Das Tagebuch (1880–1937), Band 2 (Das Tagebuch 1880-1937. Leinen-Ausgabe, Bd. 2)
Cotta (Verlag)
978-3-7681-9812-7 (ISBN)
- Titel erscheint in neuer Auflage
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Anzukündigen ist die erste vollständige und wissenschaftlich aufgearbeitete Ausgabe des legendären, 57 Jahre hindurch geführten Tagebuchs des Schriftstellers, Diplomaten und Kunstmäzens Harry Graf Kessler.
Anzukündigen ist die erste vollständige und wissenschaftlich aufgearbeitete Ausgabe des legendären, 57 Jahre hindurch geführten Tagebuchs des Schriftstellers, Diplomaten und Kunstmäzens Harry Graf Kessler.
Kessler (1868-1937) war eine einzigartige Erscheinung in einem besonders bewegten Abschnitt der europäischen Zeit- und Kunstgeschichte. Sein Tagebuch ist eine unvergleichliche Quelle zur politischen Geschichte, zur Kunst-, Kultur- und Literaturgeschichte seiner Zeit. Es ist fortlaufender Zeitbericht und Zeitkommentar, geschrieben von einem unerbittlich scharfen Beobachter, sensiblen Denker und homme de lettres.
Band 2, mit dem die Edition beginnt, setzt ein mit einem frühen Höhepunkt - Kesslers Weltreise (1892) nach Nordamerika, Japan, China, Indien und Ägypten, gefolgt von Notizen von seiner Mexiko-Reise, Grundlage für Kesslers erstes selbständiges Buch. - Weitere Stichworte dieses Bandes: Die Promotion, die Militärdienstzeit in Potsdam, die Gründung der berühmten Zeitschrift »PAN«, erste Kontakte zum Nietzsche-Archiv und Begegnungen in Deutschland, Frankreich und Italien.
Harry Graf Kessler, 1868 in Paris geboren. Kindheitsjahre in Frankreich und England. Jurastudium in Bonn und Leipzig. 1895 Aufsichtsrat der Zeitschrift »PAN«. Mehrere Weltreisen. Bekanntschaft mit u.a. Hofmannsthal, Henry van de Velde, Rilke, Rathenau. Tätigkeit für das Nietzsche-Archiv in Weimar. 1913 Erste Werkstatt der »Cranach-Presse«. 1917 Friedenssondierungen mit Frankreich. 1918 Deutscher Gesandter in Warschau. März 1933: Kessler verläßt Deutschland. Übersiedlung nach Paris, dann nach Mallorca. 1937 Kessler stirbt in Lyon. Den Möglichkeiten seiner gesellschaftlichen Stellung folgend, strebt Kessler zunächst die Diplomatenlaufbahn an, als deren Grundlage er 1888 sein Jurastudium in Bonn beginnt und einige Jahre später in Leipzig mit Promotion abschließt. Während des Studiums besucht er auch Literatur- (H. Usener), Psychologie- (W. Wundt) und Kunstvorlesungen (A. Springer). Nachdem eine diplomatische Karriere an Widerständen aus dem Auswärtigen Amt gescheitert ist, konzentriert er sich auf mäzenatische Aufgaben. Er ist es hauptsächlich, der die Aufmerksamkeit in Deutschland auf den französischen Impressionismus lenkt. Kessler arbeitet an der Berliner Kunst- und Literaturzeitschrift PAN mit, initiiert den Deutschen Künstlerbund zur Förderung aktueller, progressiver Kunst und unterstützt Künstler wie Johannes R. Becher, Edvard Munch, Aristide Maillol, Detlev von Liliencron, Rainer Maria Rilke. Während seiner Zeit als Direktor des »Großherzoglichen Museums für Kunst und Kunstgewerbe« in Weimar versucht er, dort ein Zentrum kultureller Erneuerung aufzubauen. Er hat bereits zuvor auf die Berufung Henry van de Veldes dorthin zur Gründung eines »Kunstgewerblichen Seminars« hingewirkt, aus dem sich später das Bauhaus entwickelte. Unter seinen Freunden