Das Dorf im Wald (eBook)

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2022 | 3. Auflage
194 Seiten
epubli (Verlag)
978-3-7549-6758-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Dorf im Wald -  Christian Ehrhorn
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'Ich warte auf dich!' Diese Worte stehen auf dem blutverschmierten Zettel, den Susi neben einem rätselhaften Videoband findet. Der Film zeigt sie als Kind, während ihres Urlaubs in dem Dorf im Wald. Die fröhliche Stimmung in dem Video trügt, denn ihr Vater trägt ein dunkles Geheimnis in sich, das ihn mit dem Dorf verbindet. In ihrer Erinnerung reist Susi zurück zu jenem Ort, an dem ein wahrgewordener Albtraum begann. Verfolgt von unerklärlichen Erscheinungen und Gestalten, kommt Susi dem Rätsel des Dorfes immer weiter auf die Spur und deckt den ganzen Schrecken auf, der sich dort verbirgt.

Christian Ehrhorn, geboren 1985, ist ein deutscher Journalist, Grafiker und Autor. Er hat in verschiedenen Redaktionen und zuletzt als freiberuflicher Journalist gearbeitet. Während dieser Zeit gründete er sein eigenes Online-Magazin. Der Leidenschaft des Geschichtenschreibens, womit er bereits in Kindheitstagen begann, blieb er in dieser Zeit stets treu. In der Corona-Krise und des damit einhergehenden Lockdowns entstand sein erster vollständiger Roman 'ANNA'. Dieser ist Teil einer dreiteiligen Reihe, deren Folgebücher bis Ende 2022 erscheinen sollen.

Christian Ehrhorn, geboren 1985, ist ein deutscher Journalist, Grafiker und Autor. Er hat in verschiedenen Redaktionen und zuletzt als freiberuflicher Journalist gearbeitet. Während dieser Zeit gründete er sein eigenes Online-Magazin. Der Leidenschaft des Geschichtenschreibens, womit er bereits in Kindheitstagen begann, blieb er in dieser Zeit stets treu. In der Corona-Krise und des damit einhergehenden Lockdowns entstand sein erster vollständiger Roman "ANNA". Dieser ist Teil einer dreiteiligen Reihe, deren Folgebücher bis Ende 2022 erscheinen sollen.

Kapitel 2
Das Dorf im Wald


1993

 

»Wie geht es dir mein Schatz?«

Dass es die Videokamera war, welche ihr Vater als Erstes aus dem Gepäck kramen würde, verwunderte Susi nicht. Er liebte das Filmen und seine Knipskiste, wie ihre Mutter das Gerät scherzhaft nannte, war überall mit dabei.

»Mir geht es gut«, antwortete Susi lachend auf die Frage ihres Vaters, »es ist wirklich schön hier. Und so ruhig.«

»Und wie geht es dir mein Großer?«

Benno schwenkte die Kamera auf seinen Sohn. Lennard rannte durch das hohe Gras. Sein Kopf ragte gerade noch über den grünen Halmen hervor. Das Dorf wirkte verwahrlost. Die Pflanzen wucherten. Hätten um sie herum keine Holzhäuser gestanden, wäre dieser Fleck ein Teil des Waldes wie jeder andere. Wild und unberührt. Den Häusern des Dorfes erging es wenig besser. Susi ekelte sich vor ihnen. Von außen waren die splitterigen Holzbalken mit merkwürdigen schleimigen Schichten überzogen. Grün wie Moos, aber auch schwarz wie Schlamm. Im Inneren des Hauses stand ein moderiger Geruch. Es roch wie die Gräben bei ihnen Zuhause, wenn das Wasser in heißen Sommern verdunstete und die Kadaver verendeter Fische im Matsch verfaulten.

Dennoch, Susi gefiel es hier im Wald. Es herrschte eine Ruhe, die sie aus der Stadt nicht kannte. Keine brummenden Motoren, kein elektronisches Surren, kein Geschrei. Nur das Zwitschern der Vögel und das Rauschen des Windes in den Blättern der Baumkronen. Susi freute sich darauf, den Wald zu erkunden. Sie hoffte, wilde Tiere zu entdecken und bunte Blumen, die sie als Erinnerung mit nach Hause nehmen konnte.

»Lauft nicht zu weit weg«, sagte ihr Vater »wir müssen noch das Haus herrichten. Und alle helfen mit.«

»Okay Papa«, antwortete Lennard mit den Augen rollend.

Benno fuhr seinem Sohn mit der Hand durch die lockigen blonden Haare. »Wenn wir alle mit anpacken, dann geht es auch ganz schnell!«

Das Zerzausen der Mähne ließ Lennards Brille von der Nase rutschen. Er richtete das Gestell mit den runden Gläsern und trottete in Richtung des alten Holzhauses. »Dann lass es uns aber jetzt machen. Nachher habe ich noch weniger Lust dazu.«

Benno nickte lächelnd. »Also, packen wir es an!«

Susi sah zu, wie sich ihr Bruder durch das hohe Gras kämpfte.

