Die Liebenden von Bloomsbury - Virginia und die neue Zeit (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
400 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-2937-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Liebenden von Bloomsbury - Virginia und die neue Zeit -  Stefanie H. Martin
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Auftakt der großen Saga über die Frauen von Bloomsbury

London, 1903. Während ihre Schwester Vanessa Kunst studieren möchte, will die hochintelligente Virginia nur eines: schreiben - und zwar in einer neuen Form, der modernen Welt angemessen. Mit ihren Brüdern gründen sie eine Wohngemeinschaft in Bloomsbury, die schon bald zum Hort geistiger Freiheit und Inspiration wird. Doch die Gesellschaft ihrer Zeit sieht für unverheiratete Frauen kein Leben in Freiheit vor, und immer wieder verlangt man von Virginia, sich einen Ehemann zu suchen ...

Ein so überraschender wie mitreißender Roman über Virginia Woolf - Ikone der literarischen Moderne und der Frauenbewegung

'Wer uns unserer Träume beraubt, beraubt uns unseres Lebens.' Virginia Woolf  



Stefanie H. Martin ist das Pseudonym von Stefanie Hohn, die als Dozentin für literarisches Übersetzen und kreatives Schreiben arbeitet und über Charlotte Brontë promoviert hat. Schon als Studentin faszinierten sie die »Bloomsberries« mit ihrem schillernden Einfluss auf den Wandel zur Moderne, aber auch als Gruppe junger Menschen, die gegen die engen Moralvorstellungen ihrer Zeit aufbegehrten. Ihr Interesse an den oft konfliktreichen Lebensläufen von Künstlerinnen und Schriftstellerinnen führte sie schließlich selbst auf den Weg zum Schreiben. Stefanie H. Martin lebt und schreibt in Düsseldorf.

1. Kapitel


London, 31. Dezember 1903


Es war seit Tagen nicht richtig hell geworden. Die Wolken hingen so tief über den Häusern, dass Virginia manchmal dachte, sie müsse sie greifen können, wenn sie sich aus dem Fenster in ihrem Zimmer lehnte. Die kleine Lampe auf ihrem Schreibpult brannte unablässig. Sie war seit fast einer Woche nicht mehr draußen gewesen, hatte sich mit einer abgegriffenen Aischylos-Ausgabe ihres Bruders in ihr Zimmer verkrochen und übersetzte die leuchtenden, bilderreichen Verse des griechischen Dichters, um der Düsternis, die sich wieder einmal über das Haus der Familie Stephen gesenkt hatte, zu entgehen. Es gelang ihr jedoch nur halb, denn immer wieder störten Besucher, die ihren Vater ein letztes Mal sehen wollten, ihre konzentrierte Einsamkeit und erinnerten sie daran, was ihre eigentliche Aufgabe als Tochter des sterbenden Leslie Stephen wäre: ihm in seinen letzten Stunden so gut wie möglich beizustehen. Aber dem Tod schon wieder so nahe zu sein, ertrug sie nicht.

So war der Ausflug, den Vanessa für heute Nachmittag vorgeschlagen hatte, eine willkommene Abwechslung. Ihre Schwester hatte nicht einmal gesagt, wo sie hinwolle, aber es war Virginia gleich. Allein die Tatsache, ein paar Stunden ganz allein mit ihr verbringen zu können, ließ den Tag ein wenig heller erscheinen.

Vanessa hatte eine Droschke rufen lassen. »Bringen Sie uns nach Bloomsbury, bitte!«, rief sie zu dem Droschkenfahrer hinauf, der sie mürrisch anstarrte. Zum Glück war es eine geschlossene Kabine, so dass sie gegen den einsetzenden eisigen Regen geschützt waren.

