Gut Erlensee - Cäcilias Erbe (eBook)

Roman
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2022 | 1. Auflage
416 Seiten
HarperCollins eBook (Verlag)
978-3-7499-0467-9 (ISBN)

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Gut Erlensee - Cäcilias Erbe - Juliana Weinberg
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Was tust du, wenn die Liebe deinen größten Traum zerstören könnte?

März 1923 bei Kiel. Cäcilia Herringer kann es kaum glauben: Sie hat es geschafft und die Ausbildung zur Lehrerin erfolgreich abgeschlossen. Dass sie für ihren großen Traum auf eine Ehe und Kinder verzichten muss, ist der jungen Frau egal, denn sie will sich auf keinen Fall wieder in die Abhängigkeit eines Mannes begeben. Aber dann trifft Cäcilia den Physiker Jakob Kaltenbrunn, und das erste Mal in ihrem Leben hat sie das Gefühl, dass jemand ihre Begeisterung für Wissen versteht. Und während die Bindung zu ihrer neuen Familie auf Gut Erlensee, zu ihrem Patenonkel und ihren Cousinen auseinanderzubrechen droht, ist Jakob immer an ihrer Seite. Doch Cäcilia kann es sich auf keinen Fall erlauben, sich zu verlieben ...



Juliana Weinberg wurde in Neustadt an der Weinstraße geboren. Sie schreibt Bücher, seit sie acht Jahre alt ist. Außerdem interessiert sie sich für fremde Sprachen und Kulturen. Gemeinsam mit ihrem Mann und ihren drei Kindern lebt sie im Pfälzerwald.

Kapitel 1


März 1922

Cäcilia

Sie sah sich verstohlen in der Aula des Lehrerinnenseminars um. Mattes Sonnenlicht fiel durch die hohen Fenster und warf hier und da goldene Reflexe auf die Haarschöpfe ihrer Mitstudentinnen. Fanny Wieland, die Nichte ihres Patenonkels Hermann, saß wie immer an ihrer Seite. Sämtliche Stadien der Lehrerinnenausbildung hatten sie gemeinsam durchlaufen, das Examen erfolgreich absolviert und sich auch ein Zimmer im Wohnheim geteilt.

»Hoffentlich ist die Rede bald zu Ende«, raunte Fanny ihr zu und stieß verdrossen einen Seufzer aus. »Ich sterbe vor Hunger, ich möchte endlich nach Hause und das Labskaus mit Spiegelei vertilgen, das Rosie eigens für meinen Festtag zubereitet.«

Cäcilia schmunzelte. Dass Fanny der ausschweifenden Ansprache von Doktor Weiß kaum folgte, überraschte sie nicht, interessierte sich ihre Freundin doch wenig für salbungsvolle Worte. Sie richtete den Blick wieder nach vorne und lauschte dem Seminarleiter, der die jungen Damen mit den strengen Frisuren und den schmucklosen dunkelblauen Kleidern, die im Hause Vorschrift waren, eindringlich musterte, während er sprach.

»Bevor ich Ihnen Ihre Urkunden überreiche und Sie in den baldigen Lehrdienst entlasse, möchte ich noch ein paar Sätze zum Rollenbild der Lehrerin anmerken.«

Cäcilia hörte, wie Fanny auf dem Nebenstuhl gähnte. Sofort durchbohrten die dunklen Augen des Seminarleiters die Freundin, die er ohnehin die gesamte Studienzeit hindurch im Auge gehabt hatte, da ihm ihre sorglose Haltung und vor allem die modische Erscheinung mit dem zu einem schwarz glänzenden Bob geschnittenen Haar, das dem neuesten Chic entsprach, missfielen. »Der Lehrerinnenzölibat wurde, wie Sie wissen, im Jahre 1919 durch die Weimarer Reichsverfassung abgeschafft«, fuhr er in grimmigem Ernst fort. »Jedoch gibt es Bestrebungen, diesen wieder einzuführen. Das basiert zum Teil auf wirtschaftlichen Grundlagen. Sobald die Arbeitslosenzahlen steigen, werden nur noch Männer beschäftigt. Undenkbar, dass Frauen in wirtschaftlich schlechten Zeiten auf ihrem Posten beharren und dadurch Männern die Möglichkeit nehmen, in Lohn und Brot zu stehen! Aber der Lehrerinnenzölibat hat noch ganz andere Ursprünge. Es entspricht nicht dem Wesen einer Frau, den Belastungen eines Berufs und einer Familie gleichermaßen standzuhalten.«

