Munt La Motta (eBook)
194 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7543-6494-9 (ISBN)
Tieni Masüger, geboren 1942 in Balgach SG, Rheintal, Sohn von Helen und Toni Masüger. Sein Bezug zur Natur und zur Erde dominieren sein Leben. Nicht nur in seinem Beruf als Önologe, sondern auch als begeisterter Reisender faszinieren ihn fremde Kulturen und die Zusammenhänge alles lebenden. Das Puschlav und die Berge nimmt er seit früher Jugend wahr als Orte des Wohlbefindens .»Ich empfinde grosse Dankbarkeit, dass ich einen Teil meines Lebens mit meiner Familie in La Motta und im Puschlav erleben kann».
DIELE / STÜA / LOTTY
Stüa – Ausschanktisch
Stüa – Biedermeier Sofa mit Pendeluhr aus 1820 ... sie steht schon viele Jahre still ...
In La Motta bleibt die Zeit stehen ...
Der Hauseingang ist in der Mitte der Längsseite und führt in eine grosse Diele. Hier wurde das Gepäck der Säumer deponiert. Gleich rechts befinden sich zwei Zimmer. Das erste, die heutige Stüa, diente dem Aufenthalt und der Verpflegung der Gäste. Der noch heute bestehende Ausschanktisch, nach dem Eingang in die Stube links, deutet darauf hin. Damals fand sich darin einfaches Essgeschirr für die Säumer. Heute sehen wir zahlreiche Tassen und Schalen sowie eine englische Teekanne mit Krug, meist bemalt mit schwarz-weissen Landschaften: Schramberger Majolika! Diese Steingut-Manufaktur wurde 1820 im damaligen Württemberg gegründet und dank der grossen Reputation 1883 von Villeroy & Boch übernommen. 1918 ging die Majolika-Fabrik an die jüdischen Brüder Mayer. 1938 wurde die Anlage wegen Arisierung geschlossen.
Stüa mit magischer Lampe
Auf dem obersten Regal finden sich antike weisse Fayencen aus der Zeit des Biedermeier. All dies stammt aus dem Nachlass von Anna Katharina Nüesch, der Urgrossmutter von meinem Bruder Jürg und mir mütterlicherseits. Ebenso das quadratische Holzkistchen für Salz und Pfeffer. Die alte Funsel, ein Talglicht mit der Dochtschere, gehört seit der Anfangszeit zum Inventar. Die weisse Decke aus alten Leinen, bestickt mit dem roten Bündner Nelkenmuster, auf der die Sammelstücke stehen, ist eine Handarbeit von Helen. Das Glasperlenkörbchen hat unsere Grossmutter mütterlicherseits, Lina Nüesch, in der Handarbeitsklasse in Flawil gebastelt. Dort ist sie bei Stiefeltern aufgewachsen und musste von früher Kindheit an in deren Mercerie-Laden tatkräftig mithelfen. Ihre Eltern waren früh verstorben.