»Bloomsbury?«, fragte Virginia und bestieg die Kutsche hinter Vanessa. »Warum Bloomsbury?«

»Ich möchte mir die Gegend genauer ansehen. Die Häuser dort sollen sehr günstig sein.«

Darum ging es also. Seit die Ärzte festgestellt hatten, dass im Bauch des Vaters ein Geschwür wuchs und der Tod unausweichlich war, sprach Vanessa davon, das große Elternhaus am Hyde Park Gate verkaufen zu wollen. Virginia indes verbat sich, ihre Gedanken in die Zukunft zu richten, als hieße das, dem Tod die Tür zu öffnen und dazu einzuladen, den letzten Rest vertrauten Lebens zu stehlen.

Die Droschke hielt unmittelbar vor dem Gebäude der Slade School of Fine Art, der Fakultät der Künste des University College London. Inzwischen hatte der Regen nachgelassen, hier und da schien sogar ein Sonnenstrahl die Wolkendecke durchdringen zu wollen.

Einige junge Frauen in ihrem Alter gingen gerade unter lautem Gelächter auf das Gebäude der Slade zu, unter dem Arm großformatige Mappen und tragbare Staffeleien. Kurz darauf gesellten sich zwei Männer zu dem Grüppchen, leger gekleidet und mit ähnlichen Mappen. Sie begrüßten einander zwanglos und verschwanden gemeinsam durch das Haupttor im Inneren der Kunstschule. Von Vanessa wusste Virginia, dass an der Slade Frauen und Männer gemeinsam studieren durften, die einzige Einrichtung in ganz England, wo dies möglich war.

»Wenn es an der Slade geht, warum dann nicht auch anderswo? Vielleicht nicht unbedingt in Cambridge, aber wenigstens hier in London!«, sagte Virginia, während sie zu den trotz der frühen Nachmittagsstunde hell erleuchteten Fenstern des Gebäudes hinaufsah.

»Warum eigentlich nicht auch in Cambridge?«, fragte Vanessa.

Virginia schürzte die Lippen. »Es gibt dort bereits Girton und Newnham«, sagte sie. Das waren beides reine Frauen-Colleges, an denen Frauen zwar studieren konnten, jedoch noch keine akademischen Titel verliehen bekamen. »Aber dennoch, ich finde, es sollte kein Unterschied gemacht werden zwischen Frauen und Männern, sofern sie die Eignung zu einem Studium besitzen.«

Vanessa lachte freudlos. »Sag das nicht zu laut, sonst erklärt man dich noch für verrückt.«

»Verrückt kann man werden, wenn man lernen will und es nicht darf. Und immer allein im Zimmer sitzt mit den Büchern«, sagte Virginia. »Bei euch Künstlern ist es besser. Du darfst immerhin an der Royal Academy lernen.« Vanessa hatte ein Stipendium für ein Kunststudium erhalten, was bei Virginia Bewunderung, aber auch Neid hervorrief.

»Ich weiß schon gar nicht mehr, wann ich das letzte Mal dort war«, sagte Vanessa. »Unentwegt muss ich mich mit den Haushaltsbüchern herumschlagen, während du Zeit für deine Bücher hast.«

Gern hätte Virginia widersprochen und ihr vorgehalten, dass Vanessa ihre Ausbildung bald würde fortsetzen können, während sie selbst niemals die Chance auf ein Studium bekäme, so wie sie auch nie eine Schule besucht hatte. Dieses Privileg war immer nur den Brüdern vorbehalten gewesen. Aber die Schwester sah erschöpft aus, und Virginia wollte nicht mit ihr darüber streiten, wer von ihnen das härtere Los zu tragen hatte.

Vanessa hatte nach dem Tod ihrer Halbschwester Stella mit nur achtzehn Jahren – trotz einer ausgeprägten Zahlenschwäche – die Führung der Haushaltsbücher übernehmen müssen, wie auch alle anderen häuslichen Pflichten, deren Stella sich nach dem Tod der Mutter angenommen hatte – und das waren zahlreiche. Der Haushalt der Stephens war groß, und das vielköpfige Personal musste angeleitet, die Gäste bewirtet und natürlich die aufwendige Pflege des Vaters organisiert werden. Dazu kamen die verhassten Bälle, zu denen der älteste Stiefbruder George sie und auch Virginia immer wieder ausführte, um sie den Gepflogenheiten entsprechend in die Gesellschaft einzuführen. Immerhin diese Termine waren seit der schweren Erkrankung des Vaters seltener geworden.

