Die wahren Stimmen eines »bunten« Defizits -  Aimo Nyland

Die wahren Stimmen eines »bunten« Defizits (eBook)

Betroffene erklären ADHS aus ihrer Sicht

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 2. Auflage
300 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7562-9631-6 (ISBN)
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ADHS - davon hört man meist im Zusammenspiel mit unaufmerksamen, lauten, rebellischen und sturen Kindern, mit »aufmüpfigen« Quälgeistern in Familie und Schule. Dass es viel mehr ist, als diese gesellschaftliche Stereotypie und dass auch sehr viele Erwachsene davon betroffen sind, die jahrelang leiden und oft an den Rand der Gesellschaft geraten, ist nur wenig bekannt. Deswegen ist es dem selbst betroffenen Autor Aimo Nyland nach seinem ulkig-aufklärenden Buchdebüt ein großes Anliegen, nun einen etwas ernsthafteren Blick auf die Thematik zu werfen. Auf diese Weise möchte er fernab wissenschaftlich-trockenen Aufklärungsblablas Betroffene und interessierte Leser miteinander verbinden und zugleich mehr Licht ins Dunkel eines immer noch sehr verkannten Handicaps bringen. Die Grundidee: Ein Autor reduziert entgegen seiner Berufung sein Schreiben auf das Nötigste und bietet dafür denjenigen eine Platform und auch ausreichend Raum, die meist nur im Stillen leiden und kaum Gehör finden. Denjenigen also, die es aus Scham und Angst vor Diffamierung sonst nicht wagen, über ihre Probleme zu sprechen. Aber auch denjenigen, die ihre neurodivergente Persönlichkeit sogar ganz verheimlichen, um sich nicht immer wieder grundlos rechtfertigen zu müssen oder weil sie mit ihren Eigenarten allzu gerne lächerlich gemacht werden. Herzlich Willkommen also bei jenen, die ausnahmsweise einmal wirklich wissen, wovon sie reden! Tauchen Sie hautnah ein, in die stets äußerst widersprüchliche Welt der Betroffenen, die von einer wilden Mixtur aus Kummer, Scheitern, Depression und einem zugleich außergewöhnlichen Potenzial geprägt wird. Lassen Sie auf sich wirken, was die Gastautoren Ihnen ehrlich, spannend und ohne Beschönigungen aus ihrem Leben erzählen ... ... und als besonderes Bonbon erhält dann am Schluss auch noch der persönliche Psychotherapeut des Buchautors das Wort. Viel Freude also beim Blick hinter die Kulissen der Andersartigkeit!

Aimo Nyland ist schon immer chaotisch, sprunghaft, planlos, irgendwie anders. Er leidet unter dem neurobiologischen Defizit ADHS, aber profitiert auch davon und erfuhr von seiner Diversität erst im späten Erwachsenenalter. So entstanden ihm reichlich Herausforderungen, die trotz größter Mühen scheinbar Jahrzehnte nicht zu lösen waren und ihn immer wieder daran hinderten, einen gesellschaftsintegrativen Weg einzuschlagen und seine verborgenen Talente zu greifen und zu entwickeln. Nachdem sein Debüt aus 2020 viele alltägliche, autobiografisch erzählte Herausforderungen bereithält, lässt der Autor in seinem zweiten Werk nun andere Betroffene berichten. Ehrlich, schonungslos, humorvoll und unverhofft augenöffnend!

Vorwort


Kein anderes neurobiologisches Handicap ist wohl polarisierender als ADHS, egal ob im Kindes- oder Erwachsenenalter.

Der Markt wird überschwemmt von Büchern über das Thema. Viele Autoren aus der medizinischen, psychologischen oder therapeutischen Ecke maßen sich an, die Probleme von Betroffenen hundertprozentig zu verstehen und schreiben darüber dann ein Buch. Was der Leser in der Regel und grob gesagt in all diesen Büchern erfährt, sind dann Dinge wie die typischen Leitsymptome, diagnostische Kriterien oder auch Alltagstipps, um Chaos, Ängste und Schusseligkeiten einigermaßen im Zaum zu halten. Meist sind das Dinge, die sich auch mit drei Klicks ergoogeln ließen.

Gut, ein rein oberflächliches Wissen ist nicht verkehrt – es hilft natürlich vielen Unwissenden, erst mal die Basis von ADHS zu verstehen, sich selbst einzuordnen und schlussendlich vielleicht sogar zu einer Diagnose zu finden. Aber was meine Aufklärungsarbeit und meine jahrelange Präsenz in ADHS-Gruppen (sowohl digital als auch lokal) mir immer wieder deutlich gemacht hat, ist, dass es der Gesellschaft ganz simpel gesagt an Wissen mangelt. An konkretem Wissen darüber, wie viele verschiedene Facetten ADHS wirklich hat, sprich, mit wie unglaublich vielen Begleiterkrankungen es tatsächlich daherkommt. Und wie ebenso unglaublich häufig leider manchmal nur diese Begleiterkrankungen diagnostiziert werden, aber nicht der Kern, von dem alles ausgeht.

