Gespenster-Krimi 94 (eBook)

Medusas Sohn

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Aufl. 2022
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-3240-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Gespenster-Krimi 94 - Michael Schauer
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Seit Jahren hatte niemand diesen Platz betreten.
Er lag irgendwo in einem vergessenen Teil der Stadt, umsäumt von mannshohen Mauern und nur durch ein schmales Tor zugänglich. Eine unheimliche Stille lag über dem Hof. Nicht einmal die Vögel wagten es, hier zu landen, um eine Rast einzulegen oder nach Futter zu suchen.
Bis auf die Statue war er leer.
Sie stand vor der Mauer gegenüber dem Tor, sodass jeder, der durch die Öffnung ging, sie sogleich sehen musste. Sie bestand aus schwarz glänzendem Stein und stellte einen jungen Mann dar. Er war durchschnittlich groß und von schlanker Gestalt, das Gesicht ebenmäßig, mit scharf geschnittenen Zügen, die Augen waren auf einen Punkt in der Unendlichkeit gerichtet. Er trug ein schlichtes Gewand, das ihm bis knapp über die Knie reichte, und einfache Sandalen. Seine Arme hatte er erhoben, die Finger waren zu Klauen gespreizt.
Er war das Böse ...


Medusas Sohn

von Michael Schauer

Seit Jahren hatte niemand diesen Platz betreten.

Er lag irgendwo in einem vergessenen Teil der Stadt, umsäumt von mannshohen Mauern und nur durch ein schmales Tor zugänglich. Seine Form war viereckig, und an jeder Seite maß er kaum zwanzig Fuß. Auf der trockenen Erde sprossen nur hier und da einige Büschel Grashalme. Eine unheimliche Stille lag über dem Hof. Nicht einmal die Vögel wagten es, hier zu landen, um eine Rast einzulegen oder nach Futter zu suchen.

Bis auf die Statue war er leer.

Sie stand vor der Mauer gegenüber dem Tor, sodass jeder, der durch die Öffnung ging, sie sogleich sehen musste. Sie bestand aus schwarz glänzendem Stein und stellte einen jungen Mann dar. Er war durchschnittlich groß und von schlanker Gestalt, das Gesicht ebenmäßig, mit scharf geschnittenen Zügen, die Augen waren auf einen Punkt in der Unendlichkeit gerichtet. Er trug ein schlichtes Gewand, das ihm bis knapp über die Knie reichte, und einfache Sandalen. Seine Arme hatte er erhoben, die Finger waren zu Klauen gespreizt.

Er war das Böse ...

Rom, 63 n. Chr.

Von ihren Ordensschwestern abgesehen, war Eunika auf ihrer langen Reise meist allein gewesen. Vielleicht machten sie die Hunderten von Menschen, die in Richtung des Stadttors strömten, deshalb so nervös.

Stimmengewirr lag in der Luft, Wortfetzen aus verschiedenen Sprachen, die sie allesamt nicht kannte, drangen an ihre Ohren. Ein Mann rempelte sie an, als er sie mit schnellen Schritten überholte. Ohne sie auch nur zu beachten, hastete er davon. Sie verzichtete darauf, ihm eine Verwünschung hinterherzuschicken. Mit einem empörten Schnauben schlug sie die Kapuze ihres dunkelbraunen Mantels zurück, um besser sehen zu können.

Vor ihr erhob sich Rom. Die Stadt, die als das Zentrum der Welt galt. Die Heimat der mächtigen Römer, die über alles und jeden zu herrschen schienen und die so viele Völker unterworfen hatten – auch das griechische, dem sie angehörte.

Sie hatte viel von Rom gehört, doch nichts davon hatte sie darauf vorbereiten können, es in der Wirklichkeit zu sehen. Schon die mächtigen Stadtmauern wirkten einzigartig und waren mit nichts zu vergleichen, was sie kannte. Beinahe verspürte sie einen Anflug von Demut gegenüber diesen Römern, die dazu imstande waren, etwas Derartiges zu erschaffen.

