Miss Merkel: Mord auf dem Friedhof (eBook)
352 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01080-2 (ISBN)
David Safier, 1966 geboren, zählt zu den erfolgreichsten Autoren der letzten Jahre. Seine Romane, darunter «Mieses Karma», «Jesus liebt mich», «Happy Family» und «MUH!» erreichten Millionenauflagen im In- und Ausland. Der erste Band seiner Krimireihe rund um die Ex-Kanzlerin gehört zu den bestverkauften Büchern des Jahres 2021. Als Drehbuchautor wurde David Safier unter anderem mit dem Grimme-Preis sowie dem International Emmy ausgezeichnet. Er lebt und arbeitet in Bremen, ist verheiratet und hat zwei Kinder.
David Safier, 1966 geboren, zählt zu den erfolgreichsten Autoren der letzten Jahre. Seine Romane, darunter «Mieses Karma», «Jesus liebt mich», «Happy Family» und «MUH!» erreichten Millionenauflagen im In- und Ausland. Der erste Band seiner Krimireihe rund um die Ex-Kanzlerin gehört zu den bestverkauften Büchern des Jahres 2021. Als Drehbuchautor wurde David Safier unter anderem mit dem Grimme-Preis sowie dem International Emmy ausgezeichnet. Er lebt und arbeitet in Bremen, ist verheiratet und hat zwei Kinder.
1
«Schlaf, Kindlein, schlaf, der Laschet ist ein Schaf», sang Angela dem kleinen Baby vor, das in dem geblümten Kinderwagen vor ihr lag, «der Söder ist ein Trampeltier, was kann die arme Angela dafür …»
Der Kleine schloss endlich die Äuglein, und Angela war erleichtert, dass sie ihren Gesang nun einstellen konnte, während sie die Karre über das hell strahlende Pflaster des Marktplatzes von Klein-Freudenstadt ruckelte. Es reichte schon, dass die Bewohner des kleinen Örtchens sie neugierig betrachteten – mit ihrer um den Bauch gebundenen Blazerjacke und der Bluse, die unter den Ärmeln schon leicht verschwitzt war –, da mussten sie sich nicht auch noch über ihren schiefen Gesang mokieren. Angela war sich ihrer Schwächen nur allzu gewahr. Sie wusste, dass sie keine flammende Rednerin war, und hatte daher stets vermieden, flammende Reden zu halten. Sie wusste auch, dass ihr schulterlange Haare nicht standen, und ging deshalb alle vier Wochen zum Friseur (obwohl sie sich an ihren neuen Friseur Silvio und dessen Hang zum Tratsch erst noch gewöhnen musste – gegen ihn war die Bild-Zeitung regelrecht diskret). Vor allen Dingen aber wusste sie, dass sie nicht gut singen konnte. Seit jenem Tag in der sechsten Klasse, an dem ihre Musiklehrerin Frau Pühn sie gebeten hatte: «Angela, sei so gut und sing beim Kanon nicht mehr mit, du bringst alle anderen aus dem Konzept.» Ihr Ehemann Achim hatte ihren Gesang zwar immer freundlich als ‹originell› bezeichnet, doch als sie letztens unter der Dusche Du hast den Farbfilm vergessen mitschmetterte, hatte sie gehört, wie er die Tür zu seinem Arbeitszimmer schloss. Nun aber lag vor ihr im Kinderwagen das einzige Wesen auf dieser ganzen globalisierten Welt, das ihren Gesang zu mögen schien: der kleine Adrian Ángel. Seine Mutter Marie hatte ihn mit seinem Zweitnamen nach Angela benannt, zum Dank dafür, dass sie ihr bei der Geburt beigestanden hatte und den Mord an seinem Vater, dem Freiherrn Philipp von Baugenwitz, aufgeklärt hatte. Und dieser kleine Engel war eine Schwäche von Angela. Aber was für eine schöne! Jedes Mal, wenn sie ihn ansah, wurde ihr warm ums Herz. Ach Quatsch, nicht nur ums Herz. Ihre ganze Seele wurde erwärmt! Seine Nähe erfüllte sie so sehr wie ihre größten Triumphe in der Politik. Nur eben völlig anders. Fühlten sich so großmütterliche Gefühle an?
