Nemesis (eBook)

Roman

(Autor)

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2023 | 1. Auflage
528 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-28516-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Nemesis -  Isaac Asimov
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Unser Sonnensystem im 23. Jahrhundert: Die Menschheit hat das All in gewaltigen Raumstationen besiedelt. Auf einer davon lebt die Wissenschaftlerin Eugenia mit ihrer Tochter Marlene. Eines Tages macht sie eine beängstigende Entdeckung: Die rote Zwergsonne Nemesis, die durch die Milchstraße zieht, wird unserem Sonnensystem in 5.000 Jahren so nahe kommen, dass sie Planeten aus ihren Umlaufbahnen reißt. Um die Katastrophe zu verhindern, wird die Station ins Nemesis-System versetzt. Was Eugenia und Marlene dort entdecken, wird das Schicksal der gesamten Menschheit für immer verändern ...

Isaac Asimov zählt gemeinsam mit Arthur C. Clarke und Robert A. Heinlein zu den bedeutendsten Science-Fiction-Autoren, die je gelebt haben. Er wurde 1920 in Petrowitsch, einem Vorort von Smolensk, in Sowjetrussland geboren. 1923 wanderten seine Eltern in die USA aus und ließen sich in New York nieder. Bereits während seines Chemiestudiums an der Columbia University begann er, Geschichten zu schreiben. Seine erste Kurzgeschichte erschien im Juli 1939, und in den folgenden Jahren veröffentlichte er in rascher Folge die Erzählungen und Romane, die ihn weltberühmt machten: die »Foundation«-Erzählungen und die Robotergeschichten, in denen er die drei Regeln der Robotik formulierte. Beide Serien verband er Jahrzehnte später zu einer großen »Geschichte der Zukunft«. Neben der Science-Fiction hat Asimov auch zahlreiche populärwissenschaftliche Sachbücher zu den unterschiedlichsten Themen geschrieben. Er starb im April 1992.

1Marlene


1

Als Marlene das Sonnensystem zum letzten Mal gesehen hatte, war sie etwas mehr als ein Jahr alt gewesen. Natürlich hatte sie keine Erinnerung daran. Sie hatte viel darüber gelesen, dabei aber niemals das Gefühl gehabt, es habe je zu ihr gehört oder sie zu ihm.

In ihrem ganzen fünfzehnjährigen Leben hatte sie nur Rotor bewusst erlebt und es immer für eine große Welt gehalten. Schließlich hatte es einen Durchmesser von acht Kilometern. Seit sie zehn Jahre alt war, hatte sie Rotor hin und wieder – einmal im Monat, wenn möglich – ganz umwandert, um sich Bewegung zu verschaffen. Manchmal hatte sie auch die Wege eingeschlagen, auf denen niedrige Schwerkraft herrschte, um ein wenig zu gleiten. Das machte immer Spaß. Doch ob man nun glitt oder wanderte, Rotor mit seinen Gebäuden, seinen Parks, seinen Farmen und vor allem seinen Menschen blieb immer gleich.

Sie brauchte für diese Ausflüge einen ganzen Tag, aber ihre Mutter hatte nichts dagegen, denn auf Rotor gebe es keinerlei Gefahren, sagte sie. »Anders als auf der Erde«, pflegte sie hinzuzufügen, aber sie erklärte nie, warum man auf der Erde nicht sicher war. »Das braucht dich nicht zu kümmern«, war die einzige Antwort.

Die Menschen mochte Marlene am wenigsten. Der letzten Zählung nach sollten sich angeblich sechzigtausend auf Rotor befinden. Zu viele. Viel zu viele. Und keiner von ihnen zeigte sein wahres Gesicht. Marlene hasste es, diese falschen Gesichter zu sehen und zu wissen, dass sich dahinter etwas anderes verbarg. Und sie konnte mit niemandem darüber sprechen. Als sie noch jünger gewesen war, hatte sie es manchmal versucht, aber dann war ihre Mutter wütend geworden und hatte ihr verboten, solche Sachen zu sagen.

Je älter sie wurde, desto deutlicher erkannte sie die Falschheit der anderen, aber desto weniger störte sie sich auch daran. Sie hatte gelernt, sie als selbstverständlich hinzunehmen und sich so viel wie möglich mit sich selbst und ihren eigenen Gedanken zu beschäftigen.

In letzter Zeit weilten ihre Gedanken oft auf Erythro, dem Planeten, um den Rotor schon fast ihr ganzes Leben lang kreiste. Sie wusste nicht, warum das so war, aber sie fing an, zu ungewöhnlichen Stunden aufs Beobachtungsdeck zu gleiten und sehnsüchtig den Planeten anzustarren. Dort wollte sie sein – auf Erythro.