Mit einem Blick über die Schulter stellte sie fest, dass es ihren Schwestern ähnlich ging. Wie gebannt starrten sie auf die Mauern und schienen gar nicht zu merken, dass ihre Anführerin sie musterte.

Sie waren zu fünft, und Eunika als ihre Anführerin war mit ihren beinahe vierzig Jahren die Älteste von ihnen. In den Augen von Zoe, keine zwanzig Sommer alt und damit die Jüngste, lag ein aufgeregter Glanz, was ihr irgendwie missfiel. Zum wiederholten Male fragte sie sich, ob es richtig gewesen war, die junge Frau mitzunehmen. Sie hatte sich flatterhaft und launisch gegeben, was ein typischer Wesenszug der Jugend war. An einem Tag war sie voller Inbrunst und Leidenschaft für ihre Mission gewesen, am nächsten hatte sie sich unablässig über die Strapazen der Reise beschwert.

Mit ihren schwarzen Locken, die ihr beinahe bis zur Hüfte reichten, und ihrer schlanken Gestalt hatte Zoe auf dem langen Weg von Griechenland nach Italien ein ums andere Mal die begehrlichen Blicke von Männern auf sich gezogen, was ihr offenkundig gefallen hatte. Dies zu Eunikas Unmut, denn Ablenkung jeglicher Art konnte sie nicht dulden. Bei ihrer Reise durfte es einzig und allein um das große Ziel gehen.

Einmal hatte sie Zoe mit einem jungen Phönizier erwischt, der gerade seine Hand unter ihr Gewand hatte schieben wollen. Ihn hatte sie davongejagt, ihr hatte sie eine tüchtige Tracht Prügel versetzt. Nach diesem Vorkommnis hatte Zoe einige Tage lang kein Wort gesprochen, und Eunika hatte sich schon gefragt, ob sie den Orden verlassen würde, doch sie war geblieben. Das Veilchen unter ihrem Auge war inzwischen verschwunden.

Eunika sah wieder nach vorn. Am Stadttor hatte sich eine Handvoll römischer Soldaten postiert. Misstrauisch beäugten sie die Menge, die sich lärmend an ihnen vorbei ins Innere schob. Einer von ihnen, ein junger Mann mit wachen, grünen Augen, blieb mit seinem Blick an ihrer kleinen Gruppe hängen. Seine Stirn legte sich in Falten.

Unruhe stieg in ihr auf. Der Legionär sah fünf Frauen unterschiedlichen Alters vor sich, die alle die gleichen blauen Gewänder und die gleichen braunen Mäntel trugen. Damit hatten sie seine Aufmerksamkeit geweckt.

Sie schalt sich eine Närrin, weil sie sich nicht für eine unauffälligere Kleidung entschieden hatte. Zu Hause demonstrierten sie mit ihrem einheitlichen Aussehen ihren Dienst für den Orden, so wie auch Soldaten dieselben Uniformen trugen. Jeder, der ihnen begegnete, wusste, mit wem er es zu tun hatte.

Aber nicht hier in Rom.

Als sie gerade an ihm vorbeigehen wollte, trat er ihr in den Weg. Er fragte etwas in seiner Sprache, die sie nicht verstand. Für sein Alter klang seine Stimme ungewöhnlich tief. Eine Hand ruhte auf dem Griff seines Schwerts, das er an einem Gurt an seiner linken Hüfte trug. Eunika wusste, dass die Römer ihre Schwerter Gladius nannten. Eine furchtbare Waffe, die schreckliche Wunden reißen konnte, wie ihr erzählt worden war.

»Bitte, sprichst du Griechisch?«, erwiderte sie in ihrer Muttersprache.

Der Soldat nickte.

»Wo wollt ihr hin?«, wiederholte er seine Frage.

»In die Stadt«, antwortete sie.

Seine Brauen zogen sich zusammen. »Halte mich nicht zum Narren, Weib, das kann ich mir denken, dass ihr in die Stadt wollt. Aber was genau habt ihr dort vor?«

Zum Glück hatte sie sich für den Fall, dass sie jemand danach fragte, eine Geschichte zurechtgelegt.

