Die Herrin der Farben (eBook)

Historischer Roman

(Autor)

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2023 | 1. Auflage
448 Seiten
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
978-3-7517-2830-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Herrin der Farben -  Peter Dempf
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Ein stimmungsvoller Roman um eine historisch verbürgte starke Frau des 18. Jahrhunderts


Augsburg, im 18. Jahrhundert. Die Welt der Farben hat es der jungen Anna Barbara Koppmair angetan. Gemeinsam mit ihrem gleichaltrigen Nachbarn Johann Friedrich Gignoux beginnt sie, Farben zu mischen. Aus Freundschaft wird Liebe, und gegen die heftigen Widerstände der Weber gründen sie einen Betrieb, in dem sie Textilien auf besondere Art und Weise färben und bedrucken: eine der ersten Kattundruckereien der Stadt. Als Johann viel zu früh stirbt, ist die junge Witwe Gignoux auf sich allein gestellt. Ihr Unternehmen weckt Begehrlichkeiten. Eine überstürzte Heirat erweist sich als fataler Fehler. Kann sie ihr Reich der Farben für sich und die Kinder retten?



Peter Dempf, 1959 in Augsburg geboren, studierte Germanistik und Geschichte und unterrichtet heute an einem Gymnasium. Der mit mehreren Literaturpreisen ausgezeichnete Autor schreibt neben Romanen und Sachbüchern auch Theaterstücke, Drehbücher, Rundfunkbeiträge und Erzählungen. Bekannt aber wurde er durch seine Historischen Romane, die häufig in Augsburg angesiedelt sind, wo Peter Dempf lebt.

Peter Dempf, 1959 in Augsburg geboren, studierte Germanistik und Geschichte und unterrichtet heute an einem Gymnasium. Der mit mehreren Literaturpreisen ausgezeichnete Autor schreibt neben Romanen und Sachbüchern auch Theaterstücke, Drehbücher, Rundfunkbeiträge und Erzählungen. Bekannt aber wurde er durch seine Historischen Romane, die häufig in Augsburg angesiedelt sind, wo Peter Dempf lebt.

Prolog


AUGSBURG, FRÜHJAHR 1733

Wieder lag ein Blatt auf dem Tisch, wieder waren da diese beiden geheimnisvollen Zeichen, blau, auf rotem Grund. Anna Barbara sah sich kurz um. Ihr Vater drehte ihr gerade den Rücken zu. Rasch beugte sie sich über das Papier und überlegte sich, wie das Zeichen auszurichten war. Lag es, stand es aufrecht oder auf dem Kopf?

»Papa?«, begann sie und räusperte sich, als sie bemerkte, dass ihr Vater sie nicht beachtete. »Herr Papa, was sind das für Zeichen auf diesem Blatt?«

Andreas Koppmair wirbelte herum, runzelte die Stirn und nahm es an sich.

»Das ist nur etwas für Erwachsene. Nichts für Kinder und schon gar nichts für kleine Mädchen.«

»Aber …«, wollte Anna widersprechen, doch ihr Vater hob nur den Zeigefinger. Damit war jegliches Gespräch unterbunden.

Sie ärgerte sich und lief ihm nach. Er war in den Nebenraum gegangen. Dort hämmerten drei Quetschen gleichzeitig und machten einen unvorstellbaren Lärm. Die Schläge der Hämmer gingen durch den Körper hindurch, und selbst ihr Herz versuchte, sich an den Takt anzupassen.

»Heimer!«, machte Vater Koppmair den Gesellen auf sich aufmerksam. »Nimm das, und leg es beiseite. Meine Tochter darf nicht wissen, dass es sich um ein großes E und ein kleines e handelt. Das ist nichts für Mädchen.«

Ihr Vater musste fast brüllen, um verstanden zu werden. Heimer nickte nur und verdrehte die Augen.

Doch Anna hatte genau gehört, was ihr Vater geschrien hatte. Sie drückte sich an die Türzarge und lugte um die Ecke, damit sie mitbekam, wo der Geselle das Blatt versteckte. Heimer packte den Zettel unter die Lederbücher, in denen die Goldblätter verwahrt wurden, die später noch unter die Quetschen kommen würden.

Anna wusste, er würde noch bis Mittag an den Hämmern stehen und dann mit ihrem Vater und Meister Gignoux zum Mittagessen in die nächste Wirtschaft gehen. Wenn sie es geschickt anstellte, hätte sie ausreichend Zeit, das Blatt abzuschreiben. Bereits in Gedanken überlegte sie sich, wie die Zeichen ausgesehen hatten, und suchte in der ganzen Wohnung nach ihnen. Sie fand sie auf einer Flasche in der Küche im Gewürzregal: »E« war das erste Zeichen darauf.

