Mord im Stadtpark -  Theodor Tomandl

Mord im Stadtpark (eBook)

oder Die lebenslange Bürde
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2022 | 1. Auflage
myMorawa von Dataform Media GmbH (Verlag)
978-3-99129-561-7 (ISBN)
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Im Wiener Stadtpark wird ein junger Mann erdrosselt aufgefunden. Was hatte der gut Gekleidete in der dunklen Nacht im Park zu suchen? Warum hatte er eine Sturmhaube in der Manteltasche? Vor wem und aus welchem Grund wollte er sich verhüllen? Chefinspektor Smutny steht vor einem Rätsel. Die mühsamen Recherchen deuten auf die Tat eines Nahestehenden hin. Trotz der schweren Bürde, mit der er zu kämpfen hat, scheint es Smutny und seinem Team gelungen zu sein, den Täter und das Motiv ausfindig zu machen. Doch dann nimmt alles eine völlig unerwartete Wendung.

Dr. Theodor Tomandl ist emeritierter Universitätsprofessor für Arbeitsrecht und Sozialrecht und Autor von "Mord am Wiener Kongress", "Der Tote m Reitstall", "Die Spur führt nach Aqaba" und "Das rollende Rad".

Teil 1

Gegenwart

1. Im Stadtpark

Die Abkühlung war überraschend gekommen. Der März hatte mit angenehmen Temperaturen begonnen, doch seit zwei Tagen war der Winter zurückgekehrt. Es war halb sechs Uhr morgens als ein Mann mittleren Alters mit einem Hund an der Leine den Stadtpark betrat. Blechinger hatte den Kragen seines Lodenmantels wegen der Kälte hochgeschlagen. Wie immer, wenn er zu dieser frühen Morgenstunde in den Stadtpark kam, fiel sein erster Blick auf das Johann-Strauss-Denkmal. Zu keiner anderen Tageszeit wirkte es auf ihn so stark. Die Leuchtkörper ließen das Gold, in das der Künstler den Walzerkönig gekleidet hatte, wie einen Stern in der Schwärze des Universums erscheinen. Wie üblich vergönnte ihm Felix den Anblick nicht und zerrte heftig an seiner Leine. Den Foxterrier zog es zu den Büschen. Seufzend gab Blechinger nach und folgte ihm in den nur durch einige Laternen notdürftig beleuchteten Park. Nachdem Felix sein erstes Geschäft besorgt hatte, ließ der Zug in der Leine nach. Sollte er nach rechts oder links gehen? Blechinger entschloss sich für links. Nach nur wenigen Schritten erreichte er die kurze von Büschen eingesäumte Einfahrt zum Depot des Stadtgartenamtes. Felix eilte zumeist daran vorbei, um rascher zu seinen Lieblingsstellen zu gelangen. Diesmal aber zerrte er Blechinger mit großer Kraft hinein. Was tut man nicht alles als Hundefreund? Blechinger ließ sich ziehen. Es verwunderte ihn allerdings, warum ihn Felix entgegen seiner üblichen Routine ausgerechnet in diesen dunklen Winkel führte, dessen Ende mit einem Holztor verschlossen war.

