Die Haushälterin (eBook)

Spiegel-Bestseller
Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022
448 Seiten
Goldmann Verlag
978-3-641-26280-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Haushälterin - Joy Fielding
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Denn jedes Haus braucht eine gute Seele ...
Jodi Bishop ist erfolgreiche Maklerin und lebt mit ihrem Ehemann und zwei Kindern in Toronto. Da ihre Mutter an Parkinson erkrankt ist, beschließt sie, eine Haushälterin für ihre alternden Eltern einzustellen. Als sie die erfahrene Elyse trifft, ist sie begeistert von deren warmherziger, anpackender Art. Sogar Jodis skeptischer Vater scheint sie zu mögen. Aber schon nach kurzer Zeit nimmt Jodi beunruhigende Veränderungen wahr. Ihre Eltern verlassen kaum noch das Haus, ihre Mutter scheint sich regelrecht vor Elyse zu fürchten. Und als ihre Mutter unerwartet verstirbt, muss Jodi sich fragen: Wem hat sie da die Tür zum Leben ihrer Eltern geöffnet ...?

Joy Fielding gehört zu den großen Spitzenautorinnen Amerikas. Seit ihrem Psychothriller »Lauf, Jane, lauf« waren alle ihre Bücher internationale Bestseller. Joy Fielding hat zwei Töchter und lebt mit ihrem Mann in Toronto, Kanada, und in Palm Beach, Florida.
Spiegel-Bestseller

KAPITEL ZWEI


»Was wissen Sie über Parkinson?«

Das war immer die erste Frage, die ich stellte. Ich wollte sichergehen, dass eine potenzielle Angestellte wusste, worauf sie sich einließ.

Elyse Woodley saß in einem der beiden elfenbeinfarbenen Sessel gegenüber dem lindgrünen Samtsofa in unserem selten benutzten Wohnzimmer. Sie trug eine kurzärmelige gelbe Bluse, eine dunkelblaue Baumwollhose und offene Sandalen. Unter den perfekt frisierten Wellen ihres kinnlangen blonden Haars lugten kleine goldene Perlohrringe hervor, neben ihrer schlichten goldenen Armbanduhr der einzige Schmuck, den sie trug. Auch keinen Ehering, und dafür war ich dankbar. Eine Komplikation weniger, erinnere ich mich gedacht zu haben.

Ich hatte mich entschieden, die Bewerbungsgespräche in unserem Wohnzimmer zu führen, nicht weil es der förmlichste Raum im Erdgeschoss war, sondern der am wenigsten unordentliche. In allen anderen Räumen – dem kleinen Esszimmer mit der permanent verschmierten gläsernen Tischplatte, der modernen offenen Küche inklusive großem Inseltresen mit Marmorplatte, dem angrenzende Familienzimmer mit Blick auf einen winzigen Streifen Garten – waren überall Spielsachen verteilt. Es war schwer, einen Schritt zu machen, ohne über eine Super-Mario-Figur oder einen Legostein zu stolpern. (Von den hartnäckigen und anscheinend unzerstörbaren Kneteklümpchen, die an praktisch jeder Oberfläche klebten, will ich gar nicht erst anfangen.)

»Ich weiß, dass es eine Störung des Nervensystems ist, die in erster Linie den Bewegungsapparat betrifft«, antwortete sie. »Sie wird fortschreitend schlimmer. Und es gibt keine Heilung«, fügte sie leise hinzu.

Ich musste mir auf die Zunge beißen, um nicht gleich an Ort und Stelle zu rufen: »Sie sind engagiert!« Die meisten Frauen, die ich bis dahin interviewt hatte – insgesamt sechs – hatten schlicht den Kopf geschüttelt und in verschiedenen Varianten gestammelt: »Nicht viel.«

»Denken Sie, dass Sie sich um eine Person in einem späten Stadium kümmern könnten?«

»Ich glaube schon. Meine Mutter hat jahrelang unter MS gelitten, und mein letzter Arbeitgeber hatte Krebs und war in den letzten Jahren seines Lebens mehr oder weniger ans Bett gefesselt, sodass ich eine Menge Erfahrung mit degenerativen Erkrankungen habe.« Sie schenkte mir ein mitfühlendes Lächeln. Grübchen wie große Kommas tauchten auf beiden Seiten ihres Mundes auf. »Außerdem bin ich tougher, als es den Anschein hat.«

Ich erläuterte die Situation meiner Mutter in breiterem und quälendem Detail: Nach der Diagnose zehn Jahre zuvor nahmen die Symptome den normalen und vorgezeichneten Weg. Es begann mit einem noch harmlosen Zittern ihrer kleinen Finger – »Ruhetremor« nannten die Ärzte es –, gefolgt von verlangsamten Bewegungen und zunehmender Muskelschwäche, die zu Steifheit, einer Veränderung ihrer früher perfekten Haltung und zuletzt einem starren Gang führte.

