Zwischen Dosenbier und Dinkelstangen -  Paul Berger

Zwischen Dosenbier und Dinkelstangen (eBook)

Der etwas andere Weg zum Psychotherapeuten

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
310 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7557-9054-9 (ISBN)
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Der 31- jährige Paul Berger hat vor kurzem sein Psychologie - Studium beendet und darf sich nun ganz offiziell "Psychologe" nennen. Da er allerdings weiterhin nicht das Gefühl hat, zu verstehen, wie man Menschen in emotionale Krisen helfen kann, entscheidet er sich, die mehrjährige Weiterbildung zum "Psychotherapeuten für Verhaltenstherapie" anzuschließen. Fortan bewegt sich Paul zwischen verschiedenen Lebenswelten: Auf der einen Seite genießt er das gesellige Beisammensein im Kreise seiner bierdurstigen Kreisligafußball-Truppe, die fieberhaft den nächsten Ballermann-Urlaub anvisiert. Auf der anderen Seite trifft Paul auf angehende Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen, die sich mit ihren eigenen Sinnkrisen konfrontiert sehen und anstatt einer Reise in das siebzehnte Bundesland Selbstfindungsreisen nach Asien planen. Im Zuge der Weiterbildung, die neben der Arbeit in einer Psychiatrie und einer psychotherapeutischen Praxis auch unzählige Theorieseminare am Wochenende beinhaltet, lernt Paul nicht nur viel über sich selbst, sondern auch wie man verschiedene psychologische Störungsbilder therapiert und was die vermeintlich konträren Lebenswelten gemeinsam haben und voneinander lernen können.

Der 31- jährige Paul Berger hat vor kurzem nach 15 harten Semestern sein Psychologie- Studium beendet. Er pendelt zwischen Kreisliga-Fußball und Psychotherapeuten-Ausbildung. Sensibel, gemütlich, arbeitsscheu, mit schwarzem Humor. Ein verträumter, nicht immer nach den Regeln handelnder Zeitgenosse, der Fettnäpchen förmlich anzieht.

Sind wir hier richtig?!


Nach 30 Sekunden des unangenehmen Schweigens und konsequentem Vermeiden jeglichen Blickkontakts im Aufzug sind wir im vierten Stock angekommen. Wir stehen vor einer Glastür. An dieser hängt ein vergilbtes Din A4-Blatt mit Eselsohren und der Aufschrift „VFVT Ausbildungsambulanz für Psychotherapie” befestigt mit einem kleinen Streifen Tesafilm.

„Da sind wir ja!”, stößt Frauke jubelnd aus und öffnet energisch die Tür. Lukas und ich trotten hinterher. Schon unmittelbar beim Betreten bemerke ich einen sonderbaren Geruch. Es riecht irgendwie modrig, nach nassem Hund. Der Boden besteht aus einem grau melierten Teppich, der an einigen Stellen schon ziemlich durchgetreten ist. Seine Farbe beißt sich mit der eierschalfarbenen Wand. Ich kann nicht genau einschätzen, ob das wirklich die ursprünglich aufgetragene Wandfarbe ist oder ein Weißton, der im Laufe der Jahre, genau wie das Türschild vergilbt ist. Rechts von uns tut sich so etwas wie ein Wartebereich auf, in dem wohl die Patienten Platz nehmen sollen, um auf die Therapiestunde zu warten. Er besteht aus ungefähr zehn Stühlen, die alle nicht zusammenpassen. Auf einem kleinen typischen Ikea-Beistelltisch türmen sich „Brigitte”-Ausgaben, welche abgegriffen aussehen. Eine selbstbewusste, vollschlanke Frau blickt mich vom Cover aus herausfordernd an. „Wir sind mehr als Bauch, Beine, Po!”, Ausgabe 06/ 2013.

„Sind wir hier wirklich richtig...?”, frage ich zögernd.

„Ich hab’s dir doch gesagt!”, kommentiert Lukas grinsend meinen skeptischen Blick.

