Die Pionierin im ewigen Eis (eBook)

Josephine Peary - Fernab der Zivilisation fand sie in der Polarnacht ihr größtes Glück

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
336 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60246-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Pionierin im ewigen Eis -  Agnes Imhof
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Eine Frau im ewigen Eis und ein Baby, geboren in der Polarnacht 1891. Grönland, raue Schönheit und die Heimat der fremden Inuit - voller Neugier und Lust auf Abenteuer startet Josephine Peary zu ihrer ersten Arktisexpedition. Sie ist überglücklich, ihren Mann Robert begleiten zu dürfen. Indem sie Freundschaft mit der Inuk Arnakittoq schließt und akribisch Tagebuch führt, gelingt es ihr sogar, einen wissenschaftlichen Beitrag zu leisten. Als sie schwanger wird, ist Josephines Glück perfekt. Allerdings hat sich die Beziehung zu Robert verändert, ihm missfällt die Eigenständigkeit seiner Frau. Hat ihre Liebe in der Kälte des Nordens eine Chance?

Agnes Imhof, geboren 1973 in München, studierte Philosophie, ist promovierte Islam- und Religionswissenschaftlerin und spricht unter anderem Arabisch, Persisch und Italienisch. Die Islamexpertin ist in klassischem Gesang ausgebildet und liebt den Schwertkampf. Zusammen mit ihrem Mann und ihrer Tochter lebt sie bei München. »Die Königin der Seidenstraße« ist nach »Das Buch des Smaragds« ihr zweiter Roman.

Kapitel 2


»Matt? Ich brauche noch mehr Trockenfleisch!«

»Kommt, Mrs Peary!« Matthew Henson, Berts Assistent, kam mit der Stange, über der die getrockneten Fleischfetzen hingen, in die Küche. Mit einem eleganten Schwung ließ er sie auf dem Tisch landen, und mit beachtlicher Virtuosität schaffte er es, dass keines davon auf den Boden fiel. Auf ihn war Verlass, egal, ob es darum ging, den Kaffee zu servieren oder die Welt zu entdecken. Darüber hinaus sah er mit seinem modischen Schnurrbart, dem kurzen schwarzen Haar und den lebhaften dunklen Augen auch noch gut aus. Bert schätzte ihn für seine Tüchtigkeit und dafür, dass er dabei präsentabel war. Auch Josephine fühlte sich ihm verbunden. Genau wie sie hatte Matt einen ungezügelten Wissensdurst. Sie beide eroberten nicht nur eine fremde Welt, wenn sie den Marineoffizier Peary begleiteten, sondern auch einen Bereich, der ihnen eigentlich verschlossen war – Matt wegen seiner schwarzen Hautfarbe, ihr wegen ihres Geschlechts. Ein halbes Jahr hatten sie mit den Vorbereitungen für die Expedition verbracht. Nächsten Monat ist es endlich so weit!, dachte Josephine, und ihr Herz schlug schneller.

Über dem Herd hingen Pfannen und andere Gerätschaften. Es war ein modernes Modell, mit Platten, die von unten durch ein Feuer hinter einer Eisentür beheizt wurden, sodass man keinen Rauch in der Küche hatte. Ansonsten gab es mehrere große Vorrats- und Büfettschränke und eine Kommode mit Geschirr. Durch die hohen Sprossenfenster fiel die Maisonne herein, die hier in Philadelphia schon ziemlich heiß war. Mrs Collins, die wie ein weiteres Möbelstück in dem Sessel an der Fensterbank saß, rümpfte beim Anblick der Trockenfleischfetzen die Nase. Josephines Nachbarin war vorhin herübergekommen, und es hatte geklungen, als betrachte sie den Abschied als einen für immer. Mit Daumen und Zeigefinger hielt Mrs Collins ihre Kaffeetasse, als hätte sie permanent Sorge, ihr elegantes Kleid zu beschmutzen. Der dunkelblaue Stoff mit schwarzen Spitzeneinsätzen an Hals und Brust brachte ihr blondes Haar zur Geltung und bildete einen aparten Kontrast zu ihrem hellen Teint mit den blassblauen Augen und den vollen, etwas farblosen Lippen. Mit dem Polster am Allerwertesten und dem engen Korsett konnte sie überhaupt nur in leicht vorgebeugter Haltung sitzen. Aber das musste eben sein, wenn man eine schlanke Taille und volle Brüste zeigen wollte. Und das wollte Mrs Collins offenbar, denn mit knapp fünfunddreißig war sie noch nicht alt genug für eine Bratwursttaille.

