Jenseits von Europa (eBook)
240 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2851-5 (ISBN)
Sophia Bogner (* 1987) studierte in Paris, Shanghai und an der University of Cambridge Literaturwissenschaften, VWL und Politik. Anschließend war sie bei Burda als Head of Business Development für die internationalen Medien- und Digitalgeschäfte mitverantwortlich. Zum Journalismus kam sie mit 27, als sie an die Deutsche Journalistenschule ging und zur Redakteurin ausgebildet wurde. Anschließend hat sie unter anderem für den Spiegel, die Zeit und die FAZ aus dem Ausland berichtet. Gemeinsam mit Paul Hertzberg berichtet Sophia Bogner seit vier Jahren als Auslandsreporterin, hauptsächlich aus Afrika - für den Spiegel, die Zeit, FAZ, NZZ, das Reportagen Magazin, brand eins und den Deutschlandfunk. Für ihre Berichterstattung wurden die beiden unter anderem mit dem Deutschen Journalistenpreis und dem Ludwig-Erhard-Förderpreis für Wirtschaftspublizistik ausgezeichnet.
Sophia Bogner (* 1987) studierte in Paris, Shanghai und an der University of Cambridge Literaturwissenschaften, VWL und Politik. Anschließend war sie bei Burda als Head of Business Development für die internationalen Medien- und Digitalgeschäfte verantwortlich. Zum Journalismus kam sie mit 27, als sie an die Deutsche Journalistenschule ging und zur Redakteurin ausgebildet wurde. Sie hat für ARTE und den BR gearbeitet, in Straßburg und Bayern TV-Beiträge produziert und eingesprochen und unter anderem für den Spiegel, die Zeit und die FAZ aus dem Ausland berichtet. Gemeinsam mit Paul Hertzberg berichtet Sophia seit 2019 als freie Auslandsreporter, hauptsächlich aus Afrika. Sie haben für alle großen Print- und Online-Magazine geschrieben, u.a. für den Spiegel, die Zeit, das Reportagenmagazin, den Stern, die NZZ, die FAS und die brand eins. Sie haben inzwischen aus 15 unterschiedlichen Ländern berichtet, hauptsächlich in Form von Reportagen und Porträts. Aber aus Ghana und Äthiopien haben sie auch große Radio-Features für den Deutschlandfunk produziert.
VORWORT
ODER: WARUM AFRIKA?
Wir berichten seit vier Jahren gemeinsam aus Afrika. In Äthiopien haben wir über Riesenratten geschrieben, die darauf trainiert werden, Tuberkulose zu erschnüffeln, und in Westafrika Afroamerikaner begleitet, die in den Ruinen europäischer Sklavenforts nach der Heimat ihrer verschleppten Vorfahren suchten. Wir haben Minister interviewt, Sterneköche, Terroristen und Touristen. Wir wollten das volle Programm, den ganzen Kontinent. Wir fanden alles spannend. Aber jedes Mal, wenn wir nach Deutschland zurückkehrten, stellten wir fest: Das ging nicht allen so.
Wir sind jetzt Anfang und Mitte 30, gehören also zu einer Generation, die sehr selbstverständlich international denkt – und konsumiert –, die ›Squid Game‹ aus Südkorea bingewatched (und dafür dieses Wort benutzt), Szechuan-Dan-Dan-Nudeln in Berlin-Mitte schlürft, Kulturkämpfe aus den USA ausfechtet. Viele in unserem Alter haben irgendwo einmal irgendetwas im Ausland studiert. Kaum jemand, der noch nicht jenseits von Europa unterwegs war. Fast niemand, der noch nie geflogen ist. Auch wenn Corona, Krieg und Krisen dem in letzter Zeit einen Dämpfer verpasst haben, war das Lebensgefühl immer klar: Die ganze Welt geht uns etwas an, wir sollten, nein, müssen Zugriff auf sie haben. Und trotzdem hörten wir in den letzten Jahren immer wieder die gleiche Frage, von Freundinnen, Freunden und Kollegen: Warum Afrika?
Sophia kann sich noch gut an eine ähnliche Frage erinnern. Sie war ein kleines Kind, als sie sie zum ersten Mal hörte. Die Frage wurde nicht ihr gestellt, sondern ihrem Vater. Er ist sein Leben lang Unternehmer gewesen. Er reiste viel, arbeitete viel, flog oft nach Südamerika, Indien und natürlich: nach China. In den 1970er-Jahren kam er zum ersten Mal nach Peking. Die Winter waren klirrend kalt und die Wohnungen unbeheizt, die Fahrräder auf den Straßen keine Folklore, sondern Zeichen der Armut. Die großen Hungersnöte waren vorbei, aber Hunger nach wie vor verbreitet. China war arm. Sophias Vater gründete dort eine Firma, ein Joint Venture. Er sah etwas, eine Chance. Und viele andere sahen das auch, ein unvermeidliches Land, einen Markt, den man nicht mehr ignorieren konnte. Aber das ging nicht allen so. Noch in den 90er-Jahren, als Sophia alt genug war, als kleines Mädchen mitzufliegen, nach Hongkong, nach Peking, wurde ihr Vater zu Hause in Deutschland gefragt: Warum China?
