Ein Kind namens Hoffnung (eBook)

Die Geschichte einer heimlichen Heldin | 'Ein anrührend und brillant geschriebener Roman' Buchjournal

(Autor)

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2022 | 1. Auflage
300 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-46566-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ein Kind namens Hoffnung -  Marie Sand
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Wer einen Menschen rettet, rettet die ganze Welt - Die Geschichte einer Frau, die unter Einsatz ihres eigenen Lebens ein jüdisches Kind vor den Nazis rettet Elly Berger wird 1900 in eine Pfarrersfamilie geboren. Wenn es nach ihrem Vater gegangen wäre, hätte sie studieren sollen, doch Elly hat nur einen großen Traum: Sie will Köchin werden. Es gelingt ihr, in Berlin eine Stellung bei der jüdischen Familie Sternberg zu finden, die ihr fortan ein Zuhause bietet. Vor allem dem kleinen Sohn Leon schenkt sie ihre ganze Liebe. Doch dann wird die Familie bei den Nazis denunziert und die Eltern verhaftet. Für Elly zählt nur noch eines: Sie muss Leon retten! Sie flieht mit dem Jungen, gibt ihn als ihr eigenes Kind aus und ist von diesem Augenblick an für lange Zeit heimatlos. Ein anrührender und brillant geschriebener Roman, der auf einer wahren Geschichte beruht, und ein Kapitel deutschen Widerstands, das man in keinen Geschichtsbüchern findet.  

Marie Sand lebt in Berlin. Sie studierte Kunstgeschichte, arbeitete in Zeitungsverlagen und war 16 Jahre in einer politischen Institution im Medienbereich sowie im Referat für internationale Beziehungen tätig. Sie engagierte sich für die Verwirklichung der Menschenrechte in Südasien. Seit 2009 berät sie als Freiberuflerin Autoren zu den Bereichen Buchkonzept und Schreiben von Unternehmens- und Sachbüchern. Ihre Leidenschaft aber ist die Spurensuche nach außergewöhnlichen Heldinnen in der Literatur - und in der Zeitgeschichte.

Marie Sand lebt in Berlin. Sie studierte Kunstgeschichte, arbeitete in Zeitungsverlagen und war 16 Jahre in einer politischen Institution im Medienbereich sowie im Referat für internationale Beziehungen tätig. Sie engagierte sich für die Verwirklichung der Menschenrechte in Südasien. Seit 2009 berät sie als Freiberuflerin Autoren zu den Bereichen Buchkonzept und Schreiben von Unternehmens- und Sachbüchern. Ihre Leidenschaft aber ist die Spurensuche nach außergewöhnlichen Heldinnen in der Literatur – und in der Zeitgeschichte.

1


Die einen übertrugen Noten auf die Tasten, erzeugten Musik. Die anderen öffneten mit ihrem Talent eine Tür, hinter der alles möglich war. Letzteres unterschied den gewöhnlichen Klavierspieler von einem Künstler. Und Sara war eine Künstlerin von Gottes Gnaden. Wenn Sara am Bechstein-Flügel saß, geriet Elly ins Träumen. Sie nahm die Melodie in sich auf, ihr gesamter Körper folgte Saras Spiel. Sie stellte sich vor, wie es wäre, gemeinsam davonzuschweben, irgendwohin, wo es mehr Licht als Schatten gäbe.

Wie jeden Morgen um neun stand Elly im Türrahmen des Musikzimmers und lauschte. Unser Rendezvous nannte sie diese Treffen insgeheim. Schon vor dem Aufstehen kribbelte die Freude darauf in der Magengegend. Nicht, dass sie keine anderen Aufgaben hätte! Nein, daran mangelte es nicht. Einkaufen, Kochen, Servieren und dann noch Spielen mit dem Kleinen im Park, auch der Dackel brauchte Pflege. Es wäre vernünftig, eine zusätzliche Hilfe einzustellen. Aber Elly wollte das nicht. Erstens wusste man nie, wen man sich ins Haus holte. Zweitens würde die Morgenroutine gestört. Sara würde nicht mehr nur für sie spielen wie jetzt an diesem tristen Dezembermorgen, wenige Tage vor Weihnachten. Hanns forschte in der Praxis, Leon war in der Schule, die schweren Vorhänge hingen noch zugezogen. Zwei Frauen allein im großen Haus. Die eine Köchin, die andere Pianistin. Die eine derb in der Bewegung, die andere wie eine Lichtgestalt.

