Nonnas rauhaarige Romantiker (eBook)

Lockdown al dente
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
190 Seiten
tolino media (Verlag)
978-3-7546-2744-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Nonnas rauhaarige Romantiker -  Luzi van Gisteren
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Keine Pasta mehr im Supermarkt? Nicht mit Nonna Carmelina! Federicos temperamentvolle Großmutter nimmt in Pandemiezeiten den Kampf auf gegen dubiose Hamsterkäufer und notorische Nörgler. Obendrein treibt ein arbeitsloser Trucker mit morbidem Geheimnis sein Unwesen in Saarlouis, dabei möchte Nonna eigentlich nichts lieber als raus aus 'Maskenland' und runter nach Apulien! Der 4. Band der Super-Nonna. Alle Romane sind in sich geschlossen und können unabhängig voneinander genossen werden.

Luzi van Gisteren diktierte bereits im frühen Kindesalter ihrer Mutter kleine Geschichten. Ihren ersten Roman schrieb sie mit 13 Jahren, widmete sich nach dem Abitur jedoch zunächst ihrem Studium der Betriebswirtschaftslehre. Ihre Erstveröffentlichung 'Keimfrei", ein schwarzhumoriger Kurzkrimi, hatte im Januar 2014 in kurzer Zeit mehrere tausend eBook-Downloads; seither kann Luzi van Gisteren nicht mehr vom Schreiben lassen.

Luzi van Gisteren diktierte bereits im frühen Kindesalter ihrer Mutter kleine Geschichten. Ihren ersten Roman schrieb sie mit 13 Jahren, widmete sich nach dem Abitur jedoch zunächst ihrem Studium der Betriebswirtschaftslehre. Ihre Erstveröffentlichung „Keimfrei", ein schwarzhumoriger Kurzkrimi, hatte im Januar 2014 in kurzer Zeit mehrere tausend eBook-Downloads; seither kann Luzi van Gisteren nicht mehr vom Schreiben lassen.

Von verkohlten Koteletts und Märzdepressionen


Obwohl beide Fenster sperrangelweit auf Durchzug standen, konnte ich Nonnas Konturen nur vage im dichten Küchenqualm erkennen. Wie ein Blinder schlich ich durch den rußschwarzen Dunst, bis ich plötzlich ihre graue Haarschnecke vor Augen hatte.

„Nonna, so was ist dir doch noch nie passiert!“, stellte ich unnötigerweise fest.

„Porca Miseria!“ Meine Großmutter schimpfte wie ein Rohrspatz. Sie war gerade mit einem großen Wassereimer zugange, den sie mit beiden Händen zum Backofen herüber hievte, um die völlig verkohlten Koteletts abzulöschen.

„So ein Mist! An allem ist Frau Stulpe schuld. Warum regt sie sich nur über ein bisschen Musik auf. Madonna mia! Das schöne Essen! Dabei hatte ich mich so gefreut, dass ich die Koteletts noch im Tiefkühlfach hatte – jetzt ist alles hin!“ Sie knallte den Backofen zu und hockte sich erschöpft an den Küchentisch.

Dieser Tag hatte nicht gut angefangen, es war nur logisch, dass er sich nicht besser entwickelte.

„Aber nicht nur Frau Stulpe ist schuld, sondern vor allem dein Vater!“, verkündete Nonna großspurig. Sie berichtete, dass sie Papa schon vor Wochen darum gebeten hatte, nach dem Backofen zu sehen, da sich die Temperatur schon seit Längerem nicht richtig regulieren lassen würde. „Aber er hat ja nie Zeit! Er scheint ganz vergessen zu haben, dass er eine Mutter hat. Eine arme Frau bin ich!“ Nonna wackelte fortlaufend den Kopf und redete sich selbst in Rage.

So langsam wurde es mir wirklich zu viel mit dieser „Drama Queen“. Zuerst schrie sie hysterisch den Supermarkt zusammen und nun ließ sie auch noch das Essen anbrennen – und das, obwohl mein Magen auf halb acht stand! Selbst Mama hätte es in der Zwischenzeit geschafft, mir wenigstens eine Stulle zu schmieren. Zum jetzigen Zeitpunkt hätte ich selbst mit einem Tofu-Burger oder einem einfachen Knäcke mit Dill Dipp vorliebgenommen. Doch was gab es in diesem Haus? Ärger, nichts als Ärger und Frust! Ich meine gut, die Situation mit diesem Panik-Virus war für alle nicht leicht, aber, so what? Wir hatten immer noch was im Kühlschrank. Wir hatten einer perfiden Hamsterkäuferin sogar die letzten Nudelpackungen abgenommen. Wir würden so schnell nicht sterben, jedenfalls nicht am Hungertod. Und genau das sagte ich Nonna jetzt.