An dieser Stelle ließ Doktor Weiß seinen scharfen Blick über die Junglehrerinnen schweifen, als wolle er möglichen Widerspruch im Keim ersticken. Doch außer Fanny, die kaum hörbar schnaubte, äußerte sich niemand. Auch Cäcilia wurde langsam ungeduldig. Der Seminarleiter hatte seine Meinung über die Pflichten der Frau bereits oft im Unterricht kundgetan, außerdem wanderten ihre Gedanken immer stärker zu ihrer Ziehschwester Margareta, Onkel Hermanns Tochter, die sie und Fanny nach Übergabe der Zeugnisse abholen würde. Margareta war das wandelnde Beispiel dafür, dass Frauen es schaffen konnten, einem Beruf nachzugehen, ohne auf eine Familie zu verzichten. Gemeinsam mit ihrem Mann Konrad führte sie eine Druckerei in Langwedel; ihren einjährigen Sohn Korbinian vernachlässigte sie dabei keine Sekunde.

»Die Lehrtätigkeit ist nicht nur ein Beruf – sie stellt auch eine Berufung dar. Die Schule verlangt ihre ungeteilte Aufmerksamkeit, meine Damen. Es ist schlichtweg unmöglich, sich hingebungsvoll seinen Schülern zu widmen und gleichzeitig den Bedürfnissen eines Ehemanns, geschweige denn eigener Kinder, zu genügen.«

Sie hörte, wie Fannys Magen laut knurrte, und bemerkte aus dem Augenwinkel, wie die Freundin demonstrativ zu der großen Uhr über der Bühne, auf der der Seminarleiter am Rednerpult stand, sah. Auch sie selbst hoffte, Doktor Weiß möge endlich zum Schluss seiner Ausführungen kommen, die für sie sowieso nicht relevant waren. Cäcilia hatte nicht vor zu heiraten. Die Beziehung zwischen ihrer verstorbenen Mutter und ihrem Vater, der nach wie vor in Nürnberg seine Maschinenfabrik leitete, war unterkühlt, ja distanziert gewesen. Auch ihr Patenonkel Hermann und seine Frau Adelheid, zu denen ihr Vater sie nach Mutters Tod geschickt – besser gesagt abgeschoben – hatte, führten eine merkwürdige Ehe. Hermanns aufbrausende Art und Adelheids ständige Nörgelei schienen nicht so recht zusammenzupassen. Nein, sie wünschte sich nichts mehr, als selbstständig zu sein, auch wenn das bedeutete, dass sie allein bleiben würde. Sie freute sich sehr darauf, bald eine Schule zugewiesen zu bekommen, endlich Kinder unterrichten zu dürfen und ihnen alles Wissen, das sie besaß, weiterzugeben, um sie fürs Leben zu rüsten. Eine Ehe konnte wohl kaum befriedigender sein als solch eine wertvolle Aufgabe.

»Kommen wir nun zur Übergabe Ihrer Urkunden«, beendete Doktor Weiß seine Rede. Unverzüglich erfüllte das Knarren und Schieben von Stühlen die Aula, und die Lehramtsanwärterinnen reihten sich in eine lange Schlange ein, um ihr Zeugnis und einen letzten Händedruck des Seminarleiters entgegenzunehmen.

Das nachfolgende lebhafte Geplauder und Gelächter der jungen Frauen, die dem Ausgang entgegenstrebten, hatte nichts mehr mit der so stillen Atmosphäre in der Aula zu tun. Auch Cäcilia und Fanny liefen leichtfüßig zum Nebengebäude, wo das Wohnheim untergebracht war. Es war noch winterlich kühl, aber zu beiden Seiten des Weges blühten bereits gelbe Narzissen und blaue Hyazinthen, und es roch nach frischer Erde. Der Frühling war nicht mehr weit, und Cäcilia wurde es warm vor Freude, als sie an die kommende Zeit dachte. Bis Ostern hatte sie nun frei, danach begannen das neue Schuljahr und ihre Tätigkeit.

»Hoffentlich spannt uns die Schulbehörde nicht zu lange auf die Folter und gibt uns bald Bescheid, an welche Schule wir kommen.« Cäcilia drehte den Schlüssel im Schloss, und sie betraten zum letzten Mal ihr Zimmer. Nach den Ferien würden neue Studentinnen darin wohnen. Wehmut umklammerte ihr Herz. Es war eine schöne Zeit gewesen in Kiel, das Lernen und Zusammensein mit Fanny hatte ihr großen Spaß bereitet. »Ich kann es kaum erwarten zu erfahren, ob ich an meiner Wunschschule arbeiten darf. Der alte Lehrer geht in den Ruhestand, Platz wäre für mich.«

Fanny warf ihr übermütig ein Strumpfband zu, das Cäcilia am Morgen vergessen hatte, in ihren Koffer zu packen. »Ich bin mir sicher, dass sie dich nach Langwedel an den Erlensee schicken – das Nest ist so langweilig, da möchte doch sonst niemand hin.«

