Rabenkinder (eBook)

Kriminalroman | Der ungewöhnlichste Krimi des Jahres: eine Ostdeutsche und ein Westdeutscher ermitteln in der Zeit nach dem Mauerfall

(Autor)

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2022 | 1. Auflage
272 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2833-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Rabenkinder -  Grit Poppe
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Ein toter Direktor eines Jugendwerkhofs, ein verschwundenes Kind und ein Ermittlerduo zwischen Ost und West  Torgau am 10.11.1989: Hoffnung weht durch die kleine Renaissancestadt an der Elbe. Die Mauer ist gerade gefallen, da wird der Direktor des örtlichen Jugendwerkhofs tot aufgefunden. Beate Vogt von der Morduntersuchungskommission wird aus Leipzig geschickt, um zu klären, was passiert ist. Kurz nach der Befragung des 14-jährigen Insassen Andreas verschwindet dieser spurlos. Steckt er hinter der Tat? Ist er in den Westen geflüchtet, oder ist ihm etwas zugestoßen? Und dann bekommt Beate ungebetene Hilfe: Hauptkommissar Josef Almgruber aus Nürnberg soll ihr die westdeutsche Arbeitsweise nahebringen. Doch der hat keine Ahnung von DDR-Strukturen. Beate braucht keine Belehrungen und lässt ihn links liegen. Aber dann wird Beate bedroht und Almgruber zusammengeschlagen. Sie begreifen, dass sie zusammenarbeiten müssen. Ob sie wollen oder nicht.  'Krimi des Monats' NDR '... ein faszinierender und vielschichtiger Kriminalroman, der mehr ist als ein Spannungsroman...' Radio Eins

Grit Poppe, geboren 1964 in Boltenhagen, studierte am Literaturinstitut in Leipzig und schreibt für Kinder, Jugendliche und Erwachsene Bücher. Ihr Jugendroman 'Weggesperrt' wurde mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Gustav-Heinemann-Friedenspreis für Kinder- und Jugendbücher. Ihr Buch 'Verraten' (Dressler Verlag) wurde für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert und erhielt 2021 den Deutsch-Französischen Jugendliteraturpreis. Sie lebt in Potsdam. https://www.grit-poppe.de

Grit Poppe, geboren 1964 in Boltenhagen, studierte am Literaturinstitut in Leipzig und schreibt für Kinder, Jugendliche und Erwachsene Bücher. Ihr Jugendroman "Weggesperrt" wurde mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Gustav-Heinemann-Friedenspreis für Kinder- und Jugendbücher. Ihr Buch "Verraten" (Dressler Verlag) wurde für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert und erhielt 2021 den Deutsch-Französischen Jugendliteraturpreis. Sie lebt in Potsdam. https://www.grit-poppe.de

2


Wie immer roch es nach Kaffee, als Beate Vogt an diesem Freitagmorgen die Dienststelle der MUK, der Leipziger Morduntersuchungskommission, betrat. Sie sog gierig den Duft ein, der ihr noch deutlicher als sonst in die Nase stieg. Wieder einmal hatte sie schlecht geschlafen, dann den Wecker nicht gehört und war, nachdem sie eilig ihre Meerschweinchen versorgt hatte, ohne Frühstück aus der Wohnung gestürzt.

Die Türklinke zum Büro noch in der Hand, hoffte sie auf einen Muntermacher.

Doch Moni, die Sekretärin, die etwa in ihrem Alter, also um die dreißig war, lächelte ihr nicht zu, so wie sonst. Statt ihr einen Guten Morgen zu wünschen, sagte sie nur: »Du sollst mal zum Chef kommen.«

Beate zog die Augenbrauen hoch und blickte Moni fragend an. Hatte sie was angestellt? Sie war sich keiner Schuld bewusst. »Alles in Ordnung?«

Ihre Kollegin zuckte mit den Schultern. »Es eilt«, sagte sie nur, in einem Tonfall, der ungewöhnlich ernst für sie war.

Auch ihr Chef Arno Berg, Major der Kriminalpolizei und Leiter der MUK Leipzig, machte sich nicht die Mühe, sie zu begrüßen. Er bot ihr nicht einmal einen Platz an und schon gar keinen Kaffee. Beate wunderte sich. Eigentlich kannte sie auch ihn nicht als unhöflichen Menschen.

»Sie sind ab sofort Oberleutnant Lehmann zugeteilt. Er erwartet Sie umgehend in Torgau, Fischerdörfchen. Es wurde ein Toter aufgefunden. Die näheren Umstände sind noch unbekannt.«

Beate schluckte. »Ich wurde doch in den Innendienst …« Degradiert, hätte sie beinahe gesagt.

