KaDeWe. Haus der Träume (eBook)

Roman - Die Kaufhaus-Saga 1
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
720 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-28914-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

KaDeWe. Haus der Träume -  Marie Lacrosse
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Berlin, Anfang des 20. Jahrhunderts: Das Kaufhaus KaDeWe erstrahlt in Glanz und Luxus - eine Welt, die Judith Bergmann wohl vertraut ist. Denn die Tochter des KaDeWe-Justiziars soll Harry Jandorf heiraten, den einzigen Sohn des Kaufhausgründers. Die aus ärmlichen Verhältnissen stammende Rieke Krause hingegen ist von der Pracht des Kaufhauses schier überwältigt, als sie dort eine Stelle als Verkäuferin antritt. Schon bald verliebt sie sich in ihren Kollegen Hermann. Doch in den Wirren des Ersten Weltkriegs und der Nachkriegszeit werden die Lebenspläne von Judith und Rieke gewaltig durcheinandergewirbelt. Und auch das KaDeWe und sein Eigner Adolf Jandorf stehen vor großen Herausforderungen ....

Marie Lacrosse hat in Psychologie promoviert und arbeitete viele Jahre hauptberuflich als selbstständige Beraterin überwiegend in der freien Wirtschaft. Ihre Autorentätigkeit begann sie unter ihrem wahren Namen Marita Spang und schrieb erfolgreich historische Romane. Heute konzentriert sie sich fast ausschließlich aufs Schreiben. Ihre Trilogie »Das Weingut « wurde ebenso zu einem großen SPIEGEL-Bestseller wie die »Kaffeehaus«-Saga. Die Autorin lebt mit ihrem Mann in einem beschaulichen Weinort. Weitere Romane der Autorin sind bei Goldmann in Vorbereitung.


Kapitel 1


Wohnung der Familie Krause in Meyers Hof


Mai 1914

Als Rieke aufwachte, dachte sie anfangs, das leise Schnarchen ihres Bruders Robert oder der Druck auf ihre Blase habe sie geweckt. Noch schlaftrunken warf sie einen Blick auf den kleinen Wecker neben dem Bett. Erst viertel nach fünf. Eine ganze Stunde zu früh zum Aufstehen.

Dann hörte sie wieder das Poltern, begleitet vom wütenden Knurren ihres Vaters und gefolgt von einem gedämpften Aufschrei ihrer Mutter. Die Geräusche mussten aus der Wohnküche kommen, die ihrer Schlafstube gegenüberlag, und waren wahrscheinlich der eigentliche Grund, dass sie vorzeitig aufgewacht war.

Vorsichtig, um ihre vier Jahre jüngere Schwester Sanni, mit der sie sich das Bett teilte, nicht zu wecken, schälte sich Rieke aus den Laken. Dann öffnete sie die Kammertür und lugte hinaus. Zu dieser frühen Tageszeit war noch kein anderer Bewohner ihrer Etage im dritten Stock des vierten Hinterhauses von Meyers Hof unterwegs. Denn der fensterlose Gang, der die Zweizimmerwohnung der Familie Krause wie alle anderen gleichartigen Wohnungen dieser Mietskaserne durchschnitt, war ein Gemeinschaftsflur.

Die Hand schon auf dem Knauf, verharrte Rieke einen Augenblick lang unschlüssig vor der Küchentür. Dann beschloss sie widerstrebend, zunächst den Gemeinschaftsabort aufzusuchen, der auf dem Treppenabsatz zwischen der dritten und vierten Etage lag. Er wurde von allen Bewohnern des dritten Stockwerks benutzt und war daher häufig ekelerregend schmutzig.

Auch jetzt erkannte Rieke im fahlen Morgenlicht, das durch das Fensterchen fiel, dass sich die letzten Benutzer nach ihrem Toilettengang nicht die Mühe gemacht hatten, das Klosett zu reinigen. Nicht einmal den Holzdeckel hatten sie geschlossen. Es stank zum Gotterbarmen in dem winzigen Kabuff.

Wenigstens war ausreichend Zeitungspapier vorhanden. Mit spitzen Fingern ergriff Rieke eines der Blätter und wischte damit über die Brille. Dann hockte sie sich darüber, ohne die Brille zu berühren, und erleichterte sich.