Meine Mutter war ihr Leben lang eine Tänzerin gewesen, und nun schien es, als würden ihre Füße am Boden kleben. Sie schleppte sich mehr dahin, als dass sie ging. Darüber hinaus war ihre Handschrift bis zur Unleserlichkeit geschrumpft, wegen Veränderungen der Gehirnpartien, die ihre motorischen Fähigkeiten steuerten und es ihr schwer bis unmöglich machten, die Bewegungen ihrer Finger und Hände zu kontrollieren.

Sie hatte Schlafprobleme, schwitzte heftig und litt häufig unter Verstopfung. »Man hat eine Menge am Hals«, musste ich zugeben, bemüht, nichts auszulassen, damit die Frau nicht kündigte, wenn das Ausmaß der Erkrankung meiner Mutter so offensichtlich wurde, dass man es nicht mehr abtun konnte, »auch wenn mein Vater darauf beharren wird, dass er ihr Hauptpfleger ist. Wahrscheinlich hätten Sie mehr mit Kochen und Haushaltsführung zu tun«, sagte ich hoffnungsvoll, »und damit, zur Stelle zu sein, falls …«

»Ihre Eltern mich brauchen«, beendete Elyse den Satz für mich. »Vielleicht sollten Sie weiteratmen«, riet sie mir und riss ihre dunklen Augen auf, während die Grübchen zurückkehrten und an ihren Mundwinkeln zupften.

Ich merkte, dass ich die Luft angehalten hatte, und lachte, obwohl das Geräusch eher so klang, als würde jemand nach Luft schnappen. Ich stellte mir einen alten Baum vor, verbogen und knorrig, und fragte mich, ob sie mich so sah. »Gibt es noch irgendetwas, das Sie wissen müssen?«, sagte ich und wappnete mich auf Nachfragen nach Gehalt und Urlaub, das Erste, wonach sich alle vorherigen sechs Bewerberinnen erkundigt hatten.

»Wann soll ich anfangen?«, fragte sie stattdessen und fügte dann hastig hinzu: »Oh herrje. Wie anmaßend von mir! Es tut mir leid. Ich wollte nicht vorschnell von irgendetwas ausgehen. Mein Sohn ermahnt mich ständig deswegen. Er sagt, ich neige zu voreiligen Schlüssen …«

»Sie haben einen Sohn?«

»Ja, Andrew. Er ist etwa in Ihrem Alter. Er lebt in Kalifornien. Los Angeles. Von dort komme ich ursprünglich.«

»Wie lange leben Sie schon in Toronto? Wenn ich fragen darf …«, fügte ich hinzu, weil ich irgendwo gelesen hatte, dass angehende Arbeitgeber potenziellen Angestellten nicht zu viele persönliche Fragen stellen durften, wobei ich mir nicht sicher war, ob das auch für diese Art Position galt. Ich fand, wenn man eine Person einlud, in seinem Haus zu leben, sollte man das Recht haben, zumindest ein paar wesentliche Dinge über sie zu erfahren.

»Kein Problem«, erwiderte sie locker. »Ich bin vor neun Jahren hierhergekommen, kurz nach dem Tod meiner Mutter. Ich brauchte Urlaub, habe mir ein Ticket für eine Zugfahrt quer durch Kanada gekauft und mich einfach in das Land und die Leute verliebt. Vor allem in einen Mann, wenn ich ehrlich bin.« Sie hob ihre Hand vors Gesicht, um ihr Erröten zu verbergen. »Kurz nach meiner Ankunft in Toronto habe ich einen reizenden Mann kennengelernt, und drei Monate später waren wir verheiratet. Alles war perfekt. Bis es nicht mehr perfekt war.« Sie tat einen jener Riesenseufzer, die den ganzen Körper erschüttern. »Eines Abends – in diesem September ist es vier Jahre her – haben wir zusammen ferngesehen, und Charlie sagte, ihm sei ein wenig schwindelig, und ehe ich begriff, was geschah … war er tot. Gehirnaneurysma, sagten die Ärzte.« Sie hielt inne, und ihr Blick folgte ihren Gedanken in die Vergangenheit. »Damit war ich zum zweiten Mal Witwe. Mein erster Mann, Andrews Vater«, fuhr sie unaufgefordert fort, »ist ebenfalls gestorben. Ein schwerer Herzinfarkt, als er kaum älter war als Andrew jetzt.«

»Das tut mir sehr leid«, setzte ich an, unsicher, was ich sonst noch sagen konnte. In Wahrheit dachte ich, dass sie auf eine perverse Art Glück gehabt hatten. Hirnaneurysmen und schwere Herzinfarkte erschienen mir als Todesart dem langsamen, unbarmherzigen Fortschreiten einer Parkinson-Krankheit vorzuziehen.

