Garagengeflüster -  Ulla Kugler

Garagengeflüster (eBook)

Motorrad-Kurzgeschichten

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
316 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7562-6056-0 (ISBN)
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Wenn sich Motorräder über ihre Besitzer und Erlebnisse unterhalten könnten, kämen sicher die tollsten Geschichten heraus. Ulla Kugler hat den Bikes in der Garage zugehört. Heraus kamen humorvolle, emotionale, spannende Kurzgeschichten, die nicht nur zu Hause sondern auch in interessanten Reiseländern spielen.

Ulla Kugler (Jahrgang 53) hat einige besondere Leidenschaften: Reisen, Motorradfahren, Schreiben und Fotografieren. Lange Jahre arbeitete sie als freiberufliche Journalistin. Außerdem war sie als Lehrerin, Schulleiterin und Sporttrainerin tätig. Zeit ihres Lebens war sie liebend gerne unterwegs. So unternahm sie zusammen mit Ihrem Ehemann ausgedehnte Motorradtouren durch ganz Europa. Nach dem ersten Buch, das humorvoll ihren Werdegang von der Sozia zur Selbstfahrerin beschreibt, entschied sie sich, im neuen Buch ihrer Phantasie freien Lauf zu lassen und einige Kurzgeschichten zu erfinden.

Don Alfonso


Eine Mafiageschichte mit einer Schwalbe


Die kleine Simson Schwalbe hatte eine besondere Geschichte zu erzählen:

L uigi war ein Original. Original italienisch. Original sizilianisch. Original filio einer stolzen mamma. Und dazu eben ein Original. Er konnte alles: Olivenöl herstellen, Pizza backen, Felder umpflügen, Trecker reparieren, ein Haus bauen, Gäste bewirten, Geschichten erzählen, ein lustiges Liedchen pfeifen – und vor allem: improvisieren.

Luigi war ein glücklicher Mann. Er liebte seinen Beruf, er liebte seine Heimat im Süden Siziliens, er liebte seine um etliche Jahre jüngere Frau Maria – und seine beiden Kinder natürlich, den einjährigen Emilio und die dreijährige Magdalena. Immer wenn er seine junge Frau erblickte, war er mächtig stolz. Maria sah mit ihren 39 Jahren aus wie ein Topmodel: Sie war rank und schlank mit einer super Figur, die sie sich mit regelmäßigem Joggen am Abend, wenn die Kinder im Bett waren, antrainiert hatte. Ihre langen blonden Haare umspielten ihr hübsches Gesicht und mit ihrem kirschroten Mund warf sie ihrem Gemahl ab und zu bei der Arbeit einen Luftkuss zu. Dann ging Luigi das Herz auf. Außerdem bewunderte er die Intelligenz und Sprachgewandtheit von Maria, konnte sie sich doch mit den Gästen aus dem Ausland ohne Weiteres unterhalten.

Dieses familiäre Glück war Luigi nicht immer beschert. Bereits mit zwanzig Jahren musste er seine Heimat verlassen, zunächst um zum Militär zu gehen, dann um eine Ausbildung zu machen. Zudem war damals das Verhältnis zu seinem Vater Lorenzo ziemlich getrübt, wollte dieser doch seinem Sohn alles bis ins kleinste Detail vorschreiben. Irgendwann hatte Luigi die Nase voll.

Zum Leidwesen seiner Mutter Francesca zog er in die Ferne, in den Norden Italiens. Dort arbeitete er nach seiner Ausbildung zum Textilkaufmann ein paar Jahre in Mailand in einer Fabrik für Damenoberbekleidung, bis er sich in der Nähe selbstständig machte und Designer-Damenblusen und -jacken herstellte. Er heiratete eine Mitarbeiterin, doch diese Ehe hielt nicht lange. Danach ging es abwärts. Die Konkurrenz aus China verdrängte seine kleine Textilmanufaktur. Er musste verkaufen. Zwar nicht ganz mittellos, aber ohne interessante Aufgabe jobbte er ein paar Jahre als Buchhalter in einer Sockenfabrik. In seiner Freizeit griff er immer öfter und reichlich zu Wein und Grappa.

