Einmal noch sterben (eBook)

Ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis 2022 | 2. Platz
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2022 | 1. Auflage
432 Seiten
DuMont Buchverlag
978-3-8321-8251-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Einmal noch sterben -  Oliver Bottini
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Februar 2003. Nach den Anschlägen von New York steht der Krieg gegen den Terror vor einem weiteren Höhepunkt: Die USA und ihre Verbündeten bereiten sich darauf vor, in den Irak einzumarschieren. BND-Agent Frank Jaromin ist gerade von einem Einsatz in Bosnien zurückgekehrt und will sich eigentlich um seine zerstrittene Familie kümmern. Da kommt ein hochbrisanter Auftrag aus dem Kanzleramt: Eine irakische Regimegegnerin behauptet, die Vorwürfe, die den Krieg legitimieren sollen, seien erfunden, es gebe im Irak nachweislich keine Massenvernichtungswaffen. »Curveball« - jener Informant, auf dessen Aussage die Vorwürfe basieren - lüge. Der BND schickt Frank Jaromin mit zwei Kollegen in geheimer Mission nach Bagdad, um die Beweise der Dissidentin zu sichern und den Krieg im letzten Moment zu verhindern. Das aber liegt nicht im Interesse einer Gruppe einflussreicher Akteure - ganz im Gegenteil. Und schon bald kämpft Frank Jaromin um sein Leben ... Dem sechsfachen Deutschen-Krimipreis-Träger Oliver Bottini gelingt mit seinem neuen Roman ein Meisterwerk des Spionagethrillers, politisch brisant und absolut mitreißend.

OLIVER BOTTINI wurde 1965 geboren. Für seine Romane erhielt er zahlreiche Preise, unter anderem den Krimipreis von Radio Bremen, den Berliner >Krimifuchs<, den Stuttgarter Krimipreis und sechsmal den Deutschen Krimipreis, zuletzt 2022 für >Einmal noch sterben<. Bei DuMont erschienen außerdem >Der kalte Traum< (2012) und >Ein paar Tage Licht< (2014) - kürzlich von ARTE/ZDF unter dem Titel >Algiers Confidential< verfilmt - sowie die Kriminalromane um die Freiburger Kommissarin Louise Bonì. Oliver

4. FEBRUAR 2003

PROLOG

Bosnien und Herzegowina

ENDLICH, denkt Jaromin.

Im Dunkel der Nacht sind zwei winzige gelbe Lichter aufgetaucht. Lautlos gleiten sie in der Ferne über die unbeleuchtete Straße. Verschwinden in Kurven, hinter Bäumen, Hügeln. Tauchen wieder auf. Das Auto fährt schnell, ein ums andere Mal springen die Lichter aus dem Fadenkreuz.

Jaromin fängt sie wieder ein.

»Auto von Osten, fünfzehnhundert Meter«, murmelt dicht neben ihm Koeppen ins Mikro.

»Sind bereit.« Ivos Stimme in seinem Ohr.

Dann herrscht wieder Stille, bis auf die Geräusche des nächtlichen Waldes.

Plötzlich erlöschen die beiden Lichter. Als sie wieder aufglimmen, beginnt Jaromin stumm zu zählen. Nach zehn Sekunden verschwindet das Licht erneut. Kehrt zurück, und Jaromin zählt.

Und ein drittes Mal.

Das verabredete Signal.

»Er ist es«, bestätigt Koeppen.

Wenig später kann Jaromin das Gesicht des Fahrers durch das Zielfernrohr sehen. Die Augen fliegen immer wieder zum Rückspiegel, er hat Angst. Mirko, ein Musikstudent. Tagsüber spielt er Violine in den Straßen von Banja Luka. Nachts verfasst er Flugblätter für eine verbotene serbische NGO.

Jetzt bringt er ihnen einen Mörder.

»Und?«, sagt Ivo in Jaromins Ohr.

»Tausend Meter«, erwidert Koeppen.

Jaromin bewegt das Visier entlang der Straße, die Mirko gekommen ist. Keine Verfolger.

Dann hat er wieder das junge Gesicht im Blick.

Gleich hast du es geschafft, Mirko, denkt er.

Doch das Schwierigste kommt noch. Mirko muss Jergović aus dem Kofferraum hieven.

Allein.

Der Musiker und der Mörder.

Im Elternhaus einer Freundin in einem Dorf am Fuß irgendeines Berges der Republika Srpska ist Mirko vor einer Woche einem Toten begegnet.

Einem Toten mit kraftloser Stimme und resignierten Augen.

Noch in derselben Nacht flüsterte er den Namen des Toten in sein Mobiltelefon. Zoran Jergović, offiziell in den letzten Kriegstagen 1995 gefallen, Ende Januar 2003 in der Republika Srpska wiederauferstanden.