Sie holte die Flasche vom Regal, öffnete sie und roch daran: Essig. Hatte der Vater nicht gesagt, sie solle nicht wissen, dass das ein großes »E« sei?

»E, e, e, e wie Essig«, wiederholte sie immer wieder. Sie stellte sich das Bild des Zeichens im Kopf vor und verglich es mit dem auf dem Steinkrug. Jetzt wusste sie, wie es gestellt wurde: die Bögen nach links, die Öffnungen nach rechts. Sie presste die Lippen aufeinander. Weder waren diese Zeichen nichts für Mädchen noch war sie zu klein dafür. Sie war immerhin acht Jahre alt.

Sie suchte weiter und fand in der Stube die Bibel, die der Vater jeden Morgen aufschlug, um daraus einen Satz laut vorzulesen, der ihm und der Familie als Motto für den Tag diente.

Was hatte er heute früh vorgetragen? Aus dem Evangelium des Matthäus? Matthäus 13, Vers 3. »Und er redete vieles zu ihnen in Gleichnissen und sprach: Siehe, es ging ein Sämann aus zu säen«, murmelte sie vor sich hin. Die Seite lag noch ebenso offen da wie heute Vormittag. Ein Einmerker zeigte, wo das Evangelium begann. Dort musste ein »E« zu finden sein. Und im Text selbst auch jede Menge.

Anna zog einen Stuhl heran, kniete sich auf die Sitzfläche und beugte sich über den Text.

Das Wummern der Hämmer war zwar in der Küche weniger zu hören, zu spüren war es jedoch überall bis unter das Dach. Es begleitete sie, seit sie denken konnte.

Die Seite war voller »E« und »e«, aber nur an einer Stelle tauchte das kleine »e« dreimal hintereinander auf, nur unterbrochen von jeweils einem anderen Zeichen: »er redet«. Sie merkte sich die Aussprache: »r«, »d«, »t«.

Pah! Nichts für kleine Mädchen. Dass sie nicht lachte. Sie musste nur genau aufpassen, dann würde sie bald alles verstehen, was dort stand.

Schließlich blätterte sie zurück und suchte das Anfangskapitel. Das große »E« stach ihr sofort in die Augen. »Evangelium nach Matthäus«, murmelte sie vor sich hin. Sie versuchte, sich das Wort »Evangelium« einzuprägen.

Sorgfältig legte Anna den Einmerker ein und blätterte zum Spruch des Tages zurück. Langsam kletterte sie vom Stuhl.

Als sie sich zur Tür wandte, stand dort ihr Vater, groß und mit auf dem Rücken verschränkten Händen. Im Lärm der Quetschen hatte sie ihn nicht kommen hören. Er sah sie mit gerunzelter Stirn an, sagte aber kein Wort.

Anna schluckte.

»Was machst du da, Anba?«, fragte ihr Vater, aber seine Stimme klang nicht verärgert, sondern lediglich neugierig, auch weil er sie zärtlich mit ihrem Kosenamen Anba für Anna Barbara ansprach.

»Ich …«, versuchte Anna sich eine Geschichte zurechtzulegen. »Ich wollte nur sehen … ob das Buch auch zu mir …« Sie verhaspelte sich, und ihr Vater unterband alles weitere Gestotter mit dem Heben des Zeigefingers.

Anna war ihm unendlich dankbar dafür, denn so verhinderte er, dass sie ihn anschwindeln musste. Wenn sie etwas nicht wollte, dann war es lügen.

»Komm her!«, sagte der Vater und breitete seine Arme aus.

Erleichtert lief sie auf ihn zu, und Andreas Koppmair tat etwas, was Anna noch bei keinem anderen Vater gegenüber seinen Kindern gesehen hatte, auch nicht bei François Gignoux, mit dem die Familie befreundet war und der zwei Söhne hatte und gleich gegenüber wohnte. Er nahm sie in die Arme, hob sie hoch und drückte sie an sich.

»Mein Mädchen«, sagte er und küsste sie auf die Stirn. »Was wird nur aus dir werden?«

Anna streckte sich und drückte sich etwas ab. Ernst sah sie ihm ins Gesicht. »Eine Mutter natürlich.«

Zuerst musste der Goldschlagermeister lachen, doch dann wurde er ernst. »Vermutlich, Anba, nein, sicher sogar. Aber das, lass dir gesagt sein, ist nicht alles auf der Welt. Wenn es auch mehr ist, als wir Mannsbilder zustande bringen.«

Er ließ sie ab und strubbelte ihr durchs Haar, was sie zu einem schrillen Kreischen veranlasste.

