Neobiont (eBook)
224 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7543-9627-8 (ISBN)
Stefan Gerner wurde 1987 in der Universitätsstadt Erlangen geboren. Nach dem Realschulabschluss erlernte er den Beruf des Industriemechanikers. Seit der Kindheit liest er Unterhaltungsliteratur und ist nun mit seinem ersten Roman auch zum Schreiben von eigenen Geschichten übergegangen. Neben seinem anderen Hobby, dem Bogenschießen, bereist er gerne die Welt, auf der Suche nach Abenteuern abseits des Alltags. Sein Erstlingswerk "Neobiont" gehört ins Subgenre Cyberpunk/Biopunk der Science-Fiction.
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Vor ihm erstreckte sich eine moderne, technisierte Stadt. Riesige, elfenbeinfarbene Gebäude schwangen sich spiralförmig in den Himmel. An ihnen wucherten vertikale grüne Gärten, dazwischen strahlten animierte Reklametafeln auf den Weg vor ihm. Autonome Fahrzeuge lenkten sich wie von Geisterhand durch die Straßen, ohne den Boden zu berühren. Menschen liefen zielstrebig durch die Gegend. Im Hintergrund war das Abendrot des Sonnenuntergangs zu erkennen. Beeindruckt von der Szenerie wanderte der Mann durch die Stadt und sah sich weiter um. Es gab fliegende, silberne Drohnen, die zwischen den Menschen patrouillierten. Sie hatten ovale Formen, die einem Ei glichen. Rote Lichter flossen darin und verliehen den Maschinen auf diese Weise eine Art Gesicht. Kleine schwarze Roboter, die aussahen wie Würfel, säuberten die Wege. Manche Menschen bewegten sich auf runden Scheiben vorwärts, die zu schweben schienen. An den Wänden entzifferte er Slogans, die genau dann sichtbar wurden, wenn man daran vorbeischritt. New Traiana schützt euch vor der Seuche, las er einmal, oder Trinkwasser gibt es nur bei uns. Es waren eher Parolen als Slogans. Und was könnte mit Seuche gemeint sein. Sam bekam dabei ein komisches Gefühl in der Magengegend. So als wäre ihm dieses Wort ein Begriff. Die Menschen dieser Stadt machten einen gehetzten Eindruck auf ihn. Niemand sprach viel, jeder war mit sich selbst beschäftigt. Ein paar Meter entfernt gab es einen riesigen Tumult an der Ecke einer Gasse. Mehrere Menschen standen um einen schwebenden Wassertanker herum und hielten Schalen, Kanister oder Schüsseln hoch. Die Person auf dem Tanker, ein Mann in einer dunkelblauen Uniform, verteilte Wasser und füllte halbherzig die Behälter. Die Leute schrien, als ein anderer uniformierter Mann den Wasserfluss abdrehte. Vier bewaffnete Soldaten, die dem Tanker Begleitschutz gaben, zielten mit ihren Gewehren auf die Menge, bereit, jeden zu töten, der dem Fahrzeug zu nahe kam. Eine Frau, dicklich und mit tiefen Falten im Gesicht schüttete vor Wut ihre Schale Wasser einem der Soldaten vor die Füße, bereute aber sofort ihre Tat. Ohne Zögern trat dieser einen Schritt nach vorne und schlug ihr den Gewehrschaft ins Gesicht. Die anderen Soldaten gaben Warnschüsse ab. Danach brach das Chaos los. Angstverzerrte Schreie ertönten und durcheinanderlaufende Menschen verteilten sich in alle Richtungen. Die Soldaten standen unbeeindruckt da, warteten, bis sich der Tanker wieder in Bewegung setzte und machten sich in das nächste Stadtgebiet auf. Einer der Soldaten, ein Nachzügler, trat die verletzte Frau mit dem Stiefel, als diese jammernd am Boden lag. Konnte es sich hierbei wirklich um anständige Menschen handeln? Die Art und Weise, wie sie mit den Bürgern umgegangen waren, ließ darauf schließen, dass sie genau das Gegenteil waren. Instinktiv rannte Sam auf ihn zu, stellte sich schützend vor die Frau und rief: »Lassen Sie sie in Ruhe!