Die Wächterinnen von New York (eBook)
544 Seiten
Tropen (Verlag)
978-3-608-11860-5 (ISBN)
N. K. Jemisin ist eine in Brooklyn lebende Autorin und die erste Gewinnerin von drei Hugo Awards in Folge. Zuletzt gewann sie den Locus Award für Die Wächterinnen von New York. Neben insgesamt vier gewonnen Hugo Awards wurden ihre Kurzgeschichten und Romane mehrfach für den World Fantasy, Locus und Nebula Award nominiert und standen auf der Shortlist für den Crawford und den James Tiptree, Jr. Award. Sie ist Science-Fiction und Fantasy-Rezensentin für die New York Times.
N. K. Jemisin ist eine in Brooklyn lebende Autorin und die erste Gewinnerin von drei Hugo Awards in Folge. Zuletzt gewann sie den Locus Award für Die Wächterinnen von New York. Neben insgesamt vier gewonnen Hugo Awards wurden ihre Kurzgeschichten und Romane mehrfach für den World Fantasy, Locus und Nebula Award nominiert und standen auf der Shortlist für den Crawford und den James Tiptree, Jr. Award. Sie ist Science-Fiction und Fantasy-Rezensentin für die New York Times. Benjamin Mildner, geboren 1984, hat Anglistik und Literatur studiert. Zu seinen bisherigen Übersetzungen zählen u. a. William Gibson und Shaun Prescott sowie mehrere Graphic Novels. Er lebt und arbeitet in Berlin.
»[Heutzutage] ist Jemisin einer der größten Namen in der zeitgenössischen Science-Fiction und bricht als schwarze Frau in einem von Männern dominierten Bereich ständig mit dem Status quo.« Saturday Morning
»Mit diesem Buch wird Jemisin die Leute in ihren Bann ziehen ... auch die, die normalerweise kein Genre lesen.« Booklist
»N.K. Jemisin fächert ein faszinierendes Panorama New Yorker Lebenswelten und urbaner Subkulturen auf, in dem Großstadtarchitektur und Grundstücksspekulationen in Brooklyn ebenso eine Rolle spielen wie Graffitikunst in der Bronx, Rap-Musik, die Geschichte afroamerikanischer Communitys und das Erbe politischer Kämpfe der 60er Jahre.«
Florian Schmid, Landshuter Zeitung, 01. Mai 2022
»>Die Wächterinnen von New York< ist ein weiteres Beispiel für Jemisins unübertroffenes Genie, wenn es darum geht, den rassischen Kapitalismus in eine epische Fantasie zu verweben [...] der Roman erklärt, dass der Einsatz von sozialer Macht, die Bedeutung der Behauptung, dass die Welt den Marginalisierten gehört, nichts weniger als episch ist.« Los Angeles Review of Books
»Modern, poetisch, philosophisch, wütend, queer, wild, laut, wunderschön und in gewohnt beeindruckender schriftstellerischer Qualität verbindet Jemisin Urban- Fantasy und love-craft'schen SciFi-Horror mit gesellschaftskritischen Themen wie Rassismus, Diskriminierung, Armut, LGBTQIA+.«
Sabrina Ryssel, Lovely Books, 17. April 2022
»Die gefeiertste Science Fiction und Fantasy-Autorin ihrer Generation. Jemisin scheint einfach alles zu gelingen!« New York Times
»Wer den Puls der modernen Großstadt und mehr noch den Herzschlag der modernen F/SF fühlen will, muss N.K. Jemisin lesen!«
Christian Endres, Geek!, Mai/Juni 2022
»In ihren Büchern verdichtet N. K. Jemisin ganz realen Rassismus auf eine Weise, die die Wahrheit dahinter sichtbar macht.« Washington Post
»Ein getreuer Spiegel der Zeit.«
Jens Balzer, die Zeit, 25. Mai 2022
»Die seriengerecht gecasteten Hauptfiguren und das Handlungsgerüst mit allerlei New-York-typischer Herumfahrerei erlauben es Jemisin, ein in jeder Hinsicht inklusives und diverses Stadtporträt zu zeichnen.«
