Die Hennakünstlerin (eBook)

Roman

****

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
448 Seiten
Harpercollins (Verlag)
978-3-7499-0391-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Hennakünstlerin - Alka Joshi
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»Ich war von der ersten bis zur letzten Seite gebannt.« Reese Witherspoon
Die junge Lakshmi entflieht einer gewaltsamen Ehe und schlägt sich bis in die pulsierende Großstadt Jaipur durch. Dort steigt sie durch Talent und unbeugsamen Willen zu einer der hochangesehensten Hennakünstlerinnen des Landes auf. Während sie wohlhabende Frauen mit meisterhaften Hennaverzierungen schmückt, erfährt sie so manches gut gehütete Geheimnis der indischen Elite. Dabei ist sie selbst stets dazu gezwungen, über ihre Herkunft zu schweigen. Als Lakshmi mit ihrer Vergangenheit konfrontiert wird, steht ihre hart erarbeitete Freiheit auf dem Spiel. Dochsie ist nicht bereit, kampflos aufzugeben.

»Die Story [...] geht unter die Haut« Madonna

»Fesselnder Roman über eine mutige Frau im Indien der 1950er-Jahre.« Myself

»Die Beschreibung der Farben und Gerüche Indiens machen dieses Buch zu einem sinnlichen Hochgenuss.« Freundin



Alka Joshi wurde in Indien geboren und lebt seit ihrem neunten Lebensjahr in den USA. Sie hat in Stanford studiert und besitzt einen Master of Fine Arts vom California College of Arts. Mit 62 Jahren veröffentlichte Alka Joshi ihren Debütroman Die Hennakünstlerin. Der Roman stand monatelang auf der Bestsellerliste der New York Times und wird momentan als TV-Serie verfilmt.

EINS


Jaipur, Rajasthan, Indien
15. November 1955

Die Unabhängigkeit hatte alles verändert. Die Unabhängigkeit hatte nichts geändert. Acht Jahre nach dem Abzug der Briten hatten wir jetzt kostenlose staatliche Schulen, fließendes Wasser und befestigte Straßen. Aber Jaipur fühlte sich für mich noch genauso an wie vor zehn Jahren, als ich zum ersten Mal meinen Fuß auf seinen staubigen Boden gesetzt hatte. Auf dem Weg zu unserem ersten Termin an diesem Vormittag kollidierten Malik und ich beinahe mit einem Mann, der Zementsäcke auf seinem Kopf transportierte, als ein Fahrrad zwischen uns hindurchfuhr. Wegen des Radfahrers, der eine zwei Meter lange Leiter unter dem Arm hielt, streifte ein Pferdewagen ein Schwein, das quiekend in eine enge Gasse rannte. Einmal traten wir beiseite und ließen eine Band von Hijras passieren. In Saris gekleidet und mit Lippenstift geschminkt, sangen und tanzten sie vor einem Haus, um die Geburt eines Jungen zu segnen. Wir waren so an die Gerüche der Stadt gewöhnt – Kuhdung, Kochfeuer, Kokosnusshaaröl, Sandelholzräucherwerk und Urin –, dass wir sie kaum noch wahrnahmen.

Was die Unabhängigkeit tatsächlich verändert hatte, waren unsere Leute. Man konnte es an ihrer Haltung erkennen, den Brustkorb aufgebläht, als könnten sie es sich endlich erlauben zu atmen. Man sah es daran, wie sie zu ihren Tempeln gingen – entschlossen, stolz. Wie sie auf dem Basar mit den Verkäufern feilschten – kühner als früher.

Malik pfiff nach einer Tonga. Er war ein kleiner Junge, dünn wie ein Schilfrohr. Sein Pfeifen, laut genug, dass man es sogar noch in Bombay hören musste, überraschte mich immer wieder. Er hob unsere schweren Tiffins in den Pferdewagen, und der Tonga-Walla fuhr uns widerwillig die kurzen fünf Blöcke bis zum Anwesen der Singhs. Der Pförtner sah, wie wir aus der Tonga ausstiegen.

Vor der Unabhängigkeit hatten die meisten Familien in Jaipur in beengten Familienverbänden in der rosa Altstadt Pink City gewohnt. Aber die ganze Zeit über hatten Generationen von Singhs auf einem teuren Anwesen außerhalb der Stadtmauern gelebt. Sie gehörten der herrschenden Klasse an – Rajas und unbedeutende Prinzen, Armeeoffiziere – und waren lange an Privilegien vor, während und sogar noch nach der britischen Herrschaft gewöhnt. Das Anwesen der Singhs befand sich an einem breiten Boulevard, der von Peepal-Bäumen gesäumt wurde. Zweieinhalb Meter hohe Wände mit Glasscherben auf der Mauerkrone schützten das zweigeschossige Gebäude vor Blicken. Eine mit Bougainvilleen und Jasminranken überwucherte Marmorveranda zog sich über die Vorderseite und die Seiten von jedem Geschoss und kühlte die Häuser im Sommer, wenn Jaipur so heiß wie ein Tandoori-Ofen werden konnte.