Nie hätte Angela gedacht, dass sich ihr Leben in Klein-Freudenstadt so entwickeln würde. Weder in den glücklichen Momenten noch in den eher langweiligen, die sie auch kannte. Angela hatte nun mal Zeit, um mit dem Kinderwagen spazieren zu gehen, weil sie sonst nichts zu tun hatte. Der Politik hatte sie abgeschworen und den Garten ihres Fachwerkhäuschens in den letzten Monaten mehrfach umgegraben. Ihr neues Hobby, das tägliche Kuchenbacken, hatte sie einstellen müssen. Die beiden Obdachlosen von Klein-Freudenstadt, die stets mit den Reststücken versorgt wurden, hatten schon Dinge gestöhnt wie: «Och, bitte heute mal nicht, ich krieg meine Hose nicht mehr zu.» Oder auch: «Könnten Sie zur Abwechslung nicht mal einen Burger braten?»
Wenn sie es recht bedachte, hatte Angela sich seit ihrer Pensionierung nur dann so richtig lebendig gefühlt, als sie in dem Mordfall ermittelt hatte. Doch wie oft würde in einer Kleinstadt schon eine solche Bluttat geschehen? Klein-Freudenstadt in der Uckermark war ja nicht Cabot Cove aus der Serie Mord ist ihr Hobby. In dem Dorf in Maine wurden jede Woche ein bis drei Menschen niedergemetzelt, und somit wurde ganz nebenbei das Problem der CO2-Emissionen auf originelle Art durch Populationsreduzierung gelöst. Obwohl Angela genau wusste, dass es nicht anständig war, sich weitere Morde in Klein-Freudenstadt zu wünschen, ertappte sie sich bei dem Gedanken, dass ihr ein neuer Fall definitiv Freude bereiten würde.
Sie lächelte kurz bei der Vorstellung, als sie mit dem Kinderwagen an den Marktständen vorbeischuckelte. Am Käsestand türmte sich ein stinkender Rotschmiere-Käse auf dem Tresen, über den selbst Schweizer sagen würden: ‹Damit kann man Kühe einschläfern.› Angela schämte sich für ihren moralisch verwerflichen Wunsch nach neuen Leichen. Tadelnd sagte sie zu sich selbst: «So ein Wunsch ist nicht in Ordnung.»
«Na», ertönte eine Stimme, «führen wir jetzt schon Selbstgespräche?»
Angela erschrak: Sie hatte offenbar ihren Gedanken laut ausgesprochen. Das war ihr bisher nur einmal passiert, bei ihrer ersten Begegnung mit Donald Trump, als ihr leise herausgerutscht war: «Der ist ja noch oranger als im Fernsehen.» Gut, dass der Dolmetscher damals geistesgegenwärtig ihren Satz mit ‹Orange is her favorite color!› übersetze.
Es musste, dachte Angela, die Kombination aus Hitze und Langeweile sein, die sie dazu brachte, Selbstgespräche zu führen. Das durfte ihr nicht noch mal passieren. Schon gar nicht vor der Frau, die sie eben angesprochen hatte. Es war die Latzhose tragende Frau vom Obststand, die zugleich stellvertretende Kreisvorsitzende der AfD war. Mit ihr verband Angela also rein gar nichts, außer gegenseitiger Abneigung und der Tatsache, dass sie den gleichen Vornamen hatten. Schnell wollte sie vorbeigehen, als die Obstverkäuferin etwas Überraschendes hinzufügte: «Ich möchte mich gerne bei Ihnen entschuldigen!»
Angela konnte sich nicht vorstellen, dass sie gemeint war, und drehte sich nach einer weiteren Person um.
«Ich habe schon Sie gemeint.»
«Und wofür wollen Sie sich entschuldigen?» Angela kam mit dem Kinderwagen näher.
«Jedenfalls nicht dafür, dass ich Ihre Politik kacke fand», grinste die Frau feixend.
«Hätte mich auch überrascht.»
«Oder dass ich mit Vorliebe über Ihre Frisur lästere.»
«Sie tun was?» Angela war empört. Sie mochte ihre Frisur. Sogar sehr!
«Zusammen mit Silvio.»
«Mit Silvio?»
«Dem Friseur.»
«Ich weiß, wer Silvio ist.» Angela hatte Mühe, ihren Zorn zu verbergen. Insbesondere auf den Betreiber des Salons Haar Kreativ. Was fiel ihm ein, über sie zu lästern? Nur weil sie stets seine Vorschläge ablehnte, ihr einen neuen Look zu verpassen, der ‹frischer›, ‹moderner› und ‹fashionista› sein sollte. Er hatte sogar das Wort ‹verführerisch› benutzt. ‹Verführerisch›! Es war ja nun wirklich nicht so, dass sie als verheiratete Frau ihres Alters in diesem Leben ständig einen Mann verführen wollte! Und jetzt lästerte er auch noch hinter ihrem Rücken wie die Ministerpräsidenten der Bundesländer in der Coronakrise? Beim nächsten Besuch in seinem Salon würde nicht nur er ihr den Kopf waschen, sondern sie auch ihm!
