Seelendieb (eBook)

Mercy Thompson 13 - Roman
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2023 | 1. Auflage
464 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-29487-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Seelendieb -  Patricia Briggs
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Als der Vampir Wulfe spurlos verschwindet, hat Automechanikerin und Gestaltwandlerin Mercy Thompson ein Problem: Wulfe ist nicht nur verrückt und brandgefährlich, er ist auch Mercys Stalker. Und so gerät ihr ganzes Rudel unter Verdacht, etwas mit seinem Verschwinden zu tun zu haben. Gelingt es Mercy nicht, Wulfe zu finden, kündigen die Vampire das Bündnis mit den Werwölfen auf. Widerwillig macht sie sich auf die Suche nach ihrem Erzfeind und entdeckt, dass er nicht das einzige magische Wesen in den Tri-Cities ist, das vermisst wird. Bei ihren weiteren Ermittlungen stößt sie auf die uralte Legende des Seelendiebs ...

Patricia Briggs, Jahrgang 1965, wuchs in Montana auf und interessiert sich seit ihrer Kindheit für Fantastisches. So studierte sie neben Geschichte auch Deutsch, denn ihre große Liebe gilt Burgen und Märchen. Mit ihrer Mystery-Saga um die Gestaltwandlerin Mercy Thompson stürmt sie regelmäßig die internationalen Bestsellerlisten. Nach mehreren Umzügen lebt die Autorin heute in Washington State.


George brach als Erster auf.

»Ich wurde gerade angefordert«, erklärte er Adam laut genug, um über die Musik gehört zu werden, und schüttelte meinem Gefährten die Hand. »Irgendein Vorfall in einem Lebensmittelmarkt.«

Adam verspannte sich. »Gewalt?«

George zuckte mit den Achseln. »Für den Moment halten sie sich noch bedeckt – oder sie wissen es noch nicht.«

»Pass auf dich auf«, sagte ich.

»Du musst reden.« Georges Blick huschte über mein verfärbtes Gesicht. »Ich habe schon Leute in die Leichenhalle gebracht, die genau an dieser Stelle getroffen wurden. Ist ein verletzlicher Punkt am Schädel.«

»Ich ebenfalls«, sagte Adam, doch er klang entspannt. In diesem Moment wurde mir klar, dass ihm genau dieser Gedanke durch den Kopf geschossen sein musste, als er mich fallen gesehen hatte. Manchmal macht Wissen alles nur noch schlimmer.

»Ich bin noch nicht tot«, erinnerte ich die beiden. »Vermutlich bin ich einfach zu dickköpfig. Wenn meine Zeit kommt, werde ich gehen … und wahrscheinlich werde ich an etwas Dummem sterben. Aber wenn der Himmel gnädig ist, wird mich kein Kürbis ins Jenseits befördern.«

»In Ordnung«, meinte George mit einem leisen Lächeln. Er tippte sich in einem letzten Salut an die Stirn und ging zum Ausgang.

»Lass uns mit Zack reden«, sagte Adam.

Der Auftakt zur letzten Aufgabe des Abends. Mein Magen verkrampfte sich, doch gleichzeitig erfüllte mich eine seltsame Erleichterung. Warten stank zum Himmel.

»Dafür brauchst du mich nicht«, erinnerte ich ihn.

Er schenkte mir ein kleines Lächeln. »Ich mag es, dich in meiner Nähe zu haben.«

Ich ließ mein volles Glas neben dem leeren stehen und folgte Adam zu Zacks Tisch.

»Du müsstest heute Abend etwas länger bleiben als alle anderen«, murmelte Adam ihm zu. »Ich kann dich nach Hause fahren, wenn wir fertig sind.«

Warren, der immer noch neben Zack saß, stieß ein Brummen aus, hob leicht den Hintern an und zog einen Subaru-Schlüssel heraus, an dem immer noch das Etikett des Autohauses hing. »Ich werde mich von irgendwem mitnehmen lassen. Zack, nimm mein Auto.«

»Du hast ein neues Auto?«, fragte ich. Seitdem ich ihn kannte, fuhr Warren einen alten, heruntergekommenen Truck in den Farben Grundierung und Rost.

»Geschenk von Kyle«, sagte Zack und nahm ohne Widerspruch den Schlüssel von Warren entgegen.

Für einen Moment vergaß ich meine Sorgen. Warren nahm gewöhnlich keine so großen Geschenke von Kyle an.