Sie machten kehrt und wanderten Richtung Tottenham Court Road. Zu dieser Stunde herrschte in diesem Teil Bloomsburys eine hektische Betriebsamkeit. Droschken und Pferdekarren rumpelten über das Pflaster, Dienstboten drängelten sich durch die Menge der zahlreichen Passanten, als hinge ihr Leben von der Erledigung ihrer Aufträge ab, und ab und zu knatterte ein Automobil mitten durch eine der unzähligen Pfützen.

Virginia betrachtete die mehrstöckigen Gebäude des Viertels, die so viel einfacher und ärmlicher aussahen als die Stadtvillen in Kensington. »Und warum muss es ausgerechnet Bloomsbury sein? Ich finde, das wirkt hier alles entsetzlich schäbig!«

»Mir gefällt es«, entgegnete Vanessa und ließ den Blick über einen schmalen zweistöckigen Ziegelsteinbau gleiten, der sich zwischen den beiden Nachbarhäusern zusammenzukauern schien. Im untersten Fenster hing ein Schild: Zu vermieten.

»Das hier wäre vermutlich zu klein«, sagte sie, zückte aber dennoch ihr Notizbuch, um sich die Adresse zu notieren.

»Wir könnten doch auch in Kensington bleiben«, fand Virginia. »Es hat viel mehr Charme. Außerdem kennen wir hier niemanden

»Eben«, sagte Vanessa nur.

Sie wandten sich Richtung Süden und kamen zum Bedford Square. »Ich glaube …«, Virginia wies unauffällig in Richtung einer Gruppe junger Männer, die rauchend an einer Straßenecke standen und sie verstohlen musterten, »… mir gefallen die Leute hier nicht.«

»Du bist so ein Snob.« Vanessa bedachte sie mit einem Kopfschütteln. »Hier leben viele Künstler. Es ist vielleicht nicht so à la mode wie Kensington, dafür aber ist es …« Sie ließ den Rest des Satzes bedeutungsschwanger in der feuchtkalten Luft hängen.

»Dafür ist es – was?«

Vanessa sog die kalte Luft ein. »Man kann hier freier atmen, findest du nicht?«

Virginia tat probehalber ebenfalls einen tiefen Atemzug. »Nein.« Sie zeigte auf ein offen stehendes Fenster direkt über sich. »Es riecht nach ranzigem Öl.«

Zum ersten Mal seit langer Zeit lachte Vanessa. »Du bist bockig.«

»Ziegenböcke sind so.«

Die Schwestern nannten einander oft bei ihren Spitznamen aus der Kindheit. Virginia war die Ziege oder der Ziegenbock und Vanessa der Delfin.

Sie versetzte Virginia einen Stoß in die Seite und hakte sich bei ihr ein.

»Komm, Böcklein, sei...

Erscheint lt. Verlag 21.6.2022
Reihe/Serie Bloomsbury-Saga
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte academia • Autorin • Avantgarde • Bloomsberries • Bloomsbury • Cambridge • Charlotte Jacobi • Elbleuchten • Elbstürme • Familiensaga • Feminismus • Frauenroman • Frauenschicksal • historisch • Hogarth Press • Ikone • Leonard Woolf • Lesbische Liebe • Liebe • Liebesroman • London • Menage à trois • Moderne • Orlando • Oxford • Roger Fry • Schrifsteller • Vanessa Bell • Virginia Woolf • Vita Sackville-West
ISBN-10 3-8412-2937-9 / 3841229379
ISBN-13 978-3-8412-2937-3 / 9783841229373
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