Blutnacht (eBook)

Spiegel-Bestseller
Thriller - Die SPIEGEL-Bestsellerreihe aus Norwegen geht weiter
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
448 Seiten
Blanvalet (Verlag)
978-3-641-29568-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Blutnacht -  Thomas Enger,  Jørn Lier Horst
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Das dunkelste Kapitel eines Polizisten beginnt dort, wo er nicht hingehört: in einer Gefängniszelle ... Der 4. Fall für Blix & Ramm!
Alexander Blix, Kriminalhauptkommissar, sitzt in Haft. Eingesperrt mit Dieben, Vergewaltigern und Mördern, die er selbst hinter Gitter gebracht hat, erlebt Blix das dunkelste Kapitel seiner Karriere als Polizist. Doch dann erfährt er, dass außerhalb der Gefängnismauern Lebensgefahr für einen Mithäftling besteht: Ein Killer wartet darauf, dass der Insasse in vier Tagen in die Freiheit entlassen wird - um diesen dann zu ermorden. Nun muss Blix Polizeiarbeit hinter Gittern leisten, ein hochgefährliches Unterfangen, bei dem ihn nur seine Co-Ermittlerin Emma Ramm unterstützen kann ...

Alle Bücher der Platz-1-Bestsellerserie aus Norwegen:
Blutzahl
Blutnebel
Bluttat
Blutnacht
Blutstunde

Thomas Enger, Jahrgang 1973, studierte Publizistik, Sport und Geschichte und arbeitete in einer Online-Redaktion. Nebenbei war er an verschiedenen Musical-Produktionen beteiligt. Sein Thrillerdebüt »Sterblich« war im deutschsprachigen Raum wie auch international ein sensationeller Erfolg, gefolgt von vier weiteren Fällen des Ermittlers Henning Juul. Aktuell schreibt er zusammen mit Bestsellerautor Jørn Lier Horst die SPIEGEL-Bestsellerreihe über Alexander Blix und Emma Ramm. Er lebt zusammen mit seiner Frau und zwei Kindern in Oslo.

7


Jakobsen war einer der netten Wachleute. Ein Mann aus Trøndelag, etwa in Blix’ Alter, der seine Freizeit mit Trabern verbrachte. Er wollte nicht sagen, worum es ging, als er Blix in die Krankenabteilung in einen sparsam möblierten Warteraum brachte. Das Licht fiel durch ein vergittertes Fenster, das man nicht öffnen konnte. Die Luft war stickig und warm. Ein Mann mit kariertem Hemd und langen, in einem Pferdeschwanz zusammengefassten Locken stand von seinem Stuhl auf und rückte die Brille zurecht. Er reichte Blix die Hand.

»Otto Myran«, stellte er sich vor.

Blix schätzte Myran auf Mitte dreißig. Der Mann forderte Blix auf, auf einem der insgesamt drei Stühle Platz zu nehmen, die etwas entfernt voneinander standen. Der Stuhl, auf dem Myran gesessen hatte, bildete die Spitze des Dreiecks.

Myran setzte sich wieder und schlug die Beine übereinander. Er faltete die Hände, sagte aber nichts, sondern starrte Blix nur schweigend, aber freundlich an.

»Warten wir auf jemanden?«, fragte Blix.

»Er kommt sicher jeden Moment«, antwortete Myran.

Es pochte in den Schläfen. Er spürte, dass die Wunden zu heilen begannen, auch wenn sein Gesicht noch immer geschwollen war und sich taub anfühlte.

Die Tür ging auf.

Jakobsen war zurück. Er blieb draußen auf dem Flur stehen und wies jemanden an, in den Raum zu gehen.

Jarl Inge Ree trat über die Türschwelle. Es dauerte ein oder zwei Sekunden, dann blieb er wie angewurzelt stehen.

»Was … soll die Scheiße?«

Blix begegnete dem ebenso überraschten wie verächtlichen Blick. Die Wunde unter seinem Pflaster meldete sich stechend zurück.

Jakobsen führte Ree zu dem freien Stuhl und blieb zwischen ihm und Blix stehen.

»Was soll der Mist hier?«, schimpfte Ree.

Myran sagte nichts, sondern deutete schweigend auf den Stuhl neben Blix.

Jakobsen trat einen Schritt zurück und lehnte sich an die Wand, jederzeit bereit, dazwischen zu gehen, sollte es notwendig sein.

»Ich bin Sozialarbeiter«, begann Myran. »Sie haben mich hier vielleicht schon mal auf einem der Flure gesehen.«

Weder Blix noch Ree antworteten.