Unentbehrlich hatte Sara gesagt. Elly sei für die Familie Sternberg unentbehrlich. Seither hielt sie das Wort mit den Fingerspitzen fest, obwohl die dick und schwielig geworden waren. Das kam vom Schälen und Schnippeln und vom Tunken der Hände in Seifenlauge. Doch sie tat das gern. Es gab kein Kochen ohne Vorbereitung. Besonderes entstand nie ohne Schmerz. Und manchmal, wenn ihr das Essen gut gelang, wenn der Geschmack eine Weile auf der Zunge lag, empfand auch sie sich als Künstlerin. Keine, die sich forttragen ließ. Solche Höhenflüge strebte sie nicht an. Sie hätte Angst, nicht mehr zurückzufinden in die Beständigkeit der Sternberg’schen Villa. Daran mochte sie gar nicht denken.

Die Standuhr im Flur schlug zehn Mal, Zeit, den Salon herzurichten. Besuch hatte sich angekündigt. Nur war der Tisch noch nicht gedeckt. Aber Elly rührte sich nicht, sie würde Saras Musizieren nicht unterbrechen. Auch wenn Sara nie vor Publikum spielte, sich nie vor fremden Menschen verbeugte, auch wenn sie sich um Auszeichnungen so wenig kümmerte wie um das Durcheinander in dem Kellerregal, so nahm sie ihr Üben am Flügel sehr ernst.

Die Klingel am Gartentor störte. Ein Dauerton.

»Schon so spät? Das ist unser Gast«, sagte Sara und verlangsamte das Spiel.

»Es ist nichts vorbereitet.«

»Sie bringt ihren eigenen Kuchen mit.«

»Warum? Schmeckt ihr nicht, was ich backe?«

»Nicht ärgern lassen.«

Elly drehte sich um, ging in den Garten, um der alten Bechstein zu öffnen, und dachte: Rattengift.

* * *

Ohne Gruß schob sich Helene Bechstein an Elly vorbei und marschierte ins Haus. Irritiert sah Elly ihr nach. Weder trat die Bechstein die Füße auf der Matte ab, noch hängte sie den Mantel an die Garderobe. Der wehte hinter ihr her wie ein zu schwer geratener Schleier. Unwillkürlich legte Elly die Arme um sich, die kalte Ausstrahlung der Bechstein war unangenehmer als der Dezemberwind. Die kroch durch die wollene Wäsche bis unter die Haut. Elly schüttelte sich, um die Kälte abzuwehren, und ging ins Haus zurück. Dort stand der Gast bereits im Salon, sah nach oben in den ersten Stock, drehte sich um sich selbst, ließ den Blick über die Salonwände gleiten und bewegte sich auf das Musikzimmer zu. Auf dem Boden zeigten sich Matschflecken. Elly eilte ihr nach und bat sie darum, die Schuhe auf dem feuchten Tuch im Eingangsbereich abzuputzen. Aber die Bechstein wedelte nur mit der Hand durch die Luft, ein Zeichen dafür, dass Elly schweigen und verschwinden solle. Elly blieb. Wiederholte ihre Bitte und wies vorwurfsvoll auf die Flecken auf dem hellen Holz. Die Augen der Bechstein rollten hin und her wie kleine Kieselsteine, die ihren Platz im Gesicht noch nicht gefunden hatten. Diese Augen, dachte Elly, sind kein Tor zur Seele.

