Matrix (eBook)

Roman | New York Times Bestseller und Lieblingsbuch von Barack Obama 2021

(Autor)

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2022 | 1. Auflage
320 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2827-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Matrix -  Lauren Groff
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Eine Geschichte von weiblicher Gemeinschaft und Macht. Ein Fest der Erzählfreude, der Erfindungskraft und des Intellekts. Das neue Meisterwerk von Lauren Groff. Marie ist siebzehn Jahre alt, groß und ungelenk und nach allgemeiner Ansicht ungeeignet für die Ehe und das höfische Leben. Sie verehrt ihre Königin, Eleonore von Aquitanien, doch die verstößt sie mit einem Lächeln: Marie soll Priorin eines abgelegenen Klosters werden, irgendwo im Schlamme Englands, fern von den zärtlichen Zuwendungen ihrer Dienerin. Lebendig begraben in der Gemeinschaft verarmter, frierender, hungernder Nonnen - ausgerechnet sie, die aus einer Familie von Kriegerinnen stammt und alles andere als fromm ist. Doch in der Abgeschlossenheit des Klosters findet Marie für sich und ihre Schwestern ungeahnte Möglichkeiten von weltlichem Einfluss, Wohlstand und neuer Gemeinschaft. Matrix erzählt die Geschichte einer fehlbaren Heldin: einer Frau - kriegerisch, imposant, machtbewusst, hingebungsvoll -, deren Visionen verlorengehen, wie so viele Stimmen starker Frauen im Lauf der Geschichte. Der neue, flirrend aufregende Roman von Lauren Groff erweckt sie zum Leben und beschwört die utopische Kraft weiblicher Kreativität in einer korrumpierten Welt.

Lauren Groff, 1978 geboren, lebt in Gainesville, Florida. Ihr Roman Licht und Zorn ist einer der größten Erfolge der amerikanischen Literatur der vergangenen Jahre. Er stand ebenso wie Matrix und ihre Erzählungen auf der Shortlist des National Book Award.

Lauren Groff, 1978 geboren, lebt in Gainesville, Florida. Ihr Roman Licht und Zorn ist einer der größten Erfolge der amerikanischen Literatur der vergangenen Jahre. Er stand ebenso wie Matrix und ihre Erzählungen auf der Shortlist des National Book Award.

2


Marie steigt die Dormitoriumstreppe hinunter. Es scheint, als wäre sie aus dem grellen Sonnenlicht in einen dunklen Raum getreten. Alles, was sie sieht, sind die geisterhaften Fragmente der Helligkeit dessen, was sie verloren hat.

Wevua drückt sie hinunter auf die Bank und setzt sich zu ihr. Eine andere Novizin neben Marie berührt mit dem Handrücken ihren, um sie zu trösten. Verstohlen sieht sie zu dem Mädchen mit den Glupschaugen und den vorstehenden Schneidezähnen hinüber; es ist, wie sie später erfahren wird, Schwanenhals, und die Novizin zu ihrer anderen Seite ist Ruth, deren Augen stets einen kleinen Scherz machen. Mit beiden wird Marie eine tiefe Freundschaft verbinden.

Erschöpft, wie sie ist, sieht sie die Schatten in den Ecken der Kapelle immer neue, bedrohliche Formen annehmen.

Die Matutin, stellt sie fest, ist singendes Gebet; sie bedeutet Zittern in der eisigen Kälte, Seite an Seite mit Fremden. Und sie dauert eine gefühlte Ewigkeit. Die schmale Kerze flackert, draußen pfeift der Wind über die raue Landschaft. Ein Schmerz, als hätte eine Faust sämtliches Fleisch in ihrem Inneren gepackt, zieht durch Maries Brust. Um ein Haar schreit sie auf. Die Taubheit, die sie bis hierhin geschützt hat, ist vergangen. Alles brennt.

