Auf den Spuren der Königin (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
448 Seiten
Harpercollins (Verlag)
978-3-365-00105-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Auf den Spuren der Königin - Clare Marchant
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Ein gehörloser Spion, eine machthungrige Königin und ein jahrhundertealtes Geheimnis

London, 1584: Der gehörlose Thomas kehrt zwanzig Jahre nach seiner Flucht nach Frankreich zurück in seine Heimat. Aufgrund seiner Kenntnisse der Heilkunde beginnt er, als Apotheker am Hof von Königin Elizabeth I. zu arbeiten. Schon bald wird der Königin klar, dass Thomas stets unterschätzt wird, denn niemand rechnet damit, dass er Lippenlesen kann. Deshalb ist er perfekt dafür geeignet, geheime Gespräche mitzuhören - und für sie herauszufinden, was ihre Widersacherin Mary, Queen of Scots, im Schilde führt ...

Einige Jahrhunderte später wird die junge Mathilde nach England gerufen. In Lutton Hall, dem Haus, das nun unerwartet ihr gehören soll, verstecken sich einige Geheimnisse, die nicht nur Mathildes Vergangenheit, sondern auch die Geschichte des Landes in neuem Licht erscheinen lassen.



Clare Marchant wuchs in Surrey, England, auf und studierte Geschichte und Frauenforschung, Disziplinen, in denen sie sich mit der Lebenssituation von Frauen im Wandel der Zeit befasste. Danach landete sie - unbeabsichtigt - in der IT-Branche und arbeitete einige Jahre als Projektmanagerin in London. Mittlerweile schreibt sie hauptberuflich und lebt mit ihrem Ehemann sowie ihren zwei jüngsten Kindern in Norfolk.

3


Juni 2021

Mathilde blieb einen Moment in der Abenddämmerung stehen und blickte an dem uralten Herrenhaus hoch. Es sah aus wie die alten englischen Gebäude, die sie aus Büchern und Filmen kannte, war allerdings viel größer als erwartet. Plump und breit, wie eine Englische Bulldogge, die in der Wärme des Abends döste. Die untergehende Sonne tauchte das Gebäude in ein weiches Rosa, die verwitterten Holzbalken, die sich über die helle Fassade zogen, wirkten wie ein dunkles Relief. Die Fenster – überwiegend aus winzigen Glasscheiben zusammengesetzt – reflektierten die letzten Sonnenstrahlen, glitzerten und funkelten Mathilde an.

Noch einmal schaute sie auf die Adresse, die in dem Brief angegeben war. Lutton Hall. Das war es eindeutig; als sie von der Landstraße abgebogen war, hatte sie ein altes, verblasstes Schild gesehen. Die Zufahrt war so lang, dass sie irgendwann schon dachte, es wäre einfach nur ein weiteres dieser lächerlich schmalen Sträßchen. Wuchernde Hecken und staubige Brennnesseln streiften ihren Van, bis sich die Straße schließlich zu einer breiten Einfahrt und einem großen Vorplatz öffnete. Der Schotter dort war unter einer dichten Decke aus Unkraut kaum mehr zu sehen. Überhaupt strahlte das gesamte Äußere etwas Ungeliebtes, Vernachlässigtes aus. Irgendwie schäbig. Mathilde empfand sofort eine Verbindung zu diesem Ort und hatte das Gefühl, dass es niemanden stören würde, wenn sie hier parkte. Sie wendete den Van, sodass er mit dem Hinterteil Richtung Gebäude stand. Sorg immer dafür, dass du jederzeit aufbrechen kannst: die wichtigste Regel, die ihre Mutter ihr beigebracht hatte.

Als sie vor dem großen Portal aus dunklem Holz stand, das mit schwarzen Riegeln besetzt war und sich unter einem glatten Steinsturz duckte, merkte sie, dass es weder einen Türklopfer noch eine Klingel gab. Also schlug sie fest mit der Faust dagegen, dann trat sie zur Seite und ging zu einem der Fenster. Sie beschirmte ihre Augen mit den Händen, lehnte sich an die Scheibe und versuchte hineinzuspähen. Der Raum war dunkel, und abgesehen von ein paar eckigen, weißen, aufragenden Formen konnte sie nichts erkennen.

»Ja, bitte, kann ich Ihnen helfen?« Mathildes Herz machte einen unangenehmen Satz, und sie drehte sich zu der Stimme um. In der nun offenen Tür stand eine Frau, die ungefähr in Mathildes Alter zu sein schien. Sie war etwas kleiner als sie, hatte aber dieselben tief liegenden Augen unter dicken, geraden Brauen. Mathildes Haar war viel dunkler und legte sich wie ein schwerer Vorhang über ihren Rücken, während die andere Frau ihr hellbraunes Haar zu einem Bob geschnitten trug. Etwas an ihr kam Mathilde vertraut vor.