»Wie Sie wissen, ist es die Aufgabe der Kriminalfürsorge, die Verurteilten zu rehabilitieren und auf ihr zukünftiges Leben in Freiheit vorzubereiten. Wir Sozialarbeiter bilden dabei eine Art Brücke zwischen der Kriminalfürsorge und der Umwelt. Unser Ziel ist es, Ihnen das Gefühl zu vermitteln, ein Teil der Gesellschaft zu sein, und dass Sie den Wunsch entwickeln, selbst einen Beitrag für die Gemeinschaft leisten zu wollen.«

Ree schnaubte.

Blix sagte nichts.

»Und das«, fuhr Myran fort, »ist immer schwierig, wenn …«, er wog seine Worte ab, »… wenn es im Gefängnisalltag etwas gibt, das diesem Wunsch entgegensteht. Das sind ungünstige Voraussetzungen für eine gelungene Rehabilitierung. Und Sie beide …« Myran sah von einem zum anderen. »Es macht den Eindruck, als würden Sie nicht gerade das Beste im anderen hervorlocken. Manchmal ist das so. Mit manchen Menschen kommt man einfach nicht klar. Und dafür gibt es mitunter eine ganze Reihe von Ursachen.« Myran legte die Hände übereinander. »Statt Sie zu isolieren und voneinander zu trennen, hegen wir hier in Ullersmo den Wunsch, dass wir – also wir drei – uns zusammensetzen, um zu schauen, ob wir diese Situation nicht verbessern können.«

Ree sah zu Jakobsen, der die Daumen hinter seinen Gürtel geschoben hatte.

»Die Situation verbessern«, wiederholte Ree mit breitem Grinsen. »Sie meinen – hier sitzen und über unsere Gefühle reden und so?«

Myran sagte nichts.

»Was ist das hier für eine Kumbaya-Scheiße? Ist das eine Achtsamkeitsübung?« Das Grinsen war wie von seinem Gesicht gewischt. »In fünf Tagen komme ich hier raus.«

»Das sollte für Sie ein umso größerer Grund sein mitzuarbeiten«, sagte Myran. »Schaffen Sie sich die bestmöglichen Voraussetzungen, um dort draußen zurechtzukommen.«

»Draußen werde ich mit dem da garantiert nichts mehr zu tun haben«, fuhr Ree fort. »Der bleibt ja noch ein paar Jahre hier.«

»Ich bleibe gerne in der Zelle, bis der da weg ist«, sagte Blix. »Für mich ist das in Ordnung.«

»Danke für den konstruktiven Beitrag«, sagte Myran an Blix gewandt. »Aber betrachten Sie das als eine Übung für ein etwas weniger konfliktorientiertes Handeln.«

Ree schnaubte wieder.

»Ich bin überhaupt nicht konfliktorientiert.«

Er stand auf.

»Ich mache da nicht mit.«

Jakobsen zog die Daumen unter dem Gürtel hervor. Ree sah es und blieb stehen.

»Wir werden hier noch …«, Myran sah auf seine Uhr, »… eine Stunde und fünfundzwanzig Minuten miteinander reden.«

»Das ist doch wohl ein Scherz!«

Der Sozialarbeiter schüttelte den Kopf. Ein Schweißtropfen löste sich von seinem Haaransatz und lief über die Wange herunter. Ree stöhnte.

»Mein Gott.«

Blix sagte nichts. Er sah von Jakobsen zu Myran. Es kam ihm so vor, als wäre er Teil eines absurden Theaterstücks.

»Natürlich können wir auch einfach hier sitzen«, fuhr Myran fort. »Und Löcher in die Luft starren. Aber das wäre schrecklich langweilig. Außerdem dauert es dann nur länger.«

»Was?«, bellte Ree.

»Unsere Besprechung«, sagte Myran. »Der Prozess. Die Gefängnisleitung hat beschlossen, dass Sie da durchmüssen. Da führt kein Weg dran vorbei.«

»Jeeesus Christ!«

Ree setzte sich und verschränkte die Arme vor der Brust.

Eine ganze Weile blieb es bedrückend still, dann sagte Myran:

»Ich möchte, dass Sie sich drei Fragen ausdenken, die Sie dem anderen stellen möchten.«

Blix hob den Kopf.

»Drei Fragen, die nichts mit dem zu tun haben, was hier drinnen vor sich geht«, erläuterte Myran.

Ree schnaubte.

»Egal was«, fuhr der Sozialarbeiter fort. »Etwas Privates, wenn Sie wollen, solange die Frage für den anderen in Ordnung ist. Oder was Sie als Erstes machen wollen, wenn Sie hier rauskommen. Alle Themen sind erlaubt«, wiederholte er. »Aber bleiben Sie respektvoll und vermeiden Sie irgendwelche hasserfüllten Äußerungen.«

Ree lehnte sich zurück.

»Ich halte lieber den Mund.«

Myran rückte seine Brille zurecht.

