Ein nackter Arsch kracht durch die Decke -  Heike U. Schmidt

Ein nackter Arsch kracht durch die Decke (eBook)

Geschichten einer Hausverwaltung
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2021 | 1. Auflage
254 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7557-1889-5 (ISBN)
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Hallo, Ihr nervigen Wohnungsmieter und geizigen Hauseigentümer! Ständig passiert etwas in Euren vier Wänden. Trauriges, Kriminelles, Skurielles und Lustiges. Betrügerische Wünschelrutengänger, eine Leiche in der Laubenkolonie, Schwarzgeld im Kühlschrank, Schlüpfergeschäfte in 1a-Lagen und Wasserspiele von Obdachlosen gehören genauso dazu wie SEK-Einsätze, Zwangsräumungen und Swingerklubbesuche. Ihr macht Euch Sorgen um den Datenschutz? Mit jedem Anruf von Euch, zwingt ihr uns an Eurem Leben teilzunehmen. Lest die unterhaltsamen Storys der Freaks, der Zänkischen, der Unverschämten und der Gierigen. Und das sind sicher nicht eure Geschichten - oder?

Die 1960 geborene Absolventin der Handelshochschule Leipzig ist seit Anfang der 90er Jahre selbstständige Hausverwalterin und Immoblilienmaklerin in einer beschaulichen Kleinstadt in Thüringen.

HAND IN HAND

Natürlich habe ich Vorurteile.

Lehrer sind prinzipiell vorlaut. Mit ihrem rechtlichen Halbwissen, glauben sie, mir die Welt erklären zu dürfen. Jede Betriebskostenabrechnung wird bis ins Detail geprüft. Dann kommen sie ins Büro und wühlen sich durch die Belege. Immer mit diesen strafenden Blicken, die sonst auf unartige Schüler fallen.

Es war Freitag und das Telefon klingelte.

»Wir möchten gerne eine Wohnung besichtigen, die wir auf Ihrer Seite im Internet gefunden haben. Wir glauben, das ist unsere Traumwohnung.«

›Glauben‹ ist schon mal gut. Freitagnachmittag? Ich schaute auf die Uhr. Schade, kein Feierabend. Aber so ist das. Besichtigungen am Feierabend und am Wochenende sind erfolgversprechender. Leute, die Miete zahlen, müssen das Geld ja erst verdienen.

Ich flötete durch das Telefon: »Wann haben Sie sich denn genau vorgestellt, die Wohnung zu besichtigen?«

»Jetzt gleich, in einer halben Stunde.«

Blitzentscheidungen vermeide ich in der Regel. ÜberstürzterAktionismus führt nur sehr selten zu dauerhaften Mietverhältnissen.

»Darf ich Sie fragen, was Sie beruflich machen?«

Eine erste Castingrunde am Telefon erspart mir oft unnötige Wege.

»Wir sind beide Lehrer und haben schon Schulschluss. Wir machen uns sofort auf den Weg. Eigentlich sind wir schon unterwegs.«

All meine Prinzipien warf ich in diesem Moment über den Haufen.

»O.K., in einer Stunde bin ich vor Ort.« Noch diktierte ich die Regeln.

Das Paar stand an der Grundstücksgrenze, Hand in Hand und sehr schön anzusehen. Beide waren mittleren Alters. Er, etwas dicklich, mit Seitenscheitel. Sie, durchschnittlich, eher farblos. Sie winkten mir freundlich zu und begrüßten mich, ohne sich jedoch voneinander zu lösen.

Ich zeigte auf das höher liegende Haus: »Wir müssen 60 Stufen aufwärts und im Haus dann noch in die dritte Etage.«

Sehr sportlich. Entschlossen erklommen sie den Treppenberg. Ich folgte unauffällig. Sie hatten noch nicht alle drei Räume gesehen, da war der Lehrer schon ganz verzückt.

»Parkett, Schiebetüren, ein toller Blick - ganz, wie wir uns es vorgestellt haben, nicht Schatzi? Das wird unsere Traumwohnung.«

Ihr fehlten glatt die Worte. Sie nickte nur begeistert.