Für einen Moment beginnt die Kapelle zu wanken und verschwindet, und vor Maries Augen steht der königliche Hof, so als wäre sie in diesem Moment dort: Im großen Saal ist es warm, die Diener schicken Glühwürmchen ins Dunkel, während sie die Kerzen entzünden, deren Schein die Finsternis vertreibt; die Mastiffs, Alaunts und Windhunde trotten herein, der Duft von guten Speisen, die auf großen Tabletts zu den Tafeln getragen werden, steigt ihr in die Nase, und jetzt trifft der Hofstaat ein, in bunten, edlen Kleidern, einzeln oder in Grüppchen, die Damen leise plaudernd, und in einer Ecke beginnen die Lauten zu spielen, worauf sich zwei Stimmen in einem traurigen Lied über ritterliche Minne verflechten, und Marie erkennt das Muster dieser aufregenden neuen Art von Liebe, sieht es sich entrollen wie ein Stück Stoff: Die Ehe ist kein Grund, sich nicht zu verlieben, wer nicht eifersüchtig ist, liebt nicht, niemand kann zwei Menschen zugleich im Herzen tragen, Liebe ist etwas, das stets entweder wächst oder vergeht, und einfach zu erlangende Liebe ist wertlos, während die unerreichbare umso kostbarer ist. Auf dem Tisch thront ein gebratener Schwan mit zurückgebogenem Hals, außerdem gibt es Hammelfleisch, Berge von weichem weißem Brot, einen Käse wie ein Wagenrad, Schweinefleischpasteten mit Feigen und Bier und Wein im Überfluss. Dazu das große Überraschungsgeschenk, einfach zum Vergnügen, ein Basilisk mit einem Wildschweinkopf in einer grünen Petersilienkasserolle und dem Körper eines gebratenen Pfaus mit wieder angenähten Schwanzfedern, und ein in Kampfer und Weingeist getränkter brennender Lumpen im Maul lässt das Monster grünes Feuer speien. Die Stimmen und die Musik, das Leuchten, die Farben, die Wärme.

Und dann der Mittelpunkt der Versammlung am Kopf der Tafel, Maries große Liebe; sie strahlt so hell, dass Marie nicht den Menschen sieht, nur den Glanz.

Das Bild verblasst. Marie sitzt wieder inmitten von Geistern und Schatten, der Wind spielt mit dem Dachgesims, und es scheint, als hätten selbst die alten Mauern dieses bettelarmen Klosters vor so viel Krankheit und Hunger in ihrem Inneren resigniert.

Jetzt steigen alle die Dormitoriumstreppe schweigend wieder hinauf, gehen zurück in die kalt gewordenen Betten. Schwanenhals lässt Wevua vor sich in ihr Bett humpeln, greift nach Maries Hand und hält sie zurück. Sie sei so froh über Maries Ankunft, flüstert sie ihr ins Ohr, Emme sei zu nichts zu gebrauchen, Goda tauge nur für die Tiere, aber irgendjemand müsse ja die Führung übernehmen, Gott sei Dank habe die Heilige Jungfrau Marie geschickt.

Wieder schlafen, aber schon bald ist es Zeit für die Laudes, halb träumend eingetaucht in Dunkelheit und Gesang, dann die Waschungen, nach draußen rennen zum Brunnenhaus, waschen mit dem kalten Wasser, das die Diener heraufgepumpt haben, anschließend zur Latrine und zurück in die Kapelle für die Prim, während das erste Tageslicht durch die Spalte der Fensterläden dringt. Im Refektorium werden die Aufgaben verteilt, die schwerste Arbeit für die Schwächsten, denn Schmerz ist hier ein Beweis für Gottesfürchtigkeit. Wevua lässt die Novizinnen den Kapellenboden mit eiskaltem Wasser schrubben. Marie hat in ihrem ganzen Leben noch nie irgendetwas geschrubbt. Mit schmerzenden Händen fragt sie sich, wie Cecily es geschafft hat, sie nicht zu hassen. Dann die erste Mahlzeit, ein Stück schwarzes Brot und etwas Milch, noch warm von den Kühen. Die Terz, anschließend Kontemplation in der Wärme des Kalefaktoriums; jede Nonne liest laut aus ihrem Buch vor, aber Marie hat nichts bekommen, deshalb sagt sie Gedichte auf, die sie auswendig kennt. Die Sext. Psalmen, immer wieder Psalmen, entfacht von der zittrigen Stimme der Kantorin.

Übellaunig kommt Goda herbeigeschlurft. Marie solle sich bei der Äbtissin einfinden, warum, wisse sie allerdings nicht, sie selbst könne tadellos ein Diktat aufnehmen. Die Subpriorin dreht sich wutschnaubend um und geht, um im Hühnerstall die Eier einzusammeln.

