Die Tote im Wanderzirkus (eBook)

Pentecost & Parker ermitteln - Kriminalroman
eBook Download: EPUB
2023
512 Seiten
Blanvalet Taschenbuch Verlag
978-3-641-26852-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Tote im Wanderzirkus - STEPHEN SPOTSWOOD
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Eine erstochene Zirkusartistin, ein unschuldiger Hauptverdächtiger und zwei Ermittlerinnen, die mit allen Wassern gewaschen sind!
New York, 1946: Will Parker hat sich geschworen, nie wieder zuzulassen, dass ihr bei einem Fall persönliche Gefühle in die Quere kommen. Doch dann erreicht sie die Nachricht von einem Mord im Hart & Halloway's Wanderzirkus, den sie fünf Jahre lang ihr Zuhause genannt hat. Ihre alte Freundin Ruby Donner wurde erstochen - und der Hauptverdächtige ist ausgerechnet Wills ehemaliger Mentor, der Messerwerfer Valentin Kalishenko. Um den wahren Mörder zu finden und Kalishenko vor dem elektrischen Stuhl zu bewahren, machen sich Will und die Privatdetektivin Lillian Pentecost auf zum Zirkus. Doch bald schon ahnen sie, dass Wills damalige Freunde ihr nicht die ganze Wahrheit erzählen und die ermordete Artistin eine Menge Geheimnisse verborgen hat. Geheimnisse, für die es sich zu morden lohnt ...
Die Krimi-Reihe um Pentecost & Parker:
Die Tote auf dem Maskenball
Die Tote im Wanderzirkus
Alle Bände sind unabhängig voneinander lesbar.

Stephen Spotswood ist ein preisgekrönter Autor von Theaterstücken, Journalist und Theaterpädagoge. Zusammen mit seiner Frau, der Jugendbuchautorin Jessica Spotswood, ihrer Katze und einer stetig wachsenden Büchersammlung lebt und arbeitet er in Washington, D.C.

Kapitel 1


»Die Staatsanwaltschaft ruft Lillian Pentecost in den Zeugenstand.«

Ein hörbares Raunen ging durch den Gerichtssaal. Richter Harman, der seinen Hammer sonst immer gerne einsetzte, ließ es ausnahmsweise geschehen. Er konnte es den Leuten nicht verübeln. Seit drei langen Tagen saßen sie nun schon Schulter an Schulter, während der Kalender den Juli des Jahres 1946 abgeschlossen hatte und zum August übergegangen war, und hatten sich den langweiligen Kleinkram der Anklage angehört. Während alle nur darauf warteten, dass das eigentliche Drama endlich begann.

Gegen Mittag des ersten Tages hatte die Klimaanlage den Geist aufgegeben, sodass nun rund zweihundert Reporter, Angehörige und Sensationshungrige schwitzend auf den überfüllten Bänken hockten und dem Höhepunkt des momentan spektakulärsten Mordprozesses der Stadt entgegenfieberten.

Und dieser Höhepunkt war mein Boss.

Sämtliche Blicke waren auf Lillian Pentecost gerichtet, als sie sich nun auf den Weg zum Zeugenstand machte; ihr Gehstock klopfte einen steten Rhythmus auf den Hartholzboden des Gerichtssaals. Sie machte eine eindrucksvolle Figur: hochgewachsen, schlank, jenseits der vierzig, tadellose Haltung, wodurch ihr grauer Fischgrätanzug mit der weißen Bluse und ihrer bevorzugten blutroten Krawatte noch besser zur Geltung kam. Die langen kastanienbraunen Haare waren in einer komplizierten Flechtfrisur aufgesteckt, aus der eine quecksilbergraue Strähne deutlich hervorstach.

Ich hatte sie sogar dazu gebracht, etwas Make-up aufzulegen. Ein Hauch von Lidschatten betonte ihre wintergrauen Augen, Rouge erhöhte den dramatischen Effekt ihrer Raubvogelzüge, und hellrosa Lippenstift ließ ihren Mund ein wenig weicher wirken. Das Gesamtbild zielte auf seriös, aber zugänglich ab. Eine Frau, der man zutraute, einen Mörder zu benennen.

In dem allgemeinen Gemurmel bildete der Tisch der Verteidigung eine Insel des Schweigens. Forest Whitsun, der Anwalt des Beklagten, drehte sich auf seinem Stuhl um und beobachtete Ms. Ps Auftritt. In seinem Gesicht spiegelte sich eine Mischung aus unerschütterlichem Selbstvertrauen und leiser Neugier.

Natürlich interessiert es mich, was sie zu sagen hat, sollte diese Miene den Geschworenen suggerieren, aber nur insofern, als ich Ihnen anschließend erklären kann, warum diese Frau falschliegt.