Richard Kämmerlings, Welt am Sonntag, 13. März 2022
»In diesem Urban-Fantasy-Setting mit Horrorelementen erweist sich die Autorin […] erneut als ein versatiles Ausnahmetalent, das zurecht zu den wichtigsten zeitgenössischen Phantastikautor*innen gezählt wird.«
Phantastik-Bestenliste, August 2022
»Die Wächterinnen von New York stellt sich breit aufgestellt auf die Seite von Zuflucht, Familie und Liebe. Es ist ein freudiger Aufschrei, ein Rückruf und ein Aufruf zu den Waffen.« The New York Times
»N.K. Jemisin verwebt genial die fantastische und die reale Welt miteinander.«
Florian Schmid, ND Pop-up-Beilage, 19./20. März 2022
»Ein Weckruf für New York. Kämpferisch, poetisch, kompromisslos.« Kirkus
»Unkonventionell, überraschend, leise und doch voller innerer Wucht«
Carsten Kuhr, Phantastik-News, 21. Mai 2022
»Die Autorin beherrscht ihr Metier: Die Figuren sind filmreif, griffig und divers.«
Volker Dettmar, der evangelische Buchberater, Mai 2022
Prolog
Also, das war so
Ich besinge die Stadt.
Diese scheiß Stadt. Ich stehe auf dem Dach eines Gebäudes, in dem ich nicht wohne, und breite meine Arme aus und spanne meinen Bauch an und schreie sinnloses Geheul rüber zu der Baustelle, die mir die Sicht versperrt. Eigentlich besinge ich die Stadt, die dahinter liegt. Die wird das schon verstehen.
Sonnenaufgang. Die feuchte Luft macht, dass sich meine Jeans schmierig anfühlt, oder vielleicht liegt das auch daran, dass sie schon seit Wochen nicht gewaschen worden ist. Ich hätte genug Kleingeld, um sie waschen und trocknen zu lassen, nur leider keine zweite Hose, die ich in der Zwischenzeit anziehen könnte. Vielleicht kauf ich mir von dem Geld lieber eine Hose beim Goodwill die Straße runter … aber jetzt noch nicht. Jetzt muss ich erst noch AAAaaaAAAaaa (Luft holen) aaaAAAaaaaaa machen und zuhören, wie diese eine Silbe von jeder Fassade in der Umgebung zurückhallt. In meinem Kopf läuft die »Ode an die Freude« über einen Beat von Busta Rhymes. Meine Stimme bringt das Ganze nur zusammen.
Halt deine verdammte Fresse!, schreit irgendjemand, also verbeuge ich mich und gehe von der Bühne.
Doch mit der Hand an der Tür zum Treppenhaus bleibe ich stehen und drehe mich noch einmal um und lausche stirnrunzelnd, denn für einen Moment habe ich etwas gehört, das gleichzeitig weit entfernt und sehr vertraut meinen Gesang beantwortet hat, tief wie eine Bassstimme. Irgendwie neckisch.
Und von noch weiter weg höre ich etwas anderes: ein dissonantes, lauter werdendes Grummeln. Oder vielleicht ist das nur das leise Knurren, mit dem sich Polizeisirenen ankündigen? Jedenfalls nichts, was mir gefällt. Ich hau ab.
»Das muss immer auf eine ganz bestimmte Weise ablaufen«, sagt Paulo. Er raucht schon wieder, die Sau. Ich hab ihn noch nie essen gesehen. Er benutzt seinen Mund nur zum Rauchen, Kaffeetrinken und Reden. Irgendwie schade; ist eigentlich ein hübscher Mund.
Wir sitzen in einem Café. Ich sitze hier mit ihm, weil er mich zum Frühstück eingeladen hat. Die Leute im Café schauen ihn aus dem Augenwinkel an, weil er für sie nicht richtig weiß ist, aber sie wissen auch nicht, was er stattdessen ist. Mich schauen sie aus dem Augenwinkel an, weil ich definitiv Schwarz bin und weil die Löcher in meinen Klamotten nichts mit Mode zu tun haben. Ich stinke nicht, aber diese Leute hier können jeden, der kein Aktiendepot hat, auf einen Kilometer Entfernung riechen.
