Das Haus Zamis 36 (eBook)

Die Fluchtafel

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Aufl. 2022
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-2923-9 (ISBN)

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Das Haus Zamis 36 - Peter Morlar
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Über der Gestalt der Greisin, die aus dem offenen Grab geklettert war, spannte sich der Nachthimmel. Die blanken Knochen, die um das offene Grab herum verstreut lagen, schimmerten im Mondlicht.
»Weiche von mir, Satan!« schrie die Subpriorin Maria Renata und streckte der Alten das Holzkreuz entgegen. Sie hatte noch nicht zu Ende gesprochen, als ein Blitz vom Himmel zuckte und die Gestalt der Hexe einhüllte. Einen Augenblick später war sie verschwunden.
Eilig kehrte Maria Renata in den Schutz der Klostermauern zurück und traute sich erst bei Anbruch der Dämmerung wieder auf den Friedhof. Gemeinsam mit den anderen Nonnen kehrte sie die Knochen zusammen und schüttete das Grab zu.
Die alte, verwitterte Holztafel, die unterhalb des zerstörten Sarges versteckt worden war, entdeckte jedoch niemand.


1. Kapitel


Sie schüttelte den Kopf, um den Spuk, der sie offenbar narrte, zu vertreiben.

Doch sie hatte sich nicht getäuscht. Ein finsterer Schatten huschte durch die Grabreihen des kleinen Friedhofs, der im Inneren des Klosters angelegt war.

Maria Renatas Herz übersprang einen Schlag. Wer außer ihr war denn um diese Uhrzeit noch wach? Was hatte der Eindringling auf dem Friedhof zu suchen?

Maria Renata beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen. Sie eilte die Treppe ins untere Stockwerk hinab, erreichte den Klosterhof und blickte sich vorsichtig um.

In diesem Moment schob sich eine Wolke über den Mond, sodass die Umrisse der Gräber in tiefer Dunkelheit versanken.

Zögernd setzte die Subpriorin des Klosters einen Fuß vor den anderen. Trotz ihrer Kutte begann sie plötzlich zu frieren. Sie spürte, dass etwas Fremdes, Bösartiges sich ganz in ihrer Nähe befand.

Da hörte die das Geräusch. Es klang wie das Scharren von Pfoten in feuchter Erde, so, als würde ein Hund einen Knochen ausgraben.

Maria Renata näherte sich der Stelle, an der sie die Ursache für die Geräusche vermutete. Obwohl sie ihre Augen weit aufgerissen hatte, konnte sie nichts erkennen.

Sie bedauerte jetzt, keine Laterne mitgenommen zu haben. Aber sie kannte sich gut aus in diesem Kloster, dem sie vor fast einem halben Jahrhundert im Alter von neunzehn Jahren beigetreten war. So bereitete es ihr keine größeren Schwierigkeiten, den Ursprung der seltsamen Geräusche zu lokalisieren.

Maria Renata schluckte, als sie das Bersten von Holz vernahm. Dann hörte sie, wie jemand immer wieder etwas von sich wegschleuderte, das im näheren Umfeld irgendwo gegen prallte und liegen blieb.

Ein boshaftes Kichern drang leise an ihre Ohren, und die fromme, gottesfürchtige Nonne konnte nicht vermeiden, dass ihr ein Schauer über den Rücken lief. Sie umklammerte ihr Holzkreuz fester und nahm all ihren Mut zusammen.

»Wer ... Wer ist da?«, rief sie in die Dunkelheit. Die Geräusche verstummten schlagartig, Stille breitete sich aus. Selbst die Grillen zirpten nicht mehr. Offensichtlich spürten auch sie die Bedrohung, die von dem Unbekannten ausging.

»Antworten Sie mir!«, sagte sie bestimmt.

Doch alles, was sie hörte, war ein Rascheln, dann das Rieseln von Sand und Erdreich.

Der Wolkenberg hatte mittlerweile den Mond passiert. Das diffuse Licht des Erdtrabanten fiel direkt in den Innenhof des Klosters, strich über den Boden, die Gräber – und erreichte die Stelle direkt vor der verängstigten Nonne.

