Die Schatten von Cambridge (eBook)

Eden Brooke ermittelt

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
413 Seiten
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
978-3-7517-2810-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Schatten von Cambridge -  Jim Kelly
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Winter, 1940. Schnee fällt. Inspector Eden Brooke streift wie so oft durch das nächtliche Cambridge. Die friedliche Ruhe wird jäh durch Hilferufe unterbrochen: In einem Sack verstaut, wurde ein kleiner Junge in den eiskalten Fluss geworfen. Brooke tut alles, um ihn zu retten - vergeblich.
Brookes Ermittlungen ergeben, dass es sich bei dem Jungen um ein vermisstes Kind Irisch-Katholischen Glaubens handeln muss. Als eine Bombe in einer Fabrik explodiert und am Tatort ein Irisch-Republikanischer Slogan gefunden wird, vermutet der Inspector einen Zusammenhang zwischen den beiden Fällen. Während er dem Mörder immer näher kommt, stößt Brooke auf ein dunkles Geheimnis, das der tote Junge hütete ...



Jim Kelly ist Journalist und hat bereits für die BEDFORDSHIRE TIMES, die YORKSHIRE EVENING PRESS and die FINANCIAL TIMES gearbeitet. Von seinem Vater - ein Detective Chief Inspector bei der Londoner Metropolitan Police - hat er die Faszination für Verbrechen geerbt. Für seine Romane hat er bereits den CWA DAGGER IN THE LIBRARY und den NEW ANGLE PRIZE FOR LITERATURE erhalten, zudem stand er auf der Shortlist des John Creasey Awards.

Jim Kelly ist Journalist und hat bereits für die BEDFORDSHIRE TIMES, die YORKSHIRE EVENING PRESS and die FINANCIAL TIMES gearbeitet. Von seinem Vater - ein Detective Chief Inspector bei der Londoner Metropolitan Police - hat er die Faszination für Verbrechen geerbt. Für seine Romane hat er bereits den CWA DAGGER IN THE LIBRARY und den NEW ANGLE PRIZE FOR LITERATURE erhalten, zudem stand er auf der Shortlist des John Creasey Awards.

KAPITEL EINS


Neujahr 1940

Cambridge, England

Detective Inspector Eden Brooke trottete auf den Market Hill, den großen Platz der Stadt. Schnee schwebte langsam in dicken Flocken zu Boden, jede einzelne ein mathematisches Juwel, das in der finsteren Nacht mal in diese, mal in jene Richtung getragen wurde. Alle Geräusche erklangen gedämpft; eine Uhr, die zur Unzeit die Stunde schlug, das rhythmische Gebell eines Hundes am Flussufer, das ferne Poltern eines Munitionszugs auf dem Weg zu den Häfen an der Küste im Osten. Die Verdunkelung war umfassend, doch der Schnee verbreitete sein eigenes Licht, eine Art inneres Leuchten, das die tiefhängenden Wolken am Himmel zum Vorschein brachte. Brooke blieb stehen, sein letzter forscher Schritt verhallte ohne Echo, und er fragte sich, ob er den Schnee fallen hören konnte; ein eisiges Flüstern im Takt der glitzernden Kristalle, wenn sie auf dem Pflaster zur Ruhe kamen und sich zu einem nahtlosen weißen Laken vereinigten.

Das Licht zweier Suchscheinwerfer auf der Suche nach den erwarteten deutschen Bombern zappelte im Süden über den Himmel. Brooke dachte an seinen Sohn Luke, der mit der British Expeditionary Force an der belgischen Grenze lagerte, wo er gerade jetzt unter demselben weinenden Himmel schlief und auf den Frühling wartete, auf Tauwetter und die ersten Granatsalven aus dem Osten. Der Krieg dauerte schon fast fünf Monate, und ein Zusammenstoß der Großmächte rückte mit jedem Tag näher, während sich der Sitzkrieg seinem unausweichlichen Ende entgegenschleppte.

Brooke setzte seinen Gang durch eine Welt fort, die ihm wohlvertraut war: die Stadt bei Nacht, ein Labyrinth aus Steinen und verborgenen Orten, ein ganz persönliches Königreich. Er passierte die elfenbeinfarbenen Marmorsäulen des Senatsgebäudes und sah vor sich die King’s Parade, eine breite Hauptverkehrsader, die zu einer Seite an ein chaotisches Durcheinander aus Läden und Gaststätten grenzte. Über ein ausgedehntes Schneefeld führte der Blick zu den steinernen Maßwerken der Collegegebäude und der erhabenen Silhouette der King’s College Chapel. Vollkommene Stille beherrschte die Szenerie, als wäre sie im Moment erstarrt. Er blickte auf. Schneeflocken landeten nass in seinen Augen, und er sah, wie die vier großen Spitztürme der Kapelle in den Wolken verschwanden, als wäre das Gebäude an vier steinernen Haken vom Himmel herabgelassen worden.

