Nur die Bühne ist zu wenig (I) -  Paula Rahm-Roth

Nur die Bühne ist zu wenig (I) (eBook)

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2022 | 1. Auflage
272 Seiten
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978-3-7557-6558-5 (ISBN)
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Was haben Venedig, Hollywood und ein kleiner verschlafener Kurort gemeinsam? Nichts. Außer, dass die Örtlichkeiten in drei Theaterstücken vorkommen. "Skandal am Canal", "Superstars im Hinterhaus" und "Liebe, Mord und Venensalbe" sind drei Komödien, zu denen es jetzt die passenden und begleitenden Erzählungen gibt.

Paula Rahm-Roth, geboren 1963 in Greiz, schrieb schon in der Schule lieber seitenlange Aufsätze als in Mathe zuzuhören. Trotzdem erlernte sie einen anständigen Beruf, den sie bis heute ausübt. Als Ausgleich zum Büroalltag reist sie in ihrer Freizeit gern in die Welt der Fantasie und bringt von dort Kurzgeschichten, Erzählungen, Märchen und natürlich Theaterstücke mit. Heute lebt sie mit ihrer Familie, Katze und Pferd in der Nähe von Kaiserslautern.

1


Mit einem sanften Ruck setzte die Boeing auf der Landebahn des Flughafens von Venedig auf. Sie rollte in Richtung der Gebäude und wurde langsamer. Ein letztes Mal heulten die Triebwerke. Dann stand die Maschine. In der Kabine erloschen die Lichter zum Anschnallen; zeitgleich klickten alle Sicherheitsgurte. Ein hektisches Treiben begann. Es waren überwiegend Touristen, die es nicht erwarten konnten, ihr Handgepäck aus den Ablagefächern zu zerren und sich voller Abenteuerlust in das Treiben in der Lagunenstadt zu stürzen.

Während es im Mittelgang immer enger wurde und der Stau von beiden Ausstiegen zurückreichte, saß eine ältere Frau auf ihrem Platz und bewegte sich nicht. Auf den ersten Blick wirkte sie wie eine Statue. Nur die Schweißperlen auf ihrer Stirn verrieten, dass es sich um einen Menschen handelte. Gerda Eisenbeiß – so hieß die Dame - kämpfte noch immer gegen ihre Flugangst. Ihr Göttergatte hatte bei einem Preisausschreiben mitgemacht und tatsächlich den ersten Preis gewonnen: eine Woche Urlaub in Venedig für zwei Personen mit allem Schnickschnack. Gerda hätte viel lieber den zweiten Preis gehabt, denn mit einer Mikrowelle mit integriertem Dampfgarer liebäugelte sie schon lange. Aber Fortuna tat das, was sie für richtig hielt. Und so hatte sich die Hausfrau in ihr Schicksal gefügt, war am Morgen in den Flieger gestiegen und jetzt in Italien.

Allmählich leerte sich das Flugzeug. Gerda holte tief Luft und stemmte sich mit einer Hand aus dem Sitz. Das war gar nicht so einfach, denn mit der anderen Hand hielt die Frau ihre Tasche fest umklammert. Nicht eine Sekunde während des Fluges hatte sie das dunkelbraune Kunstlederungetüm losgelassen.

Jetzt stand auch Hermann auf. Er zog die Hose bis unter die Brust und angelte aus der Tasche ein beiges Hütchen, das er auf seine verbliebenen Haare stülpte.

