Der Salon (eBook)

Ein hoffnungsvoller Aufbruch. Starke Frauenschicksale vor der lebendig ausgeleuchteten Kulisse im London und München der Sechziger
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
511 Seiten
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
978-3-7517-2809-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Salon -  Julia Fischer
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Zwei junge Frauen

Die Swinging Sixties

Ein Gefühl von Freiheit

München, 1963. Für die junge Leni wird ein Traum wahr: Sie wurde für einen der begehrten Praktikumsplätze bei Starfriseur Vidal Sassoon in London ausgewählt. Das erste Mal in ihrem Leben verlässt sie ihre Heimat und entdeckt in der pulsierenden Metropole das Lebensgefühl der Swinging Sixties - bis ein Versprechen, das Leni ihrer Mutter gab, ihre neu gewonnene Freiheit überschattet. Ihre Schwägerin Charlotte tritt unterdessen eine Stelle im Münchner Modehaus Bogner an, wo sie den charismatischen Fotografen Walter kennenlernt. Sein leidenschaftliches Temperament fasziniert sie, doch ein Geheimnis aus seiner Vergangenheit führt schon bald zu Konflikten ...

Zwei junge Frauen und ihre Suche nach dem Glück im Aufbruchsgeist der Wirtschaftswunderjahre - der zweite Band der berührenden Familiensaga




<p><strong>Julia Fischer</strong> ist eine deutsche Schauspielerin, Moderatorin, Sprecherin und Schriftstellerin. Die Mutter dreier Kinder lebt mit ihrer Familie in München und hat schon als Kind auf Schallplatten und im Kinderfunk mitgewirkt, später den Beruf der Schauspielerin ergriffen, sowie verschiedene Magazine im Bayerischen Fernsehen moderiert. In den letzten Jahren kamen unzählige Hörbuchproduktionen für namhafte Verlage dazu. <strong>EIN HOFFNUNGSVOLLER AUFBRUCH</strong> ist der zweite Band ihrer Romandilogie um die Familie Landmann.</p>

Julia Fischer ist eine deutsche Schauspielerin, Moderatorin, Sprecherin und Schriftstellerin. Die Mutter dreier Kinder lebt mit ihrer Familie in München und hat schon als Kind auf Schallplatten und im Kinderfunk mitgewirkt, später den Beruf der Schauspielerin ergriffen, sowie verschiedene Magazine im Bayerischen Fernsehen moderiert. In den letzten Jahren kamen unzählige Hörbuchproduktionen für namhafte Verlage dazu. EIN HOFFNUNGSVOLLER AUFBRUCH ist der zweite Band ihrer Saga DER SALON um die Familie Landmann aus dem bayrischen Hebertshausen.

1


Ein paar Wochen später.

Der Samstag war zwar immer der arbeitsreichste Tag im direkt am Münchner Odeonsplatz gelegenen Salon Keller am Hofgarten, aber es war auch Lenis Lieblingstag, denn da erschienen ihre Stammkundinnen: die Majorsgattin Mrs. Randall und Sasa Sorell, ein ehemaliges Revuegirl, das heute eine eigene Tanztruppe leitete. Sasa war schon lange vor Leni mit Charlotte befreundet gewesen und hatte sich früher gemeinsam mit ihr die Haare richten lassen, doch seit Charlotte bei Leni und ihrer Mutter in Hebertshausen wohnte, frisierte Leni sie dort.

»Was für eine Kälte«, seufzte Irmi, die soeben mit Christl in den Salon trat. Mit den beiden Friseusen hatte Leni hier von Anfang an zusammengearbeitet. Kurz darauf trafen Helga und Benny ein, die sie noch als Lehrlinge kennengelernt hatte. Die rundliche Helga, ein verträumtes Mädchen, dem anfangs öfter einmal kleine Missgeschicke passiert waren, hatte sich zu einer guten Kraft entwickelt, aber die eigentliche Überraschung war Benny. Er hatte seine Gesellenprüfung zusammen mit Fritz abgelegt, der an der Seite von Anton Riedmüller und Fred Lingen die Kunden im Herrensalon bediente, und sich dann für das Damenfach entschieden. Jetzt war Benny zweiundzwanzig Jahre alt, hoch aufgeschossen und während seines Wehrdienstes so unglaublich hübsch geworden, dass die Kundinnen gar nicht mehr dazu kamen, in ihren Zeitschriften zu blättern, wenn er sie frisierte, da sie jede seiner Bewegungen im Spiegel verfolgten.

Manchmal erinnerte Benny Leni an Rock Hudson, von dem letzten Monat in der CONSTANZE gestanden hatte, dass er ein blendend aussehender Liebhaber sei und ein Typ, mit dem jede Frau flirten und jeder Mann befreundet sein möchte. Von seinem Bettgeflüster hatten die Damen im Salon wochenlang geschwärmt, einem Film, in dem er an der Seite von Doris Day zu sehen gewesen war.

