Der Buchhändler (eBook)

Thriller

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
432 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-2921-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Buchhändler -  Petra Johann
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Unter Verdacht.

Nach einem einschneidenden Ereignis verlässt der vierunddreißigjährige Erik seine Heimat und übernimmt in einer bayrischen Kleinstadt eine Buchhandlung. Der Neustart scheint zu gelingen. Erik fühlt sich in Neukirchen wohl - bis die Tochter eines seiner neuen Freunde verschwindet. Die Grundschülerin hat in aller Frühe ihr Elternhaus verlassen und ist nicht zurückgekehrt. 

Eine groß angelegte Suche beginnt. Hauptkommissarin Judith Plattner, die nach einem persönlichen Schicksalsschlag nie wieder eine Ermittlung leiten wollte, übernimmt den Fall. Nach und nach verdichten sich die Hinweise, dass jemand aus dem Umfeld des Mädchens für sein Verschwinden verantwortlich ist. Schon bald richten sich alle Augen auf Erik, den Neuen. Und dann macht jemand eine Entdeckung - mit fatalen Folgen ... 

Ein hintergründiger Thriller über eine Gemeinschaft, in der die Angst die Macht übernimmt.



Petra Johann, Jahrgang 1971, ist promovierte Mathematikerin. Sie arbeitete mehrere Jahre in der Forschung und in der Softwarebranche, bevor sie ihre wahre Berufung fand: Menschen umbringen - natürlich nur auf dem Papier. Petra Johann ist im Ruhrgebiet aufgewachsen, mittlerweile lebt sie in Bayern. Im Aufbau Taschenbuch erscheint zeitgleich »Die Frau vom Strand«.

1

Nachfolger gesucht für Buchhandlung in Neukirchen.

Kleinstadt mit 10 000 Einwohnern.

Einzige Buchhandlung vor Ort.

80 m² Verkaufsfläche.

Stabiler Umsatz > 400 000 €/Jahr.

Viele Stammkunden.

Kontaktaufnahme über …

Drei Tage nachdem ich die Anzeige gelesen habe, fahre ich zum ersten Mal nach Neukirchen, doch die Fahrt steht von Beginn an unter keinem guten Stern. Erst komme ich zu spät los, weil Klara unerwartet auftaucht, um mich noch einmal vor dieser Schnapsidee zu warnen (»Wir finden eine andere Lösung.«), und mir dann, als ich nicht nachgebe, ihr Navigationsgerät in die Hand zu drücken. (»Bei deinem Orientierungssinn verliere ich dich sonst endgültig.«) Dann bremst mich ein Stau aus, und schließlich zwingt mich eine Baustelle auf eine lausig ausgeschilderte Umleitung, die vor einer zweiten Baustelle endet. Ich programmiere Klaras Navi neu, wende meinen Opel Corsa und fahre weiter. Als ich an einem Kreisverkehr in die einspurige Straße einbiege, die Bruce Willis (Klaras Wahl) mir ansagt, ist es zehn vor drei, und ich bin ziemlich nervös. Laut Navi dauert die Fahrt zwar nur noch acht Minuten, aber ich hasse es, abgehetzt zu Terminen zu kommen.

Die Straße windet sich durch einen lichten Mischwald. Es ist Februar, die Bäume sind unbelaubt, Sonnenlicht fällt zwischen den Stämmen hindurch. Der Anblick entspannt mich ein wenig, was man vom Zustand der Straße nicht sagen kann. Sie wird immer schmaler und holpriger. Bin ich hier wirklich richtig?

Ich werfe einen Blick auf das Navi. Es teilt meine Zweifel nicht. Der kleine rote Pfeil, der meine Position anzeigt, befindet sich genau auf der hellblauen Route. Allerdings ist der Bildausschnitt zu klein, um mir zu zeigen, ob die hellblaue Route wirklich an mein gewünschtes Ziel führt oder doch vielleicht in die Hölle oder in eine der anderen zehn Gemeinden namens Neukirchen, die es in Deutschland gibt.

