The Violence - Wie weit wirst du für deine Freiheit gehen? (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
688 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-29481-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

The Violence - Wie weit wirst du für deine Freiheit gehen? -  Delilah Dawson
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Amerika in der nahen Zukunft. Nach außen hin führt die Familie Martin ein perfektes Leben, doch Investmentbanker David verprügelt seine Frau Chelsea regelmäßig bis zur Bewusstlosigkeit. Als sich ein mysteriöses Virus ausbreitet, das alle, die es infiziert, in einen exzessiven Gewaltrausch stürzt, sieht Chelsea ihre große Chance, sich und ihren beiden Töchtern ein neues Leben zu ermöglichen. Ein Leben in einer Welt, die sich am Ende radikal von unserer unterscheiden wird ...

Delilah S. Dawson ist die Autorin mehrerer Jugendbuchserien, Comics und Star-Wars-Romane, die auf der »New York Times«-Bestsellerliste standen. In ihren Werken setzt sie sich immer wieder mit Themen wie Identität, Selbstwert, Geschlechterrollen und Diversität auseinander, wofür sie bereits mehrfach ausgezeichnet wurde. Sie lebt mit ihrer Familie in Georgia.

1

CHELSEA MARTIN SITZT IM LICHT eines perfekten Sonnenstrahls an ihrem perfekten Küchentisch und starrt das Blatt Papier an, das ihr Leben zerstören wird.

Unzureichende Kontendeckung ? Das kann nicht sein.

Ihr Mann David kümmert sich um ihre finanziellen Angelegenheiten, und er arbeitet schließlich im Bankwesen, also muss es sich um einen Fehler handeln. Sie hat die auf aggressive Weise unpersönlichen, computergeschriebenen Zeilen schon hundert Mal gelesen, und tief in ihrem Bauch regt sich ein tiefes Unbehagen und droht ihren Kaffee wieder hochkommen zu lassen. Es ist keine Panik, noch nicht, aber es fühlt sich alles andere als gut an.

Ob David ihr wohl sagen würde, wenn sie in Schwierigkeiten steckten ? Sie wirft einen raschen Blick auf ihr Handy und überlegt, wie sie ihn das am besten fragen kann, ohne ihn zu kränken. Vermutlich ist es am sichersten, wenn sie ihm schreibt; er hasst es, wenn ihre Stimme zittrig klingt. Er sagt, sie wäre zu nah am Wasser gebaut und dass es unmöglich sei, sich vernünftig mit ihr zu unterhalten, wenn sie so emotional ist.

Nein, das ist es nicht wert. Wenn er nach Hause kommt, wird er den Brief sehen, und dann kümmert er sich um die Angelegenheit. Soll er doch wütend auf die Bank sein, nicht auf die Botin, und besser, er ist später wütend als jetzt und später. Unbewusst legt sie eine Hand an die Kehle und schluckt schwer. Ihr graut davor, was passieren wird, wenn er von der Arbeit nach Hause kommt.

Die Sache ist es definitiv nicht wert, ihn damit jetzt zu belästigen.

Sie überlegt, dort weiterzumachen, wo sie aufgehört hat, als die Post gekommen ist, aber wenn sie sich jetzt ins Online-Portal einloggt und das wöchentliche »Let’s Sell Dreams«-Pflichtvideo ansieht, wird es ihr nur noch schlechter gehen. Als sie seinerzeit den Vertrag unterzeichnet hat und somit als Verkäuferin von Dream-Vitality-Aromaölen begann, hoffte sie noch darauf, das würde ihr ein wenig Unabhängigkeit verschaffen. Ihr etwas zu tun geben, auf das sie stolz ist. Aber wenn sie jetzt in den tiefen Abgrund des Holzkoffers blickt, der bis zum Rand gefüllt ist mit kleinen lila Fläschchen, die allesamt voll und ungeöffnet Staub ansetzen, dann will sie bis zu ihrem Lebensende nie wieder Bergamotte riechen.

