Jerry Cotton 3378 (eBook)

Der tiefe Fall des Agent Bill Saccomo

(Autor)

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2022 | 1. Aufl. 2022
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-3106-5 (ISBN)

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Jerry Cotton 3378 - Jerry Cotton
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Nachts wurde vor einem drittklassigen Hotel in Harlem ein afrikanischer Junge erschossen. Die Schusswunden in Bauch- und Brustbereich bildeten ein kreisförmiges Muster, offensichtlich die Visitenkarte des Mörders. Fieberhaft ermittelten Phil und ich gegen einen afroamerikanischen Menschenhändlerring, der sowohl in New York als auch in Harrisburg aktiv war. Zur selben Zeit meldete sich ein alter Bekannter zurück. Bill Saccomo war vor Jahren FBI Agent gewesen. Inzwischen verdiente er sein Geld als Privatdetektiv und hatte eine Menge Ärger am Hals. Er hatte sich nämlich mit einem der Menschenhändler angelegt und bangte nun um sein Leben. Wir standen ihm bei und riskierten dabei Kopf und Kragen!


Der tiefe Fall des Agent Bill Saccomo

»Wirst du mich jetzt erschießen?«, fragte der Junge.

Das Fauchen des Schneesturms riss die Worte von seinen Lippen. Sie standen unter dem zerbeulten Vordach eines heruntergekommenen Hotels, in dem der Junge vorübergehend Unterschlupf gefunden hatte.

Das gelbliche Licht der Straßenlaterne ließ sein Gesicht hohl und unwirklich erscheinen. Für seine zwölf Jahre sah er eindeutig zu abgeklärt aus, als könnte ihn nichts mehr erschrecken.

Der Mann im schwarzen Kleppermantel, der mit einer stählernen Brünner-Pistole auf die Brust des Jungen zielte, stellte eine Gegenfrage: »Was würdest du an meiner Stelle tun?«

Der Junge zuckte müde mit den Schultern.

»Also, bringen wir es hinter uns«, sagte der Mann mehr zu sich selbst.

Dann jagte er in schneller Folge sechs Projektile aus dem Lauf der schallgedämpften Waffe.

Phil und ich verspürten an diesem Montagmorgen wenig Lust, uns mit Bill Saccomo zu unterhalten. Wir hatten ihn über Jahre nicht mehr gesehen und wussten nicht so recht, was wir mit ihm anfangen sollten. Außerdem war der gute Bill immer schon ein anstrengender Kerl gewesen, der ein belangloses Gespräch unnötig in die Länge zu ziehen verstand. Doch Bill hatte sich nun einmal Zutritt zu unserem Office verschafft und saß jetzt bei uns mit der Miene eines vorsorglich gekränkten Menschen, der sich nicht so leicht würde abwimmeln lassen.

Wir kämpften mit der bleiernen Müdigkeit einer durchwachten Nacht. Gegen zwei Uhr waren wir zu einem drittklassigen Hotel in Harlem gerufen worden, vor dessen baufälligem Eingangsportal ein erschossener schwarzer Junge gelegen hatte. Seither hatten wir kein Auge zugetan.

Wir vermuteten, dass der Mord im Zusammenhang mit organisierter Kriminalität stand. Es ging dabei um die Black Guerilla Family, eine afroamerikanische Straßen- und Knastgang, die seit einiger Zeit unter ihrem Boss Aaron Dunbee stetig an Einfluss gewann. Es gab Grund zu der Annahme, dass sie in den Nachbarstaaten New Jersey und Pennsylvania Menschenhandel betrieb. Die Opfer sollten aus dem Kongo stammen. Bislang blieben die Hinweise vage und lieferten keine Anhaltspunkte für konkrete Maßnahmen.

Vor zwei Wochen hatte man frühmorgens in Pennsylvania die Leiche einer etwa fünfzig Jahre alten schwarzen Frau in der Nähe des Bahnhofs von Harrisburg entdeckt. Sie war auf dieselbe Weise getötet worden wie der Junge. Mit fünf Kugeln im Bauch- und Brustbereich, deren Einschusslöcher ein kreisförmiges Muster ergaben.