Ich beuge mich vor, tippe auf das Navi, um aus der Karte herauszuzoomen, da passiert es. In meinem rechten Augenwinkel blitzt etwas auf. Ich sehe nicht viel mehr als eine gelbe Bewegung, da stehe ich auch schon auf der Bremse. Ich war nicht sehr schnell unterwegs, dennoch werde ich nach vorn geschleudert und dann vom Sicherheitsgurt zurückgerissen. Eine Schrecksekunde lang sitze ich starr da, dann löse ich den Gurt, drücke die Fahrertür auf und laufe um meinen Wagen herum. Direkt vor dem rechten Vorderreifen liegt ein Kind in einem sonnengelben Sweatshirt.

Shit! Habe ich es angefahren? Wieso habe ich keinen Aufprall gespürt?

Das Kind liegt still, doch als ich mich nähere, hebt es den Kopf und funkelt mich aus braunen, leicht vorstehenden Augen an.

»Die Straße ist nur für Forstfahrzeuge!«

Das Kind ist ein Mädchen, vielleicht zehn oder elf, mit einer auch in dieser Situation kräftigen Stimme. Mir fallen tonnenweise Steine vom Herzen.

Die Kleine macht Anstalten aufzustehen, doch ich strecke meine Hand aus. »Warte, wir sollten erst sehen, ob du verletzt bist. Tut dir etwas weh?«

»Das geht Sie nichts an.« Sie schlägt meine Hand weg und rappelt sich auf. »Mir geht’s gut.«

»Deine Nase blutet, und deine Knie sind aufgeschürft.«

»Das hatte ich schon vorher.«

Meine Erleichterung verfliegt. Die Kleine hat offenbar einen Schock erlitten. Oder hat sie eine Gehirnerschütterung? »Ich habe dich angefahren«, erkläre ich behutsam.

Sie schüttelt den Kopf, dass Blutstropfen in alle Richtungen spritzen. »Das ist nicht wahr. Ich bin ausgerutscht. Aber nur, weil Sie mich erschreckt haben«, fügt sie anklagend hinzu. Und wiederholt dann: »Die Straße ist nur für Forstfahrzeuge.«

Der Hinweis scheint ihr wichtig zu sein. »Das wusste ich nicht. Und es tut mir leid, dass ich dich erschreckt habe. Soll ich mir mal deine Nase ansehen?«

»Fassen Sie mich nicht an!«

»Natürlich nicht, wenn du nicht möchtest, aber …« Ich bin ein wenig ratlos. Ihre Reaktion ist eigentlich vernünftig, auch ich habe Joelle wieder und wieder eingebläut, sich nicht von fremden Männern ansprechen zu lassen. Die Nase sieht jedoch nicht aus, als würde die Blutung von allein stoppen. »Dann lass mich dir wenigstens ein Taschentuch geben.« Ich greife in meine Hosentasche, doch sie wartet nicht ab.

»Brauch ich nicht.« Sie wischt mit dem sonnengelben Ärmel ihres Sweatshirts über ihre Nase, dann rennt sie über den Waldweg davon.

Ich blicke ihr nach. Ein seltsames Kind. Allein mitten im Wald. Und woher das Nasenbluten und die aufgeschürften Knie? Ich sehe mich um. Mein Blick fällt auf ein Holzkreuz, das am Wegesrand steht. Eine frische, leicht zerdrückte Tulpe liegt davor. Laut Inschrift ist das Marterl einer Renata gewidmet, die vor einem Jahr im April gestorben ist. Eine Verwandte des Mädchens?

Ich setze mich wieder in den Wagen und fahre weiter, langsam, damit die Kleine nicht denkt, ich verfolge sie.