Brooke zündete sich eine Zigarette an, eine seiner kostbaren Black Russians, und atmete tief die arktische Luft ein, der ein sonderbar metallisches Aroma anhaftete; eine Erinnerung an Granitinseln und Eisberge und endlose graue Ozeane. Der Schnee, der nun schon seit dem Silvestertag ununterbrochen fiel, überzog alles mit einer umfassenden, gefalteten Decke, verhüllte teilweise einen geparkten Wagen, bedeckte das ganze Pflaster, ein paar Geschäftseingänge und eine provisorische Mauer aus Sandsäcken, die zum Schutz vor Bombenexplosionen erbaut worden war, für den Fall, dass die lange erwarteten Luftangriffe sich doch endlich einstellten. Eis hing an den Holzplatten, die den Platz der Buntglasfenster einnahmen, welche man entfernt und in die Sicherheit städtischer Kellergewölbe verbracht hatte.

Selbst in dem schwachen Licht benötigte Brooke eine getönte Brille zum Schutz seiner geschädigten Augen: Heute waren es ockerfarbene Gläser, die wie ein feiner Filter wirkten, der exklusiv für ihn eine vergoldete Welt erschuf. Einsatzbereit in seiner Tasche ruhten die grün, blau und schwarz getönten Brillen. Aber bei Nacht war die Stadt immer schon schattig gewesen, auch vor der Verdunkelung. Gasknappheit hatte während der meisten Jahre seit dem Ersten Weltkrieg dafür gesorgt, dass es um zehn Uhr abends »Licht aus« hieß. Und im Grunde brauchte er seine Augen auch nicht, um den Weg zu finden; er las diese Straßen, als wären sie in Braille niedergelegt worden.

Die Glocke von Great St. Mary’s durchbrach die Stille und verkündete die Stunde.

Brooke hielt an seinem gewohnten Platz inne, gegenüber dem Torhaus des King’s College. Dort, wo die Tür der Pförtnerloge geöffnet worden war, konnte er gerade noch einen Flecken gelben Lichts auf dem Mauerwerk ausmachen. Eine dunkle Gestalt kam mit einer abgeschirmten Laterne heraus und trottete in den dahinter liegenden Front Court, um mit ihrer Runde zu beginnen, Fenster und Türen zu kontrollieren und nach verräterischen Lichtspalten an den Räumen der Gelehrten Ausschau zu halten, die noch spät in der Nacht arbeiteten. Eine Katze folgte dem Mann und sprang von Fußabdruck zu Fußabdruck, bis beide verschwunden waren.

Brooke genoss seine Zigarette, bewunderte wie stets die Art, wie das goldene Filterpapier das Licht einfing. Während er das Nikotin einsog, trat er einen Schritt vor, drehte sich auf dem Absatz herum und betrachtete die Wand, die vor ihm aufragte, wohl wissend, was er dort finden würde: eine ovale steinerne Plakette, die dort schon gehangen hatte, als er sie als einsames Kind auf seinen Streifzügen durch die Stadt erstmals entdeckt hatte. Frost hatte an den Lettern und grob gemeißelten dekorativen Symbolen gehaftet, die einen Weinkrug samt Trauben darstellten.

Edward FitzGerald, Poet,
lebte hier von 1880 – 1891

FitzGeralds Meisterwerk hatte Brooke gelesen, als er während des Ersten Weltkriegs in der Wüste stationiert gewesen war. Rubāʿīyāt of Omar Chayyām, seine Übersetzung des persischen Originals, hatte den Platz der Ilias in seinem Seesack übernommen. Während des langen Marsches der Egyptian Expeditionary Force, der von Kairo aus über den nördlichen Sinai führte, hatte er Tapferkeit und Lebensmut bewahrt, indem er sich Abend für Abend der sanften Einladung des Dichters hingegeben hatte, den Tag zu genießen.

Sei glücklich in diesem Moment. Dieser Moment ist dein Leben.

Brooke bückte sich, formte einen Schneeball und warf ihn auf die Plakette. Angesichts der Schrecken dieses Krieges, den zu überstehen er das Glück gehabt hatte, war dies eine Philosophie, die das Leben feierte, das er lebte.