sind besonders Eberhard von Bodenhausen, Henry van de Velde und Hugo von Hofmannsthal hervorzuheben. Mit letzterem zusammen verfaßt er den »Rosenkavalier« und das Ballett »Josephslegende«. Kesslers Gründung der Cranach-Presse setzt bibliophile Maßstäbe in Deutschland. In Zusammenarbeit mit Schriftstellern, Künstlern und Grafikern entstehen Klassiker der modernen Buchkunst. Mit dem Ersten Weltkrieg verlagern sich Kesslers Interessenschwerpunkte wieder auf den politischen Bereich. Er ist nur kurz als Reserve-Offizier an der Front; nach seiner Rückkehr leitet er in Bern die deutsche Kulturpropaganda. 1918 reist er als erster deutscher Gesandter nach Warschau, wird jedoch bereits nach wenigen Wochen des Landes verwiesen – die politisch verworrenen Verhältnisse zwischen Deutschland und Polen stehen seinen Bemühungen um Verständigung entgegen. Er entwickelt Ideen zu einem Völkerbund und wird kurzzeitig Präsident der Deutschen Friedensgesellschaft. Der Versuch, 1924 ein Reichstagsmandat zu erlangen, mißlingt. In der Folge gibt er seine politischen Ambitionen weitgehend auf und konzentriert sich auf die Arbeit mit der Cranach-Presse. Über Walther Rathenau, den er seit den frühen Berliner Jahren gekannt hat, schreibt er eine Biographie. 1933 kehrt Kessler nach Warnungen durch Freunde von einer Parisreise nicht mehr nach Deutschland zurück. Er lebt im Exil zunächst auf Mallorca, dann bei seiner Schwester in Südfrankreich. Während dieser Jahre arbeitet er intensiv an seinen Memoiren, deren erster Band 1935 erscheint. Die weiteren Bände kann er nicht mehr fertigstellen; Kessler stirbt am 30. November 1937 in Lyon. Über sechs Jahrzehnte hinweg (1880-1937) führt Kessler fast lückenlos Tagebuch. Seine Hauptthemen sind Literatur, Bildende Kunst und vom Ersten Weltkrieg an verstärkt auch Politik. Es wird weniger über die eigene Befindlichkeit berichtet; vielmehr werden Impressionen und Reflexionen festgehalten sowie Gespräche protokolliert. In einigen Teilen waren die Tagebücher als Erinnerungstütze für geplante Veröffentlichungen gedacht. Durch den Großen, breitgefäherten Kreis von Kesslers Aktivitäten und Bekanntschaften ist das Tagebuch von unschätzbarem Wert für die Zeit- und Kulturgeschichte. Weitere Informationen zum Tagebuch-Projekt finden Sie beim Deutschen Literaturarchiv Marbach.
»Das Ende des positivistischen Fortschrittsglaubens, der das 19. Jahrhundert bestimmte, kündigt sich hier bereits an. Einem jungen Reisenden, einem weltläufigen Dandy, kommen Zweifel an der aufgeklärten Zivilisation, deren imperialistische Werte noch für unumstößlich gehalten werden. ... Kesslers Tagebuch ist somit als eine Art Jahrhundertfenster begreifbar, durch das man als Leser in das Bewusstsein einer vergangenen Ära zurückspringen und sein Gehirn in die Falten vergangener Zeiten zu legen vermag.« Jan Süselbeck, die tageszeitung, 24.8.2004 »Das Jahrhundertprotokoll ... Ein solches Monument des untergegangenen Europa ist Harry Graf Kesslers Tagebuch: Über siebenundfünfzig Jahre hin in höchster Disziplin und nie nachlassender Sorgfalt geführt, ist es ein Protokoll Europas in der Zeit seiner größten Kraftenfaltung, aber auch am Beginn seines Weges in den Abgrund. ... Das neue Europa wird sich ein neues Bild von sich selber machen müssen. Dazu gehören die Tagebücher von Harry Graf Kessler nicht weniger als die eines Victor Klemperer.