« Der Soldat schaute ihn grimmig an, als ob er nur durch seinen Blick sagen wollte, was er doch für einer minderen Gattung angehörte. »Wie heißen Sie!?«, kam es, einer Feststellung gleich, militärisch zackig aus ihm heraus. Der Mann überlegte kurz, wie er darauf antworten sollte, dann erinnerte er sich an den eigentümlichen Behälter und an das eingravierte Wort. »Äh, mein Name ist Sam, aber was geht Sie das an?«, raunte er provokant. Der Soldat schien zu merken, dass mit dem Mann etwas nicht stimmte, da dieser ihm keinen Funken Respekt zollte. Er machte eine kreisende Bewegung mit seiner Faust, daraufhin kamen zwei der silbernen Drohnen zu ihm geflogen. »Scannt diesen Mann sofort«, befahl er. Sam trat irritiert einen Schritt zurück. Im nächsten Moment tasteten ihn die fliegenden Roboter mit ihren roten Lichtern ab. »Konnte nicht als Mitbürger klassifiziert werden – Subjekt unbekannt«, ertönte eine digitale Stimme aus einer der schwebenden Maschinen. »Waffe der Kategorie 3 am Körper ausgemacht – mögliche Bedrohung erkannt.« Die Drohnen klappten an den Seiten zwei Läufe aus, die unmissverständlich an Pistolenläufe erinnerten. Okay, jetzt könnte es brenzlig werden. Sein Instinkt meldete sich wie bei einem trainierten Kämpfer. Er sondierte die Umgebung, um eine mögliche Flucht in Betracht zu ziehen.
»Nehmen Sie die Hände hoch!«, forderte der Soldat ihn jetzt sachlich auf. »Sie sind vorläufig festgenommen.« Sam rechnete sich die Chancen aus, ob ihm eine Flucht gelingen konnte, aber angesichts dieser bizarren Drohnen stand es nicht allzu gut darum. Er ließ es widerwillig bleiben und nahm langsam die Hände hoch. »Ich habe der Frau nur helfen wollen«, murrte er den Soldaten an.
»Sie sollten keine falsche Bewegung machen, sonst eröffne ich das Feuer«, gab dieser zurück. »Sie tragen eine Waffe der Stufe 3 mit sich!« Sam kam der Gedanke, diese auszuprobieren und musste kurz lächeln. Schöne neue Welt. Plötzlich tauchte ein Schatten aus der Gasse hinter den beiden auf. Die Gestalt zog einen Schocker aus der Innenseite seines Umhangs und drückte ab. Ein Blitz zuckte aus der Waffe. Im selben Augenblick kippte der Soldat bewusstlos zu Boden. Ehe die Drohnen reagieren konnten, setzte der Fremde diese ebenfalls außer Gefecht.
»Los, komm mit, gleich wimmelt es hier nur so von diesen fliegenden Mistdingern!« Sam schaute ihn verwundert an und beschloss, lieber dem Fremden im Umhang zu folgen, um einer Verhaftung zu entgehen. Einigen Leuten auf der Straße war der Zwischenfall zwar nicht entgangen, aber sie reagierten nicht darauf, sondern setzten ihren Weg lieber schnell fort. Auch die verletzte Frau nutzte die Gelegenheit, um ohne ein Wort das Weite zu suchen. Sam und der Fremde rannten in die dunkle Gasse hinein. Beide drehten sich noch einmal um. Zu ihrem Bedauern erkannten sie, dass jetzt vier weitere Drohnen im Anflug waren. »Ich kenne ein sicheres Versteck, mein Freund«, keuchte der Mann. »Gleich haben wir es geschafft.« Als sie an der nächsten Gabelung ankamen, rannte der Fremde nach rechts und blieb abrupt stehen. »Los, hilf mir mal!« Er bückte sich und versuchte, den vor seinen Füßen befindlichen Schachtdeckel anzuheben. Sam half ihm und hob den Deckel mit einer Hand an. Der Fremde staunte nicht schlecht, hatte aber keine Zeit, darauf einzugehen und nahm es erst einmal hin. Beide sprangen hinunter in die Kanalisation. Sam fixierte den Deckel über ihren Köpfen.
