Fifty-Fifty (eBook)

Spiegel-Bestseller
Thriller
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
512 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-27771-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Fifty-Fifty -  Steve Cavanagh
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Eine ist unschuldig. Die andere eine eiskalte Killerin. Welcher der beiden Schwestern glaubst du?
Frank Avellino wurde mit äußerster Brutalität in seinem eigenen Schlafzimmer erstochen, der Täter muss in einem wahren Blutrausch gehandelt haben. Besser gesagt: die Täterin. Denn Franks Töchter Alexandra und Sofia beschuldigen sich gegenseitig der Tat. Die eine ist eine sadistische Mörderin, die andere unschuldig. Aber welche? Sowohl Eddie Flynn, der Sofia vor Gericht verteidigt, als auch Alexandras junge Anwältin Kate Brooks befürchten, dass die Wahrheit im Trubel um diesen spektakulären Fall untergeht. Denn der Ermordete war nicht nur ehemaliger Bürgermeister von New York, es gibt auch ein Millionenerbe zu verteilen. Und Eddie Flynns Chancen, die richtige Schwester vor dem Gefängnis zu bewahren, stehen fifty-fifty ...

Steve Cavanagh wuchs in Belfast auf und studierte in Dublin Jura. Er arbeitete in diversen Jobs, bevor er eine Stelle bei einer großen Anwaltskanzlei in Belfast ergatterte und als Bürgerrechtsanwalt bekannt wurde. Mittlerweile konzentriert er sich auf seine Arbeit als Autor. Seine Thrillerserie um Eddie Flynn machte ihn zu einem der erfolgreichsten Spannungsautoren in Großbritannien und den USA.

KAPITEL ZWEI


KATE


Kate Brooks schlief tief und fest, unter mehreren Wolldecken, im Taylor-Swift-Pyjama über ihren Sportsachen, mit zwei Paar dicken weißen Kniestrümpfen. So sehr sie auch an den alten Heizkörpern in ihrer Wohnung herumdrehte, konnte sie die Dinger doch nicht dazu bewegen, warm zu werden. Die Einzimmerwohnung war als »Zauberhafter, wohlig warmer Lebensraum« annonciert gewesen. Die beiden Heizkörper an gegenüberliegenden Wänden des Zimmers sollten wohl als »wohlig warm« gelten. Entsprechend musste sich Kate jeden Abend vor dem Schlafengehen erst anziehen. Sie wusste gar nicht, was sie machen sollte, wenn es mal richtig Winter wurde.

Ihr Handy meldete sich – ein elektronisches Glöckchen, das mit jeder Sekunde lauter wurde. Kates Arm kam unter der Decke hervor, und sie wischte über den Bildschirm, um das Telefon zum Schweigen zu bringen. Eilig zog sie den Arm wieder unter die Decke und drehte sich um, ohne wirklich aufgewacht zu sein.

Wieder klingelte das Telefon.

Diesmal zwang sie sich, die Augen aufzumachen. Das klang nicht wie ihr Wecker. Da sah sie, dass ihr Chef anrief – Theodore Levy. Und nicht nur das – sie hatte seinen ersten Anruf weggedrückt.

»Hallo, Mr Levy«, sagte sie mit krächzender Stimme.

»Ziehen Sie sich an. Sie müssen kurz rüber zum Büro, um ein Dokument abzuholen, dann treffen wir uns auf dem Revier von Tribeca«, sagte Levy.

»Oh. Na klar. Was soll ich mitbringen?«

»Scott ist jetzt im Büro und geht ein paar Hinweisen nach, aber ich brauche ihn hier. Sie müssen mir eine Mandatserteilung für Alexandra Avellino holen. Die bringen Sie mir her. Ich brauche sie innerhalb der nächsten Dreiviertelstunde. Kommen Sie nicht zu spät.«

Damit legte er auf.

Kate warf die Decken zurück und stieg aus ihrem Bett. Das war das Leben einer frischgebackenen Anwältin. Sie war noch kein halbes Jahr im Job. Die Tinte auf ihrer Zulassung war kaum getrocknet. Scott, auch ein Associate der Kanzlei, war schon im Büro, aber wieso zum Teufel der nicht mitnehmen konnte, was Levy brauchte, hatte Kate nicht zu interessieren. Levy bellte Anordnungen, und die Leute sprangen. Egal, ob es vielleicht eine leichtere oder schnellere Möglichkeit geben mochte. Solange alle in heller Aufregung herumrannten, war Levy glücklich.