« Karl Schlögel, Merkur, Juli 2004 »So nah kommt man einer Epoche selten. Die Tagebücher liefern ein Panorama - das ist nur im Ganzen zu haben: Auskünfte über Kunst, Mode, Literatur, über Lebensart und Geschichte zwischen 1880 und 1937. Harry Graf Kessler kommentiert seine Zeit - präzis und leicht ironisch. Er lebt sie so intensiv wie kaum einer und sieht sie doch mit distanziertem Blick.« Karin Grossmann, Sächsische Zeitung, 12.6.2004 »... die vorzügliche und einfache Organisation der Ausgabe muss man bewundern: Kein schwerer Apparat, nur die ständige, durch ganz wenige Fussnoten mitgelenkte Begleitung durch das informative Personenregister erschliesst den Text und erleichtert eine Lektüre, auf deren Fortsetzung man am Ende des Bandes schon fast mit Ungeduld wartet.« Hanno Helbling, Neue Zürcher Zeitung, 25.05.2004 »Kesslers Notate legen in ihrer geschliffnen Sprache, mit der Treffsicherheit des Urteils, dank des ungeheuren Kenntnisreichtums ihres Autors auf sämtlichen Gebieten des kulturellen und politischen Lebens ein so anschauliches Zeugnis zweier Epochen deutscher Geschichte - der wilhelminischen und der der Weimarer Republik - ab, wie dies weder vorher noch nahcher geschehen ist. ... In diesen Tagebüchern können wir nachvollziehen, wie in Deutschland die Moderne Einzug hält. ... Besser, also kundiger und spitzzüngiger, kriegen wir das nirgendwo geboten.« Tilman Krause, Die Welt, 24.4.2004 »Für Literaturnarren, für Wissbegierige nach Geschichte und Geschichten ist ein Fest angesagt: Endlich erscheinen als integrale Edition die ins Reich der Legenden und Gerüchte abgesunkenen Tagebücher von Harry Graf Kessler - einer der farbigsten (ja, gewiss, auch schillernden) Figuren des ausgehenden 19. Jahrhunderts mit den Höhepunkten seiner ruhmreichen Tätigkeit auf mancherlei Gebiet der Kunst und Politik in den zwanziger Jahren bis zum bitteren Ende des Emigranten 1937. ... Diese Edition zeichnet sich aus durch, falls das altmodische Wort erlaubt ist, Vornhemheit: Der Autor hat das Wort. Die Herausgeber wollen, dass wir nicht über, sondern von Harry Graf Kessler lesen.« Fritz J. Raddatz, Die Zeit, 22.4.2004 »Diese Aufzeichnungen sind eine einzigartige Quelle zur Mentalitäts- und Kulturgeschichte der Jahrhundertwende.« Sachbuch-Empfehlung aus Die Zeit, 22.4.2004 »Kesslers Tagebuch ist ein öffentlicher mondäner Ort. Wer zwischen Wilhelminismus und dem Ende Weimars seinen Kulturauftritt hatte, findet sich hier wieder. ... Es ist Nietzsches Traum des 'guten Europäers', den Kessler hier weiterträumt. Fernab von der verordneten und subventionierten Europa-Mentalität unserer Tage begegnet uns hier ein leidenschaftlicher Kultureuropäer.« Stephan Schlak, Frankfurter Rundschau, 21.4.2004 »Porentief präzis und mit einem Hauch Ironie hält er fest, was er sieht, wen er trifft. Und er trifft sie alle: die Schauspielerin Sarah Bernhardt und den Surrealisten Jean Cocteau, Otto Fürst von Bismarck ..., Albert Einstein und George Bernhard Shaw. Das sind nur fünf der weit über 10000 Kulturgrößen, die der Menschensammler Kessler gesehen, gesprochen und verewigt hat. ... 57 Hefte und Bücher, über 10000 Seiten penibel redigierte Manuskripte, die wie ein ungeheures Panorama Stimmung, Akteure und Schlüsselszenen einer ganzen Epoche festhalten.