Zusammengefasst gesagt, bräuchte es mehr Einsicht darüber, dass ADHS sich auf zig Arten auswirken und das Leben von Betroffenen auf verschiedenste Weise beeinflussen kann. So einfach wie ein Schnupfenvirus Schnupfen hervorruft oder ein Hustenvirus eben Husten, funktioniert es bei ADHS nicht. Leider passiert es aus Unkenntnis und Ignoranz dennoch, dass man neurodivergenten Menschen gar nicht so selten unterstellt, sie würden nur nicht zuhören wollen, seien faul, nicht pragmatisch, respektlos, unklug, cholerisch und überheblich. Man könnte fast sagen, es herrschte eine allgemeine Assoziation mit »unfähig«, ohne dass dies überhaupt reflektiert würde.

Ich bin Aimo, fünfundvierzig Jahre alt, komme aus Bernau bei Berlin, und ich erfuhr selbst erst mit neununddreißig Jahren von meinem ADHS. All die Jahre zuvor hatte ich mich total chaotisch, neurotisch, distanziert, mit ausgeprägter Naivität und innerlicher Leere, üppigen Selbstzweifeln sowie einem massiven und unerklärlichen »Alien-Gefühl« durchs Leben gekämpft. An richtige Freude über irgendetwas, an Anerkennung, Erfolg oder einfach nur Glücksgefühle kann ich mich leider nicht erinnern.

Ich habe viel Mist gebaut (impulsive Handlungen ohne Sinn und Verstand) und musste mir über fünfundzwanzig Jahre lang sagen lassen, dass ich faul und fast zu nichts zu gebrauchen sei.

Den sprichwörtlichen roten Faden in meiner Existenz sucht man daher vergeblich. Eher wohl ist mein Leben ein riesiger Bällepool und von dem stetigen Wunsch geprägt, einen Stecknadelkopf darin zu finden. Ich bin mittlerweile chronisch depressiv, wie ausgesaugt, und das Leben ist mir recht gleichgültig geworden, weil mein Selbstwertgefühl inzwischen tief vergraben und eine wirkliche Heilung meiner tief verletzten Seele sowieso nicht mehr zu realisieren ist.

Hinzu kommen zu allem noch Ängstlichkeit, Panikzustände, Emotionsregulationsprobleme, ausgeprägte Naivität, stereotype Verhaltensweisen, Schwierigkeiten in der nonverbalen Kommunikation und irgendwie bizarre und realitätsfremde Vorstellungen von sozialen Beziehungen.

Neben all dem Leid gibt es aber auch eine gute Sache: die Kreativität! Diese hat mich durchs Leben geboxt, auch wenn ich es durch massive sogenannte exekutive Dysfunktionen und immer wieder vorherrschende Isolationsbedürfnisse niemals geschafft habe, meine kreativen Träume zu verwirklichen. Gedanken en masse – Taten, nee Danke, lass!

Knapp vier Jahrzehnte mussten vergehen, bis ich nach einigen Fehldiagnosen erfuhr, dass eine ziemlich verrückte Kreuzung von ADHS sowie einer hochfunktionellen autistischen Seite die Ursache ist für Jahrzehnte des Chaos, der Undiszipliniertheit, der Niederlagen und des stets undefinierbaren, aber immer sehr präsenten Kummers über mich selbst und die Welt.

Die Diagnose hat erreicht, dass ich verstehe, wer ich bin, und vor allem, dass ich den unveränderlichen biologischen Fakt akzeptieren und mich als »schrägen, infantilen und inkompatiblen Vogel« annehmen kann. Sie hat grundsätzlich leider nicht erreicht, meine arg angefressene Psyche zu reparieren. Aber das würde ich auch gar nicht wirklich erwarten. Ich versuche einfach, mit den allerletzten psychischen Reserven, die mir die bisherige Tortur noch gelassen hat, einen fleißigen Neustart. Warum denn nicht mit fünfundvierzig Jahren nochmal neu anfangen? Eine gut restaurierte originale Simson Schwalbe (ein Klassiker unter den Motorrollern) hat ja im besten Fall auch noch ein jahrzehntelanges Straßenleben vor sich, wenn auch der Rost an ihr nagt.

