Im Land des Korallenbaums (eBook)
608 Seiten
beHEARTBEAT (Verlag)
978-3-7517-2175-2 (ISBN)
Im Sommer 1863 lernen sich die jungen Deutschen Anna Weinbrenner und Viktoria Santos auf der Überfahrt nach Buenos Aires kennen. Beide Frauen sind erwartungsfroh auf dem Weg zu ihren Ehemännern, die ihnen vorausgereist sind. In Argentinien, das für die Reisenden mit großen Hoffnungen und Träumen verbunden ist, trennen sich ihre Wege zunächst. Doch Viktorias wohlhabender Gatte hütet ein schreckliches Geheimnis, das ihre Zukunft überschatten wird, während Annas Familie sie mit einer traurigen Nachricht erwartet. Werden sich dennoch in dem fernen Land ihre großen Hoffnungen vom Glück erfüllen?
»Unverwechselbare Figuren, eine exotische Kulisse und eine berührende Liebesgeschichte - Sofia Caspari erzählt eindrucksvoll vom Aufbruch einer jungen Frau in ein neues Leben. Und sie zeigt, dass Argentinien mehr zu bieten hat als nur den Tango.« Carla Federico, Autorin von Im Land der Feuerblume
Mit ihrer fesselnden Auswanderersaga entführt Sofia Caspari die Leserinnen und Leser in das Argentinien des 19. Jahrhunderts - in die Welt von Arm und Reich, Ehrbahren und Verruchten, Hassenden und Liebenden.
Band 1: Im Land des Korallenbaums
Band 2: Die Lagune der Flamingos
Band 3: Das Lied des Wasserfalls
eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.
<p>Sofia Caspari, geboren 1972, hat schon mehrere Reisen nach Mittel- und Südamerika unternommen. Dort lebt auch ein Teil ihrer Verwandtschaft. Längere Zeit verbrachte sie in Argentinien, einem Land, dessen Menschen, Landschaften und Geschichte sie tief beeindruckt haben. Heute lebt sie - nach Stationen in Irland und Frankreich - mit ihrem Mann und ihren zwei kleinen Söhnen in einem Dorf im Nahetal.<br></p>
Sofia Caspari, geboren 1972, hat schon mehrere Reisen nach Mittel- und Südamerika unternommen. Dort lebt auch ein Teil ihrer Verwandtschaft. Längere Zeit verbrachte sie in Argentinien, einem Land, dessen Menschen, Landschaften und Geschichte sie tief beeindruckt haben. Heute lebt sie - nach Stationen in Irland und Frankreich - mit ihrem Mann und ihren zwei kleinen Söhnen in einem Dorf im Nahetal.
Erstes Kapitel
Dumpf schlug das Wasser gegen das Holz des Schiffsrumpfs. In einem Moment warf sich das Schiff in das Wellental hinab, dann erklomm es den nächsten Wellenkamm und ächzte dabei wie ein lebendiges Wesen. Am Vortag hatte der Wind gedreht, gegen Morgen war er heftiger geworden. Am Bugspriet stehend hielt Anna Weinbrenner sich mit aller Kraft fest. Gischt spritzte ihr ins Gesicht, während sie hinab in die blaue, schaumgekrönte Tiefe starrte.
Ich darf nicht loslassen, schoss es ihr durch den Kopf, ich darf nicht loslassen.
Bitterer Speichel drang ihre Kehle hinauf. Nicht zum ersten Mal auf dieser Reise war ihr zum Speien übel. Im nächsten Wellental wurde Anna mit Wucht gegen die Reling geschleudert. Schmerzhaft drückte sich das Holz gegen ihren Brustkorb und raubte ihr den Atem. Der Aufschrei blieb ihr in der Kehle stecken.
O nein, ich hätte niemals hier hinausgehen dürfen, nicht bei diesem Wetter.
