Wenn alle Stricke reißen (eBook)

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2022 | 1. Auflage
353 Seiten
MORE by Aufbau Digital (Verlag)
978-3-96797-218-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wenn alle Stricke reißen - Jennifer Bentz
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Was haben eine Kleptomanin, eine Phobikerin und eine Cholerikerin gemeinsam? Einen toten Therapeuten und ein Wohnungsproblem. An Ersterem sind die drei Frauen zum Glück nicht schuld und eine WG ist eine geniale Lösung. Denn es gibt Schlimmeres als kleine Macken: rachsüchtige Exfreunde, missionarische Fahrlehrer oder übelwollende Kollegen. Alldem stellen sich Lea, Tine und Vivien in Zukunft gemeinsam - die Therapiecouch hat ausgedient, denn das Leben und die Liebe rufen!



Jennifer Bentz, Jahrgang 1980, lebt mit Sohn, Katze und beträchtlicher DVD-Sammlung in der Pfalz. Nach ihrem Studium der Publizistik- und Filmwissenschaften, begann sie zu schreiben. Bei ihren Romanen, Sach- und Drehbüchern geht es immer um Figuren, die mit dem alltäglichen Leben zu kämpfen haben. Dabei steht der Humor im Vordergrund.

Zweites Kapitel


* * *

»Unser Therapeut ist ein Psycho.«

»War«, korrigierte Vivien Lea.

»Was?«

»Er war ein Psycho.«

»Hm.«

Als die Putzfrau Herrn Dr. Friede erhängt über einem Stapel sorgfältig gefalteter Abschiedsbriefe gefunden hatte, war alles ganz schnell gegangen. Die Polizei und ein Kriseninterventionsteam waren angerückt, es wurde sehr viel Absperrband verbraucht, und die drei Frauen wurden von mehreren uniformierten Menschen befragt. Den ersten Schock hatten sie überwunden und waren soeben im Warteraum der Polizeistation angekommen, wo sie sich für eine weitere Befragung bereithalten sollten.

»Tja, wieder ein Wartezimmer.« Lea blickte sich um. Der Warteraum war rundherum mit Stühlen und einem Tischlein mit zerlesenen Zeitschriften ausgestattet.

»Und diesmal im Amt.« Vivien ließ sich auf einen der staubigen Polsterstühle fallen. »Das kann dauern. Auch wenn alle am Leben bleiben.«

»Ich werde Jahre brauchen, um zu verarbeiten, dass mein Therapeut sich erhängt hat«, sagte Tine.

»Wenn hier einer was zu verarbeiten hat, dann ja wohl ich.« Lea war die Einzige gewesen, die Herrn Friede tot gesehen hatte. Sie war der Putzfrau wegen des Schreis gefolgt und hatte daraufhin die beiden anderen davon abgehalten, das Behandlungszimmer zu betreten.

»Du hast ihn vielleicht tot gesehen, aber du kanntest ihn nicht«, erwiderte Tine und nahm neben Vivien Platz. »Warum hat er das gemacht? Man bringt sich doch nicht so einfach um. Das tut man doch einfach nicht.«

»Hm.« Vivien durchsuchte den Zeitschriftenstapel. »Vielleicht hatte er ja selbst psychische Probleme.«

»Sag ich doch, Psycho.« Lea setzte sich neben Tine. »Vielleicht ist er ja deswegen Therapeut geworden. Ist doch so ein Klischee, dass man Psychologie studiert, weil man selbst einen an der Klatsche hat.«

»Ist kein Klischee.« Tine stellte ihren Rucksack vor dem Stuhl ab. »Meine komplette Familie – alles Therapeuten. Und entweder sind sie schon in Therapie oder hätten es bitter nötig.«

»O mein Gott!«

»Genau.«

»Kein Wunder, dass du selbst ’ne Therapie brauchst«, meinte Vivien.

»Aber da beißt sich doch die Schlange in den Schwanz«, sagte Lea.

»Die Katze.«

»Was?«

»Die Katze beißt sich in den Schwanz«, korrigierte Vivien.