»Unvorstellbar, dass Sie dort hausen wollen«, meinte sie. »In Schnee und Eis und unter Wilden. Wie wollen Sie denn dort baden? Oder Ihre Frisur stecken, wenn überall der Sturm tost? Haben Sie Servietten eingepackt? Unter all den Männern werden die Tischmanieren als Erstes leiden, meine Liebe.«

»Keine Sorge. Es ist auch nicht viel anders als bei einer Jagdpartie, wenn man ein paar Tage im Blockhaus haust.« Wenigstens war ihre Schwiegermutter heute Mittag endlich abgerauscht. Vermutlich der festen Überzeugung, dass dieses junge Ding mit dem Kopf voller Flausen ihren Goldjungen in der Arktis verhungern lassen würde. Dagegen war die zimperliche Mrs Collins das reinste Vergnügen.

»Sechs Männern werden selbst Sie nicht beibringen können, ihre schmutzigen Stiefel auszuziehen und sich jeden Tag zwei Mal zu rasieren, Liebes.« Sie schnüffelte. »Das wollen Sie wirklich essen? Indianerkost?«

»Pemmikan ist jahrelang haltbar und enthält alles, was der Körper braucht. Also ja.«

Josephine und Matt breiteten die getrockneten Fleischfetzen aus. Sorgfältig überprüfte er jeden einzelnen, seine schlanken Finger hätten die eines Klavierspielers sein können, wenn man denn Menschen wie ihm andere als dienende Berufe zugestanden hätte. Das Fleisch musste brechen, wenn man es bog, sonst war noch Feuchtigkeit darin, und das Pemmikan würde schnell verderben. Das Rezept war tatsächlich vom Stamm der Cree übernommen worden, die sich davon auf Jagden tagelang ernährten. Auch die Völker der Arktis kannten Trockenfleisch, und Bert wollte es dieses Mal auf seine Expedition mitnehmen. Auf dem Herd schmolz schon eine gewaltige Pfanne duftenden Rindertalgs.

»Was serviert man nur zu so etwas?« Kopfschüttelnd erhob sich Mrs Collins. »Nun, Sie werden schon wissen, was Sie tun. Aber ich sage Ihnen, eine wohlerzogene junge Lady gehört nicht unter die Wilden. Sie werden das nicht durchstehen, mein Kind.«

Sie tippte Josephine auf den Arm und schwebte hinaus. Josephine blickte ihr nach und schüttelte lächelnd den Kopf. Niemand würde sie vom größten Abenteuer ihres Lebens abbringen!

»Achte darauf, dass es fein wie Sand wird.« Gemeinsam mit Matt zerstieß Josephine das Trockenfleisch im Mörser. Die Gewürze, die Geschmack und Haltbarkeit verleihen würden, kamen mit hinein. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie die gusseisernen Formen voll hatten. Gewöhnlich verwendete Josephine sie für Kuchen, doch heute erfüllten sie einen anderen Zweck. Matt holte die riesige Pfanne, in der das Fett nun zerlassen war, und goss es vorsichtig über die Fleischmischung.

Sie blickten sich an, als sie die Tür hörten, und Josephine lächelte.

