Hinter verschlossener Tür (eBook)
myMorawa von Dataform Media GmbH (Verlag)
978-3-99129-775-8 (ISBN)
Christina Jonke lebt mit ihrer Familie in Klagenfurt am Wörthersee. Zahlreiche Theaterstücke aus ihrer Feder eroberten bereits im gesamten deutschsprachigen Raum erfolgreich die Bühnen bevor sie sich dem Schreiben von Kriminalromanen widmete. Bereits erschienen: Die alte Villa am See Sushi Taxi Letzter Vorhang Hinter verschlossener Tür
2
Als Tonja zur angegebenen Adresse kommt, stehen schon Polizei, Notarztwagen und Rettungskräfte vor dem Haus. Schnell legt sie sich ihren neuen Mund-Nasen-Schutz um, den sie gestern in der Bahnhofstraße bei einem Straßenzeitungsverkäufer erstanden hat. Ein neues modisches Accessoire, von dem sie sich nun wohl mehrere würde anschaffen müssen. Am besten im Jeanslook, das passt immer, denkt sie sich. Und welche in grün, um ihre Augenfarbe zu unterstreichen. Sofort wird ihr heiß unter dem Gesichtsvorhang und hofft, dass diese Verhüllung doch nicht allzu lange Pflicht bleibt. Ein Sommer hinter der Maske – allein der Gedanke verursacht ihr die nächste Hitzewallung.
„Was für ein unglaubliches Bild“, überlegt sie in Betrachtung der Szene, die sich vor ihr auftut. Die Rettungskräfte sind alle in Schutzanzüge gehüllt und sehen aus wie Labortechniker in einem Hochsicherheitstrakt. Ein schräges Szenario, hier inmitten der Natur auf der Maierniggalpe, am Rande der mittlerweile zur Großstadt avancierten Landesmetropole, die sich hauptsächlich durch die Lage in idyllischer Umgebung profilieren kann. Von klassischem Großstadtleben keine Spur, überlegt Tonja, die es aber gar nicht anders haben möchte. Die Lebensqualität zwischen Seen und Bergen ist schon eine ganz besondere, findet sie.
„Da hat sich einer erschossen“, reißt die Rot-Kreuz-Fahrerin Tonja aus ihren Gedanken und zieht heftig an einer Zigarette. Ihren Mund-Nasen-Schutz hat sie sich auf die Stirn geklappt, was Tonja ein Schmunzeln entlockt. Das kann weder im Sinne der Virenabwehr sein, noch sieht die Frau damit vorteilhaft aus. Überhaupt heißt es, dass die Maske hauptsächlich andere schützen soll, nicht die Trägerin, denn die wiederum soll angeblich dadurch eher geschwächt werden, weil sie Viren und Bakterien, die sie selbst ausatmet, dann wieder einatmet und dazu noch zu wenig frischer Sauerstoff in ihre Lunge gerät. Aber auch da gibt es eine Hundertschaft an Experten, die völlig unterschiedlicher Meinung sind.
Tonja glaubt nicht an die Einschränkung, wenn sie an das Personal in Gesundheitseinrichtungen, Laboren etc. denkt. Man hätte sicher schon davon gehört, wenn Ärzte während Operationen aus den Schlapfen gekippt wären oder eine Intensivschwester nach Luft ringend ohnmächtig geworden wäre.
Aber ja, es ist ein Kreuz mit diesen täglich neuen Verordnungen, Anweisungen, Ver- und Geboten; da kennt sich eigentlich kaum mehr jemand aus. Man müsste ständig mit einem Ohr am Radio hängen, um die neuesten Anpassungen mitzubekommen, bevor sie schon wieder durch die nächste Adaptierung ad absurdum geführt werden.
„Ich glaube, ich lass das mit dem Fahren wieder. Bin viel zu nervös. Bei Rot über die Kreuzung, das ist einfach nichts für mich“, erklärt sich die Rettungsfahrerin auf Tonjas Stirnrunzeln hin, das ihrer zitternden Hand geschuldet ist. „Dabei ist zurzeit ja auf den Straßen eh kaum etwas los“, führt sie weiter aus, bemerkt aber, dass Tonjas Aufmerksamkeit schon abschweift. „Da hinten beim Rettungswagen ist die, die den Toten gefunden hat. Ich glaube, das ist seine Frau. Völlig unter Schock.“
Tonja nickt dankbar und hat auch schon Ben, abseits der in eine Decke gehüllten Frau, entdeckt. Das Bild ist grotesk. Die Frau sitzt schluchzend im Heck des Rettungswagens.
Jeweils im Abstand von zwei Metern stehen eine Ärztin und ein Sanitäter und reden miteinander.
„Aha, die haben einen eher großen Babyelefanten“, blitzt es Tonja durch ihre Gedanken. Ein Babyelefant wurde als Maßeinheit für den Mindestabstand zwischen zwei Personen in der Covid-19-Pandemiezeit eingeführt. Ja, die Bundesregierung ist nicht nur umsichtig, sondern auch kreativ. Links daneben, ebenfalls im gesundheitsverträglichen Zwei-Meter-Abstand redet Ben auf die Witwe ein.
„Ob die einander verstehen, mit den Masken vor dem Mund?“ Tonja zweifelt und stellt sich der Situation, indem sie in die Runde winkt. Noch vor wenigen Wochen wäre das eine saloppe, ja fast unhöfliche Form der Begrüßung gewesen. Zwischenzeitlich hat man einander auch per Fuß- oder Ellenbogenkontakt begrüßt. Im Moment ist das Von-der-Ferne-Winken eine akzeptierte Form der Etikette.