Sie kannte die Anweisungen: Wenn ein Sturm drohte, hatten die Passagiere unter Deck zu bleiben!
Anna biss die Zähne aufeinander. Aber sie hatte den Gestank in den Quartieren des Zwischendecks, jenen wabernden Dunst nach Schweiß, ungewaschenen Körpern, verdorbenen Nahrungsmitteln, Erbrochenem und Kot, der sich bei schweren Wettern noch verstärkte, einfach nicht mehr ausgehalten. Und draußen im aufkommenden Sturm, der einem nach Tagen der Flaute eher willkommen war, hatte sie dann die Schönheit des Augenblicks gebannt: die tanzenden, schimmernden Wellen, die sich noch nicht allzu hoch getürmt hatten, wie mit Abertausenden von Schaumsternen gekrönt.
Anna schüttelte sich. Längst war sie vollkommen durchnässt. Wieder musste sie den Würgereiz bezwingen. Niemals hatte sie sich vorstellen können, dass das Wetter so schnell umschlagen würde. Sie war doch eben erst an Deck gekommen, entschlossen, frischen Atem zu schnappen und der Enge des Schiffsbauchs zumindest kurz zu entkommen. Nun hatte sie den rechten Augenblick versäumt, um aus eigener Kraft zurückzugelangen.
Wieder stürzte das Schiff in ein Wellental, wieder erklomm es den nächsten Kamm und fiel mit umso größerer Macht hinab. Wenn nicht bald jemand kam und ihr half, dann konnte ihr nur noch Gott helfen.
Anna starrte ihre Hände an, die Fingerknöchel zeichneten sich weiß ab, so sehr klammerte sie sich an ihrem Halt fest. Kräftige, arbeitsame Hände waren es, und doch nicht stark genug, um sie zu retten. Eine neue Welle durchnässte ihren Rock, doch kein Angstschrei kam mehr über Annas Lippen. Der Schweiß, den ihr die Anstrengung auf die Stirn getrieben hatte, mischte sich mit dem Salzwasser. Die Windböen trieben ihr die Tränen in die Augen. Mühsam hob Anna den Kopf und versuchte zum Horizont zu schauen, aber sie konnte einfach keine Grenze mehr ausmachen zwischen Himmel und Erde.
Hatte es eben geblitzt? Gleich ließ sie ein Donnerschlag zusammenfahren. Noch einmal blitzte und donnerte es. Dann, von einem Moment auf den anderen, schüttete es wie aus Eimern.
Ich habe Angst, dachte Anna, ich habe so furchtbare Angst. Mit jedem Atemzug zitterten ihre Beine mehr. Die Menschen, die ihr nahestanden, kamen ihr mit einem Mal in den Sinn, ihre Arbeitgeberin, Frau Bethge, ihre beste Freundin Gustl. Alle hatten sie sie vor dieser Reise gewarnt.
Eine neue Welle warf sie nach vorn. Dieses Mal schrie Anna doch. Wenn ich über Bord gehe, schoss es ihr durch den Kopf, werde ich auf immer fort sein. Ich bin allein, niemand wird mich auf diesem Schiff vermissen. Wie lange wird meine Kraft noch reichen?
»Hilfe!«, schrie sie, »Hilfe, so helft mir doch!«
Doch der heulende Sturm schluckte ihre Worte. Ganz fern, über das Brausen des Windes hinweg, hörte sie eine Glocke, dann Stimmen, kaum wahrnehmbar. Annas Arme zitterten. Ich werde über Bord geschleudert werden, durchfuhr es sie mit schmerzhafter Gewissheit, ich werde meine Familie niemals mehr wiedersehen. Ich werde sterben.
Aber ich will nicht sterben.
Anna öffnete den Mund, um nochmals zu schreien. Mit neuer Wucht prallte sie gegen die Bordwand. In kurzer Folge stürzte das Schiff nun herab und erhob sich wieder, neigte sich knarrend mal zur einen, mal zur anderen Seite.