Anna Katharina Nüesch, 1929
Lina Nüesch Naef, 1956
Gegenüber befindet sich ein grosser gemauerter Steinofen, der noch immer mit «Gess» von Motta Bianca, eine Art Kalksand, verputzt und ausgemauert ist. Dieses Material stammt vom gleichnamigen hellgrauen Berg, im Plan da li Cüni, hinter dem Zollamt. Der Ofen wird von der Diele her beheizt. Die sehr dicken Steinmauern können die Wärme für einige Tage speichern. Es ist zu beachten, dass allfällige Risse im Mauerwerk zu reparieren wären, damit keine giftigen Kohlenmonoxid-Gase austreten können. Solch kleine Spalten entstehen, wenn er zu stark beheizt wird. Inzwischen ist die Heizkammer von innen neu verputzt, bestehende Spalten wurden ausgebessert, sodass aktuell kein Problem mehr vorliegt. Auf dem Ofen finden sich zahlreiche Dekorations- und Erinnerungsgegenstände. Darunter auch das alte Holzkohlebügeleisen aus dem 17. Jahrhundert, mit dem unsere Urgrossmutter väterlicherseits, Margherita Sandri-Olgiati, ihre Wäsche bügelte. Oberhalb der Ofenbank hinter der Stubentüre hängen an einem Lärchenholzhaken zwei Feldstecher. Einer gehörte wohl Barba Ludovigo, der andere ist von Papapa, Vater von Helen und Gatte von Mamamam. Emil war ein passionierter Reiter und Jäger. Er hatte ihn anfangs der 40er-Jahre dort hängen lassen, um Gämse, Hirsche und Rehe am Campasc besser beobachten zu können. Auch er besuchte die Alp regelmässig. Der Piz Campasc mit dem Val Campasc und der Plan da Campasc sind Wild-Rückzugszonen. Wenn Emil nicht gerade im Puschlav weilte, war sein bevorzugtes Jagdrevier im österreichischen Vorarlberg. Er liebte die wilde Natur und ganz besonders seine Pferde.
Urgrosseltern Sandri-Olgiati
und rechts deren älteste Tochter,
später von Tscharner
Emil mit Hirsch, 1936
Papapa Emil Nüesch, 1939
Jagdausweis Emil, 1934
Im ersten Stock finden sich noch einige seiner Trophäen: ein kleines und ein grosses Hirschgeweih sowie das Hörnerpaar einer weiblichen Gämse und eines kapitalen Steinbocks, dessen kreisartig geformte Hörner mit 23 Altersringen sehr selten und von enormer Schönheit sind. Für Jäger eine prächtige Trophäe. Das Geweih eines Steinbocks steht für Kraft, Ausdauer und Lebenswillen. Aus deren Blut, Knochenmark und Milz entstanden früher wertvolle Medikamente.
Auf dem Schrank daneben sind ein Schafs-, ein Reh- und ein männlicher Gamsschädel.
Den letzteren fanden Corina und ich im Juni 1986 am untersten Ende einer steilen Geröllhalde des Campasc. Mit einer Säge hatten wir den Kopf des zu Tode gestürzten Tiers abgetrennt und später in La Motta zur «Freude» von Helen ausgekocht. Die kräftige Sonne hat die Knochen weiss gebleicht.
Am selben Haken hinter der Stubentüre, neben den Feldstechern, hängt eine Mandoline mit einem gesprungenen Resonanzkörper. Sie stammt von Clärli Masüger. Sie hatte in ihrer Jugendzeit so viel geübt, bis dies ihrem zwei Jahre jüngeren Bruder Toni zu viel wurde. Er riss ihr das Instrument aus der Hand und schlug es ihr über ihren dicken harten Bündnerschädel! Seither ist die Mandoline kaputt und hängt vergessen an der Wand.
Clärli, 1958
Clärli war Krankenschwester und wurde später Diakonissin mit ihrer selbst gewählten Aufgabe, Frauen im Berner Milieu zu betreuen. Wann immer sie uns besuchte, trug sie stets ihre Tracht. Ihr weisses Haar war streng nach hinten gekämmt. Ihre zarte hohe Stimme passte gut zu ihrer feinen und stets leicht gebräunten Haut. Dennoch zeigte sich ihre strenge und beharrliche, oftmals auch sture Art in ihrem auffallend typischen Puschlaver Gesicht: grosse braune Augen, markante Backenknochen, lang gezogene Nase. Sie war sehr religiös und ergötzte uns Buben immer wieder mit Bibellesungen und Blockflötenspiel. Ihr missionarischer Versuch, uns allen die heilige Schrift und religiöses Denken näherzubringen, war meist zum Scheitern verurteilt. Es war für uns nicht leicht, unseren Bewegungsdrang zu bändigen, ruhig und artig dazusitzen und der ausstrahlungsstarken Diakonissin Respekt zu zollen, zumal Tante Clärli auch meine Gotte (Patin) war. Viel lieber wollten wir die Hausviper in der Trockenmauer vor der Stalletta aufspüren, des Pächters Hühner jagen oder nach den Kühen sehen.