»Das Personal wird immer frecher«, befand die Bechstein. Mit heruntergezogenen Mundwinkeln übergab sie Elly einen Karton und mahnte zur Vorsicht, darin sei eine Torte, eine ganz besonders feine Kreation aus Sahne und Schokoboden. Ob Elly das verstanden habe. Sie wandte sich wieder ab und rief mit ihrer kehligen Stimme: »Liebes, niemand da?«

Als sie Sara in der Tür des Musikzimmers entdeckte, breitete sie die Arme aus. »Lass dich einfach nur drücken.« Sie lachte, und ihr ansonsten grobes Gesicht leuchtete auf. »Gut siehst du aus. Wie immer, meine bezaubernde junge Freundin.«

Die beiden Frauen umarmten sich, die eine verschwand in der Fülle der anderen. Sie hätten Mutter und Tochter sein können, so groß war der Altersunterschied. Dabei wirkte Sara mit ihren sechsundzwanzig Jahren reifer als das Trampel, in dessen Arme sie sich schmiegte. Und Elly überlegte, was die beiden miteinander verband, während sie schlampig den Tisch deckte. Eigentlich verbindet die beiden nur Noten auf dem Papier. Eigentlich nur die wenigen gemeinsamen Schritte in der Welt der Musik. Mehr nicht. Ich könnte den Kaffee dünner aufgießen als üblich und kein Holz im Kamin nachlegen. Denn eine wie die Bechstein sollte hier nicht sein.

Das Porzellan nicht das beste und die Servietten schräg gefaltet, keine Blumen, nur fast abgebrannte Kerzen, auch kein Silberbesteck lag neben den Tellern. In der Mitte die Schwarzwälder Torte mit Dellen am Rand, vermutlich durch den Transport entstanden.

»Fertig gedeckt!«, rief Elly den beiden zu und unterbrach die für ihren Geschmack viel zu innige Begrüßung. Die Bechstein löste sich zuerst. Abrupt drehte sie sich um, dabei wischte sie sich über die Augen. Mechanisch griff Elly in ihre Schürze und hielt ihr ein Taschentuch entgegen.

»Sind Sie erkältet?«

»Na ja, ich habe schon schönere Tafeln gesehen«, bemerkte Helene Bechstein und fügte an: »Das Rezept ist von Wölfchen. Setz dich, Liebes, und probier mal.« Sie trat an den Tisch und lud mit Schwung ein Stück Torte auf Saras Teller, dabei zwinkerte sie verschwörerisch. »Er hat es mir am vorigen Wochenende auf dem Berghof verraten.« Dann nahm sie die Kaffeekanne und schenkte ein, als wäre sie die Gastgeberin. An Elly gerichtet entschied sie, das Personal könne sich endlich in die Küche zurückziehen. Sie habe ein Geheimnis mitgebracht. Ein strenger Zug um den Mund verriet, dass sie es nicht gewohnt war zu diskutieren. »Was ich zu sagen habe, ist höchst delikat. Das geht Fremde gar nichts an.« Damit nahm Helene Bechstein ihren Platz am Tisch ein und betonte, dass sie sich schon seit Stunden auf das Plaudern mit Sara freue.

Nicht mit mir, dachte Elly. Sie trat selbstsicher an den langen hölzernen Tisch, zündete die Kerzenstümpfe an. Sie durchquerte den Salon und zog dabei ein Staubtuch aus der Schürzentasche, um über das Vertiko an der Wand zu wedeln. Sehr leise summte sie die Melodie nach, die Sara zuvor gespielt hatte. Dann schob sie die beigen Samtvorhänge der bodentiefen Fenster zurück. Es schneite seit Tagen. Ein Wintermärchen.

