Der Kriminalist (eBook)

Der erste Fall für Detective Cross

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023
512 Seiten
Blanvalet Taschenbuch Verlag
978-3-641-29093-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Kriminalist - Tim Sullivan
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Wer ist der erdrosselte Obdachlose, dessen Leiche in den Clifton Downs bei Bristol gefunden wird, und warum musste er sterben?
DS George Cross kann mit sozialen Konventionen nichts anfangen, für seine Kollegen ist er oft schwierig im Umgang. Doch dank seiner Besessenheit für Logik, Muster und jedes noch so kleine Detail, ist seine Aufklärungsrate die beste der ganzen Einheit. Und so hegt er sofort Zweifel, als seine Kollegen nach einem Leichenfund in einem Bristoler Park zu dem Schluss kommen, dass der Tod des Mannes die Folge eines Streits unter Obdachlosen sein muss. Cross beginnt, in der Vergangenheit des Opfers zu graben, und merkt schnell, dass es Verbindungen zu einem alten Fall gibt. Einem Mord, der fünfzehn Jahre nicht aufgeklärt wurde. Und der Täter hat nicht vor, sich nach so vielen Jahren von diesem exzentrischen Kommissar das Handwerk legen zu lassen ...
Intelligent, feinfühlig und unglaublich fesselnd: der grandiose Auftakt einer Krimireihe mit einem einzigartigen Ermittler!

Tim Sullivan ist ein erfolgreicher Drehbuchautor, Regisseur und TV-Produzent, der unter anderem an den Filmen Jack & Sarah und Briefe an Julia mitwirkte. Seine Reihe um den sozial unbeholfenen, aber brillanten und äußerst beharrlichen DS George Cross erfreut sich großer Beliebtheit bei den Leser*innen. Tim Sullivan wurde in Deutschland geboren, wo sein Vater für die Royal Air Force stationiert war. Heute lebt er mit seiner Frau Rachel im Norden Londons.


Ottey hatte es aufgegeben, andere Leute in der Dienststelle zu fragen, wo Cross sich aufhielt, wenn er mal wieder abhandengekommen war. Nicht einmal deshalb, weil sie es so oder so nie wussten. Es lag vielmehr daran, dass sie selbst oft keine Ahnung hatte, wo er abgeblieben war. Dieser Umstand war zu einer Art Bürowitz geworden, der im Zusammenhang mit ihrer widerwilligen Partnerschaft mit diesem Mann ganz besonders enervierend auf sie wirkte. Also wartete sie geduldig auf seine Rückkehr und tat gegenüber allen anderen, als wäre alles in bester Ordnung und verliefe plangemäß.

Bald darauf kehrte Cross zurück in sein Büro und fertigte eine Liste an. Es gefiel ihm, Dinge, die getan werden mussten, in der Reihenfolge ihrer Priorität in Listen zusammenzufassen. Noch besser gefiel ihm, jede Aufgabe abzuhaken, sobald sie erledigt war. Und ganz besonders gefiel ihm die Tatsache, dass die Haken, wenn er die Liste in der korrekten, logischen Reihenfolge zusammengestellt hatte, in der gleichen Abfolge auf der Seite erschienen. Das mochte vielleicht ein wenig kindisch sein, aber es gab ihm einen Extrakick.

Er war der einzige Detective in der ganzen Einheit, der ein eigenes Büro hatte, von Carson einmal abgesehen. Alle anderen hatten Schreibtische im Großraumbüro. Das verdankte er dem Umstand, dass er mit den Geräuschen nicht zurechtkam. Nicht, weil er Telefonate und Gespräche anderer Polizisten als ablenkend empfunden hätte. Es lag schlicht an den Geräuschen selbst. Für ihn waren sie buchstäblich intolerabel. Über viele Jahre, bis seine Vorgesetzten begriffen hatten, dass dies kein Ausdruck einfacher exzentrischer Affektiertheit war, hatte man ihn auf den Stufen der Hintertreppe des Gebäudes finden können, wo er vor sich hinarbeitete, dankbar für die Stille, die ihn dort umgab.

Es klopfte an seiner Tür. Ohne von seiner Liste aufzublicken, rief er: »Herein.«

»Können Sie bitte aufhören, einfach zu verschwinden, ohne mir Bescheid zu geben?«, sagte Ottey.

Er arbeitete weiter an seiner Liste, ohne ihr die Höflichkeit zu erweisen, sie wenigstens für einen Moment anzuschauen, als sie sein Büro betrat.

»Sie waren bei DI Carson«, erklärte er.

