Das Haus Zamis 42 (eBook)

Asche zu Asche, Stein zu Stein

(Autor)

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2022 | 1. Aufl. 2022
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-3387-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Haus Zamis 42 - Logan Dee
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Frans Plassek ließ die Spraydosen wirbeln wie ein fanatischer Dirigent. Rot und Schwarz, das waren seine Farben. Innerhalb weniger Minuten hatte sich der Brunnen mit den steinernen Figuren verändert: Triton und Najade hatten sich in zwei verwesende Tote verwandelt, mit bleichen, zerstörten Gesichtern, in denen man kriechende Maden zu sehen glaubte.
Frans Plassek hatte sich in einen solchen Rausch versetzt, dass er kaum merkte, wie es um ihn herum plötzlich dunkler wurde.
Und dann schlugen die Skulpturen von Triton und Najade die Augen auf ...

Coco glaubt nun zu wissen, welcher Dämon die Zamis herausfordert - aber ihre Rückkehr nach Wien kommt zu spät. Gorgon hat die Stadt bereits in seine Gewalt gebracht und schickt die steinernen Ungeheuer gegen Menschen und Dämonen!


1. Kapitel


Schließlich hatte er den Brunnen erreicht. Noch einmal schaute er sich um, während er mit der Linken bereits nach der Spraydose in seiner Jackentasche griff. Wie immer musste es fix gehen. Nur seine Schnelligkeit hatte ihn bisher davor bewahrt, von der Polizei erwischt zu werden. Mehr als einmal war er nur um Haaresbreite entkommen.

Den Toten-Sprayer von Wien hatten ihn die Zeitungen benannt. Er war stolz auf diesen Titel.

Doch noch stand er mit seinem Werk ganz am Anfang.

Kurz überlegte er, ob er seine Schuhe ausziehen sollte, entschied sich aber dagegen. Bei einer Flucht würde er wohl kaum weit kommen, wenn er barfuß laufen müsste. Aber zumindest krempelte er die Hosenbeine seiner Jeans hoch, damit diese nicht durchnässt werden würde.

Er kletterte über die Umrandung des Brunnens, wobei er sich bemühte, nicht in die Strahlweite der Fontänen zu gelangen. Das Wasser, das seine Beine umspielte, war kalt genug.

Ein letztes Mal noch schaute er sich nervös um. Er war sich nun fast sicher, dass ihn jemand heimlich beobachtete. Aber nun war es ihm egal. Jetzt, so unmittelbar, bevor er sich ganz seiner Leidenschaft hingeben würde. Er spürte, wie seine Erregung wuchs.

Seine Hände zitterten leicht. Er stellte fest, dass es den Reiz eindeutig erhöhte, wenn er sich vorstellte, dabei beobachtet zu werden. Vielleicht sogar von einer Person, die eine perverse Freude daran hatte, ihm bei seiner verbotenen Tätigkeit zuzuschauen.

Es war jedes Mal wie ein Fick für ihn. Wenn er darüber sprach, redete er nicht von Kunststücken, sondern von Kunstficken. Der Kick gehörte dazu!

Dann spielte das alles keine Rolle mehr. Er tauchte ein in das Reich seiner Kreativität. In jeder Hand hielt er nun eine Spraydose. Rot und Schwarz, das waren seine Farben. Er wirbelte umher wie ein fanatischer Dirigent.

Innerhalb von wenigen Minuten hatte sich der Brunnen verändert. Triton und Najade, die steinernen Figuren in seiner Mitte, verwandelten sich unter seinen Händen in zwei verwesende Tote. Mit bleichen, zerstörten Gesichtern, in denen man kriechende Maden zu sehen glaubte, und mit von innen aufgeplatzten Bäuchen und von Geschwüren übersäten Gliedmaßen.

Frans Plassek hatte sich in einen solchen Rausch versetzt, dass er kaum merkte, wie es um ihn herum plötzlich dunkler wurde.

Wie sich schwarze Schatten näherten. Lautlos.

Erst als sie an ihm vorbeizogen, erwachte er aus seinem Wahn.