Im Eingangsbereich wartet ein brandneuer Karton auf sie, ihre monatliche Pflichtlieferung, die optimistisch beschriftet ist mit DREAM-LIEFERUNG ! Aber nachdem sie ein Jahr lang versucht hat, ein Produkt an den Mann zu bringen, das sich angeblich ganz von allein verkaufen soll, ist sie drauf und dran, sich geschlagen zu geben. Am Anfang war sie ganz beflügelt von diesem Traum: Sie wollte sich eigenständig ihr Geschäft aufbauen, etwas ansparen, Teil eines Netzwerks voller kluger, motivierter Frauen sein. Stattdessen waren ihre Freunde befremdet von den notwendigen Werbeposts auf ihren Social-Media-Kanälen, ihren Töchtern ist sie peinlich, auf Partys und in Spielgruppen ist sie nicht mehr willkommen. Und was hat sie davon ? Lauter Kartons voller Produkte, die sie nicht mal zum Einkaufspreis wieder loswird. Schon bevor heute die Überziehungsbenachrichtigung ins Haus flatterte – bestimmt ein Fehler der Bank –, hat sie sich Sorgen gemacht, dass die Abbuchung diesen Monat ihr schmales Budget sprengen würde. Und dass es, wenn David das herausfand … unschön werden könnte.

Am härtesten hat sie getroffen, dass der Versuch, sich beruflich etwas aufzubauen, ihr gezeigt hat, dass die meisten ihrer Online-Freunde keine echten Freunde sind. Sie erlebt keinerlei Unterstützung, niemand teilt ihre Posts, niemand bestellt etwas, niemand schreibt Bewertungen. Es gibt nur noch einen kleinen, verschworenen Kreis anderer wagemutiger Mütter, die sich gegenseitig den Rücken stärken, aber in dieser Online-Gruppe ist ausschließlich positive Bestätigung erwünscht, und sie fragt sich, ob wohl außer ihr noch jemand insgeheim so erschöpft ist, sich so außen vor fühlt, so zutiefst einsam.

Eigentlich hat dieser Job sie retten sollen, aber nun ist sie damit nur noch tiefer in Schwierigkeiten geraten.

Reiß dich zusammen, blöde Kuh, ermahnt sie sich selbst. Ist doch nur Öl.

Damit fühlt sie sich auch kein bisschen besser.

Sie fährt sich mit beiden Händen durchs Haar, das immer mehr dem ihrer Mutter ähnelt, seit ihr Friseur das Grau mit immer mehr Bleichmittel kaschiert und das Prozedere mit einem französischen Namen bezeichnet, der es gleich doppelt so teuer macht. Draußen vor dem Panoramafenster funkelt der perfekte Pool in der Sonne, aber sie kann nicht hineinspringen, weil das Wasser ihr Haar so spröde machen würde wie ungekochte Spaghetti mit einem fast moosartigen Grünstich. Sie sieht sich um, betrachtet die Lamellenwand, die Granitarbeitsplatte, die Edison-Glühbirnen, die auf die Jahreszeit abgestimmten Kissenbezüge. Alles ist perfekt, aber nichts stimmt.

Selbst der schneeweiße Hund, der auf einem zum Fell passenden Kissen vor sich hinschnarcht, ist nobel – ein Bichon namens Olaf, der mehr gekostet hat als Chelseas erstes eigenes Auto. Es musste ein Hund sein, der nicht haart, denn David findet den Gedanken unerträglich, dass Knäuel aus Hundehaaren wie Steppenläufer über den Marmorboden wehen. Der arme, süße Olaf hat Todesangst vor ihm und verbringt den Großteil seines Lebens in Verstecken. Allerdings ist Olaf auch schwer inzuchtgeschädigt, eine ständig jaulende Neurosensammlung auf vier Beinen, die immerzu ganz unvermittelt Urinpfützen unter sich lässt.

Das große, geräumige Haus ist das genaue Gegenteil des schäbigen Apartments, in dem Chelsea aufgewachsen ist. Eigentlich sollte sie sich wohlfühlen in einer so schönen Umgebung, aber ihr ist, als kämen die Wände auf sie zu und als würde dieses Haus sie immer mehr erdrücken, wie eine auf sie niedergehende Lawine aus lauter Zeug. Und es ist eine niemals endende Arbeit, dieses ganze Zeug entweder prahlerisch perfekt zu arrangieren oder es zu verbergen, überhaupt alles am Laufen zu halten. Nie hätte sie sich träumen lassen, dass ihr Leben so sein würde. Dass sie sich von morgens bis abends fühlen würde, als stecke sie in der Falle.

