Androidenblut (eBook)
307 Seiten
epubli (Verlag)
978-3-7549-5626-7 (ISBN)
Paul Kavaliro schreibt Bücher für Kinder (Spuk für Anfänger, Entchens große Reise) und Erwachsene (Final Logout, Die zwei Seiten des Ichs, Wenn die Raben südwärts ziehen, Die Klick-Demokratie, Herrscher der Gedanken), auch als Ratgeber (Heimwerken macht sexy).
Paul Kavaliro schreibt Bücher für Kinder ("Spuk für Anfänger") und Erwachsene ("Final Logout", "#RettetEllen", "Die zwei Seiten des Ichs"), auch als Ratgeber ("Heimwerken macht sexy").
Kana
„Das ist das Ende der Idylle hier“, sagt Tim kreidebleich, als er mit seinem Vater über die Szene mit dem Auto spricht.
„Hat die Kleine was mitgekriegt?“, fragt der Alte.
„Nein, sonst säße sie jetzt nicht tiefenentspannt in ihrem Zimmer.“
„Das ist das Wichtigste. Hast du gut gemacht“, lobt er seinen Sohn.
„Sie ist hier nicht mehr sicher“, gesteht sich Tim ein.
Niklas widerspricht ihm nicht.
„Jaclyn wird ausflippen, wenn ich ihr das erzähle.“
„Du musst es ihr schonend beibringen. Sie ist stärker, als du denkst.“
„Und sie wird zurückkehren wollen“, erahnt Tim.
„Und was wird dadurch besser?“, fragt der Alte.
„Dass sie mit ihr zusammen ist. Dass Miriam mehr Beistand hat. Wir beide können ihr am Ende die Mutter doch nicht ersetzen.“
„Tim“, sagt Niklas und sieht seinem Sohn fest in die Augen. „Wir können auch zu dritt nicht verhindern, dass die falschen Autos durch die Siedlung fahren. Offensichtlich haben sich diese ‚Knochenmänner‘ oder ‚Gespenster‘ oder wie auch immer auf das Kind eingeschossen. Euch Erwachsene lassen sie vorerst in Ruhe. Jaclyn geht es auf Bagra gut – im Moment und angesichts der Umstände.“
„Ich kann Miriam nach Bagra bringen. Jaclyn wird sich freuen!“, schlägt Tim vor, obwohl ihm diese Option nicht behagt.
Der Alte schüttelt den Kopf: „Denk mal nach! Diese ‚Gespenster‘ wissen doch, dass deine Frau dort ist. Und wenn die spitzkriegen, dass sie dort Leute wie dich und wie sich selbst ‚herstellt‘, dann werden sie nicht gerade darüber erfreut sein. Wenn du dann jetzt noch Miriam dorthin bringst, dann haben die vielleicht bis dahin schon ein Empfangskomitee für die Kleine bereit.“
„Bist du dir sicher?“
„Ja, bin ich. Ich würde nicht all meine Karten auf Bagra setzen. Das ist dann auch nicht viel anders als hier in deinem Haus mit den Kinderzimmerfenstern und dem Vorgarten.“
„Aber worauf dann?“
„Wie bitte?“ Jaclyn flippt wie befürchtet aus, als sie vom abermaligen Auftritt der „Knochenmänner“ hört. Sie atmet schwer und versucht, sich zu beruhigen. Doch Tim kann ihren Schweißausbruch als Zeichen der Aufregung erkennen.
Er erzählt ihr von den Gedanken, die sich Niklas und er gemacht haben.
„Nein, bring sie nicht nach Bagra“, lenkt sie überraschend schnell ein. „Dein Vater hat schon recht und es gibt hier auch so genug Stress“, sagt sie und wischt sich den Schweiß von der Stirn.
„Geht es dir gut?“, fragt Tim nochmals. Er hat das zwar bereits am Anfang des Gesprächs wissen wollen, aber dort sind sie nicht über das Level von Floskeln hinausgekommen.
„Ja, geht schon, irgendwie.“
Er fragt besser nicht weiter, das schürt nur die Anspannung nach dem Schock der Nachricht von vorhin. Eine kurze Pause entsteht.