»Ist mir doch egal, wer sich in den Schwanz beißt, ich will ja nur sagen: ’Da schließt sich der Kreis.`«

»Das hat Herr Friede auch gesagt«, bestätigte Tine. »Also dass ich Abstand von dem ganzen Therapie-Zeug brauche und deshalb auch gar nicht mehr zu ihm kommen soll.«

»Wieso bist du dann hingegangen?« Vivien hatte sich eine Zeitschrift ausgesucht und rutschte auf ihrem Stuhl zurück.

»Weil ich einfach nicht klarkomme.«

»Womit?«, fragte Lea.

»Mit der beschissenen Welt, schätz ich«, murmelte Vivien hinter ihrer Zeitschrift hervor. »Verständlich.«

»Nee, es ist nicht die Welt, ich bin’s«, sagte Tine. »Ich und meine dämlichen Ängste.«

»Wovor hast du Angst?«, wollte Vivien wissen.

»Herzinfarkte, Schlaganfälle, bösartige Tumore, Seuchen, Autoimmunerkrankungen, Naturkatastrophen, Unfälle, Terroranschläge, Serienkiller, durch die Gegend fliegender Atommüll … «

»Ist gut.« Vivien hob die Hand.

»Also Angst vorm Sterben?«, fragte Lea.

»Nicht nur«, antwortete Tine. »Aber wenn ich wüsste, dass ich mit hundert an Altersschwäche sterbe, wär schon alles einfacher. Dann könnte ich auch mal was riskieren. Abends im Park joggen, Kuchen mit Industriezucker essen, eine Kreuzfahrt machen …«

Lea riss die Augen auf. »Du traust dich nicht, mit ’nem Schiff zu fahren?«

»Also ich find das mit dem Kuchen krasser«, murmelte Vivien.

»Weißt du, was für ein furchtbarer Tod es ist, wenn ein Schiff sinkt und man stundenlang weiß, dass man bald stirbt?«

»Nee, du?«

»Geh doch einfach mal davon aus, dass du mit hundert an Altersschwäche stirbst«, sagte Vivien.

»Hm.«

»Also bist du hypochondrisch?«, fragte Lea.

»Ja. Und ich arbeite ausgerechnet beim Rettungsdienst, das bringt mich noch zusätzlich auf Ideen.«

Vivien kicherte.

»Aber es ist nicht nur die Hypochondrie«, fuhr Tine fort. »Dazu kommen noch Panikattacken und Prüfungsangst. Deswegen konnte ich nie ’ne Ausbildung oder das Abi machen und hab nur einen Aushilfsjob. Echt toll, wenn man bald dreißig wird und noch bei seinen Eltern wohnt. Und seit heute bin ich auch noch Single.«

Vivien ließ ihre Zeitschrift sinken und blickte Tine an.

»Single sein ist eins der besten Dinge, die man tun kann«, sagte Lea. »Aber kein Job und noch bei den Eltern wohnen? Mein Gott, was hast du gemacht, seit du achtzehn bist?«

»Jetzt hack nicht auf mir rum, das machen meine Eltern schon oft genug! Ich hab eben versucht, die Probleme loszuwerden, ich war ja in Therapie bei verschiedenen Spezialisten seit ich zehn bin und …«

»Therapie ist einmal die Woche«, unterbrach Lea.

»Ja, aber dazwischen soll man ja die Dinge auch umsetzen.«

»Und das hat nicht geklappt?«

»Nee.«

Lea runzelte die Stirn.

»Was kann ich denn dafür?«

»Nichts. Aber vielleicht hat Herr Friede ja recht und du solltest nach zwanzig Jahren mal einsehen, dass Therapie nichts bringt.«

»Vielleicht.« Tine blickte ins Leere. »Aber wenn ich das einsehe, habe ich ja gar keine Perspektive mehr.«

»Stimmt, ist doof.«

Vivien räusperte sich. »Ich würd ja ’ne Runde Happy-Pillen schmeißen, aber ich hab keine mehr.«

»Hab ich’s doch gewusst.« Lea schlug sich mit der flachen Hand auf den Oberschenkel.

»Hä?« Vivien blickte auf.

»Na, ich hab von Anfang an gewusst, dass du Psychopharmaka schluckst.«

»Pfff. Und? Ein neues Rezept für meine Pillen war heute Morgen sogar der einzige Grund für mich, das Haus zu verlassen. Und jetzt hab ich keins. Nicht mein Tag, schätze ich.«

Tine verzog das Gesicht. »Jemand ist tot, und du denkst nur an deine Pillen?«

»Er wollte doch tot sein. Und ich wollte ein Rezept für Antidepressiva. Jetzt verrat mir mal bitte, für wen der Tag erfolgreicher war.«

»Und wofür brauchst du die Pillen?«, fragte Lea.