Ihre Mutter fragte sie immer wieder ungeduldig, was sie denn unbedingt auf einem leeren, kahlen Planeten wolle, aber darauf konnte sie keine Antwort geben. Sie wusste es nicht. »Ich will es einfach«, sagte sie.

Auch jetzt war sie wieder alleine auf dem Beobachtungsdeck und betrachtete Erythro. Die Rotorianer kamen fast nie hierher. Sie hatten schon alles gesehen, vermutete Marlene, und aus irgendeinem Grund interessierten sie sich nicht so sehr für Erythro wie sie selbst.

Der Satellit war direkt vor ihr; teils hell, teils in Dunkelheit gehüllt. Eine schwache Erinnerung stieg in ihr auf, jemand hielt sie hoch, damit sie sehen konnte, wie er langsam in Sicht kam. Immer wieder hatte sie ihn beobachtet, jedes Mal war er größer gewesen, als Rotor sich ihm vor so vielen Jahren langsam genähert hatte.

Konnte das wirklich eine Erinnerung sein? Immerhin war sie damals schon fast vier gewesen, unmöglich war es also nicht.

Aber jetzt wurde diese Erinnerung – ob sie nun echt war oder nicht – von anderen Gedanken überlagert, von der immer sicherer werdenden Erkenntnis, wie groß ein Planet tatsächlich war. Erythros Durchmesser betrug mehr als zwölftausend Kilometer. Sie konnte es gar nicht fassen. Rotor hatte einen Durchmesser von nur acht Kilometern. Auf dem Bildschirm wirkte Erythro gar nicht so groß, und sie konnte sich nicht vorstellen, wie es wäre, darauf zu stehen und Hunderte – oder gar Tausende – von Kilometern weit zu sehen. Aber sie wusste, dass sie sich das wünschte. Sehr sogar.

Aurinel interessierte sich nicht für Erythro, und das war eine Enttäuschung. Er sagte, er habe an andere Dinge zu denken, zum Beispiel müsse er sich auf das College vorbereiten. Er war siebzehneinhalb. Marlene war gerade erst fünfzehn geworden. Das war doch kein so großer Unterschied, dachte sie trotzig, schließlich entwickelten Mädchen sich viel schneller. Angeblich jedenfalls. Sie schaute an sich selbst hinab und dachte, wie üblich bekümmert und unzufrieden, dass sie irgendwie immer noch so kurz und gedrungen aussah wie ein Kind.

Wieder wandte sie sich Erythro zu. Er war so gewaltig, so schön, und wo er beleuchtet war, strahlte er in so weichem Rot. Er war groß genug für einen Planeten, aber sie wusste, dass er in Wirklichkeit ein Satellit war. Er kreiste um Megas, und Megas (der noch viel größer war) war eigentlich der Planet, obwohl jedermann Erythro so bezeichnete. Die beiden zusammen, Megas und Erythro und auch Rotor, umkreisten die Sonne Nemesis.

»Marlene!«

Marlene hörte die Stimme hinter sich und wusste, dass es Aurinel war. In letzter Zeit fiel es ihr immer schwerer, mit ihm zu reden, und der Grund dafür war ihr peinlich. Sie liebte es, wie er ihren Namen aussprach, nämlich richtig, mit drei Silben – Mar-le-ne – das ›r‹ ein wenig gerollt. Wenn sie das hörte, wurde ihr jedes Mal warm ums Herz.

Sie drehte sich um, murmelte »Hi, Aurinel« und bemühte sich, nicht rot zu werden.

Er grinste. »Du siehst dir wieder mal Erythro an, nicht wahr?«

Sie gab keine Antwort. Natürlich, was sonst? Jeder wusste, was sie für Erythro empfand. »Wieso bist du hier?« (Bitte sag mir, dass du mich gesucht hast, dachte sie.)

»Deine Mutter hat mich geschickt«, sagte Aurinel.

