Frühling wird es sicher wieder (eBook)

David Hockney in der Normandie - Mit über 140 Farbabbildungen und z. T. noch unveröffentlichten Zeichnungen und Gemälden Hockneys
eBook Download: EPUB
2022
280 Seiten
Prestel Verlag
978-3-641-29549-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Frühling wird es sicher wieder - David Hockney, Martin Gayford
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»Man muss im Hier und Jetzt leben. Es ist das Jetzt, das ewig ist.«
- David Hockney -

Mit über 80 Jahren zog sich David Hockney in die ländliche Beschaulichkeit der Normandie zurück, um im Atelier von La Grande Cour, einem jahrhundertealten Bauernhof, die Ankunft des Frühlings zu malen. Als dann Covid-19 und der Lockdown kamen, begriff er die Zwangsisolation als Chance, sich noch mehr in seine Kunst zu vertiefen. Der lebenslange Nonkonformist scherte sich nicht um den Lauf der Geschichte, sondern widmete sich ganz den Themen, die ihn seit Jahrzehnten faszinieren: Licht, Farbe, Raum, Wahrnehmung, Wasser, Bäume.

»Frühling wird es sicher wieder« ist ein erhebendes Manifest über die Kunst des Sehens - und die Kunst des Lebens. Der Band basiert auf einer Fülle neuer Gespräche und Schriftwechsel zwischen Hockney und dem Kunstkritiker Martin Gayford, seinem langjährigen Freund. Illustriert ist ihr Gedankenaustausch mit neuen, unveröffentlichten Zeichnungen und Gemälden Hockneys aus der Normandie sowie mit Werken von van Gogh, Monet, Bruegel und anderen.

»Hockney und Gayford ... ergeben einen guten Doppelauftritt: Hockneys strebende Vision, Gayfords klare Prosa. Sie teilen ein unbändiges Interesse an fast allem ... Dieses Buch ist nicht so sehr ein Frühlingsfest, sondern ein Sprungbrett für Ideen über Kunst, Raum, Zeit und Licht ... wissenschaftlich, nachdenklich und provozierend.« - The Times -

»Herrlich illustriert ... Es ist ein Buch über viele Dinge - Hockneys Liebe zu Frankreich und der französischen Malerei, seine Reflexionen über viele andere Künstler ... Aber im Zentrum steht die Liebe zur Natur, die Liebe zur Kunst und die rastlose Lebensfreude des Achtzigjährigen.« - Andrew Marr, The Spectator -

David Hockney (*1937) ist vielleicht der am meisten gefeierte Künstler unserer Zeit. Er hat in fast allen Medien gearbeitet und deren Grenzen in Frage gestellt.

1


Ein unerwarteter Umzug


Ich kenne David Hockney seit einem Vierteljahrhundert, aber wir haben immer an unterschiedlichen Orten gelebt. Das gibt unserer Freundschaft einen gewissen Rhythmus. Über weite Strecken ist es eine Fernbeziehung, mit E-Mails, Telefonaten, gelegentlichen Päckchen – und einem endlosen Strom an Bildern, die fast täglich in meinem Posteingang landen. Ist er in einer intensiven Schaffensphase, sind es auch mal drei oder vier in einem Rutsch, die ein Werk in verschiedenen Stadien zeigen. Gelegentlich sendet er einen Witz oder eine Nachrichtenmeldung, die seine Beachtung gefunden hat. Wenn wir uns dann nach Monaten oder Jahren wiedersehen, setzen wir unsere Gespräche fort, als seien sie nie unterbrochen gewesen. Nur dass sich jedes Mal unsere Perspektiven ein wenig verändert haben.

In all den Jahren, die wir uns austauschen, ist um uns herum viel passiert. Gleichzeitig sind wir älter geworden und haben neue Erfahrungen gesammelt. Das hat zur Folge, dass wir selbst Themen, die wir schon vor langer Zeit oder mehr als einmal behandelt haben – ein bestimmtes Bild zum Beispiel –, nun von einem neuen Standpunkt aus betrachten. Dieser Standpunkt ist das ›Jetzt‹. In diesem Sinn beeinflusst die Perspektive nicht nur Bilder und die Frage, wie sie gemacht sind – ein Dauerthema von David und mir –, sondern alle menschlichen Dinge. Wir betrachten jedes Ereignis, jede Person und jede Idee von einer bestimmten Position aus. Auf unserem Weg durch Raum und Zeit verändert sich diese Position und damit unser Blickwinkel.