Die Nachricht wanderte auf verschlungenen Pfaden nach Den Haag, wo sie am nächsten Mittag eintraf. Zwei Tage später rief ein Tribunal-Staatsanwalt in Berlin an. Zoran Jergović hatte seit 1996 unter einem falschen Namen in Passau gelebt. Anfang Dezember 2002 hatte er Wohnung und Job gekündigt und war verschwunden.

Aus Belgrad und Banja Luka hieß es: Unmöglich, unser Held Zoran Jergović ist im Krieg geblieben, täglich besuchen die Witwe und die Söhne das Grab.

Um zu verhindern, dass Jergović sich erneut absetzt, bat Den Haag Berlin um Unterstützung. Der BND wurde eingeschaltet, kurz darauf stellte Bengt Koeppen ein Team zusammen: Ivo, Toni, Jaromin. Seit zwei Tagen hausen sie im Wald in der Nähe der unbewachten Grenze zwischen der Republika Srpska und der Föderation, Jaromin und Koeppen auf einem bosnisch-serbischen Hügel, die beiden anderen einen halben Kilometer entfernt in einem bosnisch-herzegowinischen Tal. Zwei Tage in der klammen Winterfeuchtigkeit. Die größte Herausforderung war, den Körper warm und das Gewehr trocken zu halten.

Vor drei Stunden dann kam der Anruf. Mirko und seine NGO-Freunde haben Jergović am Abend in einem Bergdorf überwältigt. Ein paar mit Stöcken bewaffnete Studenten bringen einen Kriegsverbrecher zur Strecke.

Doch Jergović muss Helfer haben. Getreue von damals. Freunde, die Familie natürlich, die beiden Söhne. Informanten in Banja Luka und Belgrad.

Deshalb liegen Jaromin und Koeppen im nassen Gebüsch über dem Fluss. Um die Übergabe des Mörders zu sichern.

Dreihundert Meter bis zur Brücke.

Eine schmale Brücke aus Stein, vierzig Meter lang, nicht einmal drei Meter breit. Am diesseitigen Ufer weht im schwachen Licht einer Straßenlaterne die Flagge der Republik, gegenüber die der Föderation. Die Grenzanlagen sind längst abgebaut, die Straße ist zu dieser nächtlichen Stunde verwaist. Die Brücke ist die letzte Möglichkeit, Jergović zu befreien. Vielleicht die beste.

Jaromin trocknet die von der Wärme seines Körpers beschlagenen Stellen an Okular und Objektiv. Koeppen, kaum zu sehen neben ihm im Gebüsch, hat das Fernglas vor den Augen, wirkt wie versteinert. Wie immer in solchen Lagen scheint er höchstens alle fünf Minuten einmal zu atmen.

Jaromin spürt, dass seine Hände leicht zittern, und der Puls rast. Er tastet unauffällig nach den Tabletten in der Brusttasche, schluckt eine hinunter.

Dann holt er den herankommenden Wagen ins Visier zurück.

»Zweihundert Meter«, sagt Koeppen. »Ivo, Toni?«

»Startklar«, sagt Ivo.

Leichter Nebel liegt über dem Fluss und den Ufern, hängt zwischen den Bäumen des Waldes diesseits und jenseits der Brücke. Kein Licht außer dem der beiden Straßenlaternen. Kein anderes Auto weit und breit.

Koeppen aktualisiert Richtung und Geschwindigkeit des Windes, Jaromin justiert nach und entsichert das G22.

»Er ist jetzt an der Brücke«, murmelt Koeppen.

»Verstanden«, sagt Ivo.

Ohne das Tempo merklich zu verringern, fährt Mirko weiter. Der Wagen holpert über das Kopfsteinpflaster der Brücke, bleibt am anderen Ufer abrupt stehen. Die Tür fliegt auf, Mirko springt heraus, erbricht sich. Er ist mittelgroß und dürr, ungelenke Bewegungen, dunkler Wuschelkopf. Einer, der für klassische Musik gemacht sein mag, sicher nicht für Guerilla-Aktionen wie diese, denkt Jaromin.

»Er ist ausgestiegen«, sagt Koeppen.

Mirko hastet zum Kofferraum, öffnet ihn und weicht zurück. Erst jetzt sieht Jaromin, dass er mit der rechten Hand einen faustgroßen Stein umklammert. Er hält den Atem an. Den Haag braucht Jergović unversehrt. Wenn Mirko zuschlägt, bricht Koeppen die Operation ab.

»Verflucht!«, flüstert Koeppen.

»Was?« Ivo, alarmiert.

Sekunden verstreichen. Schließlich erscheint über dem Kofferraumrand ein fast kahler Kopf. Dann die Arme, an den Handgelenken gefesselt. Drohend hebt Mirko den Stein. Mit der linken Hand zerrt er Jergović über den Rand, lässt ihn auf die Straße fallen. Brüllt auf den Liegenden ein. Im Zielfernrohr sieht Jaromin, dass er der Panik nahe ist.