Sie sah auf ihre Uhr. Sie würde ein Taxi brauchen. Zwanzig Minuten von ihrer Wohnung zum Büro. Sie versuchte einzuschätzen, wie lange sie von der Kanzlei bis zum Revier vom 1. Bezirk brauchte, und kam zu dem Schluss, dass es vermutlich noch mal zwanzig Minuten dauern würde.

Keine Zeit zu duschen.

Sie stieg aus ihrem Pyjama und den Sportsachen, zog eine Bluse und ein graues Kostüm an. Der Rock war verknittert, aber das machte nichts. Als sie in ihre Strumpfhose stieg, sah sie am rechten Unterschenkel eine Laufmasche. Es war ihr letztes Paar. Fluchend begab sie sich auf die Suche nach ihren Schuhen. Sie stieß sich den Kopf am Durchgang, der das Bett von dem kleinen Bereich abtrennte, in den sie ein Sofa und ein Bücherregal gequetscht hatte – der Bereich, der sich als ihr Wohnzimmer ausgab. Die Stelle an der Stirn tat richtig weh, sodass sie scharf einatmete.

»Na, super«, sagte sie.

Ein Paar adidas-Laufschuhe lagen beim Eingang zu ihrer Wohnung. Die zog sie an, schnappte sich Mantel und Handtasche und machte sich auf den Weg.

Zwanzig Minuten später stieg sie an der Wall Street aus einem Taxi, bat den Fahrer zu warten und rannte zum Eingang des Gebäudes. Mit ihrem Ausweis öffnete sie die Tür und hastete in den gläsernen Eingangsbereich, in dem ein Wachmann hinter einem Schreibtisch saß. Der Fahrstuhl plingte. Die Türen gingen auf, und Kate trat einen Schritt vor, bereit hineinzuspringen. Scott kam aus dem Fahrstuhl, mit einer Akte unterm Arm. Er rempelte Kate an, Schulter an Schulter, riss sie dabei fast um.

»Tut mir leid, Kate, ich hab’s eilig. Levys Sekretärin ist immer noch dabei, den Anwaltsvertrag auszudrucken. Ich konnte nicht darauf warten. Levy will mich jetzt sofort auf dem Revier haben.«

»Warte. Es dauert nur zwei Minuten. Ich hab draußen ein Taxi stehen«, sagte sie.

Scott nickte, wandte sich ab und rannte zum Eingang.

Kate drückte den Knopf zur fünfundzwanzigsten Etage und zählte auf dem Weg nach oben jedes Stockwerk mit. Levys Sekretärin Maureen zog gerade die Seiten aus dem Drucker. Sie steckte sie in eine Mappe und reichte sie Kate.

»Ist das die Mandatserteilung?«

Maureen nickte. Die Blätter waren noch warm vom Drucker.

Wieso hatte Scott nicht warten können, um sie mitzunehmen?

Sie hatte es schon lange aufgegeben, sich solche Fragen beantworten zu wollen. In der Welt einer großen Kanzlei hatte niemand ein Problem damit, zwanzig Anwälte und fünfzig Gehilfen loszuschicken, wenn es ihm auch nur einen winzigen Vorteil gegenüber dem Gegner verschaffte. Sie war losgeschickt worden, den Vertrag zu holen, weil man sie losschicken konnte, den Vertrag zu holen. Kate stieg wieder in den Fahrstuhl, drückte aufs Erdgeschoss, dann hämmerte sie mit dem Mittelfinger auf den Türschließknopf ein. Ungeduldig flüsterte sie mach schon, mach schon, mach schon, während sich die Türen schlossen.

Als sich die Fahrstuhltüren im Erdgeschoss wieder öffneten, stürmte Kate hinaus. Der Wachmann erhob sich, als sie näher kam, und öffnete ihr die Tür.

Atemlos keuchte Kate: »Vielen Dank.« Sie hastete hinaus in die kalte Luft.

Und blieb abrupt stehen.

Ihr Taxi war weg.

Scott.

Arschloch.

In Panik suchte sie die Straße ab. Kein Taxi weit und breit. Sie öffnete die Uber-App auf ihrem Handy. Ihr Vater konnte Uber nicht leiden und hatte sie oft genug davor gewarnt. Die App zeigte ihr an, dass der nächste Fahrer zwei Blocks entfernt war.

Nur Sekunden später hielt der Wagen vor ihr an, und Kate stieg hinten ein. Es war ein metallicblauer Ford. Der Wagen war alt und stank wie ein nasser Hund. Es war zu dunkel, um sich den Fahrer genauer anzusehen, aber sie merkte sich, dass er blond war, dürr und an beiden Armen tätowiert.

Dieser Scott war echt das Allerletzte.

