Nie gelebt und doch gestorben -  Josef Marksteiner

Nie gelebt und doch gestorben (eBook)

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2022 | 1. Auflage
myMorawa von Dataform Media GmbH (Verlag)
978-3-99129-738-3 (ISBN)
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Nach dem Brand auf einem Bauernhof im niederösterreichischen Mostviertel werden bei den Aufräumungsarbeiten zwei völlig verbrannte Leichen gefunden. Die polizeilichen Ermittlungen gestalten sich äußerst schwierig, weil die Identitäten der Toten vorerst nicht festzustellen sind. Es entsteht der Eindruck, dass sie offiziell nicht gelebt haben, weil in sämtlichen polizeilichen Dateien keine Eintragungen auf passende abgängige Personen aufscheinen. Daher bleibt auch lange Zeit ungeklärt, wie die Toten auf den Futterspeicher des Hofes gelangt sind, und in welchem Zusammenhang sie mit dem Brandgeschehen stehen. Wurden sie selbst Opfer ihrer eigenen Straftat, gibt es andere Hintergründe, Fragen über Fragen, die die Polizei zu klären hat. Verschiedenste Gruppen von polizeilichen Ermittlern einschließlich von Gerichtsmedizinern arbeiten an der Aufklärung des Falles, der im Verlaufe der Erhebungen immer bizarrer wird. Der Autor versuchte die Ermittlungsschritte und die Zusammenarbeit zwischen Gerichten, Behörden und der Polizei möglichst authentisch zu schildern.

Kapitel 3

Zwei Tage vorher war auf Stift Salzstein, einem Ortsteil der Stadt Schrems im Waldviertel, Bruder Laurentius einer schweren Krankheit erlegen. Das Kloster Salzstein bestand aus zwei großen viereckigen Trakten, die versetzt aneinander gebaut waren. In jeweils einem Trakt lebten die Mönche des Hellezianerordens, die Nonnen des Ordens „Blut Maria“ bewohnten den zweiten Trakt im Sinne ihrer Rituale und Gelübde.

Viele logistische Bereiche, vordergründig die Landwirtschaft, wurden gemeinsam betrieben. Auf den Agrarbetrieb waren sie besonders stolz, denn er reichte fast zur Selbstversorgung und wurde rein biologisch geführt.

Bruder Laurentius war als Findelkind nach Salzstein gekommen. Dort wurde er von Ordensschwestern aufgezogen und lernte das Leben außerhalb des Klosters nie kennen. Nur wenige wussten, dass Laurentius von einem Geistlichen vor knapp 60 Jahren von einer Tagung mit nach Stift Salzstein gebracht worden war. Dieser Priester soll angeblich große Karriere gemacht haben. Damals war das Baby gerade einmal ein Monat alt. Es war die Rede, dass das Kind von einer unbekannten Mutter in einem Ordenskrankenhaus zur Welt gebracht worden war. Die Mutter sei kurz nach der Geburt verstorben, habe ihm vorher aber noch den Namen Laurentius gegeben.

Der junge Geistliche wollte dem Kind eine Perspektive bieten, weshalb er es der Obhut der Ordensschwestern in Salzstein anvertraute. Inwieweit in diesem Fall Behörden Kenntnis erlangt hatten, war nicht bekannt.

In der Ortschaft Salzstein gab es auch eine Waisenhauseinrichtung, wo sich mehrere Ordensschwestern ehrenamtlich betätigten. Das Kind dem Waisenhaus zu übergeben, war den Ordensfrauen nie in den Sinn gekommen.

Laurentius war seit Geburt im Gesicht entstellt und an der rechten Hand fehlten ihm zwei Finger. Dort, wo bei einem gesunden Menschen die Finger gebildet sind, hatte Laurentius nur zwei verkümmerte Stummel. Schon im Kleinkindesalter war bei Laurentius festzustellen, dass er geistig nicht mit gleichaltrigen Kindern mithalten konnte. Er war bereits vier Jahre alt, als er halbwegs allein zu gehen vermochte. So bekam Laurentius eine Sonderstellung. Ein paar junge Schwestern kümmerten sich rührend um ihn. Dem Geistlichen, der das Baby den Ordensschwestern übergeben hatte, war Laurentius offenbar ans Herz gewachsen, denn er erkundigte sich immer wieder nach seinem Befinden. Die Nachfragen wurden zunehmend seltener und fielen ganz aus, als er von dem Gesundheits- und Geisteszustand des Buben erfuhr. Laurentius war mit zwölf Jahren schon auf einem Auge blind und konnte seinen rechten Arm nicht ausstrecken.