Zwei Wochen später stehe ich an der Kasse der Buchhandlung Brandl am Neukirchener Marktplatz und versuche einer älteren Dame mit unordentlichem grauem Haarknoten zu erklären, dass ich ihr auf ein Hardcover keinen Rabatt geben kann, nur weil die Folie, in die das Buch eingeschweißt ist, angerissen ist. Ich habe die Frau noch nie gesehen, vermute jedoch, dass ich Marga Grandauer vor mir habe, vor der Georg Brandl mich gewarnt hat.

Georg Brandl und ich sind uns bereits bei unserem ersten Treffen handelseinig geworden. Ich werde seine Buchhandlung am ersten April übernehmen, doch schon im März mitarbeiten, so dass er mich einweisen und den Kunden vorstellen kann. Letzteres ist mir wichtiger als Ersteres. Ich habe in den letzten Jahren in der Buchhandlung meiner Eltern mitgearbeitet, ich weiß, wie der Hase läuft. Doch in einer Zehntausend-Seelen-Gemeinde wie dieser ist ein guter Draht zu den Menschen vor Ort für jeden Geschäftsinhaber überlebensentscheidend. Und wenn Georg Brandl vielleicht auch nicht jeden Neukirchener persönlich kennt, so doch jeden zweiten. In den vergangenen drei Tagen hat er mir so viel über die Menschen hier erzählt, dass ich die Stammbäume der meisten Familien herunterbeten könnte. Marga Grandauer ist die Witwe eines Urologen, die darauf besteht, mit Frau Doktor angeredet zu werden, mit wahrem Sherlock-Holmes-Gespür ein Haar auch in der klarsten Suppe findet und generell nur das Haus verlässt, um Angst und Schrecken über ihre Mitmenschen zu bringen. Ihr letztes Lebensziel ist es, niemals den vollen Preis für irgendetwas zu zahlen.

»Es tut mir leid«, versuche ich es erneut. »Ich darf Ihnen wirklich keinen Rabatt geben. Die Buchpreisbindung verhindert das.« Und der gesunde Menschenverstand!

»Aber die Buchpreisbindung gilt wohl kaum für Folien.«

»Das ist korrekt, aber der Preis bezieht sich nur auf das Buch. Die Folie ist gratis.«

Ich erkläre ihr das nicht zum ersten und nicht zum letzten Mal. Fünf Minuten später verabschiedet sie sich endlich, ohne das Buch gekauft zu haben. Ich bezweifle, dass sie es überhaupt lesen wollte, und wende mich der Schlange der wartenden Kunden zu, die das Gespräch augenverdrehend verfolgt haben. Ich verkaufe einem jungen, übernächtigt aussehenden Vater mit Zwillingskinderwagen den bestellten Baby-Schlaf-Ratgeber, einer Grundschülerin das geheime Sternenschweif-Zauberbuch und berate eine hektische Mittvierzigerin, die ein Geschenk für eine »anspruchsvolle, literarisch gebildete Freundin« sucht. Dann ist der Laden leer, ich atme tief ein und spüre, wie sich ein ungewohntes Gefühl der Ruhe in mir ausbreitet. Ich kann mich kaum erinnern, wann ich das letzte Mal richtig durchgeatmet habe. In den vergangenen zwei Monaten – mit Tamaras Ultimatum im Nacken – hatte ich ständig das Gefühl zu ersticken, und die letzten vierzehn Tage verliefen so hektisch, dass ich kaum zum Schlafen kam. Der Papierkram wegen der Übernahme; Vorwürfe von Freunden, dass ich verrückt sei,...

Erscheint lt. Verlag 14.3.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Alkoholikerin • Buchhandlung • Die Frau vom Strand • Dorfgeheimnisse • Dorfkrimi • Erik Lange • Ermittlung • Erpressung • Gerüchte • Geschenk für Mann • Kind • Kindesentführung • Kleinstadt • Kommissarin • Mystery • Neuanfang • Pädophilie • Petra Johann • Provinz • Suchaktion • Verfolgung
ISBN-10 3-8412-2921-2 / 3841229212
ISBN-13 978-3-8412-2921-2 / 9783841229212
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