« Johannes Saltzwedel, Der Spiegel, 19.4.2004 »Seine Analyse gesellschaftlichen Verhaltens, vor allem, wenn sein Gegenüber posiert, ist beachtlich, seine kurzen Charakteristiken sind oft schonungslos, ohne daß in ihnen je auch nur ein Gran Häme wäre. ... Daß nun Kesslers Tagebücher, deren unprätentiöse Eleganz in Bann schlägt, tatsächlich insgesamt zugänglich gemacht werden, ist nicht nur ein Akt der Gerechtigkeit. Es ist ein großes Glück.« Tilman Spreckelsen, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8.4.2004
»Das Ende des positivistischen Fortschrittsglaubens, der das 19. Jahrhundert bestimmte, kündigt sich hier bereits an. Einem jungen Reisenden, einem weltläufigen Dandy, kommen Zweifel an der aufgeklärten Zivilisation, deren imperialistische Werte noch für unumstößlich gehalten werden. ... Kesslers Tagebuch ist somit als eine Art Jahrhundertfenster begreifbar, durch das man als Leser in das Bewusstsein einer vergangenen Ära zurückspringen und sein Gehirn in die Falten vergangener Zeiten zu legen vermag.«
Jan Süselbeck, die tageszeitung, 24.8.2004
»Das Jahrhundertprotokoll ... Ein solches Monument des untergegangenen Europa ist Harry Graf Kesslers Tagebuch: Über siebenundfünfzig Jahre hin in höchster Disziplin und nie nachlassender Sorgfalt geführt, ist es ein Protokoll Europas in der Zeit seiner größten Kraftenfaltung, aber auch am Beginn seines Weges in den Abgrund. ... Das neue Europa wird sich ein neues Bild von sich selber machen müssen. Dazu gehören die Tagebücher von Harry Graf Kessler nicht weniger als die eines Victor Klemperer.«
Karl Schlögel, Merkur, Juli 2004
»So nah kommt man einer Epoche selten. Die Tagebücher liefern ein Panorama – das ist nur im Ganzen zu haben: Auskünfte über Kunst, Mode, Literatur, über Lebensart und Geschichte zwischen 1880 und 1937. Harry Graf Kessler kommentiert seine Zeit – präzis und leicht ironisch. Er lebt sie so intensiv wie kaum einer und sieht sie doch mit distanziertem Blick.«
Karin Grossmann, Sächsische Zeitung, 12.6.2004
»... die vorzügliche und einfache Organisation der Ausgabe muss man bewundern: Kein schwerer Apparat, nur die ständige, durch ganz wenige Fussnoten mitgelenkte Begleitung durch das informative Personenregister erschliesst den Text und erleichtert eine Lektüre, auf deren Fortsetzung man am Ende des Bandes schon fast mit Ungeduld wartet.«
Hanno Helbling, Neue Zürcher Zeitung, 25.05.2004
»Kesslers Notate legen in ihrer geschliffnen Sprache, mit der Treffsicherheit des Urteils, dank des ungeheuren Kenntnisreichtums ihres Autors auf sämtlichen Gebieten des kulturellen und politischen Lebens ein so anschauliches Zeugnis zweier Epochen deutscher Geschichte – der wilhelminischen und der der Weimarer Republik – ab, wie dies weder vorher noch nahcher geschehen ist. ... In diesen Tagebüchern können wir nachvollziehen, wie in Deutschland die Moderne Einzug hält. ... Besser, also kundiger und spitzzüngiger, kriegen wir das nirgendwo geboten.«
Tilman Krause, Die Welt, 24.4.2004