»Hilfe!«
Der Sturm schluckte ihren Schrei einfach. Nichts, man hörte sie einfach nicht. Annas Lippen bebten. Tränen quollen aus ihren Augen. Lieber Gott, hilf mir, betete sie stumm, ich will nicht sterben. Ich will nicht sterben.
Als das Schiff ins nächste Wellental hinabstürzte, konnte Anna sich nicht mehr halten. Sie wurde gegen die Bordwand geschleudert, dann verlor sie den schwankenden Boden unter ihren Füßen. Während sich das Schiff erneut zur Seite neigte, rutschte Anna über das Deck. Sie wollte die Augen schließen, doch sie konnte es nicht. Unter ihr wartete nur noch die Tiefe des Atlantiks. Wild hämmerte das Herz in ihrer Brust. Als sie dieses Mal zu schreien versuchte, kam nur ein Krächzen hervor.
Jetzt kann ich noch nicht einmal mehr auf mich aufmerksam machen, dachte sie, jetzt werde ich sterben.
Doch dann bäumte sich etwas in ihr auf. Nein, sie wollte nicht sterben. Anna nahm alle Kraft zusammen – und dann schrie sie noch einmal aus voller Kehle.
»Hilfe, Hilfe, so helft mir doch!«
»Himmel, Herrschaftszeiten, was haben Sie sich nur dabei gedacht?«
Die fremde Stimme war das Erste, was Anna wahrnahm, das Nächste war das Schwanken einer Lichtquelle rechts von ihr. Sie kniff die Augen zusammen, schluckte mühsam. Der Geschmack in ihrer Mundhöhle war bitter-säuerlich, doch die schlimmste Übelkeit war vorüber. Instinktiv fuhr sie sich mit dem Handrücken über die Lippen.
Ich bin nicht tot. Ganz offenbar bin ich nicht tot. Aber wo bin ich?
Anna fühlte feines Leinen unter ihren Fingerspitzen. Sie lag also nicht auf ihrem Lager mit der groben Decke, die sie schon am ersten Tag mühsam mit Meerwasser zu reinigen versucht hatte und die seitdem feucht und salzverklebt war, jedoch weiterhin stank; nicht mehr so bestialisch wie am Anfang zwar, aber doch immerhin. Nein, diese Bettwäsche hier duftete sogar. Ihr Kleid dagegen haftete feucht an ihrem Körper. Sie fühlte sich so schrecklich schwach.
»Und?«, war erneut die fremde Stimme zu hören. Eine Männerstimme.
Anna drehte den Kopf in die Richtung, sah, geblendet vom Licht einer Öllampe, eine große dunkle Gestalt vor sich aufragen.
In welche Lage hatte sie sich nun nur wieder gebracht? Wo war sie, um Himmels willen?
Annas Unbehagen nahm zu. Verstohlen blickte sie sich um. Offenbar befand sie sich in einer der Kajüten der besser gestellten Reisenden.
Was mache ich hier? Wie bin ich hierhergekommen, und warum bin ich nicht achtsamer gewesen?, fragte sie sich. Weil es da unten im Quartier stinkt wie in der Hölle, gab sie sich gleich selbst die Antwort. Sie versuchte, mehr von dem Mann zu erkennen, doch das Licht blendete sie.
Ich muss aufstehen, durchfuhr es Anna, ich muss von hier fort. Bedank dich und geh wieder nach unten. Sie versuchte, sich aufzurichten, die Beine über den Bettrand zu schieben, um sich zu erheben, doch sie geriet sogleich ins Schwanken.
»Langsam, langsam«, ließ sich der Fremde hören. »Sie waren ohnmächtig. Sie müssen sich schonen.«
Unfug, sagte eine Stimme in Annas Kopf, ich habe mich noch nie schonen können. Sie richtete sich mit aller Kraft auf und hielt sich am Bettrahmen fest. Die Stimme des Mannes klang kultiviert. Er sprach seine Worte mit Bedacht aus, so wie Frau Bethge und ihre Familie es taten.