„Na klar, an der Tür steht es doch. Lass uns doch mal umsehen, wir scheinen die ersten zu sein. Wie aufregend es hier doch ist!”, sprudelt es aus Frauke voller Enthusiasmus heraus, während sie an Lukas vorbeitritt und die Tür mit der Aufschrift „Raum 8” betritt. Lukas und ich folgen ihr stillschweigend und betreten ein kleines Zimmer mit zwei Rattanstühlen und einem kleinen Tisch. An der Fensterseite steht eine riesige Topfpflanze. Ihre Blätter sind zu 70% abgestorben, verteilen sich braun auf dem Boden. Hat sie sich aufgrund des tristen Ambientes vielleicht selbst das Leben genommen? Direkt daneben steht eine neongrüne, poröse Isomatte aus den 80ern, die sich an einigen Stellen auflöst. Ebenfalls im Raum befindet sich ein kleines Regal, auf dem ein winziger Röhrenfernseher steht, daneben ein DVD-Player. Beide Geräte sind nicht angeschlossen und wirken aufgrund des mächtigen Staubfilms, der sie bedeckt, auch nicht so, als wären sie regelmäßig in Betrieb. Von ihnen gehen gefühlt unverhältnismäßig viele Kabel für viel zu wenig Elektronik aus, die völlig verworren und tot Richtung Boden hängen. Ich nähere mich dem Schreibtisch, dessen Platte aus Glas besteht und von fettigen Fingerabdrückens übersät ist. Insgesamt sieht hier alles völlig zusammengeschustert aus und erinnert mich irgendwie an ein notdürftig eingerichtetes WG-Zimmer, dessen Mobiliar aus sieben Wohnungsauflösungen zusammengesucht wurde. Alles wirkt deplatziert, unzusammenhängend. Von skandinavischen Innenarchitekten, die damit beauftragt wurden, den Nachfolgern Sigmund Freuds einen modernen Lerntempel vor die Nase setzten, war weit und breit nichts zu sehen. Ich tippe mit dem Fuß gegen eine vergilbte Steckdose in der Ecke. Ein bisschen von dem maroden Plastik fällt daraufhin ab. Überhaupt befinden sich in dem Raum zu viel komische elektrische Anschlüsse in den Leisten, die ich noch nie im Leben gesehen hatte. Sehr wahrscheinlich gibt es hierfür auch gar kein passendes Endgerät mehr.

„Wow! Einfach nur wow!”

Auch Frauke meldet sich zu Wort. Anders als Lukas und ich wirkt sie euphorisiert, hat ein Leuchten in den Augen.

„Unglaublich oder? Spürt ihr das? Ich finde das unglaublich beeindruckend. Die Aura dieses Raums. Wie viele Therapiesitzungen haben hier wohl stattgefunden? Hier kamen die verschiedensten Charaktere zusammen, jeder ganz individuell auf seine Art, völlig andere Hintergründe und Gefühlswelten. Ein kleines Stück Psychotherapiegeschichte. Völlig faszinierend.”

Während sie spricht, gleitet sie förmlich durch den Raum, berührt ein Möbelstück nach dem anderen und bleibt schließlich vor dem Flipchart stehen, auf dem noch ausgebleichte, undeutliche Buchstaben zu erkennen sind, die man scheinbar nach all den Jahren des Gebrauchs nicht mehr komplett wegbekommt. Was ist denn mit der los? Der ganze Raum erinnerte mich spontan an die baufällige Kabine der VFR Sinnersdorf, die vom 67-jährigen Hubert, Alkoholiker und Platzwart in Personalunion, gepflegt wird. Lukas und ich schauen uns an, Lukas verdreht die Augen. Anscheinend denkt er das gleiche wie ich.

„Eh ja... Lass‘ mal rübergehen, glaube da ist der Seminarraum”, antwortet Lukas, ohne auf Fraukes überschwängliche Interpretation der ganzen Nummer einzugehen.

„Super Idee, Lukas!” Frauke, der Wirbelwind, fegt an uns vorbei raus auf den Gang. Ich trotte hinterher, als Lukas mir leise zuflüstert: „So schlimm hatte ich es gar nicht in Erinnerung, hab damals nur das eine Zimmer gesehen... Das sieht hier ja aus wie Dresden 45.”

„Der letzte Laden! Bei der ganzen Kohle müsste hier eigentlich der rote Teppich für uns ausgelegt werden...”, stimme ich zu.