Jergović rührt sich nicht.

»Alles okay«, sagt Koeppen.

Mirko schleudert den Stein von sich, steigt in den Wagen, wendet und fährt in einer Staubwolke davon. Auf der Brücke bricht das Heck aus, kracht gegen die niedrige Mauer. Erst am anderen Ufer bekommt er den Wagen unter Kontrolle.

Dann hat er es geschafft.

Jergović hat sich auf den Rücken gedreht. Im Vergleich zu dem Fahndungsfoto des Haager Tribunals wirkt er gespenstisch abgemagert. Weißer Rauschebart wie bei Karadžić, verschmutzte Jeans, verschmutzte Tennisschuhe. Ein todkranker Kriegsverbrecher Ende fünfzig, der zum Sterben in sein isoliertes Heimatdorf zurückgekehrt war und sein Leben nun im Fokus der Weltöffentlichkeit beenden wird.

»Können wir?«, fragt Ivo.

»Noch nicht«, sagt Jaromin.

»Was ist?«, fragt Koeppen.

Jaromin hebt den Gewehrlauf leicht an und lässt das Fadenkreuz über die Bäume jenseits der Straße gleiten. Nichts ist. Nur ein seltsames Gefühl, das ihm klamm im Nacken sitzt.

Zwei Tage und Nächte in der Winterfeuchtigkeit, denkt er. Alles ist klamm.

»Sprich mit mir«, sagt Koeppen.

»Eine Minute«, murmelt Jaromin.

Die Minute verstreicht, niemand taucht auf, um Jergović zu befreien.

Der Nacken bleibt klamm.

»Was siehst du?«

»Bäume. Jergović.«

»Gut«, sagt Ivo. »Dann kommen wir jetzt.«

Jaromin antwortet nicht.

Bäume und Jergović.

Der Gefesselte liegt inzwischen auf der Seite, in Jaromins Richtung gewandt. Die Augen sind offen. Er wirkt konzentriert.

Wartet.

»Klar wartet er«, sagt Ivo.

Weitere drei Minuten lang führt Jaromin den Gewehrlauf und mit ihm das Visier sachte hin und her.

Bäume, das Flussufer, Jergović. Sonst nichts.

»Wie sieht’s aus?«, fragt Koeppen drängend.

»Okay«, sagt Jaromin.

Ivo und Toni brauchen keine dreißig Sekunden. Ein dumpfes Grollen kündigt sie an. Der schwere Geländewagen umkurvt Jergović, hält vier Meter von ihm entfernt, die Türen fliegen auf. Jergović hat den Kopf gehoben, lässt ihn jetzt wieder sinken. Seine Miene ist angespannt. Lauernd.

»Aufpassen!«, raunt Jaromin.

Ivo und Toni laufen auf Jergović zu, die Waffe in der Hand. Plötzlich fällt ein Schuss. Ivo stürzt mit einem überraschten Schrei, bleibt liegen. Toni feuert in Richtung Wald.

Das klamme Gefühl im Nacken.

Ein weiterer Gewehrschuss, kein Treffer.

»Im Wald, mindestens zwei«, sagt Koeppen gepresst. Jaromin hat sie im Visier, zwischen den Bäumen bewegen sie sich auf die Straße zu. Einer hält einen Selbstladekarabiner in den Händen, lädt ihn hektisch. Ein junger Mann, vielleicht zwanzig, Tarnkleidung, das Gesicht geschwärzt, jetzt legt er wieder an.

»Neutralisieren!«, sagt Koeppen.

Jaromin betätigt den Abzug, hört über den Knopf im Ohr einen kurzen Schrei, während er den Rückstoß abfängt. Koeppen bestätigt den Treffer. Schnell bringt Jaromin das Gewehr wieder in Anschlag. Der zweite Angreifer hält die Hände in die Höhe, ist auf die Knie gefallen. Jaromin schätzt ihn auf achtzehn. Alles an ihm zittert. Erneut schießt er, eine Warnung, das Projektil rast keine zehn Zentimeter neben dem Knienden in einen Baumstamm, Rinde fliegt ihm um die Ohren.

»Toni!«, sagt Koeppen.

Schon ist Toni bei dem Jungen, stößt ihn...

Erscheint lt. Verlag 16.8.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 9/11 • Ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis 2022 | 2. Platz • BND • BND-Machenschaften • Bundesnachrichtendienst • CIA thriller • Curveball • Deutscher Krimipreis • Deutschlands Rolle im Irakkrieg • Geheimdienst Verstrickungen • Irakkrieg • Krieg gegen den Terror • Krimi Naher Osten • Neuer Roman Bottini • Saddam Hussein • spannender Politthriller • Spionageroman spannend • Spionagethriller Irakkrieg • War on Terror
ISBN-10 3-8321-8251-9 / 3832182519
ISBN-13 978-3-8321-8251-9 / 9783832182519
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