Gespenster-Krimi 88 (eBook)

Stirb in der Arena, Castor Pollux!

(Autor)

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2022 | 1. Aufl. 2022
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-2721-1 (ISBN)

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Gespenster-Krimi 88 - Michael Schauer
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Die leeren Augenhöhlen des Toten starrten ins Nichts. Ein Loch in seinem fast verwesten Schädel, groß wie eine Münze, sowie Wunden überall an seinem Körper zeugten davon, wie der Mann ums Leben gekommen war. Von gedungenen Mördern war er in einer schwülen Nacht erschlagen und erstochen worden, so wie seine beiden Leidensgenossen, deren Überreste nicht weit von ihm entfernt auf dem Grund des Tibers ruhten. Nachdem man sie getötet hatte, hatte man ihre Leichen mit Steinen beschwert und von einer Brücke in den Fluss geworfen.
Etwas veränderte sich. Wie aus dem Nichts umhüllte ihn ein roter Schimmer. Durch das Wasser gedämpft, war ein Dröhnen zu hören. Ein kleiner Fischschwarm, der in der Nähe seine Runden gedreht hatte, spürte die Anwesenheit von etwas Unheimlichen und suchte das Weite. Kaum war er fort, verstummte das Dröhnen, und das Schimmern erlosch.
Von dem Toten war jetzt nur noch das blanke Skelett übrig.
Es bewegte sich ...


Stirb in der Arena,
Castor Pollux!

von Michael Schauer

Die leeren Augenhöhlen des Toten starrten ins Nichts. Ein Loch in seinem fast verwesten Schädel, groß wie eine Münze, sowie Wunden überall an seinem Körper zeugten davon, wie der Mann ums Leben gekommen war. Von gedungenen Mördern war er in einer schwülen Nacht erschlagen und erstochen worden, so wie seine beiden Leidensgenossen, deren Überreste nicht weit von ihm entfernt auf dem Grund des Tibers ruhten. Nachdem man sie getötet hatte, hatte man ihre Leichen mit Steinen beschwert und von einer Brücke in den Fluss geworfen.

Etwas veränderte sich.

Wie aus dem Nichts umhüllte ihn ein roter Schimmer. Durch das Wasser gedämpft, war ein Dröhnen zu hören. Ein kleiner Fischschwarm, der in der Nähe seine Runden gedreht hatte, spürte die Anwesenheit von etwas Unheimlichen und suchte das Weite. Kaum war er fort, verstummte das Dröhnen, und das Schimmern erlosch.

Von dem Toten war jetzt nur noch das blanke Skelett übrig.

Es bewegte sich ...

Rom, 63 n. Chr.

»Wo gehen wir hin?«, fragte das kleine Mädchen.

»Zum Tiber«, antwortete die Frau, die es an der Hand hielt. Ihr Gesicht lag im Schatten, verborgen durch die Kapuze ihres Mantels.

»Mutter wird böse sein, wenn sie merkt, dass ich nicht zu Hause bin.«

»Das wird sie nicht, keine Sorge.«

Die Frau drehte den Kopf und lächelte das Mädchen an. Im Mondlicht konnte sie seine dunklen Locken sehen, die ihm bis auf die Schultern reichten. Lina, so hieß die Kleine, war ein hübsches Kind mit ihrer Stupsnase, den Pausbacken und den hellen, großen Augen. Nur hätte sie dringend ein Bad gebraucht, denn ihre Kleidung verströmte einen penetranten, muffig-säuerlichen Geruch. Sie wusste, dass in der Subura, dem Elendsviertel von Rom, die Menschen auf Sauberkeit häufig wenig Wert legten. Sie waren damit beschäftigt, sich ihre kargen Mahlzeiten zu verdienen und am Leben zu bleiben.

Es war ganz leicht gewesen, sie mitzunehmen. Nachdem sie Lina in einer Seitengasse entdeckt hatte, hatte sie sie nur ansprechen müssen. Vorher hatte sie ihre Kapuze zurückgeschlagen, damit die Kleine ihr Gesicht sehen konnte, denn sie wollte sie nicht erschrecken. Das Mädchen schien vor einer Fremden keine Scheu zu haben. Trotz der schon späten Stunde war es allein unterwegs gewesen. Ob seine Mutter seine Abwesenheit heute Nacht überhaupt bemerken würde?