»Komm«, forderte sie ihr Vater auf.

»Ach, Pummelchen macht das schon«, antwortete sie mit einem gehässigen Grinsen auf dem Gesicht.

»Schhhh...« fuhr Benno seine Tochter an und presste den Zeigefinger auf seine Lippen, »lass ihn das bloß nicht hören. Du weißt, wie er ist. Dann können wir einen ruhigen Urlaub vergessen.«

Ja, Susi wusste wie ihr kleiner Bruder war. Was sein Gewicht anging, reagierte der Achtjährige sehr empfindlich. Erwähnte man nur, dass er etwas zu viel auf den Hüften hatte, war tagelanges Schmollen und Geschrei angesagt. Lennard sprach nicht darüber, doch Susi wusste, dass die anderen Kinder ihn aufgrund seines Übergewichtes hänselten. Weshalb er sich immer mehr zurückzog. Hier jedoch, alleine im Wald, schien ihr Bruder aufzublühen. Der ruhige Junge tobte durch das hohe Gras, lachte und schrie vor Freude. Susi freute sich, Lennard so fröhlich zu sehen. Und dennoch, einen bissigen Kommentar konnte sie sich nicht verkneifen.

 

»Da ist ja die Dame des Hauses«, johlte Benno, als er seine Frau Jasmin durch die offene Tür der Holzhütte erblickte.

»Wie schön, dass sich der Herr des Hauses auch einmal blicken lässt«, frotzelte sie zurück, während sie einen breiten, rotborstigen Besen über die Holzplanken des Bodens huschen ließ. Graue Wolken stoben aus der Tür, als sie den Schmutz schwungvoll aus dem Haus beförderte. »Ihr könnt hier mal alle mit anpacken. Ich bin nicht zum Putzen hier!«

Drei schmale Stufen führten zum Eingang des Hauses hinauf. Beim Hinaufsteigen ächzte deren Holz unter Susis Füßen. Langsamen Schrittes erstieg sie die Treppe. Dann zögerte sie. Etwas in ihr sträubte sich, den letzten Absatz zu nehmen. Sie konnte sich nicht erklären, was es war, dass sie davon abhielt. Ob es die allgemeine Skepsis vor dem Betreten eines ihr unbekannten Hauses war. Oder etwas an dem Gebäude selber. Die Aura, welche das in die Jahre gekommene Holz ausstrahlte. Nur eines wusste Susi ganz genau. Dieses Haus war ihr unheimlich.

»Was ist mit dir mein Schatz?« Mit einem breiten Lächeln empfing ihre Mutter sie. »Kommt doch rein.«

Zögerlich trat Susi auf die oberste Stufe. Sie klammerte sich an den Türrahmen. Das weiche Holz gab unter ihren Fingern nach und sie hatte das Gefühl, dass sie darin versanken. Sie beugte sich hervor und streckte ihren Kopf in das Innere des Hauses. Ein merkwürdiger und zugleich vertrauter Geruch stieg in ihre Nase. Susi nahm einen langen Atemzug. Dieses Aroma kam ihr so ungemein bekannt vor. Sie schloss die Augen und holte noch einmal tief Luft. Und ein Bild eröffnete sich in ihren Gedanken. Der kleine grüne Eimer mit dem pinken Henkel. Sie erinnerte sich wieder, wonach das Haus roch. Es war derselbe Geruch, den sie vernahm, wenn sie Tee kochte. So jedenfalls nannte sie es. Nach jedem Regen spielte sie in dem Gehölz nah ihres Wohnhauses. Mit einer kleinen blauen Schaufel schöpfte sie Regenwasser, Erde, Moos und winzige Äste in ihren Eimer und rührte diese Mischung sorgsam durch. Der Geruch, welcher dabei entstand, war eben jener, den sie nun in dem Haus vernahm. Immer noch etwas moderig. Doch vermischt mit dem Duft der Putzmittel ihrer Mutter wurde der Gestank abgemildert.

Susi öffnete ihre Augen wieder. Sie blickte durch die Tür in das Haus hinein. Es war sehr spartanisch eingerichtet. Auf der rechten Seite befand sich ein großer, runder Tisch. Das dunkle Holz, aus dem er gefertigt war, wirkte spröde. Splitter und scharfe Kanten ragten aus seiner rauen Platte hervor, so dass er alles andere als eben war. Drei sich kreuzende Holzlatten auf der Unterseite stützten den Tisch. Er wirkte eher provisorisch zusammengeschustert und nicht wie das Werk eines erfahrenen Tischlers.