(Na schön.) »Warum?«

»Sie sagte, du hättest schlechte Laune, und jedes Mal, wenn du dir selbst leid tätest, kämst du hier rauf. Ich soll dich holen, denn angeblich wirst du nur noch unleidlicher, wenn du hier bleibst. Warum hast du denn schlechte Laune?«

»Das hab ich gar nicht. Und wenn, dann habe ich meine Gründe.«

»Was für Gründe? Jetzt sag schon! Du bist doch kein kleines Kind mehr. Du musst allmählich lernen, dich auszudrücken.«

Marlene zog die Augenbrauen hoch. »Ich bin durchaus in der Lage, mich zu artikulieren, vielen Dank. Mein Grund ist, dass ich gerne reisen möchte.«

Aurinel lachte. »Du bist doch gereist, Marlene. Du bist mehr als zwei Lichtjahre weit gereist. Niemand in der Geschichte des Sonnensystems hat auch nur einen kleinen Bruchteil eines Lichtjahres zurückgelegt – außer uns. Marlene Insigna Fisher ist durch die Galaxis gereist.«

Marlene unterdrückte ein Kichern. Insigna war der Mädchenname ihrer Mutter, und jedes Mal, wenn Aurinel sie mit allen drei Namen ansprach, pflegte er zu salutieren und eine Grimasse zu schneiden, aber das hatte er schon lange nicht mehr getan. Vermutlich, weil er jetzt allmählich erwachsen wurde und sich daran gewöhnen musste, würdevoll zu sein.

»An diese Reise kann ich mich nicht mehr erinnern«, sagte sie. »Das weißt du genau, und weil ich mich nicht daran erinnern kann, zählt sie auch nicht. Wir sind einfach hier, mehr als zwei Lichtjahre vom Sonnensystem entfernt, und wir werden nie zurückkehren.«

»Woher weißt du das?«

»Ach, komm, Aurinel. Kein Mensch redet doch von Rückkehr oder hast du schon mal davon gehört?«

»Na, selbst wenn nicht, wen kümmert das? Die Erde ist eine überbevölkerte Welt. Das ganze Sonnensystem ist allmählich überbevölkert und verbraucht sich. Hier draußen sind wir besser dran – wir sind die Herren über alles, was wir erforschen.«

»Nein, das ist nicht wahr. Wir erforschen Erythro, aber wir fliegen nicht hinunter, um dort zu herrschen.«

»Aber sicher. Wir haben eine wunderschöne, funktionierende Kuppel auf Erythro. Das weißt du doch.«

»Sie ist nicht für uns bestimmt. Nur für ein paar Wissenschaftler. Ich rede von uns. Uns lässt man nicht hinunter.«

»Das kommt schon noch«, sagte Aurinel unbekümmert.

»Sicher, wenn ich eine alte Frau bin. Oder tot.«

»So schlimm ist es doch gar nicht. Jetzt komm jedenfalls hier raus und mit mir zurück, damit deine Mutter zufrieden ist. Ich kann nicht hierbleiben. Ich habe zu tun. Dolorette …«

In Marlenes Ohren begann es zu rauschen, und sie hörte nicht mehr, was Aurinel danach noch sagte. Es genügte dieser Name – Dolorette! Marlene hasste Dolorette.

Aber was nutzte es? Aurinel schwänzelte schon seit einiger Zeit um Dolorette herum, und Marlene brauchte ihn nur anzusehen, um genau zu wissen, was er für dieses Mädchen empfand. Jetzt hatte man ihn geschickt, um sie zu suchen, und für ihn war das nur Zeitverschwendung. Sie merkte, dass er genau das dachte und dass er es kaum erwarten konnte, zu dieser … dieser Dolorette zurückzukommen. (Warum spürte sie solche Dinge immer? Manchmal war das abscheulich.)

Ganz plötzlich wollte Marlene ihm weh tun und suchte nach Worten, die ihn schmerzen würden. Aber wahr mussten sie sein. Anlügen würde sie ihn nicht. Und so sagte sie: »Wir werden nie ins Sonnensystem zurückkehren. Ich weiß auch, warum.«

»Ach, und warum?« Als Marlene zögernd schwieg, fügte er hinzu: »Ist das ein Geheimnis?«

Sie saß in der Falle, denn so etwas durfte sie eigentlich nicht sagen. Also murmelte sie: »Ich will es nicht verraten. Ich sollte es gar nicht wissen.« Aber sie wollte es sagen. In diesem Augenblick wollte sie, dass alle unglücklich waren.

»Aber mir kannst du es doch sagen. Wir sind doch Freunde, oder?«

»Sind wir das?«, fragte Marlene. Und dann: »Schön, ich werde es dir sagen. Wir werden nie zurückkehren, weil...

Erscheint lt. Verlag 18.1.2023
Reihe/Serie Roboter und Foundation – der Zyklus
Übersetzer Irene Holicki
Sprache deutsch
Original-Titel NN
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte 2023 • diezukunft.de • eBooks • Ferne Zukunft • Foundation • Foundation und Roboter • Geschichte der Zukunft • Klassische Science-Fiction-Literatur • Neuerscheinung • Roboter
ISBN-10 3-641-28516-X / 364128516X
ISBN-13 978-3-641-28516-6 / 9783641285166
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