»Nu stell dir nich so an, Rieke«, hörte sie die Stimme ihrer Mutter in ihrem Kopf. »Früher war’n die Klos im Hof. Sie wurden nur zweemal am Tag jespült, mit Wasser aus ’ner Dachzisterne. Wat meinste wohl, wie’s da erst ausjeseh’n und jerochen hat?«

Rieke, die die früheren Klosetts nicht kannte, weil deren Nachfolgemodelle 1897, im Jahr ihrer Geburt, in Meyers Hof installiert worden waren, war das herzlich egal. Sie verglich die Klos in der Mietskaserne mit den Personaltoiletten im KaDeWe, wo sie seit fast zwei Jahren als Kassenmädchen beschäftigt war. Schon zwischen den reinlichen weiß gekachelten Kabinen für die Angestellten und den stinkenden Löchern in Meyers Hof gab es einen himmelweiten Unterschied. Gar nicht zu reden von den mit Marmor verkleideten Kundentoiletten, die Rieke zwar nicht benutzen durfte, aber in die sie ab und zu einen Blick werfen konnte, wenn sie ihre Mutter nach Dienstschluss noch auf deren abendlichem Inspektionsgang begleitete.

Erst als jemand hart an die Holztür hämmerte, wurde Rieke bewusst, dass sie sich trotz des Gestanks schon länger auf dem Abtritt aufhielt, als es nötig gewesen wäre. Sie huschte in ihrem weißen Nachthemd an dem grobschlächtigen Nachbarn, der Einlass begehrt hatte, vorbei und spürte ihr Herz vor Angst heftig pochen. Was mochte sie wohl in der Küche erwarten?

Die Wohnküchen der Zweizimmerwohnungen in Meyers Hof waren die größeren der beiden Räume. Dort spielte sich das gesamte Familienleben ab. Es wurde gekocht, gewaschen und Heimarbeit verrichtet, wenn es denn welche gab. Wie Riekes Eltern, die sich ein ausziehbares Sofa als Bett teilten, schlief ein Teil der Familie auch darin.

Rieke pochte zaghaft an die Tür. Zu ihrer Erleichterung waren die auf einen Streit hindeutenden Geräusche mittlerweile verstummt. Da sie von drinnen kein Zeichen erhielt, einzutreten, öffnete sie schließlich vorsichtig die Tür.

Ihre Mutter Käthe stand am Ausguss und kühlte mit Wasser ihre nackten Arme, auf denen sich blaue Flecken abzuzeichnen begannen. Riekes Vater Otto lag dagegen bäuchlings auf der Liege, die ihren Eltern als Bett diente, und schnarchte mit offenem Mund. Offensichtlich hatte er ihre Mutter wieder geschlagen. Und ebenfalls offensichtlich war dies wieder im Suff geschehen, dem sich ihr Vater zunehmend ergab. Eine halb volle Schnapsflasche stand auf dem Küchentisch.

»Wat willste denn schon hier, Rieke?« Ihre Mutter drehte sich zu ihr um. Erleichtert konstatierte Rieke, dass Käthes Gesicht unversehrt war. Zumindest hielt sich ihr Vater an das Versprechen, seine Frau nicht mehr ins Gesicht zu schlagen, seit ihm Käthe damit gedroht hatte, sie würde sonst ihre Stellung im KaDeWe verlieren. Denn ihr Chef Adolf Jandorf würde keine Angestellte in der Öffentlichkeit seines Warenhauses dulden, die regelmäßig Spuren von Misshandlungen durch ihren Ehemann aufwies.

»Dit is der Kundschaft nich zuzumuten, würd er sagen«, erklärte Käthe. »Ick muss tagsüber präsentabel ausseh’n, wenn’s was zu putzen jibt.«

Rieke wusste bis heute nicht, ob dies eine Finte ihrer Mutter gewesen war oder der Wahrheit entsprach. Aber selbst ihr verkommener Vater wusste, dass die ganze Familie endgültig im Elend versinken würde, falls Käthe ihre gut bezahlte Stellung im KaDeWe verlor. Dabei war genau diese gut bezahlte Stelle immer öfter der Auslöser für die heftigen Streitigkeiten ihrer Eltern. Denn Otto war neidisch auf seine Frau, erst recht, seitdem er seinen eigenen Arbeitsplatz verloren hatte.

Dass Otto für ihre Mutter einst der Mann ihrer Träume gewesen war, wie Käthe ihr einmal in einer schwachen Stunde verraten hatte, konnte Rieke heute kaum glauben. Doch der zehn Jahre ältere Otto war einst der schniekste Frauenheld im ganzen Viertel gewesen. Und die damals nicht einmal zwanzigjährige Käthe nur zu stolz darauf, dass er ausgerechnet sie zu seinem Liebchen erwählt hatte.