Er schüttelte den Kopf. »Die Anweisung ist hiermit aufgehoben. Wir brauchen …« Ihr Vorgesetzter räusperte sich. »Wir brauchen im Einsatz fähige Leute … Leute wie Sie.«

Hatte sie sich verhört? Sie brauchten sie? Und sie hielten sie für fähig? Seit wann denn das? Nur mit Mühe konnte sie ein Grinsen unterdrücken.

Noch vor ein paar Wochen hatte man sie zur Schreibtischarbeit verdonnert, nur weil sie in einer Dienstbesprechung aufgebracht gesagt hatte, dass sie ihre Waffe niemals gegen die Leipziger Montagsdemonstranten einsetzen würde, die mit Haushaltskerzen in den Händen durch die Straßen liefen. Auch den Einsatz von Knüppeln gegen die friedlich Protestierenden lehne sie ab. Zuvor hatte Genosse Lehmann lauthals seinen Unmut gegen die Konterrevolutionäre kundgetan, eine härtere Vorgehensweise gegen diese gefordert und Beate gewissermaßen zu ihrer Äußerung provoziert. Und jetzt sollte sie zusammen mit ihm in einem Fall ermitteln?

Nun ja, die Kollegen konnte man sich nicht aussuchen.

»Fischerdörfchen«, murmelte sie. Das klang, als müsste es an der Elbe liegen. »Welche Nummer?«

»Es handelt sich um den Geschlossenen Jugendwerkhof.«

Auch das noch. In der Disziplinareinrichtung für Schwererziehbare gab es immer mal wieder Ärger. Bisher hatte sie sich jedoch nicht mit diesen Vorkommnissen beschäftigen müssen. Überhaupt hatte man Beate, die erst seit einem halben Jahr bei der MUK Leipzig arbeitete, aus den schweren Fällen herausgehalten. Weil sie die einzige Frau in dem Ermittlerteam war?

Beate blickte beinahe sehnsüchtig auf die halb gefüllte Kaffeetasse ihres Chefs.

»Ist noch was?«, fragte Major Berg schroff.

»Was ist denn mit dem Kollegen Michaelis?«, fragte sie beinahe schüchtern. Sie sah sich suchend in dem Raum um, als könnte er sich hinter einem Schrank verstecken.

»Der ist heute nicht zum Dienst erschienen«, antwortete er. »Und wie es aussieht …« Er winkte ungeduldig ab. »Darüber reden wir ein anderes Mal.«

Etwa eine Stunde später erreichte Beate die Stadt an der Elbe und parkte ihr Motorrad vor einem grauen Schleusentor, neben dem Wartburg der Kollegen. Mit einem kurzen Blick erfasste sie, dass sie vor einem Gefängnis stand. Sollte das nicht ein Heim für Minderjährige sein? Doch die hohe Mauer sagte etwas anderes. Der Bau wirkte wie eine Festung. Ihre Müdigkeit verflog bei diesem Anblick. Was spielte sich hinter diesem Gemäuer ab? Einen Moment spürte sie eine Gänsehaut und zögerte, das Haus zu betreten. Dann gab sie sich einen Ruck und lief mit gezücktem Dienstausweis an den beiden Polizisten vorbei, die vor der Tür standen.

Im ebenso finster wirkenden Eingangsbereich wurde sie von einem Mann in einem schmutzigen Arbeitsanzug in Empfang genommen. »Mein Name ist Braun. Ich bin hier der Hausmeister«, murmelte er.

»Beate Vogt, Kripo Leipzig«, antwortete sie knapp.

Der Mann seufzte und fuhr sich durch sein struppiges rotes Haar. »Was für ein verrückter Tag«, sagte er. »Na, dann wollen wir mal.«

Beate fragte sich kurz, was er mit verrückt meinte. Ein Toter in diesem Gebäude war sicher kein alltägliches Ereignis. Aber verrückt?

»Erst fällt die Mauer, und dann das. Als ich heute früh zur Arbeit kam, baumelt der tot in der Zelle. Meinen Sie, es gibt da einen Zusammenhang?«

Sie hatte keine Ahnung, wovon Herr Braun da redete. Aber sie verspürte auch nicht die geringste Lust, mit ihm über den Fall zu sprechen, über den sie ohnehin keine Informationen besaß, jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt. Beiläufig nahm sie wahr, dass der Mann nicht gerade respektvoll von dem Toten sprach.

Der Hausmeister zog ein großes schweres Eisengitter vor ihr auf, als wäre sie eine Raubkatze, die er aus seinem Käfig befreite – allerdings nur, damit sie in einen anderen Käfig laufen konnte. Dann ging er vor Beate her, ein paar Stufen hinauf, wo sie vor einem weiteren Gitter stoppten. Der Hausmeister öffnete es, und im nächsten Moment standen sie in einem Flur, unverkennbar ein Zellengang mit massiven Stahltüren, die mit jeweils zwei wuchtigen Riegeln versehen waren.