»Ich habe einen Brief wegen dieses Hauses erhalten.« Mathilde kramte in ihrer Tasche nach dem Umschlag, der vom vielen Herausnehmen und wieder Hineinstecken knittrig und schmuddelig geworden war, und reichte ihn der Frau. Zum Glück war er auf Englisch verfasst, deshalb brauchte sie nichts zu erklären. Als die Frau ihn las, wurde sie bleich und gab Mathilde das Stück Papier zurück.

»Bitte kommen Sie rein«, krächzte sie und räusperte sich. Doch sie brachte auch ein zittriges Lächeln zustande, als sie zur Seite trat und den Arm hob, um Mathilde ins Haus zu bitten. Diese tat, wie ihr geheißen.

Die Eingangshalle war riesig und so einschüchternd, wie sie von außen vermuten ließ. An den mit dunklem Holz getäfelten Wänden hingen Ölgemälde von Menschen mit mürrischen Gesichtern. Hoch oben spannte sich ein Gewölbe wie in einer Kirche, das mit farbenprächtigen Bossen verziert war. Mit dem riesigen gemauerten Kamin und der wuchtigen Holztreppe, die sich an der Seite hinaufwand, wirkte der Raum wie eine Bühnenkulisse. Außerdem war es hier eiskalt. Mathilde schauderte ein wenig, als sie sich langsam um sich selbst drehte. Der Raum fühlte sich seltsam an, unruhig, und die Haare auf ihren Armen stellten sich auf. Es war nicht das erste Mal, dass sie sich in einem Gebäude so fühlte. Sie besaß die Fähigkeit, die Ausstrahlung eines Raums wahrzunehmen, die Erinnerungen darin zu erspüren, die nun herauszusickern und nach ihr zu greifen schienen. Den leisen Puls eines schlagenden Herzens, den sanften Atem in ihrem Nacken von jemandem, der einst hier gewesen, aber längst vergessen war. Solche Empfindungen waren ihr vertraut, allerdings waren sie noch nie so stark gewesen wie in diesem Gebäude. Etwas hier hatte auf sie gewartet. Auf der Lauer gelegen.

»Hier lang, wir sind in der Küche«, sagte die Frau über ihre Schulter hinweg, während sie in einem Korridor verschwand, der so düster aussah wie der Rest des Herrenhauses, und Mathilde folgte ihr rasch – mit dem unbehaglichen Gefühl, begleitet zu werden.

Sie betraten eine große, helle, offene Küche, die an einem Ende von einem uralten cremefarbenen Herd dominiert wurde. So einen hatte es auch in ihrer Kindheit gegeben, und er hatte ebenso viel Rauch wie Hitze ausgestoßen. Die Frau füllte gerade einen Wasserkessel und redete dabei – leider viel zu schnell, selbst für Mathildes eigentlich recht ordentliche Englischkenntnisse. Als sie sich umdrehte und in Erwartung einer Antwort fragend die Augenbrauen hob, zuckte Mathilde nur mit den Schultern.

»Tut mir leid, mein Englisch. Könnten Sie wohl ein wenig langsamer sprechen, bitte?« Sie hatte das Wort »Schwester« im Redeschwall der Frau erkennen können, was sie sehr verwirrte.

»Sorry, meine Schuld«, entschuldigte sich die Frau, während sie einen Stuhl herauszog und Mathilde bedeutete, sich zu setzen. Dann nahm sie Tassen aus dem Schrank und hielt sie hoch. »Tee?«

»Ja, gern«, sagte Mathilde und nickte. Ihr gegenüber saß ein kleines Mädchen auf der Kante eines Stuhls und beobachtete sie aufmerksam. Wer waren diese Leute, und warum war sie hierherbeordert worden? Der Brief hatte die Frau ganz offensichtlich schockiert. Sie wünschte, jemand würde ihr endlich erklären, weshalb sie hier war, in diesem uralten Haus, in diesem Land, in dem sie nicht sein wollte. Schließlich trug die Frau Teekanne und Tassen zum Tisch und stellte noch einen Teller voll dick belegter Käsesandwichs dazu. Dann setzte sie sich und schob Mathilde den Teller hin. »Hungrig?«, fragte sie.