Als sie schließlich merkte, dass sie mit Otto doch nicht das große Los gezogen hatte, war es zu spät. Käthe war bereits mit Riekes älterem Bruder Robert schwanger. Also hatten ihre Eltern geheiratet, und damit schien die ganze Misere begonnen zu haben.

Lange hatte Otto in der nahe der Ackerstraße gelegenen Apparatefabrik der AEG eine gute Stelle als Lagerarbeiter innegehabt. Doch immer häufiger kam es vor, dass er seinen gesamten Wochenlohn vertrank und Käthe nicht wusste, wovon sie die größer werdende Familie ernähren, geschweige denn die Miete bezahlen sollte.

Eine Weile half ihr Ottos Vorarbeiter Fritz, der sich ehemals selbst um Käthe bemüht, damals aber den Kürzeren gezogen hatte. Er traf die Übereinkunft mit ihr, dafür zu sorgen, dass Otto nur die Hälfte seines Lohns ausbezahlt wurde. Die andere Hälfte händigte er Käthe aus. Da Fritz Otto immer wieder deckte, wenn er angetrunken am Arbeitsplatz erschien, ließ der sich das nach anfänglichem Protest schließlich mürrisch gefallen.

Trotzdem reichte das Geld hinten und vorn nicht. Als Riekes kleine Schwester Sanni aus dem Gröbsten heraus war, nahm Käthe daher die Stellung als Putzfrau in Adolf Jandorfs Warenhaus am Weinberg an, der sie danach ihren raschen Aufstieg verdankte. Da Käthe durch ihren Wechsel ins KaDeWe sogar die beträchtliche Summe von siebzig Mark Lohn pro Monat erhielt, ging es der Familie eine kurze Zeit lang sogar verhältnismäßig gut. Wenn man einmal davon absah, dass Otto, der ehemals selbst nur fünfzehn Mark mehr verdient hatte, Käthe ihren Aufstieg nicht gönnte und dies immer häufiger zu Streitigkeiten und schließlich zu Gewalttätigkeiten führte.

Dann brach vor drei Jahren im Frühjahr 1911 das Unglück über die Familie herein. Otto war wieder einmal betrunken zu seiner Schicht im Lager der Fabrik erschienen. Deshalb vergaß er, Bremsklötze unter die Räder eines mit schwerem Gerät beladenen Rollwagens zu legen. Der Wagen setzte sich in Bewegung und gewann auf der leicht abschüssigen Bahn der Lagerhalle immer rascher an Fahrt. Zuerst brach sich Otto beim vergeblichen Versuch, den Wagen zu stoppen, den linken Arm. Dann traf das Gefährt mit voller Wucht einen seiner Arbeitskollegen in den Rücken. Der Mann brach sich dabei die Wirbelsäule und war seither von der Hüfte an abwärts gelähmt.

»Nu kann ooch ick nüscht mehr für dein Otto tun«, bedauerte der Vorarbeiter Fritz gegenüber Käthe dessen unmittelbar darauffolgende fristlose Entlassung. Dabei konnte Otto noch von Glück sagen, dass die Fabrik ihn nicht auf Schadenersatz für die beschädigte Fracht des Rollwagens verklagte und dem verletzten Kollegen freiwillig eine Invalidenrente zahlte.

Doch Ottos Beitrag zum Familieneinkommen, der schon vorher aufgrund seiner Trunksucht überschaubar gewesen war, sank nun nahezu gegen null. Wenn überhaupt, nahm er ab und zu auf wenige Tage befristete Gelegenheitsarbeiten am Bau oder bei Umzügen an. Käthe musste das bisschen vorhandene Geld noch vor ihm verstecken, damit er es nicht in die verkommenen Kneipen trug, von denen es im Arbeiterviertel Wedding nur so wimmelte.

In ihrer Not blieb Käthe daher nichts anderes übrig, als die Stube, in der ihre drei Kinder schliefen und in die gerade einmal zwei schmale Betten passten, tagsüber an Schlafburschen zu vermieten. Das waren alleinstehende Arbeiter, die sich keine andere Bleibe leisten konnten und nach ihrer Nachtschicht dort Quartier...

Erscheint lt. Verlag 1.10.2022
Reihe/Serie KaDeWe
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte 2022 • Band 1 • Berlin • Bestseller Autorin • eBooks • Familiensaga • Frauen • Frauenromane • Liebesromane • Neuerscheinung • Neuerscheinung 2022 • Paperback • Reihe Reihenauftakt • Roman • Romane
ISBN-10 3-641-28914-9 / 3641289149
ISBN-13 978-3-641-28914-0 / 9783641289140
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