»Und was ist mit Ihnen, Alexander? Möchten Sie Jarl Inge vielleicht eine Frage stellen?«

Blix war es nicht gewohnt, beim Vornamen genannt zu werden.

»Ich? Nein.«

Wie Ree lehnte er sich zurück, schlug die Beine übereinander und faltete die Hände im Schoß. Es wurde still. Lange.

Jakobsen begann irgendwann, sich zu bewegen, die Sohlen seiner Schuhe quietschten. Er sah von Ree zu Blix und wieder zurück. Die Zeit zog sich in die Länge. Blix sah zu Ree, der an die Decke starrte.

»Jarl Inge, was haben Sie für Pläne, wenn Sie hier rauskommen?«, fragte Myran.

»Das geht Sie doch wohl nichts an.«

»Und was ist mit Ihnen, Alexander?«

Blix begegnete seinem Blick.

»Ich? Ich weiß es nicht. Ich will nicht daran denken.«

Wieder wurde es still.

»Ich habe eine Frage«, sagte Ree und lächelte.

Er wandte sich an Blix.

»Wie alt warst du, als dir das erste Mal in den Arsch gefickt wurde?«

Er lachte. Ein rohes Lachen. Blix antwortete nicht.

Ree schien mit einem Mal Gefallen an der Sache gefunden zu haben. Myran sah ihn streng an und sagte zu Blix:

»Darauf brauchen Sie nicht zu antworten.«

»Das zählt aber doch wohl als Frage«, sagte Ree und war mit einem Mal hellwach.

»Wenn Sie das nächste Mal eine etwas seriösere Frage stellen, werde ich darüber nachdenken.«

»Wie nett von Ihnen«, sagte Ree ironisch. »Da kann ich ja gar nicht anders, als zu tun, was Sie sagen.«

Myran ging nicht weiter darauf ein.

Ree lachte leise vor sich hin, während Blix den Blick starr nach vorn gerichtet hatte.

»Wie alt warst du

Rees Lächeln erstarb. Er sprang auf und wollte sich auf Blix werfen, aber Jakobsen trat zwischen sie, noch ehe Ree etwas tun konnte. Blix drehte nicht einmal den Kopf. Verzog keine Miene.

»Okay, okay«, fauchte Ree und sah zu Jakobsen. »Ich setze mich ja wieder.«

»Gute Idee, das Ganze«, sagte Blix zu Myran.

Der Sozialarbeiter antwortete nicht.

Ree ließ sich auf seinen Stuhl fallen und starrte die nächsten Minuten missmutig vor sich hin. Jakobsen, der nie sprach, nur um etwas zu sagen, warf ein: »Damit steht es 1:1. Noch zwei Fragen von jedem, dann ist der Herr Sozialarbeiter sicher bereit, Sie ein bisschen früher gehen zu lassen?«

Myran sah Jakobsen missbilligend an.

»Wer will anfangen?«, fragte Myran trotzdem und sah sie der Reihe nach an. Keiner der beiden reagierte. Ree schüttelte schnaubend den Kopf. Myran entließ sie nicht aus seinem Blick. Ree holte tief Luft und atmete schwer aus. Dann schien er aufzugeben, nur um die Sache hinter sich zu bringen.

»Wo …«

Er hielt inne, als wäre er wütend auf sich selbst.

»Wo kommst du eigentlich her?«

Die Worte schienen ihm Schmerzen zu bereiten.

»Oslo«, sagte Blix. »Und du?«

»Osen«, kam es rasch zurück.

»Oslo, Osen«, warf Myran ein. »Das klingt ja fast gleich. Aber sicher gibt es da Riesenunterschiede. Jarl Inge, wie war es, dort aufzuwachsen?«

»Das geht Sie nichts...

Erscheint lt. Verlag 20.4.2023
Reihe/Serie Alexander Blix und Emma Ramm
Alexander Blix und Emma Ramm
Übersetzer Günther Frauenlob, Maike Dörries
Sprache deutsch
Original-Titel Arr (Alexander Blix 4)
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 2023 • Alexander Blix • Bestseller aus Norwegen • eBooks • Emma Ramm • Ermittlerkrimi • Gefängnis • Häftling • Jorn Lier Horst • Krimi • Krimi Bestseller • Kriminalromane • Krimi Neuerscheinungen 2023 • Krimireihe • Krimis • Neuerscheinung • Norwegen • Norwegen Krimi • Oslo • Polizei • Polizei Krimi • Serienkiller • Skandinavien • Skandinavien Krimi • spiegel bestseller • Thomas Enger • Thriller • Wisting
ISBN-10 3-641-29568-8 / 3641295688
ISBN-13 978-3-641-29568-4 / 9783641295684
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