Statt in Kyles schicker Villa hatten die beiden lange in einer Wohnung in einem Gebäude aus der Nachkriegszeit gelebt, weil Warren sich auf niemand anderen verlassen wollte. Selbst nachdem sie in Kyles Haus gezogen waren, hatte Warren seine Wohnung noch eine Weile behalten. Jetzt ein Geschenk dieser Größenordnung anzunehmen, war ein unglaublicher Vertrauensbeweis.

Kyle hatte Warren auch einen hübschen Ehering gekauft. Ich hatte ihn vor ein paar Monaten bei der Auswahl unterstützt. Er hatte mich zum Juwelier begleitet, weil ich meine Kette mit dem silbernen Lamm-Anhänger reparieren lassen musste, und hatte dabei den perfekten Ring entdeckt.

»Das ist mal was Neues«, meinte ich. »Und ich rede nicht vom Auto.«

»Mein Truck ist zu auffällig«, sagte Warren, den Mund in etwas verzogen, was Verlegenheit hätte sein können. Oder auch nicht.

Ich runzelte die Stirn.

»Kyle lässt mich Leute beschatten«, erklärte Warren zu schnell. Warren arbeitete als Privatdetektiv für Kyles Anwaltskanzlei. »Er hat beschlossen, dass ich etwas brauche, was sich besser einfügt.«

Das klang, als hätte Kyle sich über Warrens Widerspruch hinweggesetzt … was ihm gar nicht ähnlich sah. Und das wiederum erklärte vielleicht die Anspannung, die Warren heute Abend ausstrahlte.

»Wenn Unauffälligkeit das Ziel war, hätte ich mich eher für Honda oder Toyota entschieden«, sagte ich, womit ich es Kyle und Warren überließ, ihre Schwierigkeiten zu lösen. »Aber Subaru produziert auch gute Autos.«

Niemand fragte nach VW. Seit dem Abgasskandal war ich sauer auf Volkswagen.

»Ich würde Mercy ja ein neues Auto kaufen, um das zu ersetzen, das sie benutzt hat, um einen Feind an einem Müllcontainer zu zerquetschen«, meinte Adam, »aber sie würde mir das Fell gerben.«

»Ich bin Automechanikerin«, erklärte ich ihm gespielt cool. »Ich muss ein altes Auto fahren. So lautet die Regel.«

Er lächelte mich an, und die Wärme in seinen Augen raubte mir den Atem. »Okay«, antwortete er. »Wenn die Regel so lautet.«

Ungefähr zwanzig Minuten später brachen die ersten Wölfe auf. Adam stand neben der Tür und berührte jeden, der ging. Manchmal umarmte er jemanden, manchmal strich er einem mit den Fingern über die Wangen oder tätschelte ihm die Schulter. Ein guter Rudelführer wusste, was seine Wölfe brauchten.

Ich zog mich an unseren Tisch zurück und nippte an meinem dritten Glas Limettenwasser. Ich hätte eigentlich neben Adam stehen müssen, aber es wäre mir nicht gelungen, meine Anspannung zu verbergen. Es war wichtig, dass das Rudel heute Abend glücklich war. Ein paar von ihnen sahen zu mir, und ich rieb als Antwort auf die Blicke meine Wange. Mein Kopfweh war eine Tatsache, selbst wenn es nicht wirklich das Problem war.

Adam sagte etwas zu Darryl, seinem Zweiten, was den großen Mann zum Lachen brachte. Auriele, Darryls Gefährtin, schlug ihm leicht auf den Hinterkopf, aber sie lachte ebenfalls. Darryl hatte nicht am Wettbewerb teilgenommen, weil er und Adam die Stationen im Labyrinth aufgebaut hatten. Aber Auriele hatte mitgemacht. Ihr Team hatte das Zeitlimit eingehalten, aber nur zwei der Bänder gefunden.

Sherwood stand auf, um zu gehen. Auf dem Weg zur Tür humpelte er leicht, was verriet, dass er im Labyrinth wirklich alles gegeben hatte. Gewöhnlich bewegte er sich so elegant, dass die meisten Leute seine Beinprothese gar nicht bemerkten.

Statt Adams Gespräch zu stören, wollte Sherwood einfach vorbeigehen. Adam griff nach Sherwoods Arm, ohne sich von den anderen zwei Wölfen abzuwenden, und hielt den Mann fest. Sherwood verspannte sich und wollte sich zurückziehen – aber Adam gab ihn nicht frei.