Modebewusste Frauen trugen ihr Haar heute wie sie: hoch aufgetürmt, kräftig toupiert und mit reichlich Haarspray fixiert. Wem es an Fülle fehlte, der half mit Haarteilen nach, und Eilige griffen gleich zu Straßenperücken. Jacky Kennedy, die seit der Wahl ihres Mannes zum Präsidenten der Vereinigten Staaten ein Vorbild für Frauen auf der ganzen Welt geworden war, hatte sich für ihre Weltreise im letzten Jahr ganze sechzehn Stück anfertigen lassen. Sie sollen vierundzwanzigtausend Mark gekostet haben, aber natürlich bekam man Zweitfrisuren in Kaufhäusern auch schon für weniger Geld.

»Hey, Chefin, man munkelt, dass Sie heute eine neue Kundin haben«, sagte Benny, der eine Schwäche für Leni hatte und sie seit ihrem Aufstieg zur leitenden Angestellten siezte. Sie schlüpfte gerade im Lager hinter dem Herrensalon in ihren weißen Kittel und kontrollierte den Sitz ihrer neuen Frisur – ein schulterlanger Schnitt mit einem dichten Pony, der ihr kupferrotes Haar gut zur Geltung brachte, die Spitzen nach außen gedreht.

»Soll eine echte Berühmtheit sein«, gab Benny sich geheimnisvoll.

»Dann hoffe ich, dass du dich von deiner besten Seite zeigst«, erwiderte sie gelassen und schmunzelte über den Heftroman – Perry Rhodan, Der Erbe des Universums –, den Benny soeben in seine Manteltasche steckte. Er kaufte ihn jeden Samstag für siebzig Pfennig an einem Kiosk neben dem Eingang zum Hofgarten und las die erste Seite noch im Gehen. Einmal war er dabei gegen einen Laternenpfahl gelaufen und hatte sich heftig den Kopf gestoßen, aber es hatte keine Minute gedauert, und drei Passantinnen hatten sich hingebungsvoll um ihn gekümmert.

»Ist gebongt, Sie bekommen mein schönstes Blendax-Lächeln, Chefin«, versprach Benny.

»Und nenn mich nicht dauernd Chefin, unser Chef ist Herr Keller.«

»Logo, Chefin.«

Wie aufs Stichwort erschien Alexander Keller im Lager, wie immer tadellos gekleidet, heute mit einem dunkelroten Jackett zur lindgrün geblümten Fliege und einem weißen Hemd mit goldenen Manschettenknöpfen. Sein schwarzes Haar und das schmale Bärtchen auf der Oberlippe waren, wie Leni vermutete, gefärbt, denn ihr Chef musste im gleichen Alter wie ihre Mutter sein, und war noch immer nicht ergraut.

»Guten Morgen, Herr Keller«, sagten alle im Chor und machten sich unter seinem strengen Blick an die Arbeit.

»Marlene, heute kommt Maria Bogner zu uns, ich habe sie um acht bei Ihnen eintragen lassen.«

»Die Maria Bogner?«

»So ist es.«

»Warum bedienen Sie sie nicht selbst?«, fragte Leni verwundert, denn eine Gelegenheit wie diese ließ sich ihr Chef normalerweise nicht entgehen.

»Sie hat explizit nach einer jungen Kraft gefragt. Ich übernehme deshalb Mrs. Randall und Irmi Frau Sorell.«

Eine junge Kraft, wie schmeichelhaft, dachte Leni, die im Mai siebenundzwanzig wurde und sich manchmal schon wie ihre eigene Mutter fühlte.

Sie sah in das Auftragsbuch, um das sich Maria kümmerte – Maria Pauly, von der Leni glaubte, dass sie heimlich mit dem Chef liiert war –, und war plötzlich aufgeregt. Etwas, das ihr schon lange nicht mehr passiert war. Schließlich bediente Leni im Salon am Hofgarten öfter Prominente, daran war sie gewöhnt, aber die Frau des ehemaligen Skiprofis Willy Bogner senior, des Chefs des Münchner Sportmoden-Unternehmens Bogner, bei dem Charlotte früher als Hausmannequin gearbeitet hatte, war schon fast eine Legende. Sie hatte mit ihren schmalen elastischen Keilhosen, die ihren Siegeszug bis nach Amerika angetreten hatten, die Skibekleidung revolutioniert und Farbe auf die Pisten gebracht. Stars wie Liz Taylor, die Callas oder Soraya, die zweite Frau des Schahs von Persien, trugen sie in Mauve, Fuchsia und Chartreuse und dazu kurze Anoraks mit Taillenzug für die sportlich-elegante Silhouette.