Es klingt paradox, aber häufig sind große Veränderungen so groß, dass wir sie lange übersehen. Weil sie die Summe kleiner Prozesse sind und nicht linear; weil sie erst im Nachhinein zwangsläufig wirken. Ob Afrika – der ganze Kontinent oder Teile davon – im nächsten halben Jahrhundert einen China-mäßigen Aufstieg hinlegen wird, kann keiner sagen. Was wir sagen können: Für das, was momentan dort geschieht, interessieren sich in Deutschland erschütternd wenige. Nichts über Afrika zu wissen, ist völlig salonfähig.
Gibt es dort Supermärkte? Ist es da gefährlich? Kann ich da mit Kreditkarte zahlen? Das wurden wir mehr als einmal gefragt. In Mosambik fanden wir uns in einem Bürgerkrieg wieder, von dem kaum jemand in Deutschland wusste, dass es ihn gab. Als Abdulrazak Gurnah aus Tansania 2021 den Literaturnobelpreis erhielt, hatten die meisten deutschen Literaturkritiker noch nie von ihm gehört. Afrika bleibt für viele hier ein Klischee – ein Ort höchstens am Rande ihrer Wahrnehmung. Das gilt für die Politik, das gilt für die Wirtschaft, das gilt für die Berichterstattung. Wie oft haben wir das gehört, wenn wir Redaktionen anschrieben: Schöne Idee, aber nein, danke, wir hatten in den letzten Monaten schon eine Afrika-Story. Unser Nachbarkontinent, 54 Länder, 1,3 Milliarden Einwohner, bleibt eine Nische, ein Thema für Experten. Und vielleicht liegt das auch daran, dass Afrika uns so häufig verwirrt.
Der polnische Schriftsteller und Reporter Ryszard Kapuscinski, der jahrzehntelang aus Afrika berichtet hat, schrieb in seinem Buch Afrikanisches Fieber: »Dieser Kontinent ist zu groß, als dass man ihn beschreiben könnte. Er ist ein regelrechter Ozean, ein eigener Planet, ein vielfältiger, reicher Kosmos. Wir sprechen nur der Einfachheit, der Bequemlichkeit halber von Afrika. In Wirklichkeit gibt es dieses Afrika gar nicht, außer als geographischen Begriff.« Um dieser Komplexität gerecht zu werden, müssten wir also nicht über Afrika sprechen, sondern über Dörfer, Städte, Länder, über Ghana, Kenia, Tansania, über Lagos, Kinshasa, Addis Abeba. Aber dafür gibt es keinen Platz. Also versuchen wir zu vereinfachen, sagen ›Afrika‹, und machen damit alles noch komplizierter. Denn wenn es etwas nicht gibt, können unsere Thesen dazu nicht stimmen. Afrika ist arm! Nicht überall. Afrika ist reich! Nicht unbedingt. Afrika zerfällt! Nur Teile davon. Africa is rising! Ja, aber um es mit den Worten eines Bekannten aus Ghana zu sagen: »Not every African is.« Mixed signals also, überall. Das verunsichert, irritiert, schreckt ab. Die Gleichzeitigkeit der Dinge überfordert – verständlicherweise.
Deswegen haben wir kein Buch über Afrika geschrieben, sondern eines über Menschen von dort. Deswegen ist es kein Buch über Wirtschaft geworden, sondern eines über Unternehmerinnen und Unternehmer. Deswegen ist ›Jenseits von Europa‹, was es ist: eine Sammlung von Porträts. Wir haben es uns einfacher gemacht – und hoffentlich auch Ihnen.
Hunter S. Thompson, ein US-Journalist, schrieb 1963 eine Reportage mit dem Titel: »Warum dem Gringo südlich der Grenze so häufig der Wind ins Gesicht bläst«. Es ging um die antiwestliche Stimmung in Südamerika. Ein großes Thema. Thompson hätte Seiten mit politischen Analysen füllen können. Stattdessen konzentrierte er sich auf einen Mann mit einem Golfschläger, einen Briten, der von einer Dachterrasse aus, in einer kolumbianischen Stadt, Golfball auf Golfball in die Armenviertel schlug. 60 Jahre später begeistert uns diese Story noch immer. Sie ist uns hängen geblieben. Sie lieferte eine so einfache Antwort auf eine so komplexe Frage. Warum gab es so viele antiwestliche und vor allem anti-US-amerikanische Ressentiments in Südamerika? Weil sich viele Westler dort wie Schweine benahmen. Manchmal erklärt ein einzelner Mann mit Golfschläger mehr als 20 Seiten Essay.