Zufällig begegnete er eines Abends in einer Bar Maria – und es funkte. Bald entschlossen sich die beiden, trotz des großen Altersunterschieds von 15 Jahren zusammen durchs Leben zu gehen. Luigi blühte auf. Man plante eine gemeinsame Zukunft. Aber wo und wie? Die Arbeitsmarktsituation für Ältere war in Italien nicht allzu vielversprechend.

In dieser Zeit ging es Luigis Vater zusehends schlechter. Er schaffte es nicht mehr, seinen geliebten kleinen Campingplatz in der Nähe von Agrigent im Süden Siziliens zu betreiben. Auch Mutter Francesca war nun Mitte 70 und hatte immer mehr Mühe, die körperliche Arbeit zu bewältigen. Schweren Herzens schlossen die beiden den Platz und mussten sich mit der kleinen italienischen Rente begnügen. Sie wohnten noch eine Zeit lang in einer Hütte auf dem Areal, bis Lorenzo an einer Lungenentzündung starb und Francesca sich entschloss, zu ihrer Tochter Guilia nach Castelsanto, einem Bergdorf im Landesinneren, zu ziehen. Das Campingareal war in den letzten Jahren langsam zugewuchert, die kleinen Holzhütten verwittert. Verkaufen wollte die alte Dame aber auf keinen Fall, denn dem Wert des Bargeldes traute sie nicht und sie wollte schließlich das Lebenswerk, das sie mit ihrem geliebten Lorenzo aufgebaut hatte, erhalten.

Da traf es sich gut, dass Luigi beim Jahrgedächtnis für seinen Vater erzählte, er denke an einen beruflichen Neubeginn. Francesca ergriff die Hände ihres Sohnes und machte einen Vorschlag.

Zwei Monate später hatte der Campingplatz einen neuen Eigentümer, Luigi und Maria ein neues Zuhause und eine neue Lebensaufgabe.

Und diese erfüllten die beiden in kurzer Zeit mit Bravour. Privat kamen zwei bambini auf die Welt, Magdalena und Emilio. Und beruflich brachten sie den Campingplatz auf Vordermann. Mit Luigis Rücklagen aus dem Firmenverkauf und einem günstigen Kredit starteten sie durch. Sie rissen die veralteten Ferienhäuschen ab und ersetzten sie durch einige Designer-Bungalows. Das verwilderte Areal wurde neu angelegt. Für die Camper entstanden wunderschöne Parzellen mit moderner Ver- und Entsorgungstechnik. Sie bauten einen hübschen Süßwasserpool mit Strömungsanlage und gleich daneben einen Whirlpool. Für kleine Events entstand ein Restaurantzelt mit Pizzaofen und das Sanitärgebäude wurde grundsaniert, sogar mit einigen privaten Badezimmern. Nach zwei Jahren machte auch schon der Garten mit neuen mediterranen Gewächsen und einer Fülle von Blumen etwas her und der eigene Strandabschnitt am Mittelmeer lud mit sauberem, weißem Sand und bequemen Strandliegen zum Relaxen ein.

Durch eine gezielte Werbung – Luigi hatte schließlich Erfahrung im Marketing – kehrten bald nicht nur die alten Stammgäste zurück sondern auch neue Camper, die die südliche Sonne, das warme Meer, die antiken Stätten sowie die grandiose Landschaft liebten. Da sich Qualität in diesen Kreisen rasant herumspricht, hatten Luigi und Maria ab den Folgejahren vom Frühjahr bis in den Herbst einen gut besuchten Platz. Der Rubel rollte und beide hatten viel Freude mit ihrer Arbeit.