Auf der anderen Seite des Ofens, an der Wand, hängt die Tabakpfeife aus Porzellan von Barba Ludovigo Olgiati. Mit seiner Gattin wohnte er in Poschiavo in seinem herrschaftlichen Haus an der Via da Mez.
Seine angetraute Frau, Anna Barbara Jenatsch sah es gerne, wenn ihr Gatte gemütlich seine Pfeife rauchte. Meditativ soll sich dann Ludovigo dem Tabakgenuss hingegeben haben. Anna mochte dies, nicht nur weil auch sie den Geruch des Tabaks gerne roch und ihm diesen Genuss auch gönnte, sondern auch, weil solche Momente ihr die Möglichkeit gaben, einige Zeit in Ruhe am Fenster zu sitzen, und fleissig, wie sie war, ihrer Stickarbeit nachzugehen. Anna liebte dies. Sie bevorzugte, Gobelins im venezianischen Flammenstich zu fertigen. Stundenlang konnte sie sich, in Gedanken vertieft, ihrer Beschäftigung hingeben. Er, Ludovigo, war geprägt vom harten Umgang mit seinen Handelspartnern, seinen Knechten und dem Vieh. So war er auch im Zusammenleben mit Anna hin und wieder nicht gerade zimperlich. Trotz seines ergrauten Haares war ihm seine Strenge deutlich ins Gesicht geschrieben. Seine braunen Augen funkelten wie Edelsteine. Die üppig wuchernden Wimpern vermochten seinen Scharfsinn nicht zu verbergen.
Aussicht von Crastatscha
Barba Ludovigo Olgiati, ein verschworener Puschlaver, hatte erstaunlicherweise auch eine gewisse Vorliebe für das weniger rustikale und weniger felsige Engadin. Einer seiner bevorzugten Orte war die CrestʼAlta. Die Einheimischen nennen es «Crastatscha» (hoher Kamm) – ein «Bergli», 1903 Meter ü. M., mit einer absolut phänomenalen Aussicht auf Silvaplana, den Lej da Silvaplauna, Lej Suot und den Lej da Champfèr. Auch den Piz de la Margna sieht man von nirgendwo schöner als von dort. Unser lieber Uronkel wollte dort ein Sommerhaus bauen. Es gibt kein Wasser und es ist ein Naturschutzgebiet von Silvaplana. Als Puschlaver war er im Engadin als Auswärtiger ohnehin nicht willkommen. Er sprach Pusʼciavin, seine Kontakte in Silvaplana sprachen Sursilvan. Dennoch wollte er ganz oben auf CrestʼAlta einen Bauplatz erwerben. Nein, nein, nein, hiess es auf der Bürgerversammlung. Er, als mächtiger Bauer im Puschlav und Potestà von Poschiavo, sagte: Doch, doch, doch! Schliesslich einigten sich Ludivigo und die Silvaplaner Bürgergemeinde auf Folgendes: Er sollte ein Grundstück für achtzehn Jahre leihweise bekommen, ohne Wasseranschluss. Das Haus dürfe nur er selbst bewohnen und nach Ablauf dieser Zeit falle die gesamte Liegenschaft ohne finanzielle Entschädigung zurück an die Bürgergemeinde Silvaplana. Für ihn war das in Ordnung.
Er liebte die Gegend und genügend Wild für die Jagd gab es auch. Mit Rodolfo,...
Erscheint lt. Verlag | 7.3.2022 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Biografien / Erfahrungsberichte |
ISBN-10 | 3-7543-6494-4 / 3754364944 |
ISBN-13 | 978-3-7543-6494-9 / 9783754364949 |
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