Den Angeklagten hätte man vor einem Zigarrenladen aufstellen können, denn er war steif wie eine Holzfigur. Während der vergangenen Tage hatte Barry Sendak immer ausgefeiltere Versionen des zu Unrecht Beschuldigten präsentiert, den es zu bemitleiden galt. Jetzt war sein Blick vollkommen ausdruckslos, und er presste die Lippen zusammen.

Eines musste man ihm allerdings lassen – er sah wirklich nicht aus wie ein Brandstifter.

Und genau das war das Problem.

Natürlich gab es nicht den einen Brandstifter von der Stange. Aber man sollte doch meinen, dass man es einem Menschen irgendwie anmerkt, wenn durch seine Schuld siebzehn Menschen bei lebendigem Leib verbrannt sind und Hunderte obdachlos und von Trauer gezeichnet zurückbleiben.

Das Alte Testament hat schon recht: Mord sollte Spuren hinterlassen.

Aber das war natürlich reines Wunschdenken.

Auch die Geschworenen hatten wohl in den letzten drei Tagen nach einem solchen Zeichen gesucht, aber keines gefunden. Sie sahen nur einen weichlichen, leicht übergewichtigen Mann vor sich, der nicht einmal einen Meter sechzig groß war. Einen Mann, dessen Haar sich bereits mit dreißig stark lichtete und der offensichtlich glaubte, das durch einen dichten Schnurrbart ausgleichen zu können. Er hatte die leicht fremdbestimmt wirkende Ausstrahlung eines Beamten, der er ja auch war, denn er hatte die letzten zehn Jahre als Sicherheitsinspektor für die New Yorker Feuerwehr gearbeitet. In seinem Gesicht glänzten die feuchten braunen Augen eines unschuldigen Rehleins, und sein um eine Nummer zu groß geratener Anzug verstärkte die Empfindung, hier ein gehetztes Beutetier vor sich zu haben, keinesfalls einen Räuber.

Ich wusste es besser.

Ich war dabei gewesen, als mein Boss die Beschuldigung vorbrachte und Lieutenant Nathan Lazenby, einer der besten Mordermittler der Stadt, ihm die Handschellen anlegte. In diesem Moment hätte niemand Sendak für ein armes Opferlamm gehalten.

Als ich noch klein war, musste ich meinem Vater einmal dabei helfen, einen Dachs aus seinem Bau herauszuholen. Das Tier hatte unsere Salatbeete verwüstet, weshalb mein Vater beschlossen hatte, dass es verschwinden müsse. Er stand mit gezückter Flinte hinter mir, während ich den Dachs an den Pfoten packte und herauszog. Fauchend und um sich schlagend kam das Tier zum Vorschein, und hätte mein Vater nicht so schnell abgedrückt, hätte dieser Dachs mir vermutlich das halbe Gesicht zerfetzt.

Und genau so hatte Sendak ausgesehen, als Lazenby ihn abführte: als wollte er seine Zähne in Ms. Pentecosts Wange vergraben und sie zerfetzen.

Das Problem war nur, dass die Geschworenen dieses Vieh nicht zu sehen bekamen.

Und das zweite – nach Meinung des Staatsanwalts größere – Problem war, dass sich die drei Mietshäuser, die Sendak angezündet hatte, in Harlem befanden. Die siebzehn Toten waren alle Schwarz, wohingegen ich jedem eine Medaille verliehen hätte, dem es gelungen wäre, eine noch weißere Jury als diese hier zu finden.

Außerdem lagen gegen Sendak nur Indizienbeweise vor. Klar, davon gab es eine ganze Menge, aber wer unbedingt einen begründeten Zweifel auftreiben wollte, musste nur die Augen zusammenkneifen und sich einreden, dass es ihn gab. Sicherlich klappte das sogar ganz ohne schlaflose Nächte.

Deshalb waren einige Strippenzieher und mehrere bissige Zeitungskommentare nötig gewesen, um den Staatsanwalt überhaupt dazu zu bringen, den Fall weiter zu verfolgen. Und auch so hatte es am Ende nur funktioniert, weil ein ganz bestimmter Daumen Druck ausgeübt hatte.

Dieser Daumen lag nun zusammen mit seinen vier Freunden auf einer Bibel, während seine Besitzerin schwor, die Wahrheit zu sagen, die reine Wahrheit und nichts als die Wahrheit.

»Rufen Sie mich als Zeugin auf«, hatte Ms. Pentecost dem Bezirksstaatsanwalt befohlen. »Ich verspreche Ihnen, dass ich den Geschworenen zeigen werde, was für ein Mensch Mr. Sendak ist.«

Lillian Pentecost nahm ihre Versprechen ernst, und das wusste der Staatsanwalt. Deshalb waren wir nun hier. Letzter Tag, letzte Zeugin, und der Ausgang des Spiels hing allein von meinem Boss ab.