Hand in Hand drängten sie sich in das kleine Bad.

Ich unterdrückte ein Grinsen und stellte sie mir zu zweit unter der Dusche vor. Hand in Hand. Ob das was werden wird?

Die Begeisterung der beiden dauerte an.

Er griff mit der freien Hand in sein Jackett und präsentierte mir zwei Gehaltsnachweise. Er hatte das Sagen, eindeutig.

»Hier haben Sie alles, was Sie von uns brauchen. Wissen Sie, wir haben uns von unseren Ehepartnern getrennt und das wird unser neues Heim, nicht Schatzi?«

Die Alarmglocken in meinem Kopf fingen an zu läuten. Zwei Lehrer, die Haus und Hof verlassen. Ob das gut geht? Ich ignorierte die Glocken.

Er erklärte weiter: »Wissen Sie, wir lassen alles zurück. Ich habe ja ein Einfamilienhaus. Nur meine Eisenbahn, die nehme ich mit.«

Er zeigte auf eine Wand. »H0, alles Sammlerstücke. Die werden wir genau hier in Vitrinen aufstellen.«

Keine Ahnung, ich kannte mich nicht aus.

Zaghaft und mit weinerlicher Stimme meldete sie sich zu Wort: »Ich habe einen Stubentiger, kein Freigänger. Mein Mann …«, sie korrigierte sich sofort nach seinem strafenden Blick, »besser gesagt mein Exmann, hat mich mit ihm zusammen rausgeworfen.«

Ich großmütig: »Einen Stubentiger, das geht schon. Da hat der Vermieter sicher Verständnis.«

Ein Blick auf die Gehaltsnachweise hatte alle meine Zweifel beseitigt. Lehrer waren zwar nervig, aber sichere Zahler.

»Kommen wir zum Geschäftlichen, wann können wir einziehen? Am liebsten wäre uns sofort, nicht wahr Schatzi?«

Schatzi nickte nur wieder. Ihre Hauptsorge war geklärt.

»Naja wir haben heute Freitagnachmittag. Das Büro ist bereits geschlossen. Meine Mitarbeiterin kann nächste Woche den Vertrag vorbereiten. Sie zahlen die Kaution und dann steht Ihrem Einzug nichts mehr im Weg.«

Er brauste auf: »Nächste Woche erst? Wie lange dauert das denn? Wieso nicht jetzt, heute? Ich habe alles mit, auch Bargeld.«

Ich schüttelte den Kopf: »Definitiv nicht heute, ich habe noch andere Termine. Ich habe Sie lediglich eingeschoben.«

Er versuchte es etwas freundlicher: »Bitte, bitte, wenigstens gleich am Montag, nach der Schule, das muss doch gehen?«

Ich lenkte ein: »Gut, dann am Montag im Büro. Der Vertrag wird vorbereitet sein. Bringen Sie die Kaution und die Personal ausweise mit. Dann sind wir schnell fertig und können nach Vertragsunterzeichnung die Wohnungsübergabe machen, einverstanden?«

Er nickte. Zufrieden war er nicht.

Plötzlich ließ sie seine Hand los und verschwand im Bad.

»Ich muss mal Pippi, das geht doch hier?«

Sie machte nicht mal die Tür zu.

Mir blieb die Luft weg.

Er überspielte die peinliche Situation und rief laut: »Dann müssen wir übers Wochenende wieder ins Hotel, Schatzi.«

Nicht mal die Hände hat sie sich gewaschen.

Schatzi und er verschwanden in den Sonnenuntergang und ich zum nächsten Termin, nach Hause.

Wir hatten uns für Montag, 14:00 Uhr im Büro verabredet.

Tina hatte den Vertrag vorbereitet.

Ich kam von einem Auswärtstermin und ich war pünktlich.

Das Paar saß bereits im Vorzimmer. Ein kleines Tischchen, mit einer Stechpalme dekoriert, trennte die zwei einzigen Wartestühle. Trotzdem schafften sie es, hinter der Palme Händchen zu halten.