Zwei Jahre, bevor mich im Oktober 2018 die gegenüber abgedruckte Mail erreichte, arbeiteten David Hockney und ich an unserem Buch Welt der Bilder; ich wohnte bei ihm in seinem Haus in den Hollywood Hills, wo wir stundenlange Gespräche führten. Seitdem ist einige Zeit ins Land gegangen. Im Jahr darauf wurde er 80, was zahlreiche Ausstellungen mit sich brachte, in Melbourne, London, Paris, New York, Wien, Barcelona und Los Angeles. Für ihn bedeutete das eine Ehrenrunde um den Erdball und einen vollen Terminkalender. Aber auch zwischen all den Vernissagen und Interviews war er sehr beschäftigt. David schuf mehrere Serien außergewöhnlicher Bilder und machte einige kunsttheoretische Entdeckungen. So auch im Juni 2017, um die Zeit der britischen Unterhauswahlen, als meine Frau Josephine und ich Transsilvanien bereisten. Dort poppte auf meinem Smartphone, zwischen den neusten Wahlmeldungen aus der Heimat, plötzlich eine Nachricht aus Kalifornien auf. Es ging um perspektivische Darstellung und einen Kunsttheoretiker, von dem ich noch nie gehört hatte.

Lieber Martin,
kennst Du Pawel Florenski, einen russischen Priester, Mathematiker, Ingenieur und Naturwissenschaftler, der auch über Kunst geschrieben hat? Er hat einen fabelhaften Aufsatz über die umgekehrte Perspektive verfasst. Es scheint, als sei Perspektive erstmals im Theater (Griechen) verwendet worden. Auf die Beziehung zwischen Fotografie und Theater habe ich ja schon hingewiesen: Beide brauchen Beleuchtung. Wie auch immer, er ist ein hochinteressanter Autor, der zur falschen Zeit lebte – eine Art russischer Leonardo. Er wurde 1937 von Stalin erschossen.

Alles Liebe

David H

Angehängt war ein rund 80 Seiten langer Text, dessen Lektüre auf dem iPhone eine gewisse Herausforderung darstellte, zumal mitten in den Karpaten. Doch ich ließ mich darauf ein, und es erwies sich als höchst faszinierend. Florenski bestritt, dass es nur eine einzige richtige Art der Perspektive gebe: jene Linearperspektive der Renaissance mit nur einem Fluchtpunkt, die Filippo Brunelleschi zu Beginn des 15. Jahrhunderts erläutert hat. Florenski dagegen hielt die räumliche Darstellung in russischen Ikonen des Mittelalters, etwa denen von Andrei Rubljow, für ebenso gültig.

Andrei Rubljow, Geburt Christi, um 1405

Diese Bilder hätten keinen festen Fluchtpunkt, sondern seien »polyzentrisch«. Damit meinte Florenski, dass eine »Zeichnung … so aufgebaut [wird], als würde das Auge bei der Betrachtung verschiedener Teile des Bildes seinen Standpunkt verändern«. Es war klar, warum dieser Aufsatz bei Hockney einen Nerv getroffen hatte. Denn mit dieser Art der Bildgestaltung setzte er sich ja seit 40 Jahren auseinander. Auf ihr beruhen seine Fotocollagen aus den 1980er-Jahren und die »eighteen-screen and nine-camera films« (Achtzehn-Bildschirm- und Neun-Kamera-Filme) um 2010. Auf diese erste Mail folgte wenige Tage später eine zweite:

Lieber Martin,
hast du Florenskis Aufsatz über die umgekehrte Perspektive schon gelesen? Er birgt einigen Sprengstoff. Er ist beeindruckend tiefgründig und sehr klar. Wenn du an die letzten Gemälde denkst, die ich dir geschickt habe, wirst du es verstehen. Ich glaube, wir haben da einen großen Kunsttheoretiker entdeckt. Niemand kannte ihn, kein Kunsthistoriker, mit dem ich sprach, hatte je von ihm gehört. Das ist traurig. Ich weiß, umgekehrte Perspektive klingt nach einer verrückten Idee, aber ich empfehle dir sein Buch Beyond Vision. Der Aufsatz über die umgekehrte Perspektive ist der letzte in dieser Sammlung, aber alle sind faszinierend und fesselnd.

Alles Liebe

David H

Hockneys Begeisterung ist ansteckend. Sie reißt nicht nur seine Freunde, Kunsthändler und Assistenten mit, sondern auch weite Teile der kunstinteressierten Öffentlichkeit. Gut möglich, dass er den Diskurs darüber, welche Künstlerinnen und Künstler, welche Techniken und Bewegungen ›wichtig‹ waren und welche nicht, beeinflussen wird. Ihm selbst aber war immer ziemlich egal, was die Kunstgeschichte oder die Kunstkritik sagten, und eben das ist seine Stärke.