»Wie alt bist du?«, hatte sie gefragt.

»Ich weiß es nicht genau. Ich glaube, sechs Jahre.«

»Möchtest du etwas Brot?«

Lina hatte eifrig genickt. Ihr magerer Körper, der sich unter dem schmutzigen Kleidchen abzeichnete, gab ein deutliches Zeugnis davon, dass der Hunger ihr ständiger Begleiter sein musste. Sie hatte es geschehen lassen, dass sie sie an der Hand genommen hatte und mit ihr davonspaziert war.

»Gibt es am Tiber Brot?«, wollte sie wissen. Ein leicht quengelnder Unterton lag jetzt in ihrer Stimme.

»Ja«, antwortete die Frau. »Ich habe dort ein Versteck, weißt du?«

Das Mädchen nickte.

Nebeneinander schritten sie durch die dunklen Straßen der Stadt. Drei Männer kamen ihnen entgegen, ihrem stark schwankenden Gang nach zu urteilen waren sie betrunken. Die beiden ersten torkelten an ihnen vorbei, der dritte, der in einigen Schritten Abstand folgte, blieb stehen und glotzte sie an.

»Was macht ihr zwei denn hier so allein?«, lallte er.

Die Frau hielt ihren Blick starr geradeaus gerichtet und wollte an ihm vorbei. Mit einer schwieligen Hand griff er nach ihrer Schulter und hielt sie fest.

»Warte mal, Täubchen. Wir könnten ein wenig Spaß zusammen haben, was meinst du? Die Kleine ist vielleicht noch ein bisschen jung, aber trotzdem ...«

Ihre Hand schoss vor, fand ihr Ziel. Durch den dünnen Stoff seiner schmutzigen Tunika hindurch quetschte sie mit aller Kraft seine Hoden. Wie vom Blitz getroffen brach der Mann zusammen, ein gellender, beinahe tierischer Schrei drang über seine wulstigen Lippen. Dann lag er zusammengekrümmt am Boden, die Hände auf seine Körpermitte gepresst. Winselnd spie er Worte aus, die sie nicht verstand, so verwaschen und undeutlich kamen sie aus seinem Mund. Vermutlich beschimpfte und verfluchte er sie.

Sie verstärkte ihren Griff um Linas Hand und zog sie mit sich.

»He, Tacticus, was ist los mit dir?«, hörte sie hinter sich eine Stimme. Die anderen Männer mussten den Schrei gehört und jetzt ihren sich vor Schmerzen windenden Kameraden bemerkt haben.

»Schneller«, zischte sie ihr zu und beschleunigte ihre Schritte.

»Was wollte der Mann?«

»Nichts.«

»Was meinte er mit Spaß haben?«

»Vergiss es einfach, Lina. Das war ein böser Mann.«

Eine Viertelstunde später erreichten sie ihr Ziel, eine breite Holzbrücke, die über den Tiber führte. Lina an der Hand, betrat sie das Bauwerk. In der Mitte der Brücke blieb sie stehen und blickte hinunter in den Fluss. Tagsüber hatte er eine graugrüne Farbe, im Mondlicht glänzte er pechschwarz.

Das war die Stelle. Sie spürte es.

»Bekomme ich jetzt das Brot? Ich bin müde.«

Wieder das Quengeln in ihrer Stimme.

Die Frau nickte und zog das Mädchen sanft vor sich, sodass es mit dem Rücken zu ihr am Geländer stand. Behutsam legte sie ihre Hände auf seine Schultern.

»Siehst du den Fluss, Lina?«

»Ja.«

»Dort unten gibt es ein Geheimnis.«

»Kein Brot?«

Die rechte Hand der Frau löste sich von der Schulter des Kindes. Ihre Finger glitten unter ihren Mantel, tasteten nach dem Griff der Waffe.