Weder der Junge noch die Frau trugen Papiere bei sich, die ihre Identität dokumentierten. Sie wiesen am ganzen Körper Anzeichen von Gewaltanwendung auf – blaue Flecke, Hämatome und Brandwunden, wie sie sich häufig bei Opfern von Menschenhändlern fanden. Vielleicht führten die Ermittlungen in den beiden Fällen uns ja auf die Fährte der Black Guerilla Family und ihres Bosses Aaron Dunbee.

»Ehrlich«, sagte Bill und faltete seine großen weißen Hände über einem beachtlichen Bauchansatz »ihr beide seht ziemlich fertig aus. Habt ihr mal über Urlaub nachgedacht?«

Bills jovialer Spott erschien mir unpassend angesichts seines eigenen Zustands.

Er musste jetzt Mitte dreißig sein. Früher war er ein durchtrainierter Sonnyboy mit jungenhafter Ausstrahlung gewesen. Nun bot er das Bild eines heruntergekommenen, abgehetzten Menschen, dessen schüttere blonde Haare unfrisiert wirkten und dessen großporige aschfarbene Haut von Akne befallen war. Lediglich die blauen Augen hatten ihren stählernen Glanz nicht eingebüßt.

Bills nachlässige Kleidung erstaunte mich dennoch. Bill hatte stets größten Wert auf elegante Garderobe gelegt. Jetzt gab es nur noch Bruchstücke dieser früheren Pracht zu besichtigen, einen violetten Seidenschal mit Valentino-Logo und eine paar ungeputzte burgunderfarbene Lederschuhe. Kombiniert mit einem abgenutzten mausgrauen Wollmantel und zerbeulten Jeans erweckten sie den Eindruck, dass ihrem Träger geschmacklich einiges durcheinandergeraten war.

»Ich weiß nicht«, entgegnete Phil trocken, »ob es dir schon aufgefallen ist, aber du bist auch nicht in bester Form.«

Bill lachte glucksend, wobei sein Bauch in heftige Bewegung geriet. Wenn es etwas an ihm gab, das sich besonders in mein Gedächtnis eingegraben hatte, dann war es dieses kindliche, überfallartige Gelächter, das er jederzeit aus sich herauskitzeln konnte.

Nachdem er sich etwas beruhigt hatte, sagte er: »Es tut gut, wieder bei euch zu sein. Du meine Güte, das ist es, was mir all die Jahre gefehlt hat, dieser großartige Humor. Der ist etwas Besonderes. Wäre wohl vernünftiger gewesen, euch nicht so überstürzt zu verlassen, was?«

Phil zwinkerte mir belustigt zu, ehe er erwiderte: »Ja, dein Abgang kam etwas überhastet.«

Die Dreistigkeit, mit der Bill die Wahrheit zu seinen Gunsten umbog, war bewundernswert. Nach seiner Ausbildung in Quantico hatte Bill als Special Agent seinen Dienst im New Yorker Field Office angetreten. Zwei Jahre später endete seine Karriere abrupt. Mr. High warf ihn hinaus, weil er einer ebenso hübschen wie neugierigen Journalistin interne Informationen geliefert und dadurch die Ermittlungen in einem Mordfall erschwert hatte.

Bill Saccomo bestritt zunächst alle Vorwürfe. Als er kapierte, dass ihm das nichts half, sann er auf Rache und versorgte die Journalistin noch mit einigen belanglosen Klatsch-und-Tratsch-Geschichten aus dem New Yorker Field Office. Dann verschwand er von heute auf morgen von der Bildfläche.

Später machten Gerüchte die Runde, Bill habe sich eine Lizenz als Privatdetektiv besorgt und bereits einige Aufträge von Black-Guerilla-Boss Aaron Dunbee angenommen. Phil und ich mochten das nicht glauben. Bill war fraglos eine problematische Persönlichkeit. Niemand beim FBI war mit ihm zurechtgekommen – außer Phil und mir. Alle anderen nervte er, weil er sich ständig prahlerisch in Szene setzte und für den Mittelpunkt der Welt hielt. Doch Phil und ich mochten ihn, weil wir an sein gutes Herz glaubten. Und Bill Saccomo mochte uns, weil er das wusste.

Vermutlich verdankten wir diesem Umstand, dass er nun bei uns aufgetaucht war. Mein Instinkt sagte mir, dass es sich um keinen Höflichkeitsbesuch handelte.

»Was führt dich zu uns, Bill?«, fragte ich.