»Aha«, sage ich, während ich in ein Eiersandwich beiße und mir fast in die Hose mache vor Freude. Echtes Ei! Emmentaler! Das ist so viel besser als dieser McDonald’s-Scheiß.
Der Typ hört sich gerne reden. Ich mag seinen Akzent; hat was Nasales, Zischendes, ganz anders als bei Spanischsprechern. Seine Augen sind riesig, und ich denke mir, Wenn ich solche Kulleraugen hätte, würde man mir so viel mehr durchgehen lassen. Aber er wirkt älter, als er aussieht – sehr viel älter. Er hat nur ein paar feine, ehrwürdige graue Strähnen an den Schläfen, aber ich hab das Gefühl, er ist, keine Ahnung, hundert.
Er schaut mich auch aus dem Augenwinkel an, aber anders, als ich es sonst kenne. »Hörst du mir überhaupt zu?«, fragt er. »Das ist wichtig.«
»Jo«, sage ich und beiß noch mal von meinem Sandwich ab.
Er lehnt sich vor. »Ich hab’s zuerst auch nicht geglaubt. Hong musste mich in die Kanalisation zerren, runter in die stinkende Dunkelheit, und mir die wachsenden Wurzeln zeigen, die knospenden Zähne. Ich hatte es schon mein ganzes Leben lang atmen gehört. Ich dachte, jeder hätte das.« Er hält inne. »Hast du es schon gehört?«
»Was gehört?«, frage ich. Falsche Antwort. Es ist ja nicht so, als würde ich nicht zuhören. Es interessiert mich nur einen Scheiß.
Er seufzt. »Du musst zuhören.«
»Ich hör doch zu!«
»Nein. Ich meine, hör zu, aber nicht mir.« Er steht auf, wirft einen Zwanziger auf den Tisch – was nicht nötig wäre, weil er das Sandwich und den Kaffee schon am Tresen bezahlt hat und weil es in diesem Café sowieso keine Bedienung gibt. »Komm am Donnerstag wieder hierher.«
Ich nehme den Zwanziger, befühle ihn, stecke ihn in die Tasche. Ich hätt’s ihm auch nur für das Sandwich besorgt, oder weil mir seine Augen gefallen, aber was soll’s. »Hast du ’ne Wohnung?«
Er blinzelt, und schaut dann sehr genervt. »Hör zu«, befiehlt er mir noch mal, und geht.
Ich sitze noch so lange da, wie ich kann, esse mein Sandwich so langsam wie möglich, trinke in kleinen Schlückchen den Rest seines Kaffees, genieße die Vorstellung, ich wäre normal. Ich beobachte die Menschen, beurteile das Aussehen anderer Stammgäste; aus dem Stand improvisiere ich ein Gedicht aus der Perspektive eines reichen weißen Mädchens, das einen armen Schwarzen Jungen in ihrem Coffeeshop sieht und eine Existenzkrise hat. Ich stelle mir vor, wie Paulo von meiner Kultiviertheit beeindruckt ist und mich bewundert, anstatt mich nur für irgendeinen dummen Straßenjungen zu halten, der nicht zuhört. Ich male mir aus, wie ich nach Hause in eine hübsche Wohnung gehe, mit einem weichen Bett und einem Kühlschrank bis oben hin voll mit Essen.
Auf einmal kommt ein Bulle rein, ein fetter, rosiger Typ, der Kaffee für sich und seinen Partner im Streifenwagen holt, und mit leerem Blick schaut er sich im Laden um. Ich stelle mir Spiegel um meinen Kopf herum vor, einen rotierenden Zylinder aus Spiegeln, der seinen Blick einfach abprallen lässt. Das bewirkt eigentlich nichts – es ist nur etwas, das ich mache, um meine Angst in den Griff zu kriegen, wenn die Monster in der Nähe sind. Zum ersten Mal funktioniert es aber irgendwie: Der Bulle schaut sich um, bleibt aber nicht an dem einzigen Schwarzen Gesicht im Café hängen. Glück gehabt. Ich haue ab.
