Zum Paradies (eBook)

Der Nummer 1 Bestseller aus UK & USA von der Autorin von 'Ein wenig Leben'
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
896 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2646-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Zum Paradies -  Hanya Yanagihara
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»Tiefgründig, sensibel, spannend.« Juli Zeh, Börsenblatt Drei Jahrhunderte, drei Versionen des amerikanischen Experiments: In ihrem kühnen neuen Roman - dem ersten seit Ein wenig Leben - erzählt Hanya Yanagihara von Liebenden, von Familie, vom Verlust und den trügerischen Versprechen gesellschaftlicher Utopien.   1893, in einem Amerika, das anders ist, als wir es aus den Geschichtsbüchern kennen: New York gehört zu den Free States, in denen die Menschen so leben und so lieben, wie sie es möchten - so jedenfalls scheint es. Ein junger Mann, Spross einer der angesehensten und wohlhabendsten Familien, entzieht sich der Verlobung mit einem standesgemäßen Verehrer und folgt einem charmanten, mittellosen Musiklehrer. 1993, in einem Manhattan im Bann der AIDS-Epidemie: Ein junger Hawaiianer teilt sein Leben mit einem deutlich älteren, reichen Mann, doch er verschweigt ihm die Erschütterungen seiner Kindheit und das Schicksal seines Vaters. 2093, in einer von Seuchen zerrissenen, autoritär kontrollierten Welt: Die durch eine Medikation versehrte Enkelin eines mächtigen Wissenschaftlers versucht ohne ihn ihr Leben zu bewältigen - und herauszufinden, wohin ihr Ehemann regelmäßig an einem Abend in jeder Woche verschwindet. Drei Teile, die sich zu einer aufwühlenden, einzigartigen Symphonie verbinden, deren Themen und Motive wiederkehren, nachhallen, einander vertiefen und verdeutlichen: Ein Town House am Washington Square. Krankheiten, Therapien und deren Kosten. Reichtum und Elend. Schwache und starke Menschen. Die gefährliche Selbstgerechtigkeit von Mächtigen und von Revolutionären. Die Sehnsucht nach dem irdischen Paradies - und die Erkenntnis, dass es nicht existiert. Und all das, was uns zu Menschen macht: Angst. Liebe. Scham. Bedürfnis. Einsamkeit.  Zum Paradies ist ein Wunderwerk literarischer Erfindungskraft und ein Kunstwerk menschlicher Gefühle. Seine außergewöhnliche Wirkung gründet in seinem Wissen um den Wunsch, jene zu beschützen, die wir lieben: Partner, Liebhaber, Kinder, Freunde - unsere Mitmenschen. Und den Schmerz, der nach uns greift, wenn wir das nicht können.

Hanya Yanagihara wurde 1974 in Los Angeles geboren und wuchs unter anderem in Hawaii auf. Ihr zweiter Roman Ein wenig Leben war für den Man Booker Prize und den National Book Award nominiert. Ihr erster Roman Das Volk der Bäume wurde 2019 ins Deutsche übersetzt. Hanya Yanagihara lebt in New York.

Hanya Yanagihara, 1974 in Los Angeles geboren und in Hawaii aufgewachsen, ist Schriftstellerin und Journalistin. Ihr zweiter Roman Ein wenig Leben, nominiert für den Man Booker Prize und den National Book Award, zählt zu den außergewöhnlichsten und meistdiskutierten literarischen Werken der vergangenen Jahre. Ihr erster Roman Das Volk der Bäume wurde 2019 ins Deutsche übersetzt.

I.


Er hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, vor dem Abendessen um den Park zu gehen: zehn Runden, an manchen Abenden so langsam, wie es ihm behagte, an anderen zügig, und dann die Stufen des Hauses wieder hinauf und in sein Zimmer, um sich die Hände zu waschen und seine Krawatte zu richten, ehe er sich wieder nach unten zu Tisch begab. Heute jedoch, als er eben aufbrechen wollte, sagte das kleine Dienstmädchen, das ihm die Handschuhe reichte: »Mister Bingham hat mich gebeten, Sie daran zu erinnern, dass Ihr Bruder und Ihre Schwester zum Abendessen kommen«, und er sagte: »Ja, danke für die Erinnerung, Jane«, als hätte er es tatsächlich vergessen, und sie machte eine kleine Verbeugung und schloss die Tür hinter sich.

Er würde schneller gehen müssen, als wenn er frei über seine Zeit hätte verfügen können, doch er stellte fest, dass er vorsätzlich das Gegenteil tat und sich stattdessen langsamer als üblich bewegte und dem Klacken seiner Stiefelabsätze lauschte, das entschlossen durch die kalte Luft schallte. Der Tag neigte sich dem Ende zu, und der Himmel war von jenem tintigen Violett, bei dessen Anblick er nicht umhinkonnte, sehnsuchtsvoll an seine Schulzeit zurückzudenken, fern von hier, und zuzusehen, wie alles sich schwarz schattierte und der Umriss der Bäume sich vor ihm auflöste, als bestünde er aus etwas Rauchigem und Veränderlichem.