»Zum letzten Mal: Ich muss mit dir allein sprechen. Es ist wichtig. Schick deine Köchin in die Küche!«

Unsicher wandte Sara den Kopf vom Tisch zum Fenster und zurück. »Aber Elly gehört zur Familie.«

»Pass auf, Liebes, entweder das funktioniert jetzt, oder du erfährst es zu spät. Es wäre dein Schaden, dein wirklich großer, unabänderlicher Schaden.« Helene deutete mit dem Kinn auf Elly.

Einzig um Sara nicht in Verlegenheit zu bringen, zog Elly sich in das angrenzende Musikzimmer zurück. Es war durch eine doppelte Flügeltür aus Glas vom Salon getrennt. In anderen Zeiten, als Gäste noch unkontrolliert in der Villa ein und aus gehen durften, hatten sich hier Freunde zum gemeinsamen Konzert getroffen. Vorbei, vorerst, dachte sie und begann, den Lack des Klaviers zu wienern. Immer rundherum, nur auf einer Stelle, das Ohr zum Salon gerichtet. Hin und wieder drangen Wortfetzen durch den Türspalt.

»Wer ist Wölfchen?«, fragte Sara.

»Na, unser Führer.« Helene gluckste. »Ich habe ihm den Kosenamen gegeben. Hast du das nicht gewusst?«

»Man hält Hanns und seine Kollegen von der Arbeit ab. Sogar mein Musikkreis wird kontrolliert.«

»Ja, ja, da entwickelt sich was. Aus dir hätte was werden können. Ich hätte dich zum Star gemacht. Jetzt ist es zu spät.«

Mit Druck wischte Elly den Kreis auf dem Klavier. Rund und rund und ohne Anfang und ohne Ende. Schlieren entstehen, Schlieren vergehen. Helene, die Förderin. Helene, die Grande Dame der Berliner Gesellschaft. Helene, die Mäzenatin für junge Musiktalente. Elly stoppte. Durchkreuzte mit dem Staubtuch den Kreis. Helene, die Ziehmutter von Hitler. Wie konnte sie es wagen, ihre Füße in dieses Haus zu setzen und Sara Liebes zu nennen!

Die Wortfetzen wurden eindringlicher. Elly faltete das Staubtuch, steckte es in die Schürzentasche. Sie öffnete die Tür mit Schwung, sah in den Salon. Beide Frauen saßen sich gegenüber, weit über den Tisch zueinander gebeugt.

»Wie gesagt, das Rezept ist von ihm. Aber das wollte ich gar nicht erzählen. Warum ich hier bin …«

»Was hat Hitler sich ausgedacht? Noch mehr...

Erscheint lt. Verlag 4.10.2022
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Bechstein • biografische Romane • Buchempfehlungen Frauen • Buch-empfehlung Freundin • Deutsche Geschichte • Drittes Reich • Drittes Reich Romane/Erzählungen • Ein KInd namens Hoffnung • Elly Berger • Familie Sternberg • Frauenschicksal • Gegenwartsliteratur • Hausangestellte • heimliche Heldinnen • Heldinnen • Historische Romane • historische romane 20. jahrhundert • historische Romane 2. Weltkrieg • historische Romane Berlin • Historische Romane Deutschland • inspirierende bücher • Judenverfolgung • Judenverfolgung Bücher • jüdische Familie • jüdischerJunge • Köchin • Marie Sand • Marie Sand Bücher • Nationalsozialismus Roman • Neo-History • Pianistin • Pogrom • Rettung jüdischer Kinder • Romane 2. Weltkrieg • Romane nach wahren Begebenheiten • Romane nach wahren Geschichten • Romane Zweiter Weltkrieg • Roman wahre Begebenheiten • schicksalsromane • Starke Frauen der Geschichte • Stille Helden • Wahre GEschichte • Widerstand im 3. Reich • Widerstand im Dritten Reich • Widerstand NS Zeit • Zeitgeschichte 2. Weltkrieg
ISBN-10 3-426-46566-3 / 3426465663
ISBN-13 978-3-426-46566-0 / 9783426465660
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