»Ihr seid meine Freunde.«

Das war übertrieben, ich sagte es Bill jedoch nicht. Ein Mann wie er konnte sehr empfindlich auf Zurückweisung reagieren.

Phil übernahm die Antwort. »Klingt so, als hättest du Sehnsucht nach uns gehabt. Gibt es einen weniger romantischen Anlass?«

Bill grinste verlegen. »Freunde helfen sich, oder?«

»Kommt darauf an.«

»Also schön, ich habe Mist gebaut.«

»Soll das heißen, du hast dich strafbar gemacht?

»Aber nein, dazu wäre ich gar nicht fähig, ich bin ein Mann des Gesetzes.« Bill hob theatralisch die geöffneten Hände, als riefe er eine höhere Instanz zur Beglaubigung seiner Worte an. »Ich habe mich bloß in meiner Naivität mit den falschen Leuten abgegeben.«

»So was kann schlimme Folgen haben«, bemerkte Phil sarkastisch. »Um wen handelt es sich denn?«

Bill schwieg einige Sekunden mit zusammengepressten Lippen. Dann gab er sich einen Ruck. »Ich rede von den Typen der Black Guerilla Family.«

Phil warf mir einen erstaunten Blick zu. Die Gerüchte stimmten also.

»Das musst du uns erklären«, sagte ich. »Was, um Himmels willen, hat dich dazu gebracht, dich mit denen einzulassen?«

Bill seufzte herzzerreißend. »Offen gestanden, ich brauchte das Geld. Vielleicht wisst ihr's ja. Ich zog damals weg von New York und habe mich in Harrisburg als Privatschnüffler versucht. Leider war ich zu Beginn ziemlich erfolglos, habe im Auftrag Eifersüchtiger ihren Frauen nachspioniert, was nicht viel brachte. Irgendwann war ich hoch verschuldet. Dann erschien plötzlich Aaron Dunbee in meiner Bude und versprach mir das Blaue vom Himmel. Ich könnte einen Haufen Kohle verdienen, ganz legal, wenn ich in seine Dienste träte. Keine Ahnung, wie er auf mich kam.«

Phil gab sich verständnisvoll. »Du meine Güte. Und du in deiner Unschuld hast alles für bare Münze genommen, stimmt's?«

Bill nickte, als hätte ihn Phils Anteilnahme zutiefst ergriffen.

»Seitdem«, stellte ich fest, »arbeitest du also für diesen Gangster.«

Sein Blick war voller Reue, als er antwortete. »Leider, Jerry. Dunbee finanzierte meine glorreiche Rückkehr nach New York.«

»Und, was musst du für Dunbee tun?«

»Na ja, wie viel wisst ihr über ihn?«

»Weniger als du vermutlich«, sagte Phil.

»Da bin ich mir nicht so sicher«, erwiderte Bill. »Über seine kriminellen Aktivitäten hat er mich komplett im Dunkeln gelassen. Was er will, sind Informationen über Leute, mit denen er ganz normale Geschäfte abwickelt.« Er schüttelte den Kopf, als fiele es ihm...

Erscheint lt. Verlag 15.3.2022
Reihe/Serie Jerry Cotton
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer • Action Abenteuer • action romane • action thriller • action thriller deutsch • alfred-bekker • Bastei • bastei hefte • bastei heftromane • bastei romane • bastei romane hefte • Bestseller • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • erste fälle • Fall • gman • G-Man • Hamburg • Heft • Heftchen • Heftroman • heftromane bastei • Kindle • Krimi • Krimiautoren • Krimi deutsch • krimi ebook • Krimi kindle • Kriminalfälle • Kriminalgeschichte • Kriminalgeschichten • Kriminalroman • Kriminalromane • kriminalromane 2018 • kriminalromane deutsch • Krimi Reihe • Krimireihen • krimi romane • Krimis • krimis&thriller • krimis und thriller kindle • Krimi Urlaub • letzte fälle • martin-barkawitz • Polizeiroman • Romanheft • Roman-Heft • schwerste fälle • Serie • Soko-Hamburg • spannend • spannende Krimis • spannende Thriller • Spannungsroman • Stefan Wollschläger • Tatort • Terror • thomas-herzberg • Thriller • Wegner
ISBN-10 3-7517-3106-7 / 3751731067
ISBN-13 978-3-7517-3106-5 / 9783751731065
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