Ach du Scheiße, dachte Beate und schluckte. Wo war sie hier gelandet?

Die Leiche hing an der Stange eines Baugerüstes, das sich im Innern einer Zelle befand. Immerhin kein Jugendlicher, dachte Beate und fühlte sich einen kurzen Moment erleichtert. Fälle mit Kindern als Opfer waren die schlimmsten.

Sie wechselte mit Kollegen Lehmann einen Blick und nickte ihm zu.

»Wer ist der Tote?«, fragte sie, ohne sich mit den üblichen Floskeln aufzuhalten.

Lehmann unterhielt sich gerade mit Steffen, dem jungen Kriminaltechniker, und mit einem Mann, der zusammengekrümmt auf einem Holzhocker saß. Er ließ sie auf eine Antwort warten. »Karl Zinkner. Der Direktor des Werkhofs«, sagte er schließlich und machte eine vielsagende Pause. »Kein Geringerer als der langjährige Chef dieser Anstalt.«

Lehmanns Augen wirkten schmal. Wahrscheinlich war er alles andere als erfreut, sie hier zu sehen.

»Ich soll Sie unterstützen«, murmelte sie, als müsste sie sich ihm erklären.

»Weiß Bescheid«, sagte er kurz angebunden. »Das hier ist übrigens Doktor Rehling, er war derjenige, der den Tod festgestellt hat.« Ihr Kollege zeigte auf den Mann, der in der Ecke hockte. »Er war auch der Hausarzt des Direktors.«

Der Arzt hob kaum den Kopf. Es sah aus, als wäre er in sich selbst versunken.

»Warum … warum hängt der Leichnam da noch?« Beate kam sich ein wenig blöd vor, als sie sich das fragen hörte.

»Ein technisches Problem«, antwortete Lehmann ungerührt. »Die Kamera funktionierte nicht. Ich musste eine neue besorgen.« Erst jetzt sah sie, dass er einen Fotoapparat in der Hand hielt.

»Aber die Lage scheint wohl klar zu sein. Das ist ziemlich eindeutig ein Suizid gewesen«, sagte er.

Beate runzelte die Stirn. »Kein Zeichen einer Fremdeinwirkung?« Sie sprach in Richtung des Arztes, aber der Doktor reagierte nicht; er schien sie gar nicht richtig wahrzunehmen. Er wirkte wie ein Häufchen Elend.

Sie wandte den Blick von ihm ab und sah fragend Steffen an.

»Die Erstuntersuchung ist noch nicht abgeschlossen«, sagte er förmlich. »So eindeutig ist das nicht«, setzte er zögernd hinzu.

»In Anbetracht der Umstände schon«, meinte Lehmann.

»Der Umstände? Wie meinen Sie das?«, fragte Beate. Sie musterte den Leichnam, aber um Details zu sehen, war sie zu weit entfernt. Es kostete sie einige Überwindung, einen Schritt näher an ihn heranzutreten. Aus der Nähe fielen ihr sofort die Hände des Toten auf. Da waren Kratzer zu sehen, und der Mittelfinger der rechten Hand sah merkwürdig verdreht aus; er schien gebrochen zu sein.

»Wie ich das meine?« Lehmann klang erstaunt. Sie nickte ihm zu, und er blinzelte sie an, als wäre sie begriffsstutzig. »Das liegt doch auf der Hand. Die Regierung der DDR tritt zurück. Vorher kam noch der Befehl von ganz oben, diese Einrichtung zu schließen. Sein Ein und Alles löst sich so mir nichts, dir nichts auf. Von einem Tag auf den anderen. Dann wird auch noch die Grenze aufgemacht. Was denken Sie, was als Nächstes passiert … mit Leuten wie ihm?«

»Welche Grenze?«

Lehmann stieß ein Schnaufen aus. »Sehen Sie keine Nachrichten, Frau...

Erscheint lt. Verlag 27.10.2022
Reihe/Serie Morduntersuchungskommission Leipzig
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Arbeit im Polizeiteam • Buch Nachwendezeit • Culture Clash • DDR Buch • Ermittlerin • Frank GOLDAMMER • Jugendwerkhof • Leipzig • Mauerfall • Montagsdemonstration • Montagsdemos • Ostdeutschland • Ost West • Sachsen • Titus Müller • Torgau • Wende • Wende Krimi • Westdeutschland
ISBN-10 3-8437-2833-X / 384372833X
ISBN-13 978-3-8437-2833-1 / 9783843728331
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