Es war lange her, seit sie zum letzten Mal etwas gegessen hatte; mit einem kurzen dankbaren Nicken schnappte sich Mathilde ein Sandwich und verschlang es mit wenigen Bissen, dann gab sie zwei Löffel Zucker in ihren Tee und stürzte ihn hinterher. Die anderen beiden sahen ihr schweigend dabei zu.

Am Ende hatte sie alle Sandwiches aufgegessen, und es war Zeit, herauszufinden, was hier eigentlich vor sich ging. Sie holte den Brief wieder aus der Tasche, hielt ihn hoch und legte ihn dann auf den Tisch.

»Ich verstehe nicht, weshalb ich herkommen sollte«, erklärte sie, während sie mit der Hand das Stück Papier glatt strich. »Hier steht, dass ich diesen Mann treffen soll, diesen«, sie hielt inne, während sie den Brief überflog, »Mr. Murray, und es hat etwas mit diesem Haus zu tun. Was also soll ich hier?« Sie wedelte mit dem Brief vor der Frau herum.

»Ich weiß nicht, weshalb er sich in dem Brief so geheimnisvoll gibt, aber es geht um deinen Vater. Und seinen Tod.«

»Mein Vater ist vor fast dreißig Jahren gestorben, warum will jemand jetzt über ihn reden?« Mathilde hob verwirrt die Stimme.

Die Frau stutzte. »Moment mal. Wie kommst du darauf, er wäre vor dreißig Jahren gestorben? Er ist im Februar von uns gegangen. Ehrlich gesagt hätte ich nicht gedacht, dass sie dich finden würden. Hast du denn nicht gehört, was ich vorhin gesagt habe? Ich bin deine Schwester. Er war auch mein Vater.« Sie sprang auf und nahm ein kleines gerahmtes Foto von der Kommode hinter ihr und schob es über den Tisch. Der Mann darauf stand in einem ordentlich gepflegten Garten, den Fuß auf die Kante eines Spatens gestellt, während er in die Kamera grinste. Es fiel Mathilde schwer, das zuzugeben, aber sie wusste sofort, dass sie und dieser Mann verwandt waren.

»Das kann nicht sein«, polterte Mathilde. »Meiner Mutter wurde damals im Krankenhaus gesagt, dass er bei der Bombenexplosion zu schwer verletzt wurde, dass er höchstens noch Stunden zu leben hätte. Er wollte uns abholen, und dann war er tot. Man ließ uns nicht zu ihm, weil meine Mutter und er nicht verheiratet waren. Später hat man uns erzählt, er sei gestorben und bereits beerdigt.« Sie trank ihren Tee aus, funkelte die Frau über den Tisch hinweg wütend an und wartete auf eine Erklärung.

Das kleine Mädchen langweilte sich offenbar, es ließ sich vom Stuhl gleiten und verschwand durch eine Tür auf der anderen Seite des Raumes. Sekunden später waren die Geräusche eines Zeichentrickfilms zu hören. Die Frau lächelte und verdrehte die Augen, dann schloss sie die Tür, um den Geräuschpegel zu senken. Sie setzte sich auf den Stuhl, der Mathilde am nächsten stand, und ergriff ihre Hand. Mathilde sah, dass ihre eigenen Finger viel länger und dünner waren als die, die sie umfassten.

»Deine Hände.« Die Frau lächelte, während sie sie streichelte. »Genau wie seine.«

Mathilde zog die Hand weg. »Sag mir, weshalb ich wirklich hier bin«, bat sie.

»Ehrlich, das ist die Wahrheit, ich bin deine Schwester. Rachel.«

Mathilde begriff überhaupt nichts. Und das hatte nichts mit der Sprachbarriere zu tun. »Non. Ich habe keine Schwester«, erwiderte sie. »Warum sagst du so etwas?«

»Dein Vater war Peter Lutton – sieh mal, das steht hier in dem Brief, den sein Anwalt geschickt hat. Lutton Hall ist der Familiensitz. Na ja, er war auch mein Vater. Wir sind Schwestern. Halbschwestern, genauer...

Erscheint lt. Verlag 24.1.2023
Übersetzer Sonja Häußler
Sprache deutsch
Original-Titel The Queen's Spy
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Familienroman • Familiensaga • Frauenroman • Geheimnis Familie • Historienroman • Historische Romane • historische romane neuerscheinungen • Historischer Roman • historischer roman buch • Königin • Königin Elisabeth I • Liebesroman • Maria Stuart • Mary Stuart • Queen Elisabeth I • Roman Frauen • Spion • Spionage • Starke Frauen • Taubstumm • Tudors • unglückliche Liebe • Verlust
ISBN-10 3-365-00105-0 / 3365001050
ISBN-13 978-3-365-00105-9 / 9783365001059
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