Irgendjemand hat mal behauptet, echte Damen schwitzen nicht, deshalb gehe ich davon aus, dass ich keine echte Dame bin. Zumindest war ich ebenso in Schweiß gebadet wie der Rest der Zuschauer.

Von meinem Platz in der letzten Reihe aus sah ich zu, wie der Assistenzstaatsanwalt – es war Howard Clark, der offenbar beim Strohhalmziehen verloren hatte – mit Ms. Pentecost das übliche Warum und Weshalb durchging. Nichts davon war neu für mich, also nutzte ich die Gelegenheit, um mir noch einmal das Telegramm anzusehen, das am Morgen von einem ziemlich abgehetzten Western-Union-Boten für mich abgegeben worden war.

*

Ruby ermordet aufgefunden. Zirkus zurzeit in Stoppard, Virginia. Brauchen professionelle Unterstützung. – BH

*

BH stand für Big Bob Halloway, den Eigentümer und Betreiber von Hart & Halloway’s Wanderzirkus und Spektakulum. In dem Telegramm war auch eine Telefonnummer angegeben, unter der ich ihn erreichen konnte.

Ms. P war gerade im Obergeschoss damit beschäftigt gewesen, sich zurechtzumachen, als das Telegramm kam, und ich hatte es ihr bisher noch nicht gezeigt. Sie sollte durch nichts von der Aufgabe abgelenkt werden, die ihr nun bevorstand.

Ich hingegen konnte mir den Luxus erlauben, gedanklich ein wenig abzudriften.

Ruby Donner. Die Tätowierte Schönheit.

Ihr Körper war eine Traumlandschaft voller Rosen und Matrosenmädchen, Herzen, Meerjungfrauen und Piratenschiffen und einer smaragdgrünen Schlange, die sich an ihrem linken Bein von den Zehen bis zum Oberschenkel und in Gefilde jenseits davon wand. Bei unserer letzten Begegnung waren es über dreihundert Bilder gewesen.

Vier Jahre waren seitdem vergangen. Was hätte sie wohl von der Willowjean »Will« Parker gehalten, die hier hübsch aufgerüscht saß, in ihrem Gerichts-Blazer und adrettem Röckchen, damit sie zwischen den Deppen auf den billigen Plätzen nicht auffiel?

Die Reporter, die in meiner Reihe saßen, hatten sich schon über mein Outfit amüsiert.

»Arbeitest du jetzt verdeckt und spielst die kleine Sekretärin?«, hatte ein Schlaukopf von der Times gefragt. »Du kannst gerne zum Diktat auf meinen Schoß kommen, Parker, jederzeit.«

Ich zeigte ihm meinen Lieblingsfinger und schlug ihm leise vor, sich doch mal da draufzusetzen.

»Ach, jetzt sei nicht so, Red. Ich mach doch nur Spaß.«

So etwas geht bei der Vierten Gewalt als Flirtversuch durch.

Angespannt fuhr ich mir mit der Hand durch die roten Locken. Ich ließ sie nun seit acht Monaten wachsen, und zum ersten Mal seit der Schule waren sie beinahe schulterlang. Prompt blieb ich an einem Knoten hängen, den ich mit einem Ruck lösen musste. Hastig sah ich mich um, doch es hatte niemand bemerkt – alle fixierten gespannt den Zeugenstand.

Ruby.

Einmal hatte ich sie gefragt: »Warum machst du das? Das muss doch höllisch wehtun.«

Sie schenkte mir ihr typisches Lächeln, bei dem ich immer...

Erscheint lt. Verlag 22.3.2023
Reihe/Serie Pentecost & Parker
Pentecost & Parker
Übersetzer Charlotte Lungstrass-Kapfer
Sprache deutsch
Original-Titel Murder Under Her Skin (A Pentecost & Parker Mystery 2)
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 1940er • 2023 • Agatha Christie • Clowns • Cozy Crime • Detektivin • Die Tote auf dem Maskenball • Diversität • Diversity • Drogen • Drogenhandel • eBooks • Flavia de Luce • Hardboiled • Historische Kriminalromane • Historischer Kriminalroman • intelligenter Krimi • Klassische Detektivgeschichte • Krimi • Kriminalroman • Kriminalromane • Krimi Neuerscheinungen 2023 • Krimireihe • Krimis • Messerwerfer • Miss Marple • Multiple Sklerose • Neuerscheinung • Noir • Sherlock Holmes • unblutig • Wanderzirkus • Watson • weibliche Ermittlerin • Wohlfühlkrimi • Zirkus
ISBN-10 3-641-26852-4 / 3641268524
ISBN-13 978-3-641-26852-7 / 9783641268527
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