„Rembos, Patilios und so weiter, das ist alles viel zu überlaufen. Miriam müsste an einen abgelegenen Ort“, denkt sie laut nach.
„Varandin?“
„Bist du noch ganz bei Trost?“, antwortet sie und sie teilen sich etwas Galgenhumor. Es lenkt sie für einen Moment von der Umklammerung durch ihre Sorgen ab. Die kehren schnell zurück, das Lachen erstirbt.
Sie gehen zusätzliche Optionen durch. Doch die Nervosität lässt sie auf keinen grünen Zweig kommen. Es ist etwas vollkommen anderes, ob „nur“ sie beide terrorisiert werden oder auch das Kind. Jeder Vorschlag wird sofort mit tausend Gegenargumenten abgeschmettert. Guter Rat ist teuer, wie sie die Kleine aus der Schusslinie bringen.
Eine vernünftige Unterhaltung kommt nicht mehr zustande, denn die Nerven liegen blank.
Das Gespräch endet ohne Entscheidung. „Wir denken weiter nach.“ Aber dass Miriam eine Luftveränderung braucht, das steht fest.
Tim und Niklas schummeln Miriam durch den Alltag in Haus, Terrasse und Vorgarten hindurch. Sie versuchen, Abwechslung zu bieten, damit ihr nicht nur Kinder- und Wohnzimmer bleiben und sie sich wie in einem Verlies vorkommt.
Der Alte inspiziert die Straße mit Argusaugen, wenn sie draußen sind. Sie sind nur noch kurz an der frischen Luft. Drei Mal den Rasen auf und ab laufen mit dem Fußball, ein paar Pässe, bis die Beine des Seniors schmerzen. Das Mädchen sieht es zähneknirschend ein, dass sie danach wieder ins Haus müssen.
Bevor Niklas die Haustür hinter sich schließt, schaut er nochmals über den Vorgarten und die Straße. Trotz aller guten Vorsätze für Abwechslung und Normalität ist es ein Leben wie im Untergrund.
Eine Woche vergeht, ohne dass ein Ausblick auf eine Änderung in Sicht ist. Auch von Jaclyn sind keine neuen Vorschläge gekommen.
„Subo Ronin möchte mit mir reden“, sagt Tim beiläufig, als er eines Abends nach Hause kommt. „Was der wohl will?“
„Ist das nicht der gewesen, äh ...“, rätselt Niklas.
„Ja, genau. Das ist der, den sie wegen mir in die Wüste geschickt haben“, vervollständigt sein Sohn die Erinnerung. „Auf diesen Planeten Gado. Dort ist es ganz nett.“
„Aber der erpresst dich doch nicht, oder?“
Tim winkt ab. „Zumindest beim letzten Treffen nicht. Wer weiß, vielleicht will er zurück auf die Erde und braucht jemanden, der ein gutes Wort für ihn einlegt.“
Ronin hat auf ein Gespräch gedrängt. Sie haben sich bereits für den folgenden Abend zum Videotelefonat verabredet.
Tim ist nervös. Die Angst um Miriam liegt ihm auf der Seele und jetzt kommt zu allem Überfluss ein alter Bekannter auf ihn zu, mit dem er keine angenehmen Erinnerungen teilt. Er hat seine Schuld ihm gegenüber nicht abgeschüttelt – in all den Jahren nicht. Er mag diese Telefonate nicht, von denen man ahnt, dass sie kaum gut ausgehen können. Sie nerven. Doch er kann es sich nicht heraussuchen.
„Gefällt es dir immer noch auf Gado?“, leitet Tim die Unterhaltung recht ungelenk ein. Er projiziert seine eigene Angst in diesen Einstieg, dass er in eine Tu-mir-einen-Gefallen-Situation hineingepresst wird, weil Subo seine Lage verbessern will.
Ronin stutzt kurz. Er ist mehr auf das übliche „Wie geht es dir?“ eingerichtet gewesen und wirkt jetzt wie einer, der vom vorbereiteten Text abweichen muss.
„Gado? Das ist momentan mein kleinstes Problem“, antwortet er stockend.
„Oh.“ Tims Faden reißt. „Was kann ich für dich tun?“, hört er sich den roten Teppich vor dem Gesprächspartner ausbreiten, um ihm dann doch in Richtung Gefallen zu stupsen.