»Ich bin sicherlich keine der Damen, mit denen Sie gewöhnlich zu tun haben«, tat sie kund.
»So, sind Sie das nicht?« Der Mann klang belustigt.
Anna wollte etwas entgegnen, musste aber innehalten, weil sich mit einem Mal alles drehte. Auch die Bewegungen des Schiffes nahm sie stärker wahr als sonst. Sie biss sich auf die Unterlippe.
»Setzen Sie sich doch wieder, bitte.« Der fremde Mann trat endlich ins Licht, streckte ihr eine Hand entgegen. Jung, dunkle Haare, registrierte Anna in dem Moment, als er auf sie zukam, eine hochgewachsene, eher zu schlanke Gestalt. »Setzen Sie sich«, wiederholte er. »Ich bitte Sie darum.«
Anna fühlte, wie sie auf einen gepolsterten Hocker gedrückt wurde. Der Mann nahm eine Teekanne vom Tisch. Im nächsten Augenblick hielt sie eine feine Porzellantasse in der Hand. Stumm starrte sie in die blass goldfarbene Flüssigkeit darin.
»Tee«, sagte der Mann, als er ihre Verwirrung wahrnahm, und setzte sich nunmehr selbst auf den Bettrand.
Anna starrte ihn an. Er lächelte. Seine Kleidung war hochwertig, wenn er sie auch mit einer gewissen Nachlässigkeit trug, als lege er keinen Wert darauf. Sein leicht gelocktes Haar war seitlich gescheitelt. Eine widerspenstige Strähne war ihm in die Stirn gefallen.
»Aber …« Anna holte tief Luft. »Ich kenne Sie«, platzte sie dann heraus. »Ich kenne Sie!«
Der junge Mann zögerte eine Augenblick. »Wirklich?«, entgegnete er dann.
Bremerhaven, einige Wochen zuvor
Der dunkelhaarige junge Mann fiel Anna auf, weil er mit dem Rücken zum Land stand und aufs offene Meer schaute. Während die anderen Passagiere zum Hafen sahen, um einen letzten Blick auf ihre Heimat und ihre Lieben, die ihnen zuwinkten, zu erhaschen, Arme und Reiche Seite an Seite, hielt er sich fern von allen.
Wahrscheinlich, dachte Anna im ersten Moment, ist er mir nur aufgefallen, weil ich auch niemanden habe, dem ich Adieu winken kann.
Zwei Tage zuvor war sie mit der Eisenbahn gekommen, die Bremen und Bremerhaven seit dem letzten Jahr miteinander verband, und dann hatte sie erstmals vor dem Schiff gestanden, auf dem sie die nächsten Wochen verbringen sollte, einerseits...
Erscheint lt. Verlag | 29.3.2022 |
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Reihe/Serie | ARGENTINIEN-SAGA |
Verlagsort | Köln |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 19. Jahrhundert • Argentinien • Aufbruch • Australien • Auswanderer • Auswanderung • Bremen • Bremerhaven • Buenos Aires • Cornwall • Das Lied des Wasserfalls • Die Lagune der Flamingos • exotisch • Familie • Familiensaga • Ferne Länder • Fernweh • Frauenroman • gefühlvoll • Glück • Hamburg • Haran • Hoffnung • Kauri • Landschaftsbild • landschaftsroman • Landschaftsromane • Liebesroman • Liebesromane • Maori • Natur • Neues Leben • Neuseeland • Phoenix-Viertel • Romanhefte • Sarah Lark • Schicksale und Wendepunkte • Träume • Wurster Heide |
ISBN-10 | 3-7517-2175-4 / 3751721754 |
ISBN-13 | 978-3-7517-2175-2 / 9783751721752 |
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