DHIch habe eine Reihe von Veränderungen in der Kunstwelt miterlebt und weißt du was: Die meisten Künstler werden vergessen werden. Das ist ihr Schicksal. Vielleicht auch meins. Ich weiß es nicht. Noch bin ich nicht vergessen. Es wäre okay, wenn ich’s wäre. Ich bin mir nicht sicher, ob es so wichtig ist. Die meiste Kunst wird verschwinden. Die Vergangenheit ist aufbereitet und erscheint uns deshalb klarer. Das Hier und Jetzt ist immer ein ziemliches Kuddelmuddel. Den Müll der Gegenwart lassen wir gelten, den der Vergangenheit nicht. Mir ist klar, dass man unsere Epoche in der Zukunft anders sehen wird. Nur wenige Menschen wissen, welche Kunst der Gegenwart wirklich bedeutend ist. Um das zu erkennen, muss man sehr scharfsinnig sein. Ich würde das nicht beurteilen wollen. Geschichtsbücher werden auch künftig immer wieder umgeschrieben werden.

Mir scheint, dass es oft Künstlerinnen und Künstler sind, die solche historischen Narrative verändern, indem sie etwas Neuartiges schaffen und uns so an Orte führen, von denen aus alles anders aussieht. Der jüngere Hockney hielt sich selbst, obwohl schon renommiert, für eine ›Randfigur‹, und viele Kunstkenner teilten diese Einschätzung. Vielleicht war er es. Auf jeden Fall hat er sich allen Bewegungen und Moden verweigert. Auf einer frühen Vernissage erklärte er sogar mal, er sei gar kein Pop-Art-Künstler (als den ihn manche Journalisten noch heute, 60 Jahre später, bezeichnen). Im Herbst 2018 erzielte sein Portrait of an Artist – Pool with Two Figures auf einer Auktion den höchsten Preis, der je für das Werk eines lebenden Künstlers gezahlt wurde. War das von Belang? Der Künstler selbst jedenfalls hatte für dieses Ereignis nur ein Zitat von Oscar Wilde übrig: »Der einzige Mensch, der jede Art von Kunst liebt, ist der Auktionator.« Was ihn antreibt, ist immer nur das nächste Bild, die nächste Entdeckung. Das ist letztlich eine natürliche und unabdingbare Einstellung jedes kreativen Menschen. Wer anfängt zurückzublicken, hört auf, vorwärts zu gehen, und was man über Haie sagt, trifft metaphorisch auch auf Künstler zu: Ohne Vorwärtsbewegung geht man zugrunde.

Hockney hat sich nie bemüht, einen ›unverwechselbaren Stil‹ zu pflegen. Heißt es mal wieder, sein neustes Werk sehe gar nicht nach Hockney aus, antwortet er: »Das wird es schon noch.« (Womit er recht hat.) In anderer Hinsicht aber ändert sich bei ihm wenig. Vor Kurzem fand ich in einem Karton eine verstaubte Kassette mit unserem allerersten aufgezeichneten Gespräch. Die Aufnahme ist ein Vierteljahrhundert alt, und beim Anhören fiel mir auf, dass er schon damals – wenn auch mit hellerer Stimme – viele seiner heutigen Ansichten vertrat, etwa über die Unzulänglichkeit der Fotografie und den Stellenwert des Zeichnens. Doch hin und wieder äußerte er auch einen völlig verblüffenden Gedanken, auf den zuvor noch niemand gekommen war und vielleicht niemand sonst je kommen würde.

Das ist noch immer so. An diesem Oktobervormittag 2020, an dem ich diese Worte tippe, sind per Mail zwei neue Werke aus der Normandie eingetroffen. Auch Hockneys jüngste Bilder regen ihn zu neuem Nachdenken an, und mich ebenfalls. Als jemand, der hauptsächlich über Kunst und Künstler schreibt, lasse auch ich mich gerne von neuen Themen, Werken oder kunsthistorischen Erkenntnissen begeistern. Einigen längst verstorbenen Künstlerinnen und Künstlern, über die ich geschrieben habe, fühle ich mich so nah wie guten Freunden (was zweifellos die typische Illusion eines Biografen ist). Bei zeitgenössischen Künstlern ist das anders, denn sie und ihr Werk entwickeln sich ja noch.

Deshalb sind Biografien lebender Personen eine fragwürdige Angelegenheit. Lucian Freud wandte gegen die Niederschrift seines Lebens ein, es sei »doch noch im Gange«. Außerdem verbrachte Freud, wie Hockney anmerkt, die meiste Zeit in seinem Atelier, und was dort passiert – Schauen, Denken, Malen –...

Erscheint lt. Verlag 28.3.2022
Sprache deutsch
Original-Titel David Hockney. Spring cannot be cancelled
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Schlagworte 2022 • A Bigger Splash • Bestseller aus England • Biografie • Biografisch • Biographien • David Hockney • eBooks • Frankreich • Freundschaft • Frühling • iPad • Kunst • Kunst & Natur • Kunstgeschichte • Malen • Martin Gayford • Monet • Neuerscheinung • Normandie • Persönliche Entfaltung • Pop-Art • Schule des Lebens • Schule des Sehens • Van Gogh • Zeichnen
ISBN-10 3-641-29549-1 / 3641295491
ISBN-13 978-3-641-29549-3 / 9783641295493
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