„Du könntest wenigstens ein paar Nudeln machen!“, schlug ich vor. Nudeln machten satt. Und vor allen Dingen gingen sie schnell. Jetzt musste es auch schnell gehen, denn mein Magen knurrte wie ein Wolf und ich konnte förmlich beobachten, wie ich minütlich mehr in den Unterzucker geriet.

„Beweg dich endlich und mach mir was zum Essen!“, schrie der graue Wolf in mir, während die Küchenvorhänge im Märzwind wie ein Bataillon aufgescheuchter Gespenster umherflatterten. Doch das sagte ich natürlich nicht. Stattdessen wimmerte ich ein bisschen, wie früher, als Nonna mich unter die Dusche gezwungen hatte, wo ich doch so gerne ein trockener Junge geblieben wäre.

Nonna erhörte mein Wimmern. Endlich begann sie, mir mein blitzschnelles Lieblingsgericht zuzubereiten: Spaghetti Aglio e Olio. Ich liebe Knoblauchspaghetti, doch ich hätte zum jetzigen Zeitpunkt alles gegessen – selbst das frittierte Telefonbuch von Spiesen-Elversberg. Während meine Großmutter das Nudelwasser zeitlupenartig in den Kochtopf einließ, überlegte ich, ob ich sie mit einem „Hopp hopp hopp“ ein bisschen anfeuern sollte. Flinke Küchenarbeit ging anders! Nonna hantierte langsamer als eine Schnecke und ich fragte mich, ob sie das nervtötende Schauspiel tatsächlich aus Kraftlosigkeit oder nicht vielmehr aus Gehässigkeit vollbrachte. Während sie die Knoblauchzehe mit den Fingerspitzen zu schälen begann, riss ich einer Übersprungshandlung gleich den Backofen auf, um zwischen den verbrannten Koteletts noch einen halbwegs nahrhaften Knochen zu erheischen.

Dummerweise schob mich Nonna zur Seite und holte nun selbst die Koteletts beziehungsweise das, was davon übriggeblieben war, aus dem Ofen. Dann stellte sie das Radio an und begann die verbrannte Ofenform zu schrubben, während im Rundfunk die aktuellen Fallzahlen des Robert Koch Instituts und die Schreckensmeldungen der ausufernden Pandemie in Italien bekanntgegeben wurden.

„So viele Tote in Bergamo! Dio Mio!“ Nonna fuchtelte verzweifelt im Spülwasser, während der Nachrichtensprecher von Militärtransportern berichtete, die die Corona-Opfer, denen nicht mehr zu helfen gewesen war, abtransportierten.

Nonna stieß ein markerschütternden „Oddio!“ aus und griff zum Edelstahlschwamm, mit dem sie sich wie eine Besessene an der verbrannten Kruste zu schaffen machte. Sie rubbelte und scheuerte umher, bis ihr die Ofenform aus der Hand glitt und mit einem satten Plätscher ins randvolle Spülbecken glitt. Das Wasser spritzte und schwappte in alle Himmelsrichtungen, selbst Nonnas selbst gehäkelte Tischdecke wurde von der braunen Brühe überflutet und leider auch mein funkelnagelneuer Hoodie, der gestern nach drei (!) Wochen Lieferzeit endlich angekommen war.

„Mensch Nonna!“, fuhr es aus mir heraus. Die Drecksbrühe auf meinem schneeweißen Sweater sah wirklich eklig aus.

„Oh, scusami, Bello! – Entschuldige bitte!“ Sie tauschte den Edelstahlschwamm gegen ein Küchenhandtuch, mit welchem sie statt der Pfanne nun auch meinen Ärmel behandelte.

„Nonna, du machst es doch nur noch schlimmer! Lass es gut sein, der kommt besser in die Waschmaschine bei Mama!“, sagte ich und wollte ihr das Küchenhandtuch abnehmen, da schnappte sie plötzlich nach meiner Hand.

„Autsch!“ Ich protestierte entsetzt. „Was soll das Nonna?“

Mit dem Blick einer Verrückten sah sie durch mich hindurch. „Der Teufel“, zischte sie. Ihr stierer Blick hatte etwas von den verirrten Seelen, die in den Schwarz-weiß-Psychofilmen mit Kälteschocks behandelt werden. „Der Teufel! Das war Teufel!“, wiederholte sie ihre Mutmaßung.