»Sie hätten auf mich warten sollen.«

»Das wäre eine Verschwendung meiner Zeit gewesen.«

»Mag sein, aber es hätte mich davor bewahrt, eine gute halbe Stunde meiner Zeit damit zu vergeuden, eine wütende Pathologin zu besänftigen, die Sie, wie es aussieht, der Unfähigkeit beschuldigt haben.«

Nun schaute er auf. Er hatte gelernt, dass Blickkontakt die wirksamste Methode war, wann immer es darum ging, der Aussage eines anderen zu widersprechen und um einen Standpunkt deutlich zu machen.

»Das ist nicht korrekt. Sie hat mehrere entscheidende Punkte übersehen, was nicht passiert wäre, hätte sie unser Opfer ordnungsgemäß und gründlich untersucht.«

»Und das haben Sie ihr gesagt.«

»Das war nicht nötig.«

»Wir sollen ein Team bilden, und wir würden sehr viel effektiver arbeiten, wenn ich nicht immer wieder hinter Ihnen aufräumen müsste. Sie haben es doch selbst gesagt: Sie haben Schwierigkeiten bei der Kommunikation mit anderen Leuten.«

»Das habe ich nie gesagt. Ich bin ein sehr guter Kommunikator«, protestierte Cross.

»Die Leute haben ein Problem mit Ihrem Auftreten. Sie machen alle wütend.«

Das war natürlich richtig, und er wusste es, also war sein einziger Ausweg ein Themenwechsel.

»Ich habe die Briefing-Unterlage für Sie«, sagte er und hielt ihr das Dokument hin.

»Wenn Sie so ein großartiger Kommunikator sind, dann können Sie das Briefing selbst machen.«

Reichlich schockiert angesichts dieses Vorschlags, starrte er sie einen Moment lang an.

»Sie wissen, dass ich das nicht tun kann.«

Aber statt ihm zu antworten, knallte sie das Dokument wieder auf seinen Schreibtisch, worauf er erwartungsgemäß zusammenzuckte. Anschließend stapfte sie hinaus ins Großraumbüro, wo Carson bereits auf das Briefing wartete.

Carson sah sich im Raum um – fünf uniformierte Polizisten, ein paar Sachbearbeiter und ein weiterer Detective waren vor Ort.

»Gut, wir sind alle hier.«

»Das ist alles?« Ottey wusste, wie viele Leute für diesen Fall eingeteilt worden waren, aber sie nun physisch vor sich zu sehen, versetzte ihr dennoch einen Schock. Sie beschloss, ihr Entsetzen noch einmal zum Ausdruck zu bringen. »Das ist alles?«, wiederholte sie nachdrücklich.

»Josie, das hatten wir doch schon«, antwortete Carson matt.

»Ernsthaft?« Wie so viele andere hatte sie es satt, die Kritik der Medien und der Öffentlichkeit an der Polizeiarbeit über sich ergehen zu lassen, wenn die Bodentruppen schlicht nichts dafür konnten. Mit den zur Verfügung stehenden Mitteln waren ihre Möglichkeiten begrenzt – ein Mantra, das sie an so vielen Küchentischen von Freunden wiederholt hatte, dass es sich schon reichlich abgenutzt anfühlte. Carson fiel auf, dass Cross nicht da war.

»Wo ist George?«

»Sie ist wütend auf mich, weil ich ohne sie zur Pathologin gegangen bin.« Cross starrte seinen Schreibtisch an und vermied es, Blickkontakt zu Ottey oder Carson aufzunehmen. Im Befragungsraum konnte er während eines Verhörs die härtesten Kerle niederstarren, aber wenn es um ganz normale soziale Interaktion ging, scheute er stets vor einer verbalen Konfrontation zurück.