Scott hatte seinen Job als Associate vier Monate nach Kate erhalten. Levy, Bernard & Groff war eine Kanzlei, die den kompletten Service anbot. Sie halfen einem dabei, seine Millionen vor dem Finanzamt zu verstecken, den Partner trotz Ehevertrags übers Ohr zu hauen und jeden zu verklagen, der einem irgendwie quergekommen war. Und für den Fall, dass es mal richtig eng werden sollte, hatten sie Theodore Levy – einen gewieften Anwalt und Strafverteidiger. Kate war durch einige der Abteilungen geschleust worden und hatte sich schlussendlich für das Strafrecht entschieden. Sie besaß eine echte Gabe für diese Arbeit. Levy hatte ein Dutzend Anwälte in seinem Team, an seinen eigenen Fällen arbeitete er aber lieber mit den Jüngeren, sodass die erfahreneren Anwälte sich darauf konzentrieren konnten, ihre Beratungsstunden in Rechnung zu stellen.

Kate war aufgefallen, dass Levy besonders die Nähe der jungen, weiblichen Mitarbeiter suchte.

Scott war erst vor einem Monat zu der Abteilung gestoßen und verstand sich bestens mit dem Chef. Er war Levys kleiner Liebling. Kate merkte es genau. Sie selbst war erst einmal mit Levy zum Lunch gewesen, während ihr Chef Scott schon viermal zum Essen eingeladen hatte. Levy war klein und sah aus wie eine Kröte, Scott dagegen war groß und gertenschlank und hatte Wangenknochen, mit denen man ein Steak weich klopfen konnte. Das eckige Erscheinungsbild des Junganwalts wurde gekrönt von zwei dunkelblauen Augen, die aussahen, als leuchteten dahinter kleine Glühbirnen.

Er hatte ihr das Taxi geklaut, und Kate nahm sich vor, ihm die Meinung zu sagen, sobald sie einen Moment mit ihm allein war.

Der Fahrer blieb wortkarg, und es dauerte nicht lange, bis sie aus dem Wagen stieg und auf das Revier zusteuerte.

Drinnen war der Teufel los.

Anwälte sämtlicher Topkanzleien von Manhattan standen dicht gedrängt und warteten.

Sie entdeckte Levy und Scott auf einer Bank an der hinteren Wand des Raums. Um dorthin zu gelangen, musste sie sich im überfüllten Wartebereich an einem Dutzend anderer Anwälte vorbeizwängen. Manche kannte sie aus dem Fernsehen. Andere von deren Werbung oder Fotos in Fachzeitschriften. Das waren die Leute, die immer bei offiziellen Veranstaltungen der New Yorker Anwaltschaft fotografiert wurden. Alle waren über vierzig. Alle weiß. Alle reich. Alle männlich.

Alle ignorierten sie.

»Verzeihung«, sagte Kate, während sie versuchte, sich einen Weg durch die Menge zu bahnen. Einige waren in angeregte Gespräche vertieft. Golf. Alle reichen weißen Anwälte liebten das Golfspiel. Andere stritten, und wieder andere waren am Telefon. Keiner sah ihr in die Augen. Sie hielt den Kopf gesenkt, schob sich höflich voran, wobei sie leise immer wieder »Verzeihung« murmelte. Mitten in der Menge, wo man Schulter an Schulter stand, spürte sie in ihrem Kreuz Hände, die sie sanft vorwärtsschoben, dann eine andere Hand an ihrem Rücken, schließlich merkte sie, wie diese erst über ihren Oberschenkel strich und danach ihren Po drückte.

Kate hustete, rempelte auf ihrem Weg durch die Menge einen weißhaarigen Anwalt härter an, als dieser erwartet hatte. Hinter sich hörte sie Gelächter. Zwei oder drei Männer amüsierten sich über irgendwas. Wahrscheinlich lachten sie darüber, dass einer ihr an den Hintern gegrapscht hatte. Weder Levy noch Scott blickten auf. Mit hochrotem Gesicht wandte...

Erscheint lt. Verlag 30.11.2022
Reihe/Serie Eddie-Flynn-Reihe
Eddie-Flynn-Reihe
Übersetzer Jörn Ingwersen
Sprache deutsch
Original-Titel Fifty-Fifty
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 2022 • außergewöhnliche Ermittler • Bestseller Autor • eBooks • Eddie Flynn • Ermittlungen • Frauen • Geschenk Weihnachten • krimi und thriller • Neuerscheinung • Neuerscheinung 2022 • New York • Politthriller • Psychothriller • Schwestern • SPIEGEL-Bestseller • Thriller
ISBN-10 3-641-27771-X / 364127771X
ISBN-13 978-3-641-27771-0 / 9783641277710
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