Seine Verwunderung schlug in Entsetzen um, als er sah, wohin ihn Felix geleitet hatte. Das Gebüsch an seiner linken Seite war nicht dicht. In seiner Mitte befand sich eine Art unbelaubte Höhle. In ihr lag eine Gestalt. Felix war an sie herangegangen und beschnüffelte ihren Kopf. „Felix, Platz!“ rief Blechinger und zog den Rüden zurück. Er beugte sich nieder. Ein Mann lag ausgestreckt auf seinem Rücken. Die erste Vermutung, es könnte sich um einen der vielen Obdachlosen handeln, die im Stadtpark zu übernachten pflegten, verwarf er, als er die Kleidung sah. Der Mann trug einen modischen Stoffmantel. Der Kopf war unbedeckt. Auch die nächste Vermutung, der Mann könnte betrunken sein, musste Blechinger fallen lassen, als er keinen Alkoholgeruch verspürte. Lebte der Mann oder war er tot? Er legte die Finger an den Hals und suchte die Schlagader. Als er glaubte, sie gefunden zu haben, fühlte er kein Lebenszeichen. Die Haut war steif und kalt. Der Versuch, durch einen heftigen Schlag auf die Schulter eine Reaktion herbeizuführen, hatte keinen Erfolg. Es war eindeutig, der Mann war tot. Es war die erste Leiche, die Blechinger zu Gesicht bekommen hatte. Er hatte sich stets vorgestellt, dass der Anblick furchterregend sein musste. Der harte Todeskampf musste seine Spuren hinterlassen haben. Als er in das Gesicht des Toten blickte, bestätigte sich seine Befürchtung. Die Augen waren zwar geschlossen, doch der Mund war verzerrt und die Zunge ragte weit heraus. Er entdeckte weder eine Wunde noch Blutspuren. Der Mann schien nicht gewaltsam ums Leben gekommen zu sein. Neben ihm lagen keine Gegenstände, die einen Rückschluss auf die Todesursache ermöglicht hätten. Eines verstand er jedoch nicht. Warum lag der Mann im Gebüsch und nicht auf dem Weg, wenn ihn der Tod überraschend ereilt hatte? Er hätte sich dazu bücken und in den Busch hineinkriechen müssen. Das war ausgeschlossen. So würde auch kein Selbstmörder vorgehen. Es war einfach rätselhaft, wieso der Mann unter den Büschen lag.

Blechinger richtete sich auf und beschloss, die Polizei zu informieren. Während Felix brav sitzen blieb, knöpfte er den Mantel auf und holte sein Handy aus dem Sakko. Gottlob verfügte es über eine Hintergrundbeleuchtung. Er hatte keine Mühe, die Notrufnummer einzutippen. Eine Polizeibeamtin meldete sich sofort und wollte wissen, womit sie helfen könnte. In seiner Aufregung überlegte Blechinger nicht lange, sondern teilte ihr einfach mit. „Ich habe im Stadtpark eine Leiche entdeckt.“

Die Polizistin ging darauf nicht ein, sondern fragte ruhig, „Mit wem spreche ich?“

„Mein Name ist Rudolf Blechinger.“

„Und wo wohnen Sie?“

„In der Weihburggasse 8“.

„Erzählen Sie mir, was Sie gesehen haben?“

„Ich führe wie jeden Tag meinen Hund im Stadtpark zum Äußerln. Plötzlich zieht er mich in einen Seitenweg und dort liegt unter einem Busch ein toter Mann.“

„Sind Sie sicher, dass der Mann tot ist?“

„So tot wie nur irgendetwas.“

„Können Sie mir die Stelle genauer beschreiben?“

„Wenn man den Park von der Weihburggasse her betritt, muss man sich links halten. Nach wenigen Metern ist eine Einfahrt und dort liegt der Tote unter einem Gebüsch.“

„Was ist das für eine Einfahrt?“

„An dem Tor ist ein Schild angebracht. In der Dunkelheit ist es schwer zu lesen. Warten Sie einen Augenblick, ich nehme mein Feuerzeug zu Hilfe… Jetzt kann ich es lesen. Hier steht Gartenbezirk I, Eingang/Einfahrt nur für Bedienstete.“

„Gut. Warten Sie, bis der Einsatz kommt und rühren Sie nichts an.“

Blechinger ließ Felix seine Geschäfte erledigen und folgte ihm von Busch zu Busch, bis er ein Signalhorn hörte. Eine Funkstreife hielt in dem breiten Fußweg vor dem Eingang zum Park. Zwei Polizeibeamte stiegen aus und näherten sich.