Auf der linken Seite zerfraß der Rost einen heruntergekommenen Ofen. Nur noch wage erkannte man die zwei Kochplatten zuoberst. Unter jeder der Platten befand sich eine kleine Tür. Für das Feuerholz, wie Susi später erfuhr. Wenige Stellen ließen das dunkle Metall erahnen, aus dem er gefertigt wurde. Das rötliche Oxid hatte überhandgenommen.

An der hinteren Seite entdeckte Susi vier Türen. Ihre Skepsis das Haus zu betreten wurde von der Neugier vertrieben zu erfahren, was sich in den Räumen dahinter befinden würde.

»Dort hinten, ganz rechts, das ist euer Zimmer«, sagte ihre Mutter, als diese ihr Starren auf die Türen bemerkte, »ganz links ist unser Schlafzimmer. Daneben ist eine kleine Abstellkammer. Aber gehe da bitte nicht alleine rein. Die Tür schlägt von selber zu. Und dann fällt der Metallriegel davor und sperrt dich ein. Ich musste Lennard heute schon zwei Mal dort rausholen. Direkt neben der Kammer ist die Toilette. Wenn man das hölzerne Loch mit dem Eimer darunter als sowas bezeichnen will. Also, ich leere den Eimer nicht aus.«

»Ich ganz bestimmt auch nicht«, entgegnete Susi mit vor Ekel gekräuselter Nase.

Sie ging auf die rechte Tür zu. Anfangs fielen sie ihr gar nicht auf. Auch als sie näher herankam, erkannte sie sie nicht. Starr wirkten sie fast wie das Holz. Etwas gräulicher, aber ebenso spröde. Wie ein Fehler in der Maserung. Im Nachhinein fragte Susi sich immer wieder, ob sie es tatsächlich gesehen hatte. Doch je mehr sie darüber nachdachte, desto klarer wurde sie sich, dass sie da gewesen waren. Gerade im Anbetracht der Dinge, die noch geschehen würden.

Susi trat vor das Zimmer und streckte ihre Hand nach der ebenso vom Oxid befallenen Türklinke aus. Sie sah hinab. Zwischen dem unteren Rand der Tür und dem Fußboden klaffte ein schmaler Spalt. Und aus diesem heraus ragten vier Finger, welche sich in die Tür krallten. Mit wulstigen und splittrigen Nägeln, fahler Haut, deren Farbe jede Lebendigkeit verloren hatte. Kaum hatte Susi die Handglieder erspäht, verschwanden sie wieder. In Windeseile zogen sie sich in den Raum zurück, der hinter der Tür lag. Jenem Raum, der ihr und Lennard als Schlafplatz dienen sollte.

Kurz schrie Susi auf. Hastig trat sie einen Schritt von der Tür zurück. Wandte sich mit weit geöffneten Augen zu ihrer Mutter um. Fragte sich, ob sie das gleich gesehen hatte. Doch ihr von Ratlosigkeit gezeichnetes Gesicht verriet Susi schnell, dass sie nicht wusste, warum ihre Tochter so erschrocken war.

»Was ist los?«, fragte Jasmin mit beruhigender Stimme.

Susi schluckte schwer. Sie wollte etwas sagen, doch brachte kein Wort hervor. Ihr Hals war wie zugeschnürt, als hätten sich die Finger, die sie soeben erspäht hatte, nun um ihre Kehle geschlungen. Stattdessen zeigte sie auf den Spalt zwischen Tür und Boden.

Ihre Mutter stieß ein kurzes Lachen aus. Dann ging sie zu ihrer Tochter und strich ihr sanft über das braune Haar. Das Lächeln, welches sie Susi entgegenbrachte, legte kleine Fältchen um ihre leuchtend blauen Augen.

»Das sind nur Mäuse«, flüsterte sie »ich habe auch schon ein paar gesehen. Die haben es sich hier gemütlich gemacht, solange kein Mensch hier war. Jetzt, wo wir hier einziehen, werden sie schnell verschwinden.«

»Wie geht es meinen Mädels«, drang vom Eingang in das Haus, als Benno und Lennard hereintraten. »Lebt ihr euch schon ein?«

»Susi hat gerade Bekanntschaft mit unseren Haustieren gemacht«, witzelte Jasmin.

»Wir sind im Wald«, erklärte Benno, »das ist Natur. So ist das hier eben. Aber mache dir keine Sorgen, die kleinen...

Erscheint lt. Verlag 9.4.2022
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte Familie • Fantasy • Geister • Geschwister • Horror • Natur • Thriller
ISBN-10 3-7549-6758-4 / 3754967584
ISBN-13 978-3-7549-6758-4 / 9783754967584
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