Ich bemale die Stadt. Als ich noch zur Schule ging, gab es einen Künstler, der immer freitags in die Schule kam und uns kostenlos Dinge beibrachte wie Perspektive und Licht und anderen Scheiß, für den weiße Leute auf die Kunsthochschule gehen. Dieser Typ hatte das auch gemacht, allerdings war er Schwarz. Ich hatte noch nie einen Schwarzen Künstler gesehen. Für eine kurze Zeit glaubte ich, ich könnte auch einer sein.
Und manchmal kann ich das auch. In der tiefen Nacht, auf einem Dach in Chinatown, mit einer Sprühdose in jeder Hand und einem Eimer Wandfarbe, den jemand rausgestellt hat, nachdem er sein Wohnzimmer fliederfarben gestrichen hat, wirbele ich in trippelnden, krebsartigen Bewegungen umher. Von der Wandfarbe kann ich nicht allzu viel benutzen; die blättert nach ein paar Regenschauern wieder ab. Spraydosen sind immer besser, aber ich mag den Kontrast zwischen den beiden Texturen – flüssiges Schwarz auf rauem Flieder, roter Rand um schwarze Flächen. Ich male ein Loch. Es ist wie eine Kehle, die nicht als Mund beginnt und in Lungenflügeln endet; ein Ding, das unaufhörlich atmet und schluckt und nie voll ist. Niemand wird es sehen, außer den Passagieren, die den LaGuardia-Flughafen von Südwesten anfliegen, ein paar Touristen auf Helikopter-Rundflügen und den Leuten von der Luftüberwachung der NYPD. Mir ist egal, was sie darin sehen. Ich male es nicht für sie.
Es ist echt spät. Ich weiß nicht, wo ich heute Nacht schlafen soll, also mache ich das hier, um wach zu bleiben. Wenn nicht Monatsende wäre, würde ich in die U-Bahn gehen, aber die Bullen, die ihre Quote noch nicht erfüllt haben, würden Stress machen. Man muss hier aufpassen; westlich von der Chrystie Street hängen einige von diese scheiß chinesischen Kids rum, die so tun, als wären sie eine Gang, und ihr Revier verteidigen, also halte ich mich bedeckt. Ich bin dünn und dunkel; das ist praktisch. Ich will doch nur malen, Mann, es ist einfach in mir drin und muss raus. Ich muss diese Kehle aufmachen. Ich muss, ich muss … ja. Ja.
Ein leises, seltsames Geräusch ist zu hören, als ich den letzten schwarzen Pinselstrich auftrage. Ich halte inne und schaue mich um, kurzzeitig verwirrt – und auf einmal seufzt die Kehle hinter mir. Ein großer, schwerer Schwall feuchter Luft kitzelt die Haare in meinem Nacken. Ich habe keine Angst. Dafür habe ich das gemacht, auch wenn ich das am Anfang noch nicht verstanden habe. Keine Ahnung, warum ich es jetzt weiß. Doch als ich mich umdrehe, ist es wieder nur Farbe auf einem Dach.
Paulo hat keinen Blödsinn erzählt. Hm. Oder vielleicht hat Mama recht gehabt, und ich bin noch nie ganz richtig im Kopf gewesen.
Ich springe in die...
Erscheint lt. Verlag | 19.3.2022 |
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Übersetzer | Benjamin Mildner |
Verlagsort | Stuttgart |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
Schlagworte | afroamerikanisch • American Gods • Antirassismus • Avatar • broken earth • Bronx • Brooklyn • Cthulhus Ruf • Fantasy • Gentrifizierung • H. P. Lovecraft • Hugo Award • LGBTQ • Locus Award • Manhattan • Minderheiten • Neil Gaiman • Neuerscheinung 2023 • New Jersey • New York • poc • Popliteratur • Queens • Queer • Queere Literatur • Rassismus • Sao Paulo • Starbucks • Staten Island • Urban • Urban Fantasy • weihnachtsgeschenk für tochter • woke |
ISBN-10 | 3-608-11860-8 / 3608118608 |
ISBN-13 | 978-3-608-11860-5 / 9783608118605 |
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Größe: 6,2 MB
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