»Wofür braucht man denn landläufig Antidepressiva?« Vivien legte seufzend ihre Zeitschrift beiseite. »Ich hasse mein beschissenes Leben. Ich weiß aber auch nicht, was ich sonst will. Vielleicht bleibe ich einfach für immer in diesem gottverdammten Wartezimmer sitzen und lese die, was-ist-das-hier? Die ’Bild der Frau`. Vom letzten Jahr.«

»Oh«, sagte Tine. »Depressiv.«

»Nee«, sagte Vivien. »Desillusioniert.«

»Und warum?«, fragte Lea.

Vivien seufzte erneut. »Liebe Lea, liebe Tine, ich erzähle euch hier ja mehr, als ich Herrn Friede in fast zehn Sitzungen erzählt habe.«

»Macht nix«, sagte Lea. »Hat Unterhaltungswert. Lass die Kröte aus dem Sack.«

»Die Katze.«

»Was?«

»Es ist die Katze, die man aus dem Sack lässt.«

»Es ist immer die Katze.«

»Es ist meistens die Katze.«

»Na gut, dann lass sie jetzt raus.«

Vivien schaute auf den Boden. »Hmmm.« Als müsste sie mit sich selbst ringen, um die Energie aufzubringen, ihre Geschichte zu erzählen. »Na gut, ich sehe euch ja wahrscheinlich nie wieder. Ich fang mal optimistisch an, den Tipp hab ich von Herrn Friede, Gott hab ihn selig. Außerdem sind Optimisten ja so beliebte Leute. Und Optimisten fangen immer mit der Haben-Seite an, also: Ich habe ein abgebrochenes Studium, ich habe einen Ehemann, der seine Luftfahrtingenieur-Kollegin vögelt, sich aber nicht von mir scheiden lassen will, ich habe eine Mutter, die mein Problem damit nicht versteht, ich habe eine Strafanzeige am Hals, und ich habe ein stinkendes Kellerzimmer bei meiner Cousine, einer ungekämmten Buddhisten-Hexe, die mich jeden Morgen zwingt, Entschlackungstee zu trinken.«

»Ihhhh.« Lea verzog das Gesicht.

»Entschlackungstee ist super«, sagte Tine.

»Du hast dir deine Depression echt verdient«, sagte Lea.

»Danke.«

»Und ich danke dir, Vivien«, sagte Tine.

»Wofür?«

»Es hilft mir, wenn’s anderen dreckig geht. Dann fühle ich mich nicht so alleine auf der Welt.«

»Gern geschehen. Wenn’s wenigstens einem hilft.«

»Erzähl deine Geschichte in den Therapie-Wartezimmern der Nation und lass die Psychos Geld in einen Hut werfen«, schlug Lea vor.

»Warum nicht. Ich hab gehört, Studienabbrecher müssen oft mit Hüten arbeiten.«

»So ist es.«

»Alles klar bei Ihnen?« Ein Polizeiinspektor mit buschigem Schnauzer, der die drei Frauen schon zur Polizeistation gefahren hatte, lehnte im Türrahmen.

»Ja«, sagte Vivien.

»Nee«, sagte Lea.

»Was jetzt?«

»Ich werde langsam nervös.« Lea deutete auf ihre Armbanduhr. »Ich muss in spätestens fünfzehn Minuten zur Arbeit. Wenn ihr mich noch verhören wollt, dann bitte jetzt.«

»Das wird nix.«

»Wie bitte?«

»Das wird nix.« Der...

Erscheint lt. Verlag 1.2.2022
Reihe/Serie Das Leben kommt immer dazwischen
Das Leben kommt immer dazwischen
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Affäre • Chaos • Freundinnen • Hamburg • Humor • Kerstin Gier • Kreuzfahrt • Liebe • Liebesgeschichte • Midlifecrisis • Mütter-Mafia • Petra Hülsmann • Sophie Kinsella • Susan Mallory
ISBN-10 3-96797-218-6 / 3967972186
ISBN-13 978-3-96797-218-4 / 9783967972184
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