dort mit Mr Ashwell und sang bis 9 Uhr, dann nach Hause. Weil ich nur Brot und Käse gegessen hatte, schnitt meine Frau mir noch eine Scheibe von dem Schweinefleisch ab, das ich von meiner Lady bekommen hatte, es war das beste Fleisch, das ich je gegessen habe. So zu Bett, und meine Frau hatte wegen des Windes und der Kälte eine schlechte Nacht.
3. 1. Ich ging morgens aus dem Haus, bei starkem Frost, zu Mrs Turner, damit sie heute nicht zu mir kommt, wegen Mrs Jem. Dann ging ich zum Temple, um mit Mr Calthropp zu sprechen, wanderte eine Stunde in seinem Büro auf und ab, aber er kam nicht. Deshalb ging ich nach Westminster, wo ich Soldaten in meinem Büro vorfand, die Geld wollten – ich zahlte es ihnen. Mittags nach Hause, dort Mrs Jem. Dazu ihre Dienerin. Mr Sheply, Hawly und Moore aßen mit mir, es gab Rindfleisch und Kohl sowie Schweinskopfsülze.
Anschließend spielten wir Karten, bis es dunkel wurde. Dann brachte ich Mrs Jem nach Hause, danach mit Hawly zur Chancery Lane, wo ich mit Mr Calthropp sprach, der mir erzählte, dass Sir James Calthropp vor kurzem gestorben sei; er wolle aber an Lady Calthropp schreiben, dass das ausstehende Geld rasch gezahlt wird. Danach zurück nach Whitehall, wo ich erfahre, dass im Unterhaus das Gesetz über die Straffreiheit der Soldaten und Offiziere verabschiedet wurde (für alle diejenigen, die sich innerhalb einer bestimmten Frist stellen); auf Lord Lambert müsste dieses Gesetz auch zutreffen. Das Parlament hat außerdem beschlossen, dass im Todesfall der Platz eines Abgeordneten wieder besetzt werden solle. Danach ging ich nach Hause, wo ich Mr und Mrs Hunt sowie Mr Hawly vorfand. Wir spielten noch bis 22 Uhr Karten. Dann zu Bett.
4. 1. Am Vormittag kam Mr Vanly zu mir wegen der Halbjahrsmiete, die ich nicht in bar im Hause hatte. Ich nahm seinen Diener in mein Büro mit und gab ihm dort das Geld. Dann ging ich nach Westminster Hall und zu ›Will’s‹. Hawly hatte ein Stück Cheshire-Käse mitgebracht, den wir uns gut schmecken ließen. Danach wieder nach Westminster Hall, wo ich den Schreiber und den Quartiermeister der Truppen meines Lords traf, ich nahm sie mit in den ›Schwanen‹ und spendierte eine Runde Fassbier; sie waren gerade in London angekommen. Der Schreiber zeigte mir zwei Wechsel von mir und meinem Lord. Es schneite den ganzen Morgen und war sehr kalt, und meine Nase war vor Kälte ganz geschwollen. Seltsam – die Unterschiede in den Meinungen der Leute: Die einen sagen, Lambert muss zwangsläufig aufgeben, die anderen, dass er sehr stark ist und dass die Monarchisten zu ihm halten, wenn er sich für ein freies Parlament ausspricht. Chillington wurde gestern zu ihm geschickt mit dem Vergebungs- und Straffreiheitserlass des Parlaments. – Als ich nach Hause kam, fand ich Briefe aus Hinchingbroke vor und die Nachricht, dass Mr Sheply nächste Woche dorthin fahren würde. Ich aß zu Hause und ging dann zu ›Will’s‹, traf dort Shaw, der mir versprach, mit zu Atkinson zu kommen, wegen Geld. Er spielte aber mit Spicer und D. Vines Karten und war nicht wegzukriegen. Das ärgerte mich, ich ging zur Westminster Hall zurück, wo ich hörte, dass das Parlament heute den ganzen Tag fastet und betet. Nachmittags kamen Briefe aus dem Norden: Die Truppen von Lord Lambert desertieren angeblich; ihm seien nur noch fünfzig Pferde geblieben, er ergebe sich dem Parlament. Lord Fairfax soll auch die Waffen niedergelegt haben, angeblich nur, um das Land vor Lord Lamberts Beutezügen und Konfiskationen zu schützen. – Wieder zu ›Will’s‹, wo die drei immer noch Karten spielten – Spicer hatte gegen Shaw und Vines 14 Shilling gewonnen. Danach verbrachte ich einige Zeit mit G. Vines und Maylard bei Vines, wir spielten Viola. Nach Hause, und dann zu Mr Hunt, wo ich mit Hunts und Mr Hawly bis 10 Uhr abends Karten gespielt habe. Nach Hause und ins Bett, aber Schmerzen in der Nase, die sehr geschwollen ist.
5. 1. Ich ging in mein Büro, wo wir das Geld vom Zollamt erwarteten, aber es kam nicht; es soll ganz bestimmt am Nachmittag gebracht werden. Ich aß mit Mr Sheply im Haus meines Herrn – Truthahnpastete. Danach wieder ins Büro, wo das...
Erscheint lt. Verlag | 13.5.2022 |
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Reihe/Serie | Reclam Taschenbuch | Reclam Taschenbuch |
Übersetzer | Helmut Winter |
Zusatzinfo | 1 s/w-Abbildung und 2 Karten/Tabellen |
Verlagsort | Ditzingen |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Briefe / Tagebücher |
Schlagworte | Aufzeichnungen London • Berichte London • Diarium London • Essay London • Historische Erlebnisberichte London • Journal London • Samuel Pepys Aufzeichnungen • Samuel Pepys Berichte • Samuel Pepys Diarium • Samuel Pepys Erlebnisse • Samuel Pepys Essay • Samuel Pepys Journal • Samuel Pepys Kulturgeschichte • Samuel Pepys Logbuch • Samuel Pepys London • Samuel Pepys Manual • Samuel Pepys Memorial • Samuel Pepys Politikgeschichte • Samuel Pepys Zeitgeschichte • Texte London |
ISBN-10 | 3-15-962002-6 / 3159620026 |
ISBN-13 | 978-3-15-962002-2 / 9783159620022 |
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