»Wir möchten eine Weinhandlung eröffnen«, erklärte sie ihm, ohne zu zögern. »Wir haben gehört, ihr Römer liebt gute Weine.«

Ein verblüffter Ausdruck erschien auf seinem Gesicht.

»Eine Weinhandlung? Und wo sind eure Weine? In die Bündel, die ihr bei euch tragt, passen kaum zwei Amphoren hinein.«

»Wir suchen zunächst nach geeigneten Räumen. Die Weine werden erst in zwei Wochen geliefert. Sobald wir eröffnet haben, komme ich gerne zurück und bringe dir etwas zum Probieren.«

»Und warum tragt ihr alle dieselbe Kleidung?«

Sie lächelte höflich und zuckte mit den Schultern. Darauf wusste sie keine Antwort, die seine Neugier nicht noch weiter angefacht hätte.

Hinter der Stirn des Legionärs arbeitete es. Entweder lag es an der Aussicht auf einen kostenlosen Wein, oder er war zu dem Schluss gekommen, dass von fünf Griechinnen keine Gefahr für Rom ausging, ganz gleich, was sie anhatten und was sie in der Stadt zu suchen haben mochten. Jedenfalls gab er den Weg frei.

»Ihr könnt passieren«, sagte er, ohne sie dabei anzusehen. Sein Blick war jetzt auf etwas hinter ihr gerichtet, und ein Grinsen hatte sich auf seinem Gesicht ausgebreitet.

Wahrscheinlich hatte er Zoe entdeckt, und sie hätte schwören können, dass diese ihn in diesem Moment anlächelte. Sie drehte sich jedoch nicht um, um die junge Frau zu maßregeln. In diesem Moment kam ihr ihre Schönheit gerade recht.

»Danke«, sagte sie stattdessen nur und setzte sich wieder in Bewegung.

Von innen war Rom noch beeindruckender als von außen. Staunend betrachtete Eunika die mehrstöckigen Gebäude, die sich überall erhoben. Wie, in aller Welt, war es möglich, dass Menschen solche Bauwerke errichteten? In ihrem Dorf gab es nur Hütten, die gegen diese Häuser ebenso winzig wie schäbig wirkten. Auf ihrer Reise hatten sie viel Erstaunliches gesehen, aber nichts reichte an diesen Anblick heran.

Rechts von ihnen befand sich ein Markt, auf dem Händler Einheimischen und Neuankömmlingen ihre Waren feilboten. Auf kleinen Feuern brutzelten Fleischspießchen, und es wurde Brot geröstet, woanders wurden Wasser und Wein in großen Bechern aus Ton angeboten. Ein köstlicher Duft nach Gebratenem und frischen Backwaren lag in der Luft. Eunika beobachtete drei römische Frauen, die zwischen den Ständen hindurch schlenderten und sich dabei angeregt unterhielten. Sie waren großgewachsen und strahlten eine natürliche Eleganz aus.

Auf der linken Seite führten mehrere Straßen und Gassen tiefer in die Stadt hinein. Und überall waren Menschen, die in alle Richtungen gleichzeitig zu strömen schienen.

»Was tun wir jetzt, Eunika?«

Sie löste sich aus ihrer staunenden Erstarrung. Sofia, ihre engste Vertraute, war an sie herangetreten.

»Als Erstes suchen wir uns eine Unterkunft«, entschied sie. »Wir brauchen Lebensmittel, unsere Vorräte sind fast erschöpft. Und dann warten wir.«

»Ob er uns zwischen diesen Massen finden wird? Ich habe noch nie so viele Menschen auf so engem Raum gesehen.«

Eunika lächelte. »Er wird uns finden, da bin ich mir sicher. Ich hatte während unserer Reise einige Male das Gefühl, dass er über uns wacht. Vermutlich weiß er bereits, dass wir Rom erreicht haben.«

»Hast du wieder von ihm...

Erscheint lt. Verlag 17.5.2022
Reihe/Serie Gespenster-Krimi
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond
ISBN-10 3-7517-3240-3 / 3751732403
ISBN-13 978-3-7517-3240-6 / 9783751732406
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