»Das ist Bert. Wirst du allein fertig? Wir trinken nachher Kaffee. Du kannst ihn vorbereiten, während das Pemmikan abkühlt.«

Sie wusch sich die Hände, trocknete sie an der Schürze und öffnete dann die Schleife. Das Kleid war sauber geblieben, dachte sie, als sie prüfend darüberstrich. Sie warf einen schnellen Blick in den Spiegel über der Kommode mit den Tellern und korrigierte den Sitz ihrer Haarnadeln. Das Haus war eigentlich zu groß für sie beide, dachte Josephine, aber mit etwas Glück würde es sich ja doch irgendwann mit Kindern füllen. Seit über zwei Jahren waren sie nun verheiratet, und noch immer war das Tapsen kleiner Füße auf dem Boden Zukunftsmusik. Die hohen Wände waren fast kahl, und nur hin und wieder vermittelte ein Schrank das Gefühl von Wohnlichkeit.

Kaum trat sie in den Flur, stürzte ihr Bert auch schon entgegen – in Zivilkleidung, im dunklen Gehrock und hellerer Hose, das Plastron in die Weste gesteckt. Er legte den Packen ab, den er im Arm hielt, und schwenkte ein Stück Papier wild herum. »Deine Fotografie ist in allen Zeitungen!«, rief er und zeigte ihr eine Titelseite. »Eine gut erzogene junge Frau, die Luxus gewöhnt ist, auf einer rauen Expedition zu den Grenzen der bekannten Welt! Die Reporter fressen uns aus der Hand. Wir hätten uns nichts Besseres einfallen lassen können.«

Josephine musste lachen. »Ich hoffe, du vergisst über dem gelungenen Coup nicht, warum ich wirklich mitwollte.«

»Ganz sicher nicht. Es gibt so viele Frauen, die ihren Männern die Hölle heißmachen würden, wenn sie so eine Expedition unternähmen.«

Sollte er ruhig denken, dass es seine Idee gewesen war, sie mitzunehmen und es öffentlich zu machen. Seit sie an der Smithsonian Institution gearbeitet und sich immer wieder in die naturhistorische Sammlung geschlichen hatte, hatte sie von so etwas geträumt.

»Matt wird dir einen guten Teil der Hausarbeit abnehmen«, meinte Bert, während sie ins Speisezimmer traten und sich setzten. Sein Assistent kam hinter ihnen herein und stellte Tassen, Zucker und Milch auf dem Tisch ab. »Er hat mir schon auf der Nicaragua-Expedition gut gedient – und mir die Hausfrau ersetzt. Nicht wahr, Matt?«

Matthew Henson bejahte auf seine übliche unaufdringliche, dezente Art. Umsichtig schenkte er ein, wie immer sorgfältig darauf bedacht, nichts zu verschütten.

Josephines Herz schlug nun doch ein wenig schneller. Würde sie das leisten können? Es kam sicher nicht von ungefähr, dass man sagte, Frauen seien für solche Strapazen nicht geschaffen. Aber dann blickte sie aus dem Fenster, wo die Damen auf den Straßen vorbeiliefen, in ihren hochgeschlossenen, über dem Gesäß hoch aufgebauschten, unpraktischen Kleidern, dazu die Bänder und Hüte und Schleifen. Wie sich ihr Leben nur darum drehte, den richtigen Mann zu finden, dem sie dann Kinder gebären und den Haushalt führen konnten. Ohne Freiheit, ohne Herausforderungen, im Grunde nichts als Hausangestellte. Der Duft der freien Natur blieb ihnen vorenthalten: die Erfahrung, sich zu behaupten gegen Kälte, unwegsames Gelände. Zu überleben mit nichts als einem Gewehr und dem eigenen Selbstvertrauen. Das Hochgefühl, wenn man einen Büffel erlegt hatte...

Erscheint lt. Verlag 26.1.2023
Reihe/Serie Bedeutende Frauen, die die Welt verändern
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Anthropologin • Bedeutende Frauen • Frauenschicksal • Große Gefühle • Historischer Roman • Iglu • mutige Frauen • Polarforscherin • Romane für Frauen • Schneebaby • Starke Frauen
ISBN-10 3-492-60246-0 / 3492602460
ISBN-13 978-3-492-60246-4 / 9783492602464
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