Chelsea gießt sich gerade eine zweite Tasse Kaffee ein, die nichts gegen ihr bis ins Mark reichendes Unwohlsein ausrichten kann, als es an der Tür klingelt. Sie erstarrt. Blickt auf den Wandkalender – ein Fotokalender mit lauter Bildern ihrer Familie in zusammenpassenden blendend weißen Shirts –, aber es sind keine Termine eingetragen. Niemand kommt heute vorbei, um Arbeiten am oder im Haus zu erledigen, und eine Lieferung erwartet sie auch nicht. Dank Dream Vitality und David haben sich die meisten ihrer Freunde zurückgezogen, also kann das Klingeln nur eins bedeuten. Ihre Füße haben es längst begriffen und tragen sie rückwärts, weg vom großzügigen Eingangsbereich und Richtung Hauswirtschaftsraum, in dem sich die Fenster so hoch oben in der Wand befinden, dass man Chelsea von draußen nicht erspähen kann, wenn sie sich dort drinnen versteckt. Das Garagentor ist geschlossen, also verrät nichts, dass sie zu Hause ist.

Und dann vibriert das Handy in ihrer Hand, und auf dem Display erscheint ein Text.

Ich weiß, dass du da drinnen bist.

Selbst der Hauswirtschaftsraum kann sie nicht mehr retten. Sie geht zurück in die Küche, stürzt einen großen Schluck Kaffee runter und knallt den Becher so fest auf die Arbeitsplatte, dass die helle Flüssigkeit über den schwarzen Granit spritzt. Rasch läuft sie ins Bad, kämmt sich das Haar und frischt den Lippenstift auf. Ihre Mascara ist ganz leicht verlaufen und lässt ihre blauen Augen ein wenig hervortreten, und sie tupft rasch mit einem Tuch unter ihren Augen herum. Auf dem Oberteil ist ein winziger Kaffeefleck, also tauscht sie es gegen ein frisches und legt mittelgroße Diamantohrringe an – nicht so klein, dass man denkt, sie könnte sich nicht mehr leisten, aber auch nicht so groß, als wollte sie dringend damit herumprotzen.

Als es klopft, klingt es leicht und fröhlich.

Klopf klopf klopf-klopf-klopf.

Bin nur ich, scheint dieses Klopfen zu sagen. Ist nur ein kleiner Freundschaftsbesuch.

Könnte bösartiger Narzissmus an Türen klopfen, würde es genau so klingen.

Wenn sie sich nicht beeilt, wird das nächste Geräusch das Scharren der Fußmatte sein, die beiseitegeschoben wird, und dann dreht sich der Notfallschlüssel im Schloss, also hastet Chelsea zur Tür, wirft zur Sicherheit einen Blick durch den Spion und öffnet mit jenem Lächeln, das man auch an Schimpansen beobachten kann, die einem größeren Schimpansen gegenüberstehen und wissen, dass sie gleich auseinandergenommen werden.

»Na, das hat aber gedauert«, sagt Patricia Lane, und ihr Lächeln ist, so höflich und korrekt es aussehen mag, doch genau das Lächeln eines stärkeren Affen, der einem rangniedrigeren Tier eine ordentliche Tracht Prügel mit einem Oberschenkelknochen verspricht. »Dreißig Grad hat es heute. Im April ! Ein Glück, dass ich hier draußen nicht geschmolzen bin.«

Hexen schmelzen im Regen,...

Erscheint lt. Verlag 1.2.2023
Übersetzer Maike Hallmann
Sprache deutsch
Original-Titel The Violence
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte 2023 • Der Report der Magd • Die Gabe • diezukunft.de • Dystopie • dystopie fantasy • eBooks • Emanzipation • Feminismus • Gewalt gegen Frauen • Gewalt in der Ehe • Margaret Atwood • Naomi Alderman • Neuerscheinung • Survivalstory • The Handmaid's Tale • Virus
ISBN-10 3-641-29481-9 / 3641294819
ISBN-13 978-3-641-29481-6 / 9783641294816
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