»Tja, nun. Man kann nur nach vorne schauen. Als Charlie starb, hatten wir eine Wohnung in der Nähe der St. Claire-Avenue und der Yonge Street, und ich fing an, einer meiner älteren Nachbarinnen bei den Einkäufen zur Hand zu gehen. Schon bald brachte ich selbst gebackene Kekse vorbei – ich backe für mein Leben gern –, und schließlich stellte die Familie mich ein, um der alten Dame ihre Mahlzeiten zuzubereiten, mich um die Wohnung zu kümmern und ihr Gesellschaft zu leisten. Mein Sohn war natürlich entsetzt, dass seine Mutter sich zu solch niedrigen Arbeiten herabließ. Diesbezüglich ist er ein wenig snobistisch. Aber in Wahrheit kümmere ich mich gern um Menschen. Ich bin es gewohnt. Und ich bin gut darin. Außerdem wollte ich nicht nach L.A. zurückziehen und Andrew zur Last fallen.« Sie beugte sich verschwörerisch vor. »Ganz ehrlich … ich kann seine Frau nicht besonders gut leiden.«

Ich unterdrückte ein Lächeln. »Haben Sie Enkelkinder?«

»Nein.« Sie schüttelte den Kopf. Offensichtlich ein wunder Punkt.

Wie aufs Stichwort brach im selben Moment im ersten Stock ein lautstarkes Gekabbel aus. »Mom, Daphne klaut mir Sachen!« »Mommy, Sam ist gemein zu mir!«

»Daphne«, rief ich zurück, »hör auf, Sams Sachen zu nehmen. Sam, hör auf, gemein zu deiner Schwester zu sein.«

»Sie gibt mir meine Nintendo Switch nicht zurück!«

»Er hat gesagt, ich darf damit spielen!«

»Nein, hab ich nicht! Gib es zurück!«

»Mommy, er ist gemein!«

»Was ist eine Nintendo Switch?«, fragte Elyse.

»Jodi, Herrgott noch mal«, dröhnte eine männliche Stimme die Treppe herunter. »Kannst du bitte irgendwas machen? Ich versuche zu arbeiten.«

»Mein Mann«, erklärte ich Elyse. »Er ist Schriftsteller.«

»Wie wunderbar. Könnte ich seine Bücher kennen?«

Ich zuckte die Achseln. »Möglich. Er hat einen Roman mit dem Titel Der Weg des Träumers geschrieben.«

»Ich glaube nicht, dass ich ihn kenne.«

»Na ja, es ist schon eine Weile her.«

»Mom!«, rief Sam.

»Mommy!«, ließ sich Daphne wie ein Echo vernehmen.

»Okay, Kids, das reicht. Kommt runter. Sofort.« Wenige Augenblicke später stürmten meine Kinder die Treppe herunter ins Zimmer: Sam, eine dünner Schlaks, und Daphne, ein moppeliges Energiebündel, beide mit meinem leicht widerspenstigen braunen Haar und den neugierigen blauen Augen ihres Vaters.

»Wer sind Sie?«, fragte Sam Elyse und beäugte sie misstrauisch.

»Das ist Mrs Woodley«, sagte ich.

»Elyse, bitte«, verbesserte sie mich. »Was für wunderbare Kinder. So ein...

Erscheint lt. Verlag 19.10.2022
Übersetzer Kristian Lutze
Sprache deutsch
Original-Titel The Housekeeper
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2022 • Bekannte Autorin • Bestseller • Bestseller Autorin • Bestsellerliste • eBooks • Hardcover • Kanada • krimi und thriller • Neuerscheinung • Neuerscheinung 2022 • spannend • spiegel bestseller • Spiegelbestseller • SPIEGEL-Bestseller • Thriller
ISBN-10 3-641-26280-1 / 3641262801
ISBN-13 978-3-641-26280-8 / 9783641262808
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