»Meine Frisur!«, beschwerte sie sich.

Sie genoss diese kleinen Liebkosungen des Vaters und wusste, wie selten sie bei anderen waren, zum Beispiel bei Johann und Anton. Auch wenn Vater Gignoux nicht streng war und seine Jungen kaum schlug.

Sie winkte ihrem Vater, als sie den Raum verließ und zurückblickte. Dabei wunderte sie sich, wie verträumt er im Türrahmen stand und ihr nachblickte. Aber sie hatte jetzt anderes zu tun, als darüber nachzudenken. Sie musste ihren Schwestern erzählen, was sie entdeckt hatte, und sie musste üben.

Im hinteren Garten hatte sie ein Beet angelegt, das vor allem eines enthielt: Sand. Dorthin war sie unterwegs. Sie lief so schnell, dass ihre blonden Locken flogen.

Dass keine ihrer Schwestern zu sehen war, störte sie nicht. Spätestens wenn sie im gemeinsamen Bett lägen, hätten sie Zeit genug, sich flüsternd den Tag zu erzählen, bis ihre Eltern kämen und Nachtruhe verlangten.

Sie kniete sich vor dem Beet nieder, glättete das Sandbett mit einem Holzspatel und begann zu üben. Sie schrieb die Buchstaben, die sie gesehen hatte, in den Sand, korrigierte, begann erneut und übte so lange, bis sie das Gefühl hatte, die Buchstaben zu beherrschen. Dann dachte sie an die Wörter, die sie gesehen hatte, und schrieb Evangileun, er und redete, wischte sie wieder aus und malte sie von Neuem in den feuchten Sand.

»Oh, da übt schon wieder jemand.«

Anna erschrak derart, dass der Holzstab, den sie verwendete, quer über das Beet fuhr und alle ihre Übungen beschädigte.

Anton sah auf sie hinunter. Er war der älteste Spross des Formschneiders und Kattundruckers Gignoux, schon beinahe erwachsen. Er ging bei seinem Vater in die Lehre, war groß und schlaksig und hatte tiefblaue Augen.

Annas Herz schlug wie wild.

Anton hockte auf der kleinen Mauer, die beide Grundstücke voneinander trennte. Er betrachtete ihre ungelenken Versuche und schüttelte den Kopf.

»Du wirst nie schreiben lernen. Mädchen können das nicht!«, sagte er und grinste bis über beide Ohren. Er tippte an seinen Kopf. »Sie haben ein zu kleines Gehirn. Und auch sonst sind sie nicht dafür geschaffen.« Er musterte sie unverschämt von oben bis unten.

»Woher willst du das wissen? Du kannst doch selber nicht schreiben«, zischte sie. »Außerdem … außerdem …« Sie wusste nicht weiter.

Anton sprang zu ihr herunter und forderte mit einer herrischen Geste den Holzstab. Dann korrigierte er das Wort »Evangelium«, weil sie »e« und »i« vertauscht und bei »m« einen Bogen weggelassen hatte.

»Das zum Thema, ich kann nicht schreiben«, sagte er und drehte sich weg. Hocherhobenen Hauptes stolzierte er davon, setzte seinen Schuh in eine Lücke der Mauer und war auf der anderen Seite, bevor sie auch nur eine Antwort parat hatte.

Annas Augen schwammen in Tränen. Warum musste er sie immer so behandeln? Was hatte sie ihm getan?

»Er meint es sicher nicht so«, sagte eine andere Stimme über ihr.

Anna musste ihre Tränen hinunterschlucken und sich kurz übers Gesicht wischen, bevor sie hochschauen konnte. Auf der Mauer hockte Johann, Antons jüngerer Bruder.

»Wo kommst du her?«, fragte sie.

Johann begutachtete die Schreibübungen und nickte. Ohne sich zu Anna umzudrehen, deutete er mit dem Daumen hinter sich in den Garten seines Elternhauses. »Von da.«

Sie verdrehte die Augen. »Das denk ich mir«,...

Erscheint lt. Verlag 27.1.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 18. Jahrhundert • 18. Jh. • Anna Barbara Koppmair • Augsburg • Erfinderin • Farben • Gignoux • Giroux • historisch • Historische Romane • Industrialisierung • Inspirierend • Kattundruck • Manufaktur • Pionierin • spannend • Starke Frau • Stoffdruck • Textildruck • Unternehmerin • Wahre GEschichte
ISBN-10 3-7517-2830-9 / 3751728309
ISBN-13 978-3-7517-2830-0 / 9783751728300
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