Nachdem der Chowkidar der Singhs unsere Ankunft in der Kutsche mitbekommen hatte, entluden wir unsere Fracht. Malik blieb zurück, um mit dem Pförtner zu schwatzen, während ich den befestigten Steinweg hinunterging, der von einem weiten gepflegten Rasen flankiert wurde, und die Steinstufen zur Veranda von Parvati Singh hinaufstieg.

An diesem Vormittag im November war die Luft frisch, aber feucht. Lala, Parvati Singhs dienstälteste Haushaltshilfe und Kindermädchen ihrer Söhne, begrüßte mich an der Tür. Als Zeichen des Respekts zog sie den Sari über ihre Haare.

Ich lächelte und legte meine Hände zu einem Namaste zusammen. »Hast du das Magnolienöl verwendet, Lala?« Bei meinem letzten Besuch hatte ich ihr eine Flasche von meinem Mittel gegen schwielige Fußsohlen gegeben.

Sie verbarg ein Lächeln hinter ihrem Pallu, während sie einen nackten Fuß ausstreckte und ihn verdrehte, um mir ihre glatte Ferse zu zeigen. »Hahn-ji«, sagte sie leise lachend.

»Shabash«, gratulierte ich ihr. »Und wie geht es deiner Nichte?« Lala hatte ihre fünfzehnjährige Nichte vor sechs Monaten zum Arbeiten mit in den Singh-Haushalt gebracht.

Die alte Frau runzelte die Stirn, und ihr Lächeln verschwand. Aber als sie den Mund öffnete, um mir zu antworten, rief ihre Herrin von drinnen: »Lakshmi, bist du das?«

Lalas Gesicht verschloss sich schnell wieder, sie lächelte angespannt und deutete mit einem Neigen des Kopfes an, dass es ihr gut ging. Sie wandte sich zur Küche und überließ es mir, den Weg zu Parvatis Schlafzimmer selbst zu finden, wo ich schon so viele Male gewesen war.

Parvati saß an ihrem Schreibtisch aus Rosenholz. Sie warf einen Blick auf ihre schmale goldene Armbanduhr, bevor sie sich wieder dem Brief zuwandte, den sie gerade schrieb. Da sie selbst auch äußerst pünktlich war, hasste sie es, wenn andere sich verspäteten. Ich hingegen war daran gewöhnt zu warten, während sie eine schnelle Nachricht an Nehru-ji schrieb oder ein Telefonat mit einem Mitglied der indo-sowjetischen Liga beendete.

Ich stellte meine Tiffins ab und arrangierte die Kissen auf Parvatis cremeweißem Seidendiwan, während sie den Brief versiegelte und nach Lala rief.

Statt der alten Dienerin erschien Lalas Nichte. Sie hielt ihre großen, dunklen Augen auf den Fußboden gerichtet und hatte die Hände vor dem Bauch gefaltet.

Parvati runzelte die Stirn. Sie musterte das Mädchen und sagte nach einer winzigen Pause: »Zum Mittagessen erwarten wir einen Gast. Sorge dafür, dass wir Boondi Raita haben.«

Das Mädchen erbleichte. Sie sah aus, als würde ihr gleich schlecht werden. »Wir haben keinen frischen Joghurt, Memsahib.«

»Warum nicht?«

Das Mädchen trat verlegen von einem Fuß auf den anderen. Ihre Augen suchten im türkischen Teppich, dem gerahmten Foto des Premierministers, dem verspiegelten Cocktailschrank nach einer Antwort.

Als Parvati sprach, waren ihre Worte glasklar und scharf. »Sorge dafür, dass es Boondi Raita zu Mittag gibt.«

Die Unterlippe des Mädchens zitterte. Sie sah mich flehentlich an.

Ich ging zu den Fenstern, die zum hinteren Garten hinausgingen. Parvati war auch meine Herrin, und ich konnte dem Mädchen genauso wenig helfen wie das Tigerfell an der Wand.

»Lass Lala heute den Tee bringen.« Parvati schickte das Mädchen fort und ließ sich auf den Diwan sinken. Jetzt konnte ich damit beginnen, ihre Hände zu bemalen. Ich setzte mich an meinen üblichen Platz am anderen Ende des Diwans und nahm ihre Hände in meine.