„Sind Sie Herr Blechinger?“ fragte der Größere der beiden. Als Blechinger nickte, fuhr er fort: „Inspektor Bachmaier. Zeigen Sie uns bitte, wo der Tote liegt.“

Blechinger führte die beiden uniformierten Beamten zu der Einfahrt und deutete auf den Toten. Bachmaier ging in die Knie und suchte, wie zuvor schon Blechinger, nach dem Puls. Er blickte zu seinem Kollegen auf und schüttelte den Kopf.

„Kein Pulsschlag. Ruf die Kommission an.“

Dann erhob er sich und fragte Blechinger, „Haben Sie jemanden gesehen, als sie den Park betraten?“.

„Nein.“

„Auch nicht außerhalb?“

„Nur eine Frau, die zur Straßenbahnhaltestelle unterwegs war. Um die Zeit sieht man im Park nur Obdachlose und Leute, die ihre Hunde ausführen. Heute bin ich aber noch niemandem begegnet.“

„Haben Sie den Toten berührt?“

„Ich musste doch feststellen, ob der Man noch lebt.

„Haben Sie den Körper bewegt?“

„Wozu? Der Mann lag so da, wie Sie ihn jetzt sehen.“

Während der zweite Polizist noch telefonierte, näherte sich eine Ambulanz mit lautem Signalton. Der Wagen hielt vor dem Eingang. Zwei Sanitäter stiegen aus und kamen auf sie zu.

„Der Mann ist tot“. Bachmaier wies auf die am Boden liegende Gestalt. „Überzeugt’s euch selbst.“

Ein Sanitäter beugte sich zu dem Mann und suchte nach einem Lebenszeichen. Er erhob sich rasch und wandte sich zu Bachmaier. „Nichts mehr zu machen. Er gehört Euch.“

Die beiden Sanitäter kehrten um, verließen den Park und bestiegen ihr Fahrzeug. Der Ambulanzwagen entfernte sich ohne Signalhorn.

Blechinger wandte sich an Bachmaier „Kann ich jetzt gehen, Herr Inspektor? Ich muss ins Geschäft.“

Der Polizist schüttelte den Kopf. „Sie müssen warten, bis die Kommission kommt. Ich kann Sie jetzt nicht gehen lassen. Es dauert nicht lange.“

Verärgert fügte sich Blechinger. Während die beiden Polizisten die Einfahrt mit einem rot-weiß gemusterten Band absperrten, ging er mit Felix langsam zum Denkmal. An der Böschung vor dem Kursalon konnte er an der Blumenuhr trotz der Dunkelheit erkennen, dass es bereits auf sechs Uhr zuging. Es dauerte ihm viel zu lang, bis eine Frau und zwei Männer erschienen. Alle drei trugen dunkle Jeans. Die Männer hatten warme Jacken an, die Frau einen kurzen Stoffmantel. Die drei begaben sich hinter die Absperrung und sprachen mit Bachmaier. Dann hob einer der beiden Männer das Absperrband in die Höhe, schob sich durch und kam auf Blechinger zu. Blechinger konnte nur schwer abschätzen, wie alt der schmächtige Beamte mit dem schwarzen Schnurrbart war. Vermutlich nicht mehr als 30.

„Revierinspektor Walters, Kriminalpolizei. Sie haben den Mann gefunden?“

„Das habe ich ihrem Kollegen doch schon erzählt.“

„Herr Blechinger, wir brauchen weitere Angaben. Wie alt sind Sie und was machen Sie beruflich?“ Er zog ein Heft aus der Jacke und machte sich Notizen.

„Ich bin 43 und Filialleiter bei Billa.“

„Wo wohnen Sie und in welcher Filiale sind Sie beschäftigt?“

„Meine Wohnung ist gleich nebenan, in der Weihburggasse 8, oberhalb des Trachtengeschäftes. Meine Filiale ist am Kärntnerring...

Erscheint lt. Verlag 18.3.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
ISBN-10 3-99129-561-X / 399129561X
ISBN-13 978-3-99129-561-7 / 9783991295617
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