Im Alter von 20 Jahren war Laurentius dann doch so weit, dass er selbstständig ein Leben als Mönch führen konnte. Er wechselte in die Männerabtei, wo er zu Hilfsarbeiten herangezogen wurde.

Laurentius war überaus gottesfürchtig. Diese Frömmigkeit trifft naturgemäß auf alle Mönche und Priester zu. Bei Laurentius war sie aber besonders ausgeprägt. Bedingt durch seine begrenzte geistige Leistungsfähigkeit flüchtete er sich mit besonderem Enthusiasmus in das Gebet.

Im Laufe der Jahre nahm die asketische Lebensart bei Laurentius wahnhafte Züge an. Das ging so weit, dass er andere Klosterbrüder, die nicht derart exzessiv beteten, zuerst verbal und später sogar tätlich angriff.

Ferner litt er an Epilepsie. Mit den Jahren häuften sich die Anfälle. Viele, vorwiegend ältere Mönche, zweifelten nicht daran, dass der Satan über Laurentius Macht ergriffen hatte. Nachdem einmal zwei Mitbrüder von Laurentius verletzt worden waren, nahm Abt Bruder Johannes zu seinem Jugendfreund und Studienkollegen Dr. Josef EINSIEDL Kontakt auf.

Dr. EINSIEDL war es auch, der den kleinen Laurentius als Baby nach Salzstein gebracht hatte. Seine Exzellenz Dr. EINSIEDL, der mittlerweile Bischof der Diözese Villach war, versicherte, dass er sich mit dem Vatikan in Verbindung setzen werde. Dort gäbe es zwei Spezialisten, die noch den Exorzismus praktizierten. Sie würden sich des Paters Laurentius annehmen.

Es war Ende November 2008, als ein Priester aus dem Vatikan im Hellezianerkloster Salzstein eintraf. Die Mönche des Stiftes wunderten sich zwar, weil der Priester noch keine 50 Jahre alt war. Normalerweise praktizierten zwei Geistliche, die beide schon jenseits der 80 waren, die Teufelsaustreibungen. In der jüngeren Priestergeneration war dieses Ritual verpönt, und diese Methode war auch unter den Theologen auf der ganzen Welt heftigst umstritten.

Mittlerweile war es bis in die tiefsten Kreise der Kirche vorgedrungen, dass Wahn und Epilepsie nichts mit Besessenheit zu tun hatten.

Der junge Priester aus dem Vatikan war in Wirklichkeit der Agent Franco MUNERI, der sich als Pater Ricardo VARESI vorstellte. Er wusste natürlich, dass die Mönche in punkto seines Alters Zweifel an ihm als Exorzisten hegen könnten. Daher ließ er die Ordensbrüder wissen, dass er neben Theologie auch Psychiatrie studiert und in beiden Fächern promoviert habe. Seine Behandlung sei eine Kombination aus Exorzismus und den neuesten Erkenntnissen der Psychiatrie. In schweren Fällen müssten auch gewisse Medikamente eingesetzt werden, die den Besessenen zumindest für einige Zeit ruhig stellten. Franco MUNERI trug einen großen Arztkoffer mit, in dem er angeblich die notwendigen Requisiten dabei hatte.

Er ersuchte Abt Johannes, für ihn einen Raum vorzubereiten, wo er den Patienten behandeln könne. Der Abt erklärte ihm, dass bereits ein sakraler Raum hergerichtet sei, und er jederzeit mit der Behandlung beginnen könne. Er warnte den Priester noch, dass Laurentius zurzeit äußerst aggressiv sei und auch vor Tätlichkeiten nicht zurückschrecke. Franco MUNERI ließ sich den sakralen Raum zeigen und bat, ihm Pater Laurentius zu bringen.