Mit offenem Mund starrte er auf die steinernen, zum Leben erwachten Reiter.

Das ist der Irrsinn!, dachte er. Ich bin übergeschnappt – wie alle es immer behauptet haben!

Die Reiter ignorierten ihn. Dafür sah er sich plötzlich eines anderen Interesses ausgesetzt.

Sein Blick huschte genau in dem Augenblick über sein Kunstwerk, als Najade die Augen aufschlug. Ein violettes Licht strahlte aus diesen Augen hervor.

Jemand klopfte.

Das Klopfen durchbrach die Unwirklichkeiten meiner Albträume. Sofort war ich hellwach. Im ersten Augenblick schaute ich zur Tür, aber dann klopfte es erneut. Mein Kopf fuhr herum Richtung Fenster.

Coco, lass mich rein!

Ich konnte nicht sagen, ob die Stimme tatsächlich zu hören war oder nur in meinem Kopf ertönte.

Dennoch kam sie mir bekannt vor.

Die Vorhänge waren zugezogen. Wer war imstande, die Mauern zu erklettern, sodass er jetzt vor meinem Fenster hockte?

Mit fielen nicht viele Personen ein. Noch dazu solche, die die magischen Fallen, die das gesamte Anwesen umgaben, so ohne Weiteres überwinden konnten.

Es sei denn, er oder sie wäre aus der Luft gekommen!

»Mach endlich auf, Coco!«

Diesmal klang die Stimme schon ungeduldiger. Und sie war eindeutig nicht in meinem Kopf.

Ich stand auf und tapste mit nackten Füßen über den kalten Boden in Richtung Fenster, das sich durch die Vorhänge undeutlich vor einem blassen Nachthimmel abzeichnete.

Mit einem Ruck riss ich die Vorhänge beiseite.

Die Gestalt, die in geradezu grotesker Weise auf dem Fenstersims hockte, war mein Onkel Enrico.

»Ser maldito!«, stieß er fluchend hervor.

Vor einiger Zeit wollte mich meine liebe Familie für zwölf Monate nach Uruguay abschieben, wo ich bei einem Großonkel meines Vaters, Enrico Cortez, in die Lehre gehen sollte. Laut den Worten meines Vaters war er ein ausgezeichneter Hexer.

Damals war ich gar nicht erst bis Uruguay gekommen. Ich war in Rio aufgehalten worden, und Onkel Enrico war mir dort zu Hilfe geeilt. Er hatte die ungewöhnliche Gabe, sich in einen riesigen Raben verwandeln zu können.

»Willkommen in Wien, Onkel Enrico«, begrüßte ich ihn, nachdem ich das Fenster geöffnet hatte.

Mit einem Satz sprang er in mein Zimmer. »Das wurde auch Zeit! Ich dachte schon, du lässt mich dort draußen erfrieren!«, zeterte er.

Er hatte sich nicht verändert. Er war höchstens ein Meter sechzig groß und trug ein altertümliches Cape, das ihm bis zu den Füßen schlotterte. Irgendwie erinnerte mich die Gestalt an Bela Lugosis Verkörperung des Grafen Dracula. Sein kalkweißes Gesicht war mit einer solch dicken Schicht Schminke versehen, dass es einer Fratze glich. Die zahlreichen Runzeln und Falten waren jedoch noch immer zu erkennen. Ich hatte sogar das Gefühl, dass sie seit unserer letzten Begegnung noch zahlreicher geworden waren.

Konnte es sein, dass Onkel Enrico rapide alterte und es verzweifelt zu verbergen versuchte? Wahrscheinlich war auch sein tiefschwarzes Haar nur gefärbt.

Über der linken Augenhöhle prangte ein schwarzes Pflaster. Das Auge hatte er in einem früheren Kampf unwiederbringlich verloren.

»Seit wann erfriert jemand im Sommer? Stell dich nicht so an!«, entgegnete ich. Dann musste ich jedoch an seine Heimat Uruguay denken. Wahrscheinlich war es dort um einige Grade wärmer als hier. Wien musste ihm dagegen wie eine Kühltruhe vorkommen.