Und trotz des kurzen, fast besorgten Blickes, den Darryl Sherwood zuwarf, beendete Adam die Verabschiedung nicht übereilt. Auriele runzelte die Stirn, als die beiden schließlich gingen.

Adam sagte etwas zu Sherwood. Nachdem A Little Bit Off von Five Finger Death Punch aus den Lautsprechern schmetterte, konnte niemand anders die Worte verstehen. Der große Mann starrte Adam einen Moment lang mit unfreundlichem Blick an, dann atmete er tief durch. Er bemühte sich bewusst, sich zu entspannen, nickte Adam kurz zu und drehte sich, um in meine Richtung zu schreiten.

Showtime, dachte ich und atmete ebenfalls tief durch. Ich musste Ruhe ausstrahlen.

Sherwoods Humpeln war nicht mehr wahrnehmbar, als er in meine Richtung pirschte. Wölfe zeigen vor ihren Feinden niemals Schwäche. Nicht dass irgendwer, der ihn kannte, je davon ausgegangen wäre, dass Sherwood schwach war, weil ihm ein Bein fehlte.

Ich hatte vorher noch nie von einem Werwolf gehört, dem Gliedmaßen fehlten. Werwölfe sterben entweder an ihren Verletzungen oder sie heilen sie. Wenn ein Bein abgetrennt wird, sollte es eigentlich nachwachsen.

Und für den Fall, dass der Mensch schon vor seiner Verwandlung gelähmt oder amputiert war, gab es Wege, auch solche Verletzungen zu beheben. Das Vorgehen war schrecklich – weil es erforderte, die geschädigten und jetzt verheilten Körperteile erneut zu verletzen. Ich hatte gehört, dass diese Methoden bei Sherwood keinerlei Effekt gezeigt hatten.

Sherwood war in einem Labor einer Gruppe schwarzer Hexen gefunden worden, die vor ein paar Jahren von Werwölfen vernichtet worden waren. Niemand wusste, wie lange er sich schon in Gefangenschaft befunden oder was man ihm angetan hatte, aber ich war selbst einmal für eine Weile an einem solchen Ort festgehalten worden … und litt immer noch an Albträumen.

Seine Retter hatten Sherwood zu Bran gebracht, der ihn gezwungen hatte, erneut seine menschliche Gestalt anzunehmen. Sherwood hatte keinerlei Erinnerung daran, wer oder was er gewesen war – vielleicht, weil er eine zu lange Zeit als Wolf verbracht hatte, vielleicht auch, weil die Hexen ihm irgendetwas angetan hatten.

Bran kannte Sherwoods Identität, doch aus seinen ganz eigenen Gründen hatte er es nicht für angebracht gehalten, Sherwood – oder irgendwen sonst – aufzuklären. Stattdessen hatte Bran die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, dem dreibeinigen Wolf (oder dem einbeinigen Mann) einen Namen gegeben und Sherwood Post zu uns geschickt.

Zu Beginn hatte ich geglaubt, dabei wäre es um Sherwoods Wohlbefinden gegangen. Bran hatte mir erzählt, dass Sherwood sich über die schrecklichen Winter in Montana beschwert und darum gebeten hatte, zu einem Rudel in einer wärmeren Klimazone geschickt zu werden. Die meisten Orte hatten ein angenehmeres Klima als Aspen Creek, Montana.

Nach den letzten Monaten – Monate, in denen Sherwood bewiesen hatte, dass er einige sehr nützliche und ungewöhnliche Fähigkeiten besaß – vermutete ich langsam, dass zusätzliche Gründe Bran dazu bewogen hatten, Sherwood zu uns zu schicken.

Hatte Bran gewusst, was hier geschehen würde? Hatte er geahnt, dass unser Rudel ins Zentrum politischer Manöver des Feenvolkes geraten würde, bevor wir das selbst geahnt...

Erscheint lt. Verlag 15.3.2023
Reihe/Serie Mercy-Thompson-Reihe
Mercy-Thompson-Reihe
Übersetzer Vanessa Lamatsch
Sprache deutsch
Original-Titel Soul Taken - Mercy Thompson Book 13
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte 2023 • eBooks • Fae • Fantasy • Gestaltwandler • Magie • Neuerscheinung • New-York-Times-Bestsellerautorin • Rudel • Sensenmann • Spiegel-Bestsellerautorin • Urban Fantasy • Vampire • Werwölfe
ISBN-10 3-641-29487-8 / 3641294878
ISBN-13 978-3-641-29487-8 / 9783641294878
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