„Du siehst voll lustig aus, Opa“, stellte Katrin fest. Die Enkeltochter von Gerda und Hermann war ein kleiner frecher Wirbelwind. Mit ihren großen Kulleraugen und den langen blonden Locken war sie das Abbild eines Engels. Aber in Wirklichkeit hatte es Katrin faustdick hinter den Ohren. Ihre Streiche wurden zu Hause von Mama und Papa meist belächelt oder allenfalls mit einem leichten Stirnrunzeln hingenommen. Oma hingegen machte aus jeder Mücke einen Elefanten und regte sich furchtbar über alles auf. Deshalb war die Kleine überhaupt nicht begeistert gewesen, als Hermann vorschlug, sie mit nach Venedig zu nehmen, um ihr etwas von der Welt zu zeigen. Seit er von seinem Gewinn wusste, hatte er sich auf alle Reiseführer gestürzt, die er in der Stadtbücherei finden konnte. Seine Gattin bezog ihr Wissen über Italien vorwiegend aus Kitschromanen und Kriminalfilmen.

„Du sollst nicht über Opa lachen“, tadelte Gerda ihre Enkeltochter. Endlich hatte sie sich aus dem für sie etwas zu engen Sitz befreit. Katrin grinste und holte ihren Rucksack aus dem Handgepäck, das Hermann mitten in den Gang gestellt hatte.

„Passen Sie doch auf!“ knurrte er unwillig einen jungen Mann an, der über die Gepäckstücke steigen musste.

„Scusi“, murmelte der Mann. Gerda starrte ihn an. Sonnenbrille, schwarzer Maßanzug, glänzende Schuhe. „Vati!“, flüsterte sie so laut, dass es im Umkreis von drei Metern jeder hören konnte. „Vati! Der Mann ist bestimmt von der Mafia!“

„Na und?“ knurrte Hermann. Er kniete auf dem Boden zwischen dem Gepäck und versuchte, einen abgerissenen Griff zu befestigen.

„Mafia“, wiederholte Gerda. „So, wie der geguckt hat, würde es mich nicht wundern, wenn etwas fehlt.“

Nach Luft schnappend, ließ sie sich zurück in den Sitz fallen und öffnete ihre Handtasche. „Geldbeutel, Papiere, Kalender, Taschentücher, Tabletten. Alles noch da.“ Erneut stemmte sich Gerda hoch und kroch umständlich in ihre Jacke. Katrin kam sich wie im Kino vor, als sie ihre Großeltern beobachtete.

„Fertig!“ Mit hochrotem Kopf tauchte Hermann aus der Tiefe auf. „Bis ins Hotel hält der Griff.“

„Katrin, zieh dich an.“

„Ich bin fertig, Oma.“

„Gut. Hermann, hast du alles?“

„Nein.“

„Nein?“

„Nein!“ wiederholte Hermann. „Es fehlt eine Tasche.“

„Das war bestimmt der von der Mafia“, rief Gerda. „Der, der dich vorhin angerempelt hat.“

„Oma“, meldete sich Katrin zu Wort, „Oma, der Mann ist ohne Gepäck ausgestiegen. Das habe ich genau gesehen.“

Gerda blickte die Kleine empört an. „Ich habe dir schon hundertmal gesagt, dass es sich nicht gehört, fremde Leute zu beobachten. Außerdem ist es deine Schuld, dass wir beklaut wurden.“

„Hä? Wieso denn meine Schuld?“

„Oma hat recht“, mischte sich Hermann ein. „Hättest du zum Frühstück nicht vier Brötchen gegessen, wäre dir nicht schlecht geworden.“

„Und während sich Opa um dich gekümmert hat, konnte der Dieb in aller Ruhe unsere Tasche mitnehmen.“

„Wir müssen zur Polizei. Sie da!“ Letzteres galt der hübschen blonden Flugbegleiterin, die damit begonnen hatte, den Abfall unter den Sitzen aufzuheben. Sie war es auch gewesen, die für Katrin gesorgt hatte, als es ihr schlecht geworden war. „Linda“ stand auf dem Namensschild, das sie am Revers trug. Jetzt zwinkerte Linda der Kleinen kumpelhaft zu. „Na, alles wieder in Ordnung?“

Katrin nickte. „Ich...“

„Wo ist die nächste Polizeistation?“ platzte Hermann dazwischen. „Wissen Sie, man hat uns nämlich beklaut!“

„Im Flughafengebäude befindet sich ein Büro der Polizei“, erklärte Linda. „Darf ich fragen, was Ihnen gestohlen wurde?“

„Omas Schlüpfer!“

In Sekundenbruchteilen glich Gerdas Gesicht einem Feuermelder.