Die weiße Stille hielt vor. Vielleicht war dies nur eine Art Echo der Rubāʿīyāt, doch mit ihrer weichen Decke erinnerte ihn die Straße an die Wüste, den blendenden Sand zwischen Gaza und der See, der über Dörfer und Straßen kroch, über Lager und Bäume, und sie auf genau diese Weise zurückließ: gedämpft und verhüllt, aufgeteilt in sanfte Rundungen.

Diese Wüste hatte Brooke zur Nachteule gemacht, heimgesucht von Schlaflosigkeit, Ergebnis seiner Gefangenschaft und der Folter in Händen der osmanischen Türken. Trotz des Schmerzes – grelles Licht, das bei den nächtlichen Verhören auf seine Augen getroffen war, und die blendende Sonne bei Tag – hatte er die Geheimnisse gewahrt, die er zu wahren hatte. Der König hatte ihm einen Orden verliehen, aber er hatte sich nie als Helden wahrgenommen. Am fünften Tag war er nicht einmal mehr imstande gewesen, Wahrheit und Lüge zu unterschieden. Es schien alles schon so lange zurückzuliegen.

Er füllte seine Lunge, hielt die Luft an und hatte das sichere Gefühl, dass in Kürze etwas beginnen würde. Der unerwartete Bonus seines Zustands war genau diese insomnische Aufregung: eine Art Hyperaktivität, bei der seine Sinne auf einem übermenschlichen Niveau arbeiteten.

Schon einen Moment, bevor das Geräusch wahrnehmbar war, hörte er sein vorauseilendes Echo: das Fiepen einer Polizeitrillerpfeife. Dann drei Pfiffe, eine Pause und noch drei Pfiffe – das vereinbarte Signal.

Brooke rannte zur Ecke Kings Lane, und die metallenen Blakeys an seinen Schuhen durchstießen die Schneedecke und knallten auf das darunter liegende Pflaster. Schwer atmend hielt er inne und hörte erneut Pfiffe, lauter, aber ohne den Dreier-Rhythmus. Unter dem Schnee führte schmal und gepflastert ein dunkler Durchgang zu den Türen des Queens’ College unter seinen drei oktagonalen Türmchen.

Police Constable Collins stand auf der Straße, und seine schwarze Pelerine schwang auf, als er sich wechselweise nach links und rechts drehte und in seine Pfeife blies.

Brooke wurde langsamer und verfiel ins Gehen. Die Polizeitruppe des Borough war eine der kleinsten im ganzen Land. Von den nur achtzehn Constables in Uniform kannte er jeden: Collins, gerade achtzehn, war nervös und das, was Claire als »verhuscht« bezeichnen würde. Brooke erkannte einen panischen Unterton in dem manischen Gepfeife. Was hatte den jungen Constable nur so verstört? Ein Flüchtender – ein Student, der nach einem heimlichen Rendezvous in sein Zimmer zurückkletterte?

»Collins«, sagte er. »Ganz ruhig, Junge. Was ist hier los?«

Collins ließ die Trillerpfeife an ihrer Schnur fallen.

Brooke nahm seinen Hut ab, brachte ihn in Form, setzte ihn wieder auf und zog sich die Krempe etwas tiefer ins Gesicht. Die prächtige Fassade des Colleges wirkte enorm still. Sein Vater hatte ihn einst hergebracht, um ihm Erasmus’ Räumlichkeiten in dem dritten hohen Türmchen zu zeigen, ein Symbol ruhiger, vernunftbetonter Logik.

Schwer atmend nahm Collins unbeholfen Haltung an.

»Entschuldigen Sie, Sir«, sagte er, außerstande, mehr von sich zu geben.

Brookes Ruf eilte ihm voraus: barsch, unberechenbar, außerstande, sich mit Idioten herumzuschlagen. Den Detective Inspector gegen sich aufzubringen galt im Borough als sicheres Ende der eigenen Laufbahn. Collins würde wie die anderen jungen Constables bis zum Frühjahr bei der Army landen, wenn der Krieg nicht vorher endete. Und wie die anderen hoffte er ohne Zweifel, bis dahin eine ruhige Kugel schieben zu...

Erscheint lt. Verlag 25.11.2022
Übersetzer Frauke Meier
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Original-Titel The Mathematical Bridge
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Babylon Berlin • Blackout • Cambridge • Frank GOLDAMMER • historischer Krimi • Historischer Thriller • Krimis • Lichtscheu • Photophobie • Verdunklung • Volker Kutscher
ISBN-10 3-7517-2810-4 / 3751728104
ISBN-13 978-3-7517-2810-2 / 9783751728102
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