»Für Literaturnarren, für Wissbegierige nach Geschichte und Geschichten ist ein Fest angesagt: Endlich erscheinen als integrale Edition die ins Reich der Legenden und Gerüchte abgesunkenen Tagebücher von Harry Graf Kessler – einer der farbigsten (ja, gewiss, auch schillernden) Figuren des ausgehenden 19. Jahrhunderts mit den Höhepunkten seiner ruhmreichen Tätigkeit auf mancherlei Gebiet der Kunst und Politik in den zwanziger Jahren bis zum bitteren Ende des Emigranten 1937. ... Diese Edition zeichnet sich aus durch, falls das altmodische Wort erlaubt ist, Vornhemheit: Der Autor hat das Wort. Die Herausgeber wollen, dass wir nicht über, sondern von Harry Graf Kessler lesen.«
Fritz J. Raddatz, Die Zeit, 22.4.2004
»Diese Aufzeichnungen sind eine einzigartige Quelle zur Mentalitäts- und Kulturgeschichte der Jahrhundertwende.«
Sachbuch-Empfehlung aus Die Zeit, 22.4.2004
»Kesslers Tagebuch ist ein öffentlicher mondäner Ort. Wer zwischen Wilhelminismus und dem Ende Weimars seinen Kulturauftritt hatte, findet sich hier wieder. ... Es ist Nietzsches Traum des ›guten Europäers‹, den Kessler hier weiterträumt. Fernab von der verordneten und subventionierten Europa-Mentalität unserer Tage begegnet uns hier ein leidenschaftlicher Kultureuropäer.«
Stephan Schlak, Frankfurter Rundschau, 21.4.2004
»Porentief präzis und mit einem Hauch Ironie hält er fest, was er sieht, wen er trifft. Und er trifft sie alle: die Schauspielerin Sarah Bernhardt und den Surrealisten Jean Cocteau, Otto Fürst von Bismarck ..., Albert Einstein und George Bernhard Shaw. Das sind nur fünf der weit über 10000 Kulturgrößen, die der Menschensammler Kessler gesehen, gesprochen und verewigt hat. ... 57 Hefte und Bücher, über 10000 Seiten penibel redigierte Manuskripte, die wie ein ungeheures Panorama Stimmung, Akteure und Schlüsselszenen einer ganzen Epoche festhalten.«
Johannes Saltzwedel, Der Spiegel, 19.4.2004
»Seine Analyse gesellschaftlichen Verhaltens, vor allem, wenn sein Gegenüber posiert, ist beachtlich, seine kurzen Charakteristiken sind oft schonungslos, ohne daß in ihnen je auch nur ein Gran Häme wäre. ... Daß nun Kesslers Tagebücher, deren unprätentiöse Eleganz in Bann schlägt, tatsächlich insgesamt zugänglich gemacht werden, ist nicht nur ein Akt der Gerechtigkeit. Es ist ein großes Glück.«
Tilman Spreckelsen, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8.4.2004
Vorwort
Harry Graf Kessler (1868-1937) war eine einzigartige Erscheinung in einem besonders bewegten Abschnitt der europäischen Zeit- und Kulturgeschichte. Sein Tagebuchwerk erstreckt sich von 1880 bis 1937 und ist eine singuläre Quelle für die Erforschung der politischen Geschichte, der Kunst-, Kultur- und Literaturgeschichte seiner Zeit. Wie etwa das Tagebuch der Baronin Spitzemberg für die Bismarckzeit und das späte 19. Jahrhundert, so sind die Aufzeichnungen Kesslers fortlaufender Zeitbericht und Zeitkommentar, geschrieben von einem unerbittlich scharfen Beobachter, sensiblen Denker und homme de lettres. In ihrer Dichte und Stilsicherheit bilden sie ein Meisterstück europäischer Diaristik. Die einzige größere Veröffentlichung aus dem Tagebuch ist die Auswahlausgabe, die Wolfgang Pfeiffer-Belli 1961 für den Insel-Verlag besorgt hat. Diese Ausgabe umfaßt den Zeitraum 1918 bis 1937 in einer nicht ausdrücklich begründeten, subjektiven Auswahl, die weniger als die Hälfte des gesamten Textes jener Jahre wiedergibt. Auslassungen sind nicht kenntlich gemacht, das Register ist unzuverlässig und weitgehend unkommentiert.