Zwei kräftige Ordensbrüder führten den tobenden Laurentius in den sakralen Raum. Dort setzten sie ihn auf einen Stuhl. In Anbetracht der neuen Situation und der strengen Miene des Priesters wurde dieser mit einem Mal ruhig. Der angebliche Exorzist bat die beiden Mönche, ihn mit dem Klienten allein zu lassen. Einer der bulligen Männer wollte ihn noch auf die Gefährlichkeit des Patienten aufmerksam machen, doch mit einer Handbewegung deutete MUNERI den Mönchen, den Raum zu verlassen.

Kaum hatte sich Franco MUNERI dem Kranken zugewandt, sprang dieser auf und wollte auf ihn losgehen. MUNERI versetzte ihm sofort einen heftigen Faustschlag gegen den Solar Plexus, und Laurentius fiel zu Boden. Er hatte die Kraft des Schlages aber so angesetzt, dass er nicht ohnmächtig wurde. Der Schlag löste aber eine momentane Atemnot aus, sodass Laurentius erst einmal keinen Widerstand mehr leisten konnte.

Jetzt konnte Franco MUNERI den kranken Mönch näher betrachten. Der Mann war höchstens 150 cm groß, vollkommen abgemagert und ein Auge hing auffallend tief. Etwas erinnerte er ihn an Quasi Modo, den berühmten Glöckner von Notre Dame. MUNERI empfand sogar Mitleid mit diesem armen Geschöpf, durfte aber sein Ziel nicht aus den Augen verlieren, das da lautete, Laurentius zu eliminieren und den Leichnam in die Ortschaft Reifberg im Bezirk Amstetten transferieren zu lassen.

Den zweiten Teil des Auftrages hatte Gino zu erledigen. Für die Erkundung der Örtlichkeit wurde Gino ein Klostermitarbeiter zur Seite gestellt. Er verstand zwar nicht, dass der tote Laurentius auf den Futterboden eines Bauernhauses gebracht werden musste, aber der Auftrag war anständig bezahlt. Franco MUNERI hatte sich wie alle Agenten längst abgewöhnt, über die Hintergründe seiner Anweisungen nachzudenken. Er musste den Tod des Laurentius als eine Abberufung Gottes inszenieren. Als bekennender Atheist hatte er schon einige skurrile Missionen erledigen müssen, dass er annahm, verrückter könne es nicht mehr werden. Dieser Auftrag war aber an Abstrusität nicht mehr zu übertreffen. Wenn es Wille der Kurie war, dass die Seele des armen Laurentius über den Brand eines Bauernhauses in den Himmel aufstieg, sollte es ihm Recht sein.

Franco MUNERI blieb in etwa eine Stunde mit Laurentius zusammen. Die erste Zeit war der Mönch halb ohnmächtig, doch als wieder mehr Leben in den armen Kerl kam, setzte ihm der Pseudoexorzist eine Injektion in der rechten Achselhöhle. Die Spritze enthielt ein Mittel, das Laurentius innerhalb der nächsten 24 Stunden schmerzlos sterben ließ.

Nach der Sitzung, die nur aus einem Schlag, einer Injektion und Abwarten bestand, öffnete der Agent die Tür. Davor standen noch immer die beiden hünenhaften Mönche. Das Eingangsportal aus dicken Eichenholz war nahezu schalldicht. MUNERI war sich daher sicher, dass niemand das Geschehen im Raum wahrgenommen hatte. Selbstverständlich hatte er den Raum auch auf eventuell installierte Mikrofone und Kameras überprüft.

Franco MUNERI forderte die beiden Mönche auf, Laurentius auf sein Zimmer zu bringen. Er selbst wollte zu Abt Johannes. Gerade als er von ihm sprach, trat der Genannte um die Ecke, und MUNERI ersuchte ihn um ein Gespräch unter vier Augen.

Der Abt begleitete den angeblichen Exorzisten in eine spartanisch eingerichtete Kanzlei. Auf dem Schreibtisch...

Erscheint lt. Verlag 16.3.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
ISBN-10 3-99129-738-8 / 3991297388
ISBN-13 978-3-99129-738-3 / 9783991297383
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