In dem kleinen weißen Zimmer der Äbtissin ist es so wohltuend warm, dass Marie sich plötzlich auf einen Hocker sinken lässt. Die Äbtissin lächelt geistesabwesend und beginnt zu sprechen, und Marie begreift erst mit einiger Verzögerung, dass sie einen Brief an Eleonore diktiert. Hastig sucht sie Pergament und Schreibfeder, aber es ist egal, der Brief der Äbtissin ist so seltsam und zusammenhangslos, voll von Rührseligkeiten wie von Gift und Galle, dass Marie nichts niederschreibt, sondern den Kern zu erfassen versucht und dann in freundlich-kühlem Ton auf Latein einen kurzen Brief aufsetzt, in dem sie die sofortige Herausgabe von Maries Mitgift fordert; die Nonnen hungerten sich zu Tode. Nur in der Grußformel verleiht sie ihrer unbändigen Liebe Ausdruck. Als Marie der Äbtissin das Geschriebene vorliest, lächelt diese zufrieden und bemerkt freudig überrascht, wie präzise Marie doch ihr Diktat aufgenommen habe, es sei Wort für Wort der Brief der Äbtissin.

Nach dem Brief an Eleonore das Chaos der Kassenbücher, als Marie endlich allen Mut zusammennimmt und hineinsieht – ihr wird regelrecht übel. Am östlichen Tor stehen die Familien der Zinsbauern, die das klösterliche Land bewirtschaften, um die neue Priorin zu begrüßen. Da ist der lange Tag nicht einmal zur Hälfte um.

Am liebsten würde Marie sich auf den Boden dieses weißen, warmen Zimmers legen. Das Gefängnis des Fleisches an diesem elenden, sumpfigen und stinkenden Fleck Erde verlassen, ihren Geist aushauchen und im Tod zu ihrer Mutter zurückkehren.

Stattdessen arbeitet sie weiter, während Emme leise pfeifend schläft und eine Fliege wieder und wieder ihren harten Leib gegen die Fensterläden wirft.

Doch schon bald hört sie Gemurmel, obwohl Sprechen während der Arbeit eigentlich verboten ist; vielleicht sind es die Frauen unten in der Seidenspinnerei. Sie entdeckt ein Loch im Boden, vielleicht zur Belüftung, tritt näher heran, hockt sich hin und lauscht.

Jemand sagt, oh, aber hinter dem Helmvisier steckte ein Ginsterzweig, und da wusste die Mutter des armen Mädchens Bescheid, wer sich an ihrer Tochter vergangen hatte, und in diesem Moment durchfährt es Marie eiskalt und sie begreift, dass von ihrer eigenen Mutter die Rede ist, von den Umständen ihrer, Maries, Geburt. Stellt euch vor, sagt die Stimme und kommt jetzt richtig in Fahrt, ein Mädchen von gerade mal dreizehn Jahren, aber rank und schön, und als sie eines warmen Tages nichts ahnend draußen auf den Feldern gerade einen Kranz aus Mohnblumen flocht und vor sich hin träumte, hörte sie hinter sich plötzlich Metall rasseln, und ehe sie weglaufen konnte, wurde sie an den Haaren gepackt und auf den Sattelknauf gezerrt, weil nämlich die Armee nicht weit entfernt ihr Lager hatte, und das Mädchen dort ganz allein auf dem Feld war einfach zu verlockend. Und als es zum Schloss zurücktaumelte und dort erzählte, woran es sich erinnerte, nur an den Ginsterzweig, geriet seine Mutter derart in Wut, dass sie sich das Schwert der Familie schnappte, zum Lager ritt und dort Rabatz machte. Ginster, das ist die Planta Genet, versteht ihr, Plantagenet. Übrigens Nachkommen von Melusine, der Fabelkönigin, die mit ihren Kindern unter den Menschen lebte, bis man sie eines Tages heimlich beim Baden beobachtete, wo ihr Schwanz sichtbar wurde, und da floh sie durchs Fenster und kehrte der Menschheit für immer den Rücken. Und das Ergebnis der Plantagenet-Vergewaltigung war nach neun Monaten, ihr könnt es euch denken, unsere neue Priorin Marie. Und so kommt es also, dass unsere neue Priorin eine uneheliche Halbschwester der Krone ist. Durch die schreckliche Schande einer Vergewaltigung. Wie seltsam es doch ist, dass sie königliches Blut hat, das mit einer solchen Schmählichkeit vermischt ist!

Marie wird übel. Hätte sie noch einen Rest von Selbstliebe übrig, würde sie davonlaufen, doch sie drückt nur zornig das Ohr auf das Loch, um zu hören, was sie noch alles über...

Erscheint lt. Verlag 1.9.2022
Übersetzer Stefanie Jacobs
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 12. Jahrhundert • Abtei • England • Feminismus • Frankreich • Gemeinschaft • Glaube • Kloster • Krankheit • Lauren Groff • Nonnen • Solidarität • Vision
ISBN-10 3-8437-2827-5 / 3843728275
ISBN-13 978-3-8437-2827-0 / 9783843728270
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