Ein Schiff wird kommen

Ursula Forster war bis zu ihrer Pensionierung langjährig als Lehrerin in der Erzieherausbildung und in der Lehrerfortbildung (u. a. auf europäischer Ebene) tätig. Heute begleitet sie biografische Schreibprojekte und bietet gestaltpädagogische Supervisionen an.

(...) Erreicht haben uns literarische Statements zu Orten und Ländern in aller Welt - natürlich mit einem europäischen Schwerpunkt, denn dort befinden sich nun mal die beliebtesten Reiseziele. Zahlreiche Prosatexte, doch auch überraschend viele Gedichte waren dabei. Poesie scheint besonders geeignet, das Thema Reise im wörtlichen wie im übertragenen Sinne zu verdichten. Die Wege führen von der Nordsee bis zum Plattensee, vom schottischen Hochland bis Istanbul, vom afrikanischen Kontinent zum nordamerikanischen. Naher und Ferner Osten und Südamerika nicht zu vergessen. Und der französischste aller Franzosen aus Sète belehrt Urlauber über Frankreich: "Von wegen Paris - vergiss es! Was glaubst du, warum die Franzosen im Urlaub alle hierher kommen?!" Eine malträtierte Sondereinsatzkraft sieht das ein wenig anders und übt sich ausgerechnet auf der Sinai-Halbinsel in Stressbewältigung. Stress gibts auch auf Kuba, wo sozusagen ein Clash der Kulturen, Geschlechter und Touristen stattfindet und nicht nur Kubaner verwirrt. Ganz entspannt gehts hingegen auf den Kapverdischen Inseln zu, hier hat der Begriff Tanktourismus eine neue Bedeutung bekommen. In Paris teilt derweil der filigrane Stahlkoloss des Herrn Eiffel die Lüfte, während genau dies in den peruanischen Anden die riesigen Kondore mit ihrer Flügelspannweite von über drei Metern erledigen. Und überhaupt, von Minsk kommend kann man über Polen fast überall hin. Die vorliegende Zusammenstellung hat nichts mit den üblichen Reiseberichten zu tun. Die Orte, Regionen, Länder, die Seen, Flüsse und Meere bilden die Bühnen, auf denen die Geschichten spielen, sie sind der perfekte Hintergrund und schaffen Atmosphäre. Für Liebesgeschichten wie für Krimis, politische Betrachtungen, touristische Lehrstunden, Beobachtungen von Natur oder seltsamen Mitmenschen, dramatisch, ironisch, sarkastisch, emotional. Es sind vor allem Begegnungen mit Menschen, für die die Fremde schnell zu einer Heimat auf Zeit wird, auf kleinen Inseln wie in großen Städten. In vier Kapiteln nähern wir uns dem Thema Reisen aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln. "Die ganze Welt zu zeigen" ist ein Anliegen der Sammlung, ebenso wie "Zwischen den Welten" zu wandeln", ohne dabei die "Reise zum Kern der Sache" aus den Augen zu verlieren. Letztendlich läuft es stets auf die Sehnsucht nach Reisen und Begegnungen hinaus. Um es mir den beinahe 200 Jahre alten Worten Joseph von Eichendorffs zu sagen: "Mich brennt's in meinen Reiseschuh'n." Die Gedankenreisen in dieser Sammlung zeigen eine abwechslungsreiche Auswahl der zahlreichen Facetten unseres Planeten, und es ist ein Vergnügen, mit den Autorinnen und Autoren in ihre Gedankenwelten einzutauchen.