Bevor ich nach Jaipur kam, ließen sich meine Damen die Hände und Füße von Frauen aus der niedrigen Shudra-Kaste mit Henna bemalen. Aber die Shudra-Frauen malten das, was vor ihnen ihre Mütter gemalt hatten: einfache Punkte, Striche und Dreiecke. Gerade genug, um sich ein mageres Einkommen damit zu verdienen. Meine Muster waren aufwendiger – sie erzählten Geschichten von den Frauen, denen ich diente. Außerdem war meine Hennapaste feiner und seidiger als die Mixtur der Shudra-Frauen. Ich machte mir die Mühe, eine Lotion aus Zitrone und Zucker in die Haut meiner Damen zu massieren, bevor ich das Henna auftrug, damit das Muster wochenlang hielt. Je dunkler das Henna, desto mehr wurde eine Frau von ihrem Ehemann geliebt – zumindest glaubten meine Kundinnen das –, und meine üppigen zimtfarbenen Designs enttäuschten sie nie. Inzwischen glaubten meine Kundinnen, dass mein Henna ihre untreuen Ehemänner zurück in ihre Betten bringen oder ihren Gebärmüttern ein Baby entlocken konnte. Deshalb verlangte ich zehnmal so viel wie die Shudra-Frauen. Und bekam es auch.

Selbst Parvati schrieb die Geburt ihres jüngeren Sohnes meinen Henna-Fähigkeiten zu. Sie war meine erste Kundin in Jaipur gewesen. Als sie schwanger wurde, füllten sich die Seiten in meinem Terminkalender mit den Damen aus ihrem Bekanntenkreis – der Elite von Jaipur.

Während das Henna auf ihren Händen trocknete und ich anfing, ihre Füße zu bemalen, beugte Parvati sich vor, um mir dabei zuzusehen, bis unsere Köpfe sich beinahe berührten. Ihr Atem roch süß nach Betelnuss. Ihr warmer Seufzer streifte meine Wange. »Du hast mir erzählt, dass du Indien niemals verlassen hast, aber dieses Feigenblatt habe ich bisher nur in Istanbul gesehen.«

Ich hielt den Atem an, und für einen Moment überkam mich wieder meine alte Angst. Auf Parvatis Füße hatte ich die Blätter des türkischen Feigenbaums gemalt – so ganz anders als sein Cousin aus Rajasthan, der Banyan, dessen dürftige Früchte sich nur für die Vögel eigneten. Auf ihre Fußsohlen, ausschließlich für die Blicke ihres Ehemanns bestimmt, malte ich eine große Feige, voll und sinnlich, in zwei Hälften geteilt.

Als sich unsere Blicke trafen, lächelte ich und drückte sie sanft an der Schulter zurück auf die Kissen des Diwans. Mit hochgezogener Augenbraue fragte ich: »Ist es das, was Ihrem Ehemann auffallen wird? Dass die Feigen türkisch sind?«

Ich zog einen Spiegel aus meinem Ranzen und hielt ihn an das Gewölbe ihres rechten Fußes, sodass sie die winzige Wespe sehen konnte, die ich neben die Feige gemalt hatte. »Ihr Ehemann weiß ganz gewiss, dass jede Feige eine besondere Wespe braucht, um die Blume tief in ihrem Inneren zu befruchten.«

Sie hob überrascht die Augenbrauen. Ihre dunklen, pflaumenroten Lippen teilten sich. Sie lachte, ein herzhaftes Röhren, das den Diwan erschütterte. Parvati war eine attraktive Frau mit wohlgeformten Augen und einem großzügigen Mund, die Oberlippe voller als die Unterlippe. Ihre farbenprächtigen Saris, wie der fuchsiafarbene Seidensari, den sie heute trug, ließen ihren Teint strahlen.

...

Erscheint lt. Verlag 28.6.2022
Reihe/Serie Die Jaipur-Trilogie
Die Jaipur-Trilogie
Übersetzer Birte Mirbach
Sprache deutsch
Original-Titel The Henna Artist
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte bücher für frauen • Bücher Indien • Der Duft von bitteren Orangen • Drachenläufer • Emanzipation • Frauenroman • Frauenschicksal • Henna • Hennakunst • Hinter dem Regenbogen • Historischer Roman • Indien • Indien Buch • Jaipur • Kastensystem • Kultur • Lakshmi • Moderne • Roman • Roman Indien • Starke Frauen • Tausend strahlende Sonnen • Tradition • Traumsammler • Während die Welt schlief
ISBN-10 3-7499-0391-3 / 3749903913
ISBN-13 978-3-7499-0391-7 / 9783749903917
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