»Ist das wahr?«

»Sie weiß genau, dass ich ein Briefing nicht leiten kann.«

»Josie?«

Im Grunde hatte sie keine Lust, ihre Zeit mit diesem Gespräch zu vergeuden. Carson stand bei jeder Auseinandersetzung und jeder Meinungsverschiedenheit während der Ermittlungen in einem Fall hinter Cross, was umso ärgerlicher war, weil er fast immer recht hatte. Deshalb schnappte sie sich jetzt einfach das Briefing-Dokument, das sie auf seinem Schreibtisch gelassen hatte, und marschierte hinaus ins Großraumbüro. Carson verließ ebenfalls den Raum, und dann stand auch Cross auf und folgte ihnen. Doch statt sich zu den versammelten Kollegen zu setzen, nahm er sich einen Stuhl und stellte ihn neben die Tür auf der Rückseite des Raums. Es sah aus, als täte er das für den Fall, dass er rasch würde flüchten müssen, was der Wahrheit mehr als nahekam. Bei solchen Gelegenheiten benötigte er stets einen Platz nahe einem Ausgang, falls ihn die Situation überfordern sollte. Auf diese Weise konnte er still hinausschleichen, ohne dass es irgendjemandem auffiel. So eine Überforderung konnte durch zu viel Lärm eintreten, durch eine Auseinandersetzung oder sogar durch etwas so Unbedeutendes wie einen Stift, der auf der Weißwandtafel quietschte – was regelmäßig passiert war, bis jemand erkannt hatte, dass man die Marker einfach ausprobieren sollte, ehe sie benutzt wurden. Der Unterschied zwischen Cross und den anderen bestand darin, dass er nicht hier war, um sich das Briefing anzuhören – schließlich entstammte es zum Großteil seinen Notizen. Er war hier, um sich anzuhören, welche Fragen gestellt wurden. Um der Wahrheit Genüge zu tun, die meisten würden irrelevant und banal sein, aber manchmal erkundigte sich jemand nach etwas, das einen unerwarteten Gedankengang in ihm auslöste. Ottey fing an, aus der Unterlage vorzulesen.

»Kerakotonus ist ziemlich selten …«

Cross zuckte regelrecht zusammen. »Keratokonus, es heißt KeRATOkonus«, warf er ein.

»Vielleicht möchten Sie übernehmen«, schlug Ottey vor.

»Nein, nein, das mag eine geschickte Erwiderung sein, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass es Keratokonus heißt. Es wäre für jeden im Raum nützlich, die korrekte Aussprache zu kennen, ehe sie anfangen, die örtlichen Optiker anzurufen, um nach Verordnungen für Skleralkontaktlinsen zu fragen, wozu Sie die Kollegen gleich anweisen werden.«

Ottey sah sich zu Carson um. Das war genau das, womit sie es während der Arbeit den ganzen Tag zu tun hatte, er jedoch erlebte das nur gelegentlich. Er erwiderte ihren Blick mit diesem Teflonlächeln, das rein gar nichts verriet. Sie fuhr fort.

»Keratokonus ist ziemlich selten; die Inzidenz schwankt zwischen ein- und sechshundert Fällen je hunderttausend Einwohner«, erklärte sie. »Das Opfer hat Sklerallinsen getragen. Die sind speziell für diese Krankheit gedacht und decken einen großen Teil des Augapfels ab. Die Tatsache, dass er solche Linsen hatte, ein anscheinend obdachloser Mann, ist ganz offensichtlich aus sich heraus von Interesse. Wir müssen herausfinden, wo sie hergekommen sind. Dazu wird ein sachkundiger Optiker benötigt, also können Sie die großen Ketten außer Acht lassen. Sehen Sie sich die alteingeführten Optiker an und lassen Sie sich die Namen aller Personen geben, denen diese Linsen während der letzten zehn Jahre verordnet worden sind.«

Ein Uniformierter meldete sich zu Wort. »Gehen wir davon aus, dass er von hier ist?«

»Ich denke, wir können mit Sicherheit annehmen …«, sagte Ottey.

»Mit Sicherheit kann man gar nichts annehmen«, platzte Cross heraus. Er war überzeugt, dass Annahmen die Ermittlungen in fehl- oder sogar uninformierte Bahnen lenkten und viele Stunden wertvoller Zeit vergeudeten, an der es der Polizei dieser Tage sowieso mangelte.

»Eine Annahme erfordert eine Reihe von Sachverhalten – Faktoren, wenn Ihnen das lieber ist –, die richtig kombiniert zu einer möglichen Schlussfolgerung führen. Wir haben keine derartigen Faktoren oder Sachverhalte und können folglich zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine wie auch immer geartete Art der Annahme, sicher oder nicht, treffen«, führte...

Erscheint lt. Verlag 18.1.2023
Reihe/Serie Die Bristol-Reihe
Die Bristol-Reihe
Übersetzer Frauke Meier
Sprache deutsch
Original-Titel The Dentist (DS Cross 1)
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 2023 • Autismusspektrum • autistischer Ermittler • besondere Ermittler • Bristol • Cold Case • detective • Diversität • Diversity • eBooks • England • Ermittlerkrimi • intelligenter Krimi • Krimi • Kriminalroman • Kriminalromane • Krimireihe • Krimis • Martha Grimes • Mord • Neuerscheinung • Neuerscheinungen Taschenbuch 2023 • Nicci French • Obdachlose • police procedural • Rache • UK • Val McDermid • Vergangenheit • Vertuschung • Zahnarzt
ISBN-10 3-641-29093-7 / 3641290937
ISBN-13 978-3-641-29093-1 / 9783641290931
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