«Wenn Sie es wissen», grinste die Obstverkäuferin, «warum fragen Sie dann, wer Silvio ist?»
«Ich frage mich, warum ich mich überhaupt mit Ihnen unterhalte.»
«Weil ich mich wirklich entschuldigen will.»
«Dann tun Sie das doch auch.»
«Es fällt mir schwer», druckste Obst-Angela herum.
«Wäre mir gar nicht aufgefallen.»
«Sie haben meinen Lebensunterhalt gerettet. Hätten Sie den Mord an Philipp nicht aufgeklärt, wäre das Schloss an den amerikanischen Investor verkauft worden, und ich hätte nicht mehr das Land pachten können, um meinen Hof zu bewirtschaften. Aber dank Ihnen kann ich weitermachen.»
«Sie sollten Marie danken.» Eigentlich war der kleine Adrian Ángel der Erbe des Familienvermögens, das bis zu seiner Volljährigkeit von seiner Mutter Marie verwaltet wurde. Marie, die vor ein paar Monaten noch Hartz IV bezogen hatte, zeigte keinerlei Interesse an einem Verkauf des Anwesens. Angela wusste, dass es der Obstverkäuferin vermutlich noch schwerer fiel, Marie gegenüber ihren Dank auszudrücken, denn Marie war eine Schwarze und die AfD-Frau nun mal keine Vorkämpferin für die Rechte von Minderheiten.
«Auch das werde ich tun», sagte Obst-Angela und klang dabei überraschenderweise aufrichtig. «Aber erst mal bedanke ich mich bei Ihnen dafür, dass Sie den Mord aufgeklärt haben. Und ich entschuldige mich dafür, dass ich Sie für eine lächerliche Hobby-Detektivin gehalten habe. Sie sind nämlich eine verdammt gute Ermittlerin.»
Angela kämpfte sehr damit, nicht geschmeichelt zu lächeln – und verlor diesen Kampf.
«Wenn es wieder einen Mord gibt, werde ich Ihnen garantiert helfen. Versprochen!»
«Ich glaube nicht, dass es hier in absehbarer Zeit noch mal einen Mord geben wird», antwortete Angela und ertappte sich dabei, wie eine kleine Stimme in ihr sagte: Man soll die Hoffnung nie aufgeben.
«Wohl nicht», grinste die Obstverkäuferin. Und Angela vermutete, dass es der Frau genau deswegen so leichtfiel, ihre Hilfe anzubieten. «Warum schieben Sie eigentlich den Kinderwagen alleine herum? Wo sind denn Ihr Mann, Ihr Hund und Ihr Gorilla?»
Mit ‹Gorilla› meinte sie Angelas Personenschützer Mike. Angela hatte ihn davon überzeugen können, dass sie auch mal alleine durch den Ort gehen konnte. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich irgendwelche Attentäter nach Klein-Freudenstadt verirren würden, war nun mal nicht allzu groß. Statt bei Angela zu sein, schraubte Mike gerade das neue Kinderbettchen für Baby Adrian Ángel zusammen. Und er kümmerte sich auch um ihren Mops. Der war auf den Namen Putin getauft worden, aber nach den jüngsten Ereignissen fand Angela den Namen nicht mehr angemessen für einen charakterlich einwandfreien Hund. Außerdem hätte sie auch keine Freude mehr daran gehabt, den ganzen Tag "Putin, mach Platz!" oder "Putin, lass das!" zu rufen. Damit es nicht tage- oder gar wochenlang dauerte, bis der kleine Kerl auf einen neuen...
Erscheint lt. Verlag | 1.3.2022 |
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Reihe/Serie | Merkel Krimi | Merkel Krimi |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Agatha Christie Krimi • Angela Merkel • Angie • Bestseller • Bestseller bücher • Bundeskanzlerin • Bundeskanzlerin in Rente • Cosy Crime • cosy krimi deutsch • Detektivin • deutsche Kriminalromane • Geschenk für Mutter • Geschenk für Vater • Hobby-Detektivin • Humor • humorvolle Krimis • Kluftinger • Krimi • Krimi Deutschland • Kriminalroman • Krimireihe • krimi serie • lustige krimis bücher • lustiger Roman • lustiges Buch • Miss Marpel • Miss Marple • Miss Merkel 2 • Miss Merkel Teil 2 • Mops • Muttertagsgeschenk • Muttertagsgeschenkt • Regionalkrimi • spannende Bücher • Spiegel Bestseller-Autor • Uckermark • witzige Bücher |
ISBN-10 | 3-644-01080-3 / 3644010803 |
ISBN-13 | 978-3-644-01080-2 / 9783644010802 |
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