Cäcilia lachte, stopfte ihr Strumpfband in den Koffer und versuchte mühsam, ihn wieder zu schließen. »Das sagt die Richtige. Du willst doch auch in die Nähe des Erlensees, so öde kann es dort gar nicht sein.«

»Warte, ich helfe dir.« Fanny setzte sich auf den Koffer, und Cäcilia gelang es unter einigem Ächzen, die Riegel zu schließen. »Du weißt doch, dass ich aus einem anderen Grund dorthin möchte. In Kiel will ich nicht bleiben. Mutter würde verlangen, dass ich zu Hause wohne. Wie meine ganze Kindheit über wäre ich unter ihrer Fuchtel. Aber ich bin zweiundzwanzig, Cäcilia, genauso alt wie du, wir sind erwachsene Frauen. Mutter versteht das nicht. Lehrerin zu werden war meine einzige Chance, von zu Hause wegzukommen, ohne gleich den Erstbesten heiraten zu müssen. Wenn ich in die Nähe von Onkel Hermann käme, wäre Mutter beruhigt – sie geht davon aus, dass er ein Auge auf mich hätte.«

»Onkel Hermann hat mit seinen vier Kindern und mir genug zu tun«, entgegnete Cäcilia scherzhaft. »So, das Ungetüm ist endlich zu. Jetzt muss nur noch Margareta kommen, um uns abzuholen.«

Wie aufs Stichwort klopfte es an die Tür, und gleich darauf stand Cäcilias Ziehschwester Margareta in einem Staubmantel und mit einem Glockenhut auf den kastanienbraunen Locken in der Tür. Sie begrüßten und umarmten sich ausgelassen.

»Darf man gratulieren, oder seid ihr beiden durchgerasselt?«, fragte Margareta in gespieltem Ernst.

»Was denkst du denn, wir haben natürlich bestanden.«

»Meinen allerherzlichsten Glückwunsch! Ihr seid nach mir die nächsten Frauen in der Familie, die einen Beruf ergreifen. Zu Hause feiern wir.«

Cäcilia sah sich ein letztes Mal um, ob sie auch nichts vergessen hatte. Mit einer leisen Traurigkeit im Herzen, die sich mit der überbordenden Freude, einem neuen Lebensabschnitt entgegenzusehen, vermischte, folgte sie Margareta und Fanny aus dem Zimmer.

Unten an der Straße, an der die Bäume erstes frisches Grün zeigten, erwartete sie ein kleines Automobil in glänzendem Nachtblau.

»Ich glaube es nicht!«, rief Cäcilia überrascht und stellte ihren Koffer auf dem Gehweg ab. »Ihr habt ein Auto, du und Konrad? Ich dachte, wir nehmen uns eine Droschke und lassen uns zum Bahnhof bringen.«

»Ein nagelneuer Komet«, erklärte Margareta stolz.

Auch Fanny zeigte sich beeindruckt. »Und du kannst ihn fahren?«

»Selbstredend, ich habe vor Kurzem meinen Führerschein erworben.«

Für das viele Gepäck war der Kleinwagen nicht ausgerichtet, doch sie schafften es, die Koffer zu verstauen und sich selbst noch ins Innere des Gefährts zu zwängen. Sicher navigierte Margareta das Automobil durch die Straßen Kiels bis zu Fannys Elternhaus.

Fannys übermütige Stimmung von zuvor verdüsterte sich. »Ich werde dich vermissen, Cäcilia.« In der Enge des Wagens fielen sie sich in die Arme und verharrten so einen langen Moment.

Cäcilia stiegen die Tränen in die Augen, doch sie unterdrückte sie rasch, denn dies sollte ein fröhlicher Tag sein, kein trübsinniger. »Wir schreiben uns. Und mit ein bisschen Glück bekommen wir bald Post, in der steht, dass sich unsere...

Erscheint lt. Verlag 27.12.2022
Reihe/Serie Das Gut am Erlensee
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Anwesen • bücher für frauen • Café Engel • Carmen Korn • Die Schokoladenvilla • Die Schwestern vom Ku'damm • Druckfabrik • Familienbande • Familiendynastie • Familiengeschichte • Familienroman • Familiensaga • familiensaga 20.jahrhundert • Familiensaga Deutschland • familiensaga trilogie • Gestüt • Große Liebe • Historische Liebesromane • Liebesroman • nach dem Krieg • Ostsee • Pferde • Reiten • Saga • Seidenstadt Saga • Starke Frauen • Tuchvilla • Wahlrecht
ISBN-10 3-7499-0467-7 / 3749904677
ISBN-13 978-3-7499-0467-9 / 9783749904679
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