Auch diese Erkenntnis hat uns inspiriert, dieses Buch zu schreiben. Nach diesen Geschichten haben wir gesucht. Wir haben uns ferngehalten von Experten, Symposien, offiziellen Empfängen. Stattdessen haben wir mit Machern gesprochen, mit Menschen, deren persönliche Geschichten so häufig stellvertretend stehen für ein ganzes Land. Um sie geht es in diesem Buch: Einzelpersonen, Gründerinnen und Gründer, ihre Visionen, ihre Erfolge und Misserfolge, ihre Firmen.
Es gibt viele Gründe, warum Unternehmerinnen und Unternehmer in Afrika so spannend sind wie kaum irgendwo sonst auf der Welt. Weil hier die Mittelklasse rasant wächst, in den letzten 30 Jahren hat sie sich verdreifacht – auf 330 Millionen potenzielle Kunden. Weil die Konsumausgaben in Afrika steigen, jedes Jahr um fast 4 Prozent. Weil der Kontinent der letzte fast unberührte Markt der Welt ist. Weil hier Branchen wachsen, die woanders stagnieren. Weil immer mehr Menschen in die Städte ziehen. Millionen wollen wohnen, essen, unterhalten werden, wollen Laptops, Kleider, Kunst, wollen kaufen, kaufen, kaufen, viele zum ersten Mal. Aber der wichtigste Grund, weshalb Unternehmertum in Afrika so spannend ist, ist ein anderer.
Unternehmer tragen hier häufig eine besondere Verantwortung. Ihr Kontinent könnte ein Start-up-Paradies sein. Es gibt immer wieder Schlagzeilen, die das suggerieren. Tenor: Wo es viele Probleme gibt, ist auch die Nachfrage nach Lösungen groß. Aber noch ist es nicht so weit. Denn wo es viele Probleme gibt, gibt es vor allem: viele Probleme. Woanders wäre dafür der Staat zuständig. Die Regierung würde Infrastruktur schaffen, das Bildungssystem verbessern, die Telekommunikation ankurbeln. Aber in vielen Ländern Afrikas funktioniert das nur teilweise. Unternehmerinnen und Unternehmer tragen deswegen eine Verantwortung, die über ihr Business hinausreicht. Sie müssen auch die Voraussetzungen schaffen, unter denen ihre Firmen existieren können. Julian Omalla baut in Uganda nicht nur Mangos an, sondern lässt Dutzende Kilometer Straße in den Busch schlagen, um sie zu transportieren. Samrawit Fikru revolutioniert in Äthiopien das Verkehrssystem einer ganzen Stadt. Divine Ndhlukulas Security-Unternehmen wurde, als die Hyperinflation über Simbabwe kam, zum Sicherheitsnetz für Tausende Angestellte. Diese Verantwortung macht Gründerinnen und Gründer in Afrika zu Allroundern, die besonders improvisationsfähig sind – und besonders resilient. »If you can make it here, you can make it anywhere.« Das sagte uns Uche Ogboi, eine CEO aus Lagos, Nigeria, am Ende eines langen, heißen Tages. Fünf Minuten später fiel in ihrem Büro der Strom aus.
Alle, um die es in diesem Buch geht, wollen Geld verdienen. Selbstverständlich. Dafür haben sie gegründet. Sie sind Unternehmer. Sie wollen wachsen, wollen Erfolg. Aber das ist nicht alles. Sie alle sind auf ihre Weise patriotisch. Sie verfolgen eine Mission, die über ihr Produkt hinausgeht. Sie wollen beweisen, dass ihr Kontinent sich verändert, dass sie keine Underdogs sind, dass sie es besser können. Als die eigenen, häufig korrupten, Politiker; als die Konkurrenz von außen, aus dem Westen, aus China; als die vielen NGOs und NPOs, die seit Jahrzehnten in ihren Ländern aktiv sind.
William...
Erscheint lt. Verlag | 19.10.2022 |
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Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Biografien / Erfahrungsberichte |
Sachbuch/Ratgeber ► Beruf / Finanzen / Recht / Wirtschaft ► Bewerbung / Karriere | |
Sachbuch/Ratgeber ► Beruf / Finanzen / Recht / Wirtschaft ► Wirtschaft | |
Wirtschaft ► Betriebswirtschaft / Management ► Unternehmensführung / Management | |
Schlagworte | Afrika • business • Entrepreneur • Erfolg • Erfolgsstory • Existenzgründung • Firmen • Firmengeschichte • Geschichte • Gründer • Innovation • Karriere • Porträt • Reportage • Self Made • Start-up • Startup • Unternehmensgeschichte • Unternehmer • Unternehmerin • Verstehen • Wirtschaft |
ISBN-10 | 3-8437-2851-8 / 3843728518 |
ISBN-13 | 978-3-8437-2851-5 / 9783843728515 |
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