Maria Renata unterdrückte einen Schrei.

Fast wäre sie auf den ausgebleichten Totenschädel getreten, der sie aus finsteren Höhlen anzuglotzen schien! Und um ihn herum lagen unzählige Knochen verstreut.

Ein Grabschänder!, schoss es ihr durch den Kopf.

Da tauchte eine spinnenbeindürre Klaue aus der Tiefe des verwüsteten Grabes auf und krallte sich in das aufgeworfene Erdreich. Eine ausgemergelte Gestalt kroch aus dem finsteren Loch, richtete sich auf und blickte sich lauernd um.

Es war eine uralte Frau. In dem zerfurchten, runzeligen Gesicht stach die Hakennase deutlich hervor, doch dort, wo sich bei einem normalen Menschen die Augen befanden, leuchteten nur zwei weiße Flecke, deren Mitte ein winziger, dunkler Punkt zierte.

Eine Hexe!, schoss es Maria Renata durch den Kopf. Das muss eine Hexe sein!

Einzig aus der Literatur war ihr die Beschreibung einer solchen Teufelsdienerin bekannt, doch jetzt sah sie es mit eigenen Augen.

Die Nonne reagierte geistesgegenwärtig und streckte der Greisin das Holzkreuz entgegen. »Weiche von mir, Satan!«, rief Maria Renata mit zitternder Stimme. »Verlasse diesen heiligen Ort für immer und kehre nie wieder zurück! Im Namen des Vaters, des Sohnes, und es Heiligen ...«

Die Subpriorin des Klosters hatte ihre Worte noch nicht zu Ende geführt, als ein Blitz vom Himmel zuckte und die Gestalt der Hexe einhüllte. Ein grauenhafter Schrei, der direkt aus der Hölle zu kommen schien, erfüllte die Nacht und schmerzte Maria Renata in den Ohren.

Einen Augenblick später war die Hexe verschwunden.

Die Subpriorin atmete tief durch und zwang sich zur Ruhe. Sie hörte eilige Schritte und sah den Lichtschein von Kerzen und Laternen durch das Kloster geistern. Verwirrte Rufe und angsterfüllte Stimmen klangen auf.

Die anderen Nonnen mussten den schrecklichen Schrei der Hexe ebenfalls vernommen haben. Soeben erreichten sie den Innenhof und blieben erschüttert neben dem geöffneten Grab und der blassen Subpriorin stehen.

»Was ist passiert?«, rief eine Nonne und bekreuzigte sich. Sie nannte sich Schwester Theresa.

»Eine Hexe«, antwortete Maria Renata knapp. »Ich erwischte sie dabei, wie sie dieses Grab geschändet hat, doch mit Gottes Hilfe war es mir möglich, sie zu vertreiben.«

»Wo ist sie jetzt?«

»Der Teufel hat sie wieder zu sich geholt.«

Abermals bekreuzigte sich die gottesfürchtige Theresa und blickte ihre Subpriorin misstrauisch an.

Sicher, sie kannte Maria Renata schon seit vielen, vielen Jahren und wusste sie sehr zu schätzen. Doch alles, was sie sah, war das verwüstete Grab, die zerstreuten Knochen der Toten – und die Klosterleiterin.

Von der angeblichen Hexe keine Spur.

Aber sie behielt ihre Gedanken für sich und beschloss, Gras über die Sache wachsen zu lassen.

Am nächsten Morgen wurden die Knochen wieder sorgsam in das Erdreich gebettet und das Grab zugeschüttet.

Die alte, verwitterte Holztafel, die unterhalb des zerstörten Sarges versteckt worden war, entdeckte jedoch niemand ...

»Nein, Herr, das könnt Ihr nicht von mir verlangen!«

Natascha Zamis hatte diese Worte in allergrößter Panik ausgestoßen und starrte entsetzt auf Donatius, der selbstgefällig auf einer Art Thron vor ihr hockte und auf sie herabblickte.