»Komm du erst mal in mein Alter! Wie ich feststelle, hast du dich nicht geändert! Noch immer nicht bereit, dich unterzuordnen. Kannst du dir überhaupt vorstellen, was ich durchgemacht habe, um euch zu Hilfe zu eilen?«

Also wieder die Leier. Ich verdrehte die Augen.

»Du bist nicht etwa selbst geflogen?«, fragte ich.

»Natürlich, was glaubst denn du? Ihr junges Gemüse setzt euch ins Auto oder ins Flugzeug, anstatt eure natürlichen Fähigkeiten zu nutzen. Bist du überhaupt schon einmal auf einem echten Hexenbesen geritten, Coco?«

Onkel Enrico war in dieser Hinsicht hoffnungslos antiquiert. Ich traute ihm tatsächlich zu, dass er den Flug auf magische Weise von Uruguay nach Wien zurückgelegt hatte. Allerdings wagte ich mir nicht vorzustellen, welcher Art sein »Reiseproviant« gewesen war. In dieser Hinsicht hatte er, wie gesagt, ganz eindeutige Präferenzen. Ich hielt es nicht für ratsam, die Diskussion auf diesem Level fortzusetzen.

Stattdessen fragte ich: »Merkwürdig, dass die magischen Fallen nicht angeschlagen haben. Noch nicht einmal der Hüter des Hauses hat dich bemerkt. Irgendetwas kann da nicht stimmen!«

Onkel Enrico winkte ab. »Euer Anwesen ist aus der Luft recht ungeschützt. Die paar Fallen, die ihr da installiert habt, sind selbst für einen Dämonenlehrling leicht zu durchschauen. Ich werde ein ernstes Wörtchen mit deinem Vater reden, mein Kind. Und was den Hüter betrifft, so hat sich mir dieses scheußliche Individuum tatsächlich in den Weg stellen wollen.«

»Du hast ihm doch nichts angetan?«, fragte ich besorgt.

»Ich habe ihn in einen Tiefschlaf versetzt, damit er meine Kreise nicht störte. Wo sind überhaupt die anderen? Warum lassen sie dich hier schutzlos allein?«

Ich hatte keine Ahnung, dass meine Familie ausgeflogen war. Ich war erst am späten Nachmittag angekommen, und nachdem wir die letzten Neuigkeiten ausgetauscht hatten, war ich erschöpft ins Bett gefallen.

»Es steht nicht gerade gut um uns«, klärte ich Onkel Enrico auf. »Ein Unbekannter hat uns zum Kampf herausgefordert. Er hält uns zum Narren, indem er in Wien seine Muskeln spielen lässt. Offiziell hat er seinen Namen noch nicht bekannt gegeben, aber ich habe herausgefunden, dass er mit einem Dämon namens Gorgon in Verbindung stehen muss. Vielleicht handelt es sich auch um Gorgon selbst. Jedenfalls scheint seine Spezialität zu sein, alles Leben in Stein verwandeln zu können.«

»Nun, wir werden diesen Burschen schon zur Strecke bringen. Sicherlich habt ihr eine ganze Armee auf eurer Seite, oder?«

Ich schluckte. Sollte ich ihm wirklich sagen, dass er bisher der Einzige war, der uns zu Hilfe geeilt war? Vielleicht würde er dann gleich wieder das Weite suchen. Also antwortete ich diplomatisch:

»Manchmal sind wenige stärker als eine ganze Armee.«

Bevor er etwas darauf erwidern konnte, wurde es plötzlich taghell im Zimmer. Ein unwirkliches Licht erstrahlte und hüllte Garten und Haus in einen gleißenden Schein. Gleichzeitig ließen mehrere Detonationen den Boden erbeben.

Onkel Enrico schloss geblendet die Augen und ließ sich geistesgegenwärtig zu Boden fallen. Mehrere Dutzend...

Erscheint lt. Verlag 24.5.2022
Reihe/Serie Das Haus Zamis
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Coco Zamis • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • Dorian Hunter • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Spin-Off • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond
ISBN-10 3-7517-3387-6 / 3751733876
ISBN-13 978-3-7517-3387-8 / 9783751733878
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