Leni wusste, dass Maria Bogners Sohn Willy, der ein ebenso erfolgreicher Wintersportler wie sein gleichnamiger Vater war, vor drei Jahren das Lauberhorn-Rennen gewonnen hatte – sein Foto war in allen Zeitungen gewesen – und dass er nächstes Jahr bei den Olympischen Spielen in Innsbruck dabei sein würde.

Peters Patenonkel Schorsch, der selbst ein leidenschaftlicher Tourengeher und Skifahrer war, freute sich jetzt schon darauf. Er hatte Leni und ihrem Neffen vor zwei Jahren auf dem Dünaberg in Murnau, einem Hügel unweit des Volksfestplatzes, die ersten Schwünge beigebracht und beförderte Peters Sportbegeisterung.

Herr Keller begrüßte die neue Kundin an diesem Morgen mit dem gewohnten Überschwang – »Frau Bogner, it’s a pleasure! Darf ich Ihnen das Cape abnehmen und Sie an Ihren Platz führen?« –, während sämtliche Friseure und Friseusen, einschließlich Leni, Maria Bogner mit ihren Blicken verfolgten, bis sie Platz genommen hatte.

»Bilderbuchfigur«, flüsterte Benny seinem Kollegen Anton hinter dem Philodendron im Durchgang zum Damensalon zu, und auch Leni fand, dass man Frau Bogner ihr Alter wirklich nicht ansah. Sie musste um die vierzig sein, hatte drei erwachsene Kinder, strahlend blaue Augen, die Leni an Gletschereis erinnerten, und kurzes weißblondes Haar. Seit Frau Bogner vor dreizehn Jahren auf dem Titelblatt der GRAZIA zu sehen gewesen war, hatte sie sich kaum verändert.

Leni stellte sich ihr vor und fragte, was sie für sie tun könne.

»Wir reisen viel«, erklärte Maria Bogner, eine gebürtige Rheinländerin, »und ich brauche einen einfachen, guten Schnitt, damit ich meine Haare unterwegs selbst waschen und legen kann.«

Leni sah, wie ihr Chef aufhorchte. Dass Frauen ihr Haar selbst wuschen, es färbten und sogar Heimwellen legten, griff immer mehr um sich und verdarb den Salons das Geschäft. »Wie wäre es denn mit einem Lady-Twist, gnädige Frau?«, fragte er Frau Bogner und zeigte ihr ein Foto der neuen Modefrisur, die auf einem rhythmisch-fülligen Rundschnitt basierte, in der Lockenden Linie. »Die Damen tragen den Twist bevorzugt in Bernsteinblond«, schwärmte er.

»Ich habe an etwas Natürlicheres gedacht«, erwiderte Frau Bogner und blickte skeptisch auf die aufwendig drapierte Frisur, »und bevorzugt in meiner eigenen Haarfarbe.«

»Of course.«

»Mir hat er Altgold vorgeschlagen«, mischte Sasa sich ein, die Kellers Farbempfehlungen seit Jahren ignorierte, und Mrs. Randall, die mit ihr zusammen in den Salon gekommen war, lächelte amüsiert, denn Sasa trug ihr Haar roséfarben und scherte sich nicht um Moden. Ihre wallende Garderobe, die sie als Fortführung der korsettfreien Reformkleider bezeichnete, und der üppige Schmuck waren stets farbenfroh. »Altgold, wie das schon klingt!«, echauffierte sie sich und blätterte in ihrer Illustrierten.

»Ich werde mir gleich ansehen, wie Ihre Haare fallen, wenn sie feucht sind«, übernahm Leni wieder die Beratung. »Benny, kannst du Frau Bogner noch waschen, bevor deine erste Kundin kommt?«

»Klar, Chefin.«

»Und richte mir bitte das Bonafix her.«

Die neue Sofort-Fixierung von Schwarzkopf war dem Haar kaum anzumerken und hielt Frisuren tagelang in Form. Leni arbeitete gerne damit, auch wenn es ähnliche Produkte natürlich auch von WELLA, Kadus, L’OREAL und anderen Firmen gab. Die großen Labore der Marktführer überboten sich förmlich mit Innovationen, da konnte die Haarpflegeserie ihrer Landmanns Kosmetik kaum mithalten.

»Kann ich sonst noch etwas für die Damen tun?«, fragte Benny.

»Da würde mir einiges einfallen, mein Hübscher«, raunte Sasa ihm mit ihrem unverwechselbar tiefen Timbre zu und holte ihre Zigaretten aus der Handtasche – Nil, der...

Erscheint lt. Verlag 25.11.2022
Reihe/Serie Salon-Saga
Salon-Saga
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 60er-Jahre • Bogner • Café Engel • Emanzipation • Familie • Friseur • Frisör • Jazz • Kosmetik • London • Medizin • Mode • München • Nachkriegszeit • Saga • Schönheit • Sechzigerjahre • Studium • Wirtschaftswunder
ISBN-10 3-7517-2809-0 / 3751728090
ISBN-13 978-3-7517-2809-6 / 9783751728096
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