»Sei leise, gib keinen Ton von dir.« Der Mann setzte den Zeigefinger an den Mund, um mit der Geste seinen Worten mehr Ausdruck zu verleihen. Der faulige Geruch von Abwasser und Fäkalien stieg Sam in die Nase. Sie standen bis zu den Knöcheln in der Brühe. Er verzog das Gesicht. Sein Geruchssinn reagierte genauso sensibel wie seine Augen beim Erwachen.
»Sie kommen«, flüsterte der Mann. Angestrengt lauschten sie und blickten nach oben. Die vier eiförmigen Drohnen, die sie schon bei ihrer Flucht hatten ausmachen können, zischten über den Schachtdeckel und scannten die Umgebung. Mehrmals drehten sie sich im Kreis, im Stil eines Balletts, wobei die roten Lichter durch die Rillen des Deckels schienen. Beide Männer drückten sich an die Wand und hielten den Atem an. Immer wieder strahlte eine der Drohnen in die Kanalisation. Minuten, die ihnen wie Stunden vorkamen, verstrichen. Endlich hörten sie eine digitale Stimme, die einer Erlösung gleichkam. »Umgebung gesichert – Subjekte nicht geortet – setzen Scan in Richtung Innenstadt fort.« Die Drohnen machten eine letzte Drehung, im nächsten Moment waren sie verschwunden. Erleichtert atmeten beide auf, wobei sie unfreiwillig den Geruch des Abwassers in sich aufsogen. »Wer bist du?«, fragte Sam. »Warum hast du mir vorhin aus der Klemme geholfen?« Nun nahm der Fremde seine Kapuze ab. Er war Anfang vierzig, mit einem Vollbart im Gesicht und einer Narbe unter dem linken Auge. Zusätzlich trug er eine Wollmütze auf dem Kopf. Seine braunen Haare lugten darunter hervor.
»Mein Name ist Mike Davis. Ich habe dir geholfen, weil du der erste Mensch in dieser Stadt seit zehn Jahren bist, der den Mut hatte, sich gegen diese Söldner aufzulehnen.« Er machte eine abfällige Geste nach oben. »Ich verabscheue diese Idioten von der Stadtregierung. Halten sich für stolze Soldaten, sind aber gekaufte Exmilitärs.« Er lachte kurz auf. »Außerdem trägst du eine Waffe bei dir. Die sind hier nicht zu bekommen, nicht innerhalb der Stadt.« Sam schaute ihn ein paar Sekunden an. »Wo genau bin ich hier?«, fragte er. Mike kratzte sich am Hinterkopf, als verstehe er die Frage nicht. »Du kommst nicht aus dieser Gegend, oder?«, gab er zurück. Er streifte sich nachdenklich den Bart und musterte Sam eindringlich. »Du besitzt eine Waffe und verfügst über die Kraft von zwei Männern, so wie du vorhin den Deckel angehoben hast.« Amüsiert fügte er hinzu: »Interessanter wäre die Frage, wer du bist.«
»Keine Ahnung?«, gab Sam zurück, dabei zuckte er mit den Schultern. »Ich bin heute an einem Ort aufgewacht, der einem Patientenzimmer gleicht. Weder weiß ich, wer ich bin, noch warum ich dort zu mir kam.« Der Bärtige legte den Kopf etwas schief. »Die Drohnen konnten dich ebenfalls nicht identifizieren, normalerweise ist jeder Bürger, der in der Stadt lebt, registriert.« Er klopfte Sam auf die Schulter. Er schaute nochmal kurz nach oben. »Jetzt sollten wir aber verschwinden, es wird nicht lange dauern, bis sie auch hier unten zu suchen anfangen. Ich kenne eine Bar, wo wir untertauchen können.« Mike fing an, in den Taschen seines Umhangs zu wühlen. »Verdammt, wo ist er«, knurrte er.
»Wonach genau suchst du?«, fragte Sam. »Ich brauche Licht, sonst finden wir nie den Weg, die Kanalisation ist ein Labyrinth.« Nervös fischte der Bärtige weiter herum.
»Der gelbe...
Erscheint lt. Verlag | 28.3.2022 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction |
ISBN-10 | 3-7543-9627-7 / 3754396277 |
ISBN-13 | 978-3-7543-9627-8 / 9783754396278 |
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Größe: 832 KB
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