Das Deutsche Literaturarchiv besitzt im Nachlaß von Harry Graf Kessler die lückenlose Reihe des 57 Jahre lang geführten Tagebuchs, 57 handschriftliche Bände mit circa 10.300 engbeschriebenen Seiten. 36 Bände sind 1968 mit Hilfe der Bundesregierung aus dem Besitz des Marquis de Brion, eines Neffen Kesslers, erworben worden, der dem Literaturarchiv drei Jahre später weitere Teile des Nachlasses von Kessler verkaufte, u.a. 6.000 Einzelbriefe, ein weiteres Tagebuch und ein Notizbuch aus der Kriegszeit. 1977 und 1978 wurden 13 weitere handschriftliche Bände des Tagebuchs bei Auktionen ersteigert. 1985 konnten in Paris drei Bände erworben werden, die zufällig gefunden worden waren, als eine Bank auf Mallorca ein Safefach nach abgelaufener fünfzigjähriger Mietzeit öffnen ließ; die Klugheit eines Bankbeamten bewahrte das Aufgefundene vor der vorgesehenen Zerstörung. Mallorca war 1933 der erste Zufluchtsort Kesslers in der Emigration. Den letzten Nachlaßteil, in dem sich noch die ersten drei Hefte und der erste Quartband des Tagebuchs fanden, vererbte der Marquis de Brion einem Freund. Mit Hilfe der Kulturstiftung der Länder konnte das Deutsche Literaturarchiv 1992 auch diesen Teil erwerben.
Um die Grundlage für eine möglichst frühzeitige wissenschaftliche Nutzung des Tagebuchs und für die Edition zu schaffen, wurde von 1994 bis 1999 eine Transkription mit vorläufigen Registern zu Personen, Werken, Orten, Plätzen, Körperschaften und Zeitungen/Zeitschriften angefertigt. Diese Transkription gibt die Handschrift diplomatisch getreu wieder. Ziel war jedoch ein vollständig edierter, lesbarer Text mit erläuterten Registern. Das Tagebuch Harry Graf Kesslers ist eine hoch bedeutsame Forschungsquelle, es spricht aber auch ein interessiertes Lesepublikum an, das an manchen Stellen Verständnishilfen braucht. Die einmalige Prosopographie der Berichtszeit (circa 12.000 Namensnennungen) muß schon des Quellenaspektes wegen vollständig indexiert werden. Die zunächst erwogenen ausführlichen Stellenkommentare sind in einer vertretbaren Zeit nicht zu leisten. Wollte man jedes im Tagebuch erwähnte Faktum kommentieren oder Kesslers Aufzeichnungen gar an weiteren Quellen und an den Ergebnissen der Geschichtsforschung überprüfen, liefe man Gefahr, daß der Tagebuchtext unter der Überfülle von Anmerkungen verschwände. Hier galt es Zurückhaltung zu üben und die spezifischen Möglichkeiten unterschiedlicher Publikationsmedien zu nutzen.
Das EDV-Konzept des Transkriptionsprojektes macht die Veröffentlichung einer CD-ROM als registererschlossene Quellenfassung möglich, so daß sich Herausgeber und Verlag für eine Publikation in sukzessive erscheinenden Bänden der gedruckten Ausgabe und gleichzeitig mit dem Erscheinen des dritten Bandes für eine Vora
Erscheint lt. Verlag | 14.4.2004 |
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Reihe/Serie | Das Tagebuch 1880-1937. Leinen-Ausgabe ; 2 |
Mitarbeit |
Assistent: Christoph Hilse |
Zusatzinfo | Leinen mit eingelassenem Titelschild, Lesebändchen |
Sprache | deutsch |
Maße | 168 x 241 mm |
Gewicht | 1380 g |
Themenwelt | Literatur ► Briefe / Tagebücher |
Schlagworte | 19. Jahrhundert • 20. Jahrhundert • Berlin • Der rote Graf • Diplomat • Egodokument • Erinnerungen • Geschichte Europas • Gesellschaftsanalyse • Graf Kessler • Hardcover, Softcover / Belletristik/Briefe, Tagebücher • HC/Belletristik/Briefe, Tagebücher • Kaiserzeit • Kessler, Harry • Kessler, Harry Graf • Kessler, Harry Graf; Tagebuch • Klassische Moderne • Literarische Moderne • Memoire • Pan • Publizist • Schriftsteller • Schriftsteller (Tagebücher); Kessler, Harry Graf • Tagebuch • Tagebücher |
ISBN-10 | 3-7681-9812-X / 376819812X |
ISBN-13 | 978-3-7681-9812-7 / 9783768198127 |
Zustand | Neuware |
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