„Kind“, hauchte sie entsetzt. „Wie kannst du nur...“

„Uns wurde eine Tasche gestohlen“, erklärte Hermann überdeutlich.

„Hier. In Ihrem Flugzeug.“

„Was kann man auch im Ausland anderes erwarten?“ Gerda hatte sich von Katrins Bemerkung erholt und lief zu ihrer alten Form auf.

„Natürlich“, murmelte Katrin. „In Italien wird gestohlen, in der Türkei hat jeder ein Messer in der Tasche und die Franzosen trinken den ganzen Tag lang nur Rotwein. Mensch, Oma, lass doch mal diese Vorurteile! In meiner Schule wird ganz sicher mehr geklaut als sonst wo auf der Welt.“

Entsetzt sah Hermann seine Enkeltochter an. „Ich werde mit deiner Mutter reden, dass sie dich auf eine anständige Schule schicken soll.“

„Vati, das hat Zeit“, sagte Gerda. „Im Augenblick haben wir wirklich andere Sorgen.“

Linda öffnete ein Gepäckfach. „Ist das Ihre Tasche?“

Gerda warf einen kurzen Blick auf das altertümliche Teil. „Jaaa“, sagte sie langsam. „Nicht wahr, Vati? Das ist sie. Sag auch mal was dazu!“

Linda ersparte Hermann eine Antwort. „Meine Kollegin hat das Gepäck umgelagert und wohl leider vergessen, Ihnen Bescheid zu sagen.“

„Umgelagert? Was heißt umgelagert?“

„Das heißt, dass wir das Handgepäck der Passagiere gleichmäßig verteilen“, erklärte Linda. „Bitte entschuldigen Sie die Unannehmlichkeiten.

Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt in Venedig.“ Damit drehte sich Linda um und ging in die Bordküche, um alles für den Rückflug vorzubereiten.

„Besonders freundlich ist die ja nicht gerade“, meckerte Gerda. „Aber das ist auch kein Wunder. So ein armes Ding verdient ja nicht viel bei so einer Billiglohnairline.“

Katrin trat aufgeregt von einem Bein auf das andere. „Können wir endlich mal aussteigen? Oder wollt ihr den Urlaub im Flieger verbringen?“

In der Abfertigungshalle ging es zu wie in einem Bienenstock. Die wütenden Blicke der anderen Fluggäste ignorierend, schob sich Hermann am Gepäckband Schritt für Schritt nach vorn. „Mutti!“ rief er aufgeregt, „Mutti, hier kommen unsere Koffer. Und es sind sogar alle!“

Erschrocken prallte Gerda zurück, als sie aus dem klimatisierten Gebäude in die heiße italienische Sonne trat. Auf einem Platz standen in einer langen Reihe Busse. Sie kramte ihre Brille aus der Tasche und schob sie sich auf die Nase. Kopfschüttelnd studierte sie die Schilder, die an den Bussen angebracht waren. „Das kann kein Mensch lesen. Das ist ja eine völlig andere Sprache als unsere.“

„Oma! Das ist italienisch.“

„Sei still und hör auf, deine Oma ständig zu belehren.“ Hermann setzte das Gepäck ab und sah sich um. Hinter den Bussen standen Taxis.

„Wir fahren mit einem Taxi“, entschied er.

„Haben wir zu viel Geld?“ protestierte Gerda. „Der Urlaub wird schon teuer genug.“

Katrin hatte...

Erscheint lt. Verlag 17.1.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Lyrik / Gedichte
ISBN-10 3-7557-6558-6 / 3755765586
ISBN-13 978-3-7557-6558-5 / 9783755765585
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