Sie lockten aber auch wegen ihrer Persönlichkeit die Gäste an. Wer schon einmal da war, der kam wegen der familiären Atmosphäre gerne wieder. Das Motto der Gastgeber lautete: „Wer als Gast kommt, geht als Freund.“

Die Gäste wurden von Luigi verwöhnt. Morgens brachte er Brötchen bis an die Haus- oder Fahrzeugtür und nach dem Frühstück hielt er gerne einen kleinen Plausch mit seinen Gästen. Da seine Sprachkenntnisse nicht so gut waren wie die seiner Frau, zog er dabei gerne Tante Google mit dem Übersetzungsprogramm zu Rate. Und das mit flinken Tastenkombinationen. Er sprach seine Sätze in Italienisch in sein Handy und hielt dann die übersetzte Fassung seinem Gegenüber hin. Das gab zwar schon mal verwunderte Blicke, wenn sich die Übersetzung etwas rätselhaft oder holprig darstellte, aber wenn der Gast dann erfreut aufblickte und nickte, freute sich Luigi ebenfalls herzlich über die gelungene Kommunikation und strahlte übers ganze Gesicht. Seine dunklen freundlichen Augen lachten, seine lange Nase vibrierte ein wenig und sein breiter Mund über dem Dreitagebart zeigte makellose weiße Zähne mit einem goldenen Eckzahn.

Wenn ein Gast ein Problem hatte, sei es kein Gas mehr, einen Platten am Fahrrad oder eine leere Batterie – Luigi war zur Stelle um zu helfen. Bei schwierigen Gegebenheiten hatte Luigi vielleicht nicht das entsprechende Ersatzteil, aber immer eine Lösung. Er war eben ein Meister der Improvisation. Dabei kam er mit seinem kleinen Roller angetuckert, bisweilen auch mit Anhänger. Bei seinem motorisierten Zweirad handelte es sich nicht um eine italienische Vespa sondern, ganz außergewöhnlich, um eine deutsche Simson Schwalbe, Baujahr 1986. Wahrscheinlich war er der einzige sizilianische Mini-Biker mit einer Schwalbe. Darauf war er besonders stolz. Piaggio-Roller hatten ja alle. Er mochte jedoch das Besondere.

Das Schwälbchen hatte Luigi im Geräteschuppen seines Vaters entdeckt. Francesca, seine Mutter, hatte sich erinnert, dass vor Jahren ein Gast dieses Zweirad in Zahlung gegeben hatte, da er kurzfristig in finanzielle Schwierigkeiten geraten war. Lorenzo hatte es kaum genutzt; er vertraute lieber seinem Traktor. Doch Luigi hatte Spaß an diesem Unikum und richtete es sich her. Es bekam neue Reifen, unverbrauchtes Öl und eine neue Lackierung in mint-pastell. Sogar einen Anhänger besorgte er sich, so dass er durchaus kleine Erledigungen damit vornehmen konnte. Schließlich hatte die Ost-Ikone eine Anhängerkupplung!

Piccola rondine, Schwälbchen, wie er sein Gefährt liebevoll nannte, war bergab bis zu 80 Stundenkilometer schnell. Das reichte ihm vollkommen, schließlich wollte er ja keine Rennen fahren. Außerdem konnte er bei Bedarf Maria als Sozia mitnehmen. Diese würde natürlich immer seine große Liebe bleiben, aber Schwälbchen war sein kleiner Schwarm.

Der Anblick allerdings, den Luigi auf seinem mintfarbenen Moped bot, war köstlich. Die Schwalbe war klein und zart, Luigi dagegen groß und athletisch. Er saß etwas gebeugt auf der Sitzbank, nahm Knie und Ellbogen extrem nach außen und streckte Kopf und Kinn nach vorne unten, wohl um dem Fahrtwind zu trotzen.

Doch absolut einzigartig und kurios war der Anblick, den er bot, wenn er den Lenker nur mit der rechten Hand hielt und in der linken diverse Werkzeuge und Hilfsmittel transportierte wie eine Schaufel, einen Besen oder einen Akkuschrauber. Dann sah er schon mal aus wie Don Quichotte mit seiner Lanze.

*

Don Alfonso hingegen war das genaue Gegenteil. Von Statur klein und gedrungen, vom Antlitz meist griesgrämig und von seinem Wesen...

Erscheint lt. Verlag 4.4.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
ISBN-10 3-7562-6056-9 / 3756260569
ISBN-13 978-3-7562-6056-0 / 9783756260560
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