„Kana“, sagt Ronin und hält inne. Er dreht sein Gesicht für einen Moment weg.
Tims Gedanken begeben sich auf die Suche. Was ist „Kana“, ein Codewort, eine Stadt auf Gado, ein Ort ganz woanders?
Subos Blick findet zurück in die Kamera. „Meine Tochter“, ergänzt er. „Sie ist jetzt 4 Jahre alt.“ Wieder unterbricht er.
„Du hast eine Tochter! Ah ja, du hattest ja von einer Familie gesprochen“, erinnert sich Tim und versucht, ihrem zähen Gespräch etwas zwischenmenschlichen Schwung zu geben. Trotz oder gerade deswegen, weil es seinem früheren Kameraden Subo schwerfällt, sein Anliegen vorzubringen. Aber das er eines hat, das ist nur allzu deutlich.
Ronin hat ein paar Mal durchgeatmet. „Kana ist krank, sehr krank“, lässt er die Katze endlich aus dem Sack. „Sie können ihr nicht helfen. Nicht hier auf Gado. Und ich bin auf der Suche nach Möglichkeiten. Aber ich habe wenig Geld.“
„Brauchst du welches?“, fragt Tim und geht im Kopf seine Kontostände durch.
„Ach, vergiss das mit dem Geld. Das ist nicht der Punkt.“ Ronin ordnet seine Gedanken und fängt seine Erklärung nochmals an: „Ich kriege da nirgendwo einen Fuß in die Tür in einem namhaften Hospital außerhalb von Gado. Und du kennst doch diesen Dr. Xo, habe ich gehört. Aber der ist so beschäftigt.“
„Soll ich bei ihm anfragen?“, bietet sich Tim an.
„Ja, genau.“ Subo atmet aus. Denn jetzt hat er sein Anliegen vorgebracht. Es ist nicht so, dass er das Sprechen verlernt hätte. Doch es steht so viel auf dem Spiel und das drückt auf seinen Brustkorb wie eine schwere Last.
Tim schämt sich dafür, dass er mit Widerwillen in das Gespräch gegangen ist, dass er nervös bis genervt gewesen ist ob des sich anbahnenden Gefallens, dass er nur an sich und seine Familie gedacht hat. Dabei breitet sich hier die goldene Gelegenheit vor ihm aus, etwas Gutes zu tun, jemandem weiterzuhelfen und gleichzeitig die alte Schuld auszugleichen. „Wir helfen dir gerne, meine Frau und ich“, verspricht er, während er nachdenkt. „Ich bin mir sicher, dass wir Kana nach Bagra bringen können und dass sie dort behandelt wird. Ich brauche dann bitte ebenfalls Kanas Patientenunterlagen.“
Ronins Antlitz klärt sich auf, als Tim konkrete Schritte aufzählt. Jetzt geht endlich etwas voran und er wird nicht nur ständig weiter geschickt. Subo kann wieder lächeln.
Doch hinter Tims Gesicht rennen die Gedanken immer noch. Er fasst einen Plan: „Aber da gibt es auch etwas, was du für mich tun kannst. Und es ist nicht gerade ein kleiner Gefallen ...“
„Nach Gado? Wo liegt das denn überhaupt?“, braust Niklas auf, als Tim ihm seine Absicht unterbreitet, dass der Großvater mit der Enkelin für eine Weile dorthin geht.
„Das liegt weit vom Schuss, doch es gehört noch zur Gemeinschaft. Und die Roboterstürmer haben es gewiss nicht auf ihrer Landkarte“, zählt ihm Tim die wichtigsten Vorzüge auf. „Es ist wie gesagt eine schöne Gegend. Ich bin schon dort gewesen!“
Komisch, der Alte leistet mehr Widerstand als Jaclyn, als er sie gefragt hat,...
Erscheint lt. Verlag | 3.3.2022 |
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Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction |
Schlagworte | Android • hybrid • Klon • Pandemie • Roboter • Science Fiction • Virus |
ISBN-10 | 3-7549-5626-4 / 3754956264 |
ISBN-13 | 978-3-7549-5626-7 / 9783754956267 |
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