Meine Güte! Im Netz wurde ja so einiges veröffentlicht, manche sprachen von einem Labor, in denen das Corona-Virus hochgezüchtet wurde, um der Überalterung der Gesellschaft entgegenzuwirken. Ich besaß ein grundsätzliches weltoffenes Naturell und Meinungsfreiheit fand ich gut, aber dass meine Nahverwandte nun über eine höchst unwissenschaftliche Erscheinung referierte, nämlich den personifizierten Luzifers, der das Virus angeblich auch in unsere Gefilde gehext hatte, fand ich höchstbedenklich.

„Nonna, nun sag doch nicht so was!“, lenkte ich mit letzter Kraft ein. Übelkeit stieg in mir hoch und ein fahler Geschmack machte sich in meinem Mund breit. Wie lange konnte es ein Mensch wohl ohne Essen aushalten? Doch meinen Hunger interessierte Nonne nicht mehr. Im Gegenteil: Sie preschte zum Herd, riss das sich kurz vor dem Sieden befindende Nudelwasser vom Ceranfeld gab einen kleinen Schuss Olivenöl in den Topf. Dann steckte sie ihren Kopf über das Orakel und wurde ganz blass: „Oddio! Madonna! Der Teufel, er ist mitten unter uns!“, sagte sie und knallte mir den Kochtopf vor meine Nase.

„Siehst du! Da! Der Teufel!“, herrschte sie mich an.

Ich blickte auf den Ölfilm, die sich zu zwei ovalen Tropfen geteilt hatte. Was um Himmels Willen sollte der Beelzebub mit ein bisschen Olivenöl im Nudelwasser zu tun haben?

„Und jetzt?“, stieß ich lapidar hervor. Ich war kurz davor, meine italienische Anverwandte mal richtig durchzuschütteln. Vielleicht sollte ich einen Wagen des Bezirkskrankenhauses anfordern, aber vorher sollte diese Frau endlich was auf den Mittagstisch bringen. Doch Nonna kümmerte sich nicht die Bohne um etwas Essbares für ihren hungrigen Enkelsohn, stattdessen hörte sie nicht auf, sich über das dunkle Geheimnisse unter dem Kochtopf zu grübeln: „Es war nur ein kleiner Löffel Öl im Wasser, Federico. Aber der Teufel, er ist hier! Er hat das Öl geteilt!“ Sie flüsterte jetzt nur noch, als würden wir abgehört. Ich ertappte mich dabei, wie auch ich unweigerlich den Kopf einzog.

Die Situation in Nonnas Küche war surreal. Ich hatte während dieser Quarantäne ja schon einiges mitgemacht: Vom Home-Schooling mit zusammengebrochenen WLAN bis hin zu einem außerschulischen Skype-Call mit meiner Englisch-Lehrerin bot der trübsinnige Corona-Alltag nur wenig Abwechslung. Immerhin hatten mir das Online-Poker-Spiel mit Unbekannten und mein verlotterter Rubics Cube in Zeiten des Social Distancing den Anflug eines minimalen Unterhaltungswerts in mein Leben gebracht, um als 17-jähriger nicht in schwere Depressionen zu verfallen. Die Gedanken an Satan, der unsichtbarer Weise den Öltropfen im Wasser zerteilte, ging mir in Sachen Unterhaltungsprogramm dann doch eklatant in die falsche Richtung.

„Wenn du denkst, dass der Teufel daran schuld ist, dass wir hier alle in Quarantäne sind, so muss ich dich enttäuschen, Nonna. Schuld ist nicht der Teufel, Schuld ist COVID-19, das Corona-Virus!“, belehrte ich Nonna. Ein wenig mehr rationalen Sachverstand hätte ich meiner Großmutter schon zugetraut.

„Ah! Du redest schön so klug daher wie deine Mamma!“, provozierte Nonna. „Weißt du was, Giovanotto: Ich kann Corona nicht mehr hören! Corona, Corona, Corona! Gibt es etwa keine anderen Themen mehr, eh?“ Sie schaltete den Herd aus und begab sich in ihr Schlafzimmer.

Stumm stand ich auf und zog mir meine Jacke an. Corona machte was mit einem. Nonna war nicht mehr Nonna. Sie sah vielleicht noch aus, wie die Frau, die mich großgezogen hatte, doch von ihrer Liebe und Güte war nichts mehr übrig. Mit Tränen in den Augen zog ich die Tür hinter mir zu und trottete mit weichen Knien die Treppe hinunter. Unten...

Erscheint lt. Verlag 8.2.2022
Reihe/Serie Super-Nonna
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte bellaitalia • Corona • Humor • Italien • Krimi • lockdown • Parodie • Satire • Spannung • Thriller
ISBN-10 3-7546-2744-9 / 3754627449
ISBN-13 978-3-7546-2744-0 / 9783754627440
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