Im Seminarraum sieht es nicht viel anders aus. Es ist quasi der Therapieraum in groß. An der Wand hängt ein altes Plakat vom „World Congress of Cognitive and Behavioural Therapies” aus dem Jahre 2013, daneben irgendwelche Fotos vom „Sommerfest 2012”auf ein Plakat geklebt. In der Ecke steht ein Overheadprojektor. Ein Overheadprojektor! Gedanklich suche ich nach der letzten Station in meinem Leben, auf der ich Kontakt mit diesem steinzeitähnlichen Gerät hatte. Ich komme zu dem Schluss, dass es in der 9. Klasse gewesen sein muss, als Onur vor der Deutschstunde bei Frau Lammfeld einen riesigen Pimmel samt Sack und Sackhaaren mit Permanentmarker auf die Projektionsfläche gemalt hatte und der danach auch mit Nagellackentferner nie wirklich weg ging und uns bis zum Abitur begleitete. Neben dem Overheadprojektor steht ein Schrank mit einer Art „Rolltür”. Kein Plan, ob die Dinger so heißen, jedenfalls erinnert dieses klobige Ungetüm mich unweigerlich an 70er Jahre Filme, in denen in solchen Schränken irgendwelche Filmspulen gelagert wurden. Ich kam mir vor wie ein Zeitreisender. Was für eine abgeranzte Bude... Wie konnte das sein, bei all der Kohle, die wir zahlen müssen und die zusätzlich durch unzählige geleistete Therapiestunden reinkommt? Irgendwas an der Nummer hier ist faul.

Wir scheinen tatsächlich die ersten zu sein. Während Frauke völlig besessen weiter die „beeindruckende Atmosphäre” aufsaugt, lassen Lukas und ich uns in die unbequemen Stühle auf der Fensterseite des Raums fallen, die in einer U-Form angeordnet sind. Wenn das so weitergeht und zu der einen Frauke weitere 15 Fraukes hinzukommen, drehe ich durch. Lukas scheint wieder ähnlich zu denken. Er folgt Fraukes Bewegungen mit genervtem Blick, sein Kiefer mahlt.

„Ich brauch einen Kaffee, man. Die macht mich wahnsinnig. Kommst du mit?”

Die Küche liegt am Ende des Flurs. Die Tür ist einen Spalt breit geöffnet und schon von draußen, sieht man, wie hinter der Tür etwas herumhuscht. Als ich die Tür komplett öffne und hereintrete, stehe ich vor einer Frau, ich schätze sie auf Ende 40. Sie erblickt uns und zuckt unmittelbar zusammen. Sie flüstert ein leises, schüchternes „Hallo”, ohne hierbei Blickkontakt aufzunehmen. Dann widmet sie sich unmittelbar wieder den Tassen, die sie gerade aus der Spülmaschine in den Schrank räumt. Kaffee hatte sie scheinbar auch schon zubereitet, jedenfalls stand eine volle Glaskanne unter der Maschine.

„Ehm, Entschuldigung, wissen Sie, ob man sich den Kaffee hier einfach nehmen kann?”, fragt Lukas freundlich.

„Ja, sicher, der ist für Sie, bitte nehmen Sie sich, ich mache auch später gerne noch eine Kanne”, antwortet die Frau und wirkt hierbei hektisch, fast schon etwas unterwürfig. Wahrscheinlich ist sie irgendeine Angestellte des Instituts, die dafür sorgen soll, dass die Organisation des Seminars einigermaßen glatt über die Bühne geht. Ich habe das Gefühl, das Lukas und meine Anwesenheit sie irgendwie einschüchtert. Lukas scheint die ganze Nummer auch irgendwie komisch vorzukommen. Wir schnappen uns schnell zwei Kaffeetassen. Auf meiner steht „ComTrans – Comfort Möbeltransportbetriebe”. Der Aufdruck war verblasst, oben war etwas herausgebrochen. Das offensichtliche Werbegeschenk hatte locker 15 Jahre auf dem Buckel. Mit einem Kopfnicken Richtung Tür schlägt Lukas vor, wieder zurück in den Seminarraum zu gehen. Auf dem Flur raunt er mir leise zu: „Ey, die war doch auch nicht mehr ganz sauber oder? Wo sind wir hier gelandet?”

Der Seminarraum hatte sich während unserer Abwesenheit schlagartig gefüllt, sodass sich jetzt rund 15 Leute, vielleicht ein paar mehr im Raum befinden. Ich will...

Erscheint lt. Verlag 22.2.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga
ISBN-10 3-7557-9054-8 / 3755790548
ISBN-13 978-3-7557-9054-9 / 9783755790549
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