„Das ist meine Assistentin, Tonja Stein“, stellt Ben Tonja vor. „Die Frau Malle hat ihren Mann in der Garage gefunden, tot.“ Er zeigt auf die in die Decke gehüllte Frau.
„Ich hab noch nie einen Toten gesehen, müssen Sie wissen! Es ist schrecklich, wenn da einer liegt, einfach so. Einer, den man kennt, gut kennt! Also nicht einfach so … ich hab ja den Schuss gehört!“ Weiteres vernuschelt Frau Malle in ihren mittlerweile ziemlich feuchten Mund-Nasen-Schutz hinein. Die Notärztin bietet ihr eine neue Schutzmaske an, die sie dankbar annimmt.
Tonja und Ben tauschen einen verständnisinnigen Blick.
Also bleibt Tonja bei Frau Malle – in gebührendem Abstand natürlich, Ben geht zu den Kriminaltechnikern in die Garage der Neuzeit-Villa.
„Ich organisiere uns jetzt einmal einen Kaffee. Oder möchten Sie lieber einen Tee oder Wasser?“, versucht Tonja ein wenig Normalität in die Situation zu bringen.
„Einen Schnaps hätt ich gern. Kann ruhig ein doppelter sein. Oder gleich ein ganzer Flachmann,“ meint Frau Malle. Die beiden Ärzte haben das auch gehört und mit einer Geste die signalisiert, dass er gleich wiederkommt, geht der Arzt zum Notarztwagen und kommt tatsächlich mit einem kleinen Karton zurück, in dem sich noch acht kleine Fläschchen Wodka befinden. Er stellt ihn vor Frau Malle ab.
„Bitte, bedienen Sie sich. Hab ich vom Ehemann einer Patientin als Danke für die schnelle Hilfe bekommen. Ich bin froh, wenn sie weg sind.“
Die Notärztin lacht und genehmigt sich auch ein Fläschchen. „Macht kein gutes Bild im Notarztwagen. Prost und auf bessere Zeiten.“
„Gesundheit!“
Für die Zeit der drei Schlucke mit denen so eine Minivariante Wodka vernichtet ist, bleibt die Zeit stehen. Man bildet eine verschworene Gemeinschaft. Alkohol verbindet.
Scheinbar. Frau Malle nimmt sich das fünfte Fläschchen, die Augen fragend auf den Arzt gerichtet.
„Wenn es Ihnen hilft, den Schock wegzustecken…“ Er nickt ihr zu und sie schüttet sich den Inhalt routiniert in den Mund.
„Es hilft“, bestätigt sie. Tonja und die beiden Notärzte wissen Bescheid. Frau Malle tröstet sich nicht zum ersten Mal auf diese Weise.
Tonja bittet die Notärzte um eine kurze Information, da ja der Kollege Groß bei den Kriminaltechnikern ist und so erfährt sie, dass Herr Markus Malle mit einer Schusswunde aufgefunden worden war, die seine Halsschlagader zerfetzt hat. Ein Blutbad beeindruckenden Ausmaßes war die Folge. Der Mann war sofort tot. Die Ärztin konnte nur mehr den Tod feststellen. Es waren dann ja auch gleich die anderen Kollegen da.
Helene Malle kommentiert die Ausführungen mit lautem Schluchzen, das aber nicht mehr ganz so dramatisch klingt wie zu Anfang. Der Wodka wirkt.
„Ich glaube, ich kann da etwas zur Aufklärung beitragen, Frau Stein“, ertönt hinter Tonja Helenes Stimme.
„Ja?“
Alle Augen sind auf das vom Weinen verschwollene Gesicht gerichtet.
„Der Michael war da. Also nicht wirklich da, ich habe ihn gesehen, wie er um die Ecke verschwunden ist. Ziemlich schnell. Das ist sonst nicht seine Art. Der ist eigentlich immer im Zeitlupenmodus unterwegs, müssen Sie wissen.“ „Michael wer?“, insistiert Tonja und bleibt kurz an Helenes „müssen Sie wissen“- Ausspruch hängen. „Muss ich?“, überdenkt sie kurz. Unglaublich eigentlich, was man sich alles so gut wie zeitgleich denken kann!
„Michael Wendelin. Markus´ bester Freund. Sie haben die Steuerberatungskanzlei gemeinsam aufgebaut.“
„Und da sind Sie sich ganz sicher, Frau Malle?“
„Ja sicher bin ich mir sicher! Ich hab mich noch gewundert. Michael kommt normalerweise wenigstens einen kleinen Sprung auf einen Espresso herein.“
„Aber zurzeit geht das ja nicht. Sie wissen doch: Social Distancing ist angesagt“, erklärt die Notärztin.
„Natürlich weiß ich das. Kein Mensch kann das vergessen. Furchtbar ist das. Ich kann Ihnen sagen, meine Kunden, sie fehlen mir so dermaßen. Nie hätte ich das gedacht, aber … Egal. Darum geht es jetzt ja nicht. Aber gerade deswegen habe ich mich ja so gewundert, dass der Michael hier war. Was hatte er denn bitte hier zu suchen gehabt? Bitte, was wollte der hier? Was? Wir sollen doch alle zuhause bleiben, außer wir müssen aus dringenden beruflichen Gründen hinaus? Was war denn so dringend, dass es nicht auch telefonisch oder über Zoom hätte besprochen werden können? Ich versteh das einfach nicht!“ Helene Malle redet sich in eine Hysterie...
Erscheint lt. Verlag | 16.2.2022 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
ISBN-10 | 3-99129-775-2 / 3991297752 |
ISBN-13 | 978-3-99129-775-8 / 9783991297758 |
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Größe: 2,4 MB
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