Ich muss eben einsehen, dass ich gut vierzig Jahre meiner Existenz planlos verspielt habe. Nie Struktur, keine wirkliche Idee fürs Leben, Sprunghaftigkeit wie bei den Bundesjugendspielen – heute hü, morgen hott. Unbändiger Frust über jeden und alles, immer wieder Ängste, Depressionen, zermürbende emotionale und finanzielle Abhängigkeiten von anderen, falsche Freunde, falsche Entscheidungen, falsche Hoffnungen – ein Fass ohne Boden. Und niemals waren Erklärungen in Sicht.

All das ist gar nicht wirklich so selten bei Menschen, die ihr Leben lang nach Antworten für ihre immer präsente Mühsal, für ihren gesamten Alltag und ihren intensiven Frust suchen, ohne jemals zu erklärenden Erkenntnissen zu finden. Denn ohne, dass man den wahren Auslöser für so viel psychisches Leid kennt, wird eben auch nichts besser. Das muss man wissen, denn wie die Zuckerwatte beim Drehen immer mehr Zuckerfäden sammelt, drehen Spätdiagnostizierte sich auch im Kreis und sammeln gerne jahrelang fleißig alle möglichen Diagnosen – nur leider nicht die, die zur »Erleuchtung« führt und damit auch zu seelischer Befreiung sowie zu zielführenden Hilfen. Man dreht und dreht, und keiner versteht.

Meiner Ansicht nach muss noch sehr viel getan werden, damit Betroffene gehört, aber noch viel wichtiger, auch verstanden werden. Das leider immer noch als »Kinderkrankheit« oder gar als lediglich harmlose Persönlichkeitsausprägung gesehene Handicap muss viel mehr in den Fokus gerückt werden. Nichts gegen Ärzte und Therapeuten mit ihrem anstudierten Wissen, aber diejenigen, die ADHS nunmal am besten verstehen, sind zweifellos eben jene, die mit dieser neurobiologischen Besonderheit von Beginn an leben.

In Anbetracht dieses Hintergrunds habe ich entschieden, in meinem nunmehr zweiten Buch eine noch wesentlich direktere Aufklärung zu betreiben und genau diejenigen Menschen sprechen zu lassen, die es sonst nicht können. Ganz normale Betroffene, ohne Schnick, eben einfach nur »Schnack«. Zusätzlich finden sich auch einige Angehörige mit ihren Wahrnehmungen über die Betroffenen in ihrem Umfeld in diesem Buch wieder. Und last but not least schildert auch ein Therapeut das Thema aus seiner professionellen Sicht.

So kann man hoffentlich fernab von wissenschaftlichem oder medizinischem Blabla ein Stück weit Nachvollziehbarkeit für ADHS erreichen, ganz einfach, weil es keine Erlebnisse und Fakten sind, die nach aktueller Lehrmeinung so und so sein sollten, sondern weil sie schlicht so sind, wie sie sind. Erlebt und berichtet, Punkt!

In meinem vorherigen, autobiographischen Buch »Skurrilchaotische Existenz ohne Effizienz«1 ging es ja etwas provokanter und lustiger zu, und mein Anliegen war es, völlig frei heraus und unmittelbar aus dem Leben gegriffen, albern aber authentisch das typische Chaos rund um spätdiagnostiziertes ADHS zu veranschaulichen. Aber da ADHSler sich ja gerne immer wieder neu erfinden nach dem Motto: »Was interessiert mich mein stupides Geschwätz von gestern?«, möchte ich in diesem Projekt eine eher hintergründige, rein niederschreibende und moderierende Funktion einnehmen, anstatt als alleiniger Erzähler zu fungieren und überwiegend, wie letztes Mal, nur witzig zu sein und in reimerischer Marotte den »Clown« raushängen zu lassen. Nein, dieses Mal präferiere ich im Sinne all meiner Redner und Rednerinnen durchaus die Ernsthaftigkeit (wenn auch mit kleinen Ausreißern zum Altgewohnten, hehe). Allein schon, um zu zeigen, dass wir ADHSler eben tatsächlich nicht nur albern und »verrückt« können, sondern auch kultiviert, geradlinig, anständig und seriös.

Es ist natürlich sehr unkonventionell, Gastautoren in einem Buch länger sprechen zu lassen als man selbst es als Autor tut. Aber was es selten gibt, muss ja deswegen nicht schlecht sein, nicht wahr? Ich bin eben gerne eigenwillig, kreativ und originell. Es ist außerdem für mich genau das, was da draußen noch fehlt: die gerne für irrelevant gehaltene und entmutigte Stimme, die sich nicht traut. Der...

Erscheint lt. Verlag 26.4.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
ISBN-10 3-7562-9631-8 / 3756296318
ISBN-13 978-3-7562-9631-6 / 9783756296316
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