»Viel besser. Du wirst nie wieder Hunger leiden müssen.«

»Wenn es kein Brot gibt, dann will ich jetzt nach Hause.«

In einer schnellen Bewegung umklammerte sie mit ihrem linken Arm Linas Hüfte, hob sie mit einem Ruck in die Höhe und drückte sie gleichzeitig nach vorn, sodass ihr Oberkörper über dem Tiber schwebte.

Lina schrie erschrocken auf.

Die scharfe Schneide des Dolchs blitzte auf. Sie trat vor, klemmte das Mädchen zwischen ihrem Körper und dem Geländer ein. Es zappelte, doch sie war zu stark. Mit der linken Hand umfasste sie seine Stirn, drückte seinen Kopf zurück und schnitt ihm die Kehle durch.

Die Schreie wurden zu einem Gurgeln und erstarben schließlich ganz. Noch einmal erzitterte Lina in ihren Armen, dann erschlaffte sie.

Im Schein des Mondes beobachtete die Frau, wie das Blut des Kindes in den Tiber tropfte. Dort, wo der Lebenssaft auf dem Wasser auftraf, bildete sich gelblicher Nebel, der sich aber sofort wieder auflöste.

Nach einer Weile wischte sie die Klinge am Gewand des Mädchens ab, steckte sie weg, packte die Leiche und warf sie übers Geländer. Mit einem klatschenden Geräusch versank sie in den Fluten.

Es war vollbracht.

Sie sah sich um. Niemand hatte ihre Tat bemerkt. Einen letzten Blick noch warf sie auf den Fluss, dann wandte sie sich ab und verschwand in der Nacht.

»Seht ihr die da drüben?«, raunte Trugus und deutete mit dem Kinn in die Richtung.

Aulus und Decimus wandten beinahe synchron die Köpfe. In einer Ecke der Taverne saßen vier Männer um einen Tisch, auf dem ein Krug Wein stand. Sie würfelten und lachten.

»Was ist mit denen?«, fragte Aulus.

»Legionäre«, brummte Trugus.

Er hat recht, dachte Aulus. Ihre akkuraten Haarschnitte und die roten Tuniken verrieten sie als Angehörige der Armee.

»Und?«, hakte er nach.

Trugus legte die Stirn in Falten und rieb sich mit einer mächtigen Hand über den kahlen Schädel. Sein Blick verfinsterte sich. »Ich hasse diese Burschen.«

Decimus seufzte und griff nach seinem Becher. Aulus verdrehte die Augen. Natürlich, er hätte es wissen müssen.

»Kannst du die alten Zeiten nicht mal ruhen lassen, Trugus?«, sagte er. »Komm schon, der nächste Krug geht auf mich.«

Als er der rothaarigen Bedienung zuwinkte, bemerkte er, dass sich Trugus' Miene in Erwartung eines kostenlosen Bechers Wein ein wenig aufgehellt hatte. Doch er konnte es nicht lassen, immer wieder zu den Soldaten hinüberzusehen.

Die Rothaarige trat an ihren Tisch. Aulus wusste, dass sie Ravenna hieß und aus Germanien stammte. Für eine Frau war sie verdammt groß. Obwohl er ein Hüne war, reichte sie ihm bis zu den Augenbrauen. Ihr langes Haar fiel ihr in wilden Locken über die Schultern. Eine exotische Schönheit, deren wohlgeformten Körper er gerne genauer erkundet hätte. Doch er behielt seine Hände bei sich, denn das Weib hatte Haare auf den Zähnen. Seit sie einem zu aufdringlichen Gast einen Weinkrug auf dem Kopf zertrümmert hatte, wurde sie selbst von den übelsten Kerlen mit Respekt behandelt.

Er orderte den Wein und schenkte ihr dabei ein schiefes Lächeln. Sie verzog keine Miene, nickte ihm zu und huschte davon.

Aulus zog die Nase hoch. Die Luft im Blutenden Schwein war stickig und roch nach billigem Alkohol, stark gewürztem...

Erscheint lt. Verlag 22.2.2022
Reihe/Serie Gespenster-Krimi
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond
ISBN-10 3-7517-2721-3 / 3751727213
ISBN-13 978-3-7517-2721-1 / 9783751727211
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