Ich verkniff mir ein Lachen. »Alles klar?«, überspielte ich fröhlich die Situation.

Die Stimmung wurde vom Oberlehrer, ich hatte ihn in Gedanken zu diesem befördert, aufgegriffen. »Wir haben den Vertrag gelesen, alles bestens. Die Kaution ist bei Ihrer Kollegin hinterlegt. Also können wir ja gleich zur Übergabe schreiten.«

Meinen Blick beantwortete Tina bejahend. Ich konnte sie schlecht fragen, ob dafür die Händchen gelöst wurden.

»Gut, dann treffen wir uns in einer viertel Stunde am Objekt. Sie haben sicher ein Auto mit?«

Über die Stechpalme hinweg zog der Oberlehrer Schatzi an der Hand und sie verließen einig das Büro.

Ich erklärte Tina: »Hast du das gesehen? Der lässt sie gar nicht mehr los.«

Tina rollte nur mit den Augen: »Die sind schon eine knappe Stunde hier und haben auf dich gewartet.«

Am Haus hatten die beiden schon den Aufstieg vollbracht.

Ich schloss schnaufend die Wohnungstür auf. »Wir müssen jetzt ablesen, Wasser, Strom und Heizung.«

Genau das war in dieser Wohnung beschwerlich. Die Wärmemengenzähler mussten einzeln abgelesen werden. Das machte ich selbst, halb auf dem Boden liegend.

Sie standen, natürlich Hand in Hand, hinter mir und beobachteten mich aufmerksam. Die Kalt- und Warmwasserwerte hatte Tina eingetragen. So musste ich wenigstens im Bad nicht auf die Knie fallen. Die Zähler waren dort auf beiden Seiten unter dem WC installiert. Kontrolle ist wichtig.

»Prüfen Sie bitte selbst, ob meine eingetragenen Werte mit den Zählerständen übereinstimmen.«

Sie quetschten sich tatsächlich zusammen ins Bad und lagen Hand in Hand unter dem Klo. Innerlich sehr belustigt, wechselte ich ins Nachbarzimmer und rief ihnen die Werte zu. Mit hochrotem Kopf tauchten sie wieder im Flur auf. »Stimmt alles, können wir jetzt endlich die Schlüssel bekommen?«

»Klar doch. Nach den Unterschriften bin ich weg und Sie haben Ihre Traumwohnung ganz für sich allein. Ich brauche natürlich beide Unterschriften.«

Blitzschnell lösten sie sich voneinander und unterschrieben das Protokoll auf dem Fensterbrett.

Mit einem Lächeln auf meinen Lippen sprang ich die Stufen vor dem Haus hinunter. So viel Spaß hatte ich lange nicht. Hand in Hand unter der Kloschüssel. Ich hätte das fotografieren sollen.

Ein Jahr später traf ich beide im Büro an. Sie standen natürlich Hand in Hand am Empfangstresen und hämmerten auf meine Mitarbeiterin Tina ein.

Schatzi wurde richtig frech: »Wir sind jetzt verheiratet und möchten den Mietvertrag geändert haben. Unser gemeinsamer Name soll jetzt dort stehen. Das verlangen wir.«

Umfangreiche Erklärungen unsererseits, dass dies für den Vertrag irrelevant sei, liefen ins Leere. Für sie war das bedeutend und sie bestanden auf der Vertragsänderung. Und so änderten wir.

Endlich, Hand in Hand, verließen sie das Büro.

Zum Jahreswechsel haben wir prinzipiell Urlaub. An der Büroeingangstür in der ersten Etage hing ein entsprechendes Schild. Täglich holte ich die Post und schaute nach dem rechten. In der ersten Januarwoche kommen die meisten Wohnungskündigungen an. Die Feiertage sind für manche Familien...

Erscheint lt. Verlag 20.12.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga
ISBN-10 3-7557-1889-8 / 3755718898
ISBN-13 978-3-7557-1889-5 / 9783755718895
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