»Du wagst es, mir zu widersprechen?«, donnerte die Stimme des Dämons durch die Höhle. Ein Schwarm Fledermäuse flatterte erschrocken auf und suchte das Weite.

»Ich gehe nicht noch einmal in dieses verdammte Kloster! Die Gottesbilder, die Madonnen, die Holzkreuze, die ganzen sakralen Gegenstände bereiten mir Schmerzen! Fast hätte es diese Nonne geschafft, mich mit ihrem Kreuz zu vernichten!«

»Du warst eben unvorsichtig!«, schimpfte Donatius und erhob sich drohend. »Ja, diese Maria Renata Singer ist schon eine extrem gläubige Frau. Und genau das reizt mich so an ihr.« Er lachte spöttisch. »Es wird mir ein Vergnügen sein, sie von der Macht des Bösen zu überzeugen, sie zu verderben und so weit zu bringen, dass sie ihrem Gott entsagt.«

»Dann macht es selbst!«

Donatius' Gesicht verzerrte sich zu einer dämonischen Fratze. Seine Augen, die schwarzen Kohlestücken gleich in den Höhlen lagen, flammten glutrot auf und schossen einen Blitz ab, der die aufsässige Hexe mitten im Leib traf.

Sie schrie gellend auf und wand sich unter unsagbaren Schmerzen auf dem Steinboden. »Gnade!«, stieß sie winselnd hervor. »Gnade, Herr!«

Donatius weidete sich noch eine Zeit lang an dem Anblick, erst dann beendete er die Folter. »Das, liebe Natascha, war nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was dich erwartet, wenn du dich meinen Befehlen noch einmal widersetzt. Du kannst selbst entscheiden, welche Schmerzen schlimmer für dich sind: die, denen du im Kloster ausgesetzt bist, oder diejenigen, welche ich für dich bereithalten werde!«

Die Hexe richtete sich wankend auf und starrte ihren Meister aus blicklosen Augen entgegen. »Ich werde gehorchen!«, flüsterte sie und senkte demütig ihr Haupt.

»Warum nicht gleich so?«, höhnte Donatius und lachte meckernd. »Gut, dann wirst du heute Nacht den nächsten Akt einleiten ...«

Schwester Gisela hatte hohes Fieber.

Mit schweißnasser Stirn und glühenden Wangen lag sie in ihrem Gemach im Kloster Unterzell und zitterte wie Espenlaub. Ihre Zähne schlugen klappernd aufeinander, als der Schüttelfrost sie überkam.

Maria Renata Singer hatte sich der Kranken angenommen und pflegte sie.

Fast stündlich wechselte die Subpriorin des Klosters den feuchten Lappen auf Giselas Stirn, kühlte die Waden der Fieberkranken mit eiskalten Tüchern, um so die Temperatur etwas zu senken.

Doch alle Mühe war vergebens.

Schwester Giselas Zustand verschlimmerte sich von Tag zu Tag, und schließlich fiel sie in eine Art Koma.

Maria Renata betete zu Gott, wann immer sie konnte, und bat ihn für ihre Schwester um Beistand.

Gisela erwachte daraufhin zwar nicht mehr, jedoch blieb ihre Verfassung immerhin stabil und verschlechterte sich nicht weiter. Auch die Temperatur ging etwas zurück.

Die Subpriorin suchte Hilfe in alten Büchern über Kräuterheilkunde, deren es Dutzende in der klostereigenen Bibliothek gab. Nach kurzer Suche fand sie ein Kapitel, dem sie zunächst sehr skeptisch gegenüberstand, sich dann aber entschied, die dort empfohlene Rezeptur an Gisela auszuprobieren. Was hatte die schwer kranke Nonne denn noch zu verlieren?

Und so ordnete Maria Renata an,...

Erscheint lt. Verlag 1.3.2022
Reihe/Serie Das Haus Zamis
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Coco Zamis • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • Dorian Hunter • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Spin-Off • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond
ISBN-10 3-7517-2923-2 / 3751729232
ISBN-13 978-3-7517-2923-9 / 9783751729239
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