Der Winter nahte, und er hatte nur seinen leichten Mantel angezogen; dennoch ging er weiter, verschränkte die Arme vor der Brust und klappte die Mantelaufschläge hoch. Selbst als es bereits fünf Uhr geschlagen hatte, senkte er den Kopf und schritt weiter voran, und erst als er die fünfte Umrundung beendet hatte, machte er seufzend kehrt, um auf einem der Wege Richtung Norden zum Haus zu gehen und die gepflegten Steinstufen hinauf, während sich die Tür für ihn öffnete, noch ehe er oben angekommen war, und der Butler bereits die Hand nach seinem Hut ausstreckte.

»Im Salon, Mister David.«

»Danke, Adams.«

Er stand vor den Türen zum Salon und fuhr sich mehrmals mit den Händen durchs Haar – eine nervöse Angewohnheit, so wie das wiederholte Glattstreichen seiner Stirnlocke, wenn er las oder zeichnete, oder das sanfte Hindurchziehen seines Zeigefingers unter der Nase, wenn er nachdachte oder beim Schachspielen wartete, bis er am Zug war, oder wann immer er Zeuge irgendeiner Darbietung wurde –, ehe er abermals seufzte und beide Türen zugleich aufstieß, mit einer Geste, die Selbstvertrauen und Überzeugung demonstrieren sollte, obgleich er beides selbstverständlich nicht besaß. Sie sahen geschlossen zu ihm herüber, aber unbeteiligt, weder erfreut noch bestürzt, ihn zu sehen. Er war ein Stuhl, eine Uhr, ein über eine Sofalehne geworfener Schal, etwas, was das Auge so oft zur Kenntnis genommen hatte, dass es nun darüber hinwegglitt, dessen Anwesenheit so vertraut war, dass es bereits zum Bühnenbild gehörte, ehe sich der Vorhang hob.

»Wieder einmal zu spät«, sagte John, bevor er irgendetwas hätte sagen können, aber Johns Stimme war mild, und er schien nicht in tadelnder Stimmung zu sein, wenngleich man sich bei ihm nie ganz gewiss sein konnte.

»John«, sagte er, die Bemerkung seines Bruders übergehend, und schüttelte ihm und seinem Ehemann Peter die Hand; »Eden« – er küsste zuerst seine Schwester und dann ihre Ehefrau Eliza auf die rechte Wange –, »wo ist Großvater?«

»Im Keller.«

»Ah.«

Einen Augenblick lang standen sie alle schweigend da, und David verspürte kurz die alte Verlegenheit, die er oft in Bezug auf sich und die anderen beiden, die Geschwister Bingham, empfand: dass sie einander nichts zu sagen hatten – oder eher, dass sie nichts zu sagen wussten –, solange ihr Großvater nicht anwesend war, so als existierten sie füreinander nicht durch ihr gemeinsames Blut oder ihre Geschichte, sondern allein durch ihn.

»Arbeitsreicher Tag?«, fragte John, und er sah kurz zu ihm hinüber, doch John hatte den Kopf über seine Pfeife gebeugt, und David vermochte die Frage nicht zu deuten. Wenn er Zweifel hatte, konnte er Johns Absicht für gewöhnlich an Peters Miene ablesen – Peter sprach weniger, war jedoch ausdrucksstärker, und David dachte oft, dass die beiden wie eine einzige Gesprächseinheit auftraten, in der Peter mit den Augen und dem Kiefer erläuterte, was John sagte, oder John jedes Stirnrunzeln, jede Grimasse und jedes flüchtige Lächeln, das über Peters Gesicht huschte, in Sprache verwandelte, doch diesmal blieb Peter ausdruckslos, so ausdruckslos wie Johns Stimme, und war daher nicht hilfreich, weshalb er gezwungen war, die Frage zu beantworten, als wäre sie aufrichtig gemeint, was sie vielleicht auch war.

»Nicht sehr«, sagte er, und die Wahrheit dieser Antwort – ihre Offensichtlichkeit, ihre Unbestreitbarkeit – war so unabweisbar und offenkundig, dass es sich wieder anfühlte, als hätte sich Schweigen über den Raum gesenkt, und dass selbst John sich schämte, eine solche Frage gestellt zu haben. Und dann begann David, wie er es manchmal tat, etwas zu versuchen, was noch schlimmer war, nämlich sich zu erklären, seinen Taten Worte und eine Form zu verleihen. »Ich habe gelesen –« Doch siehe da, weitere Demütigungen wurden ihm erspart, denn nun betrat ihr Großvater den Raum, eine von einem mausgrauen Pelz aus filzigem Staub besetzte dunkle Flasche Wein hochhaltend und seinen Triumph – er hatte sie gefunden! – verkündend, noch ehe er ganz bei ihnen war, und dann, in Adams Richtung, sie wollten heute spontan sein, er solle sie gleich dekantieren, sie würden sie zum Abendessen trinken. »Ah, und sieh an, welch liebliche Erscheinung sich zu uns gesellt hat in der Zeit, die ich brauchte, um diese vermaledeite Flasche zu finden«, sagte er und schenkte David ein Lächeln, ehe er sich der Gruppe zuwandte, sodass dieses Lächeln sie alle einschloss, eine Einladung, ihm an den Esstisch zu folgen, was sie auch taten und wo sie, alle sechs auf ihren üblichen Plätzen um den schimmernden Eichentisch sitzend – Großvater am Kopf, David zu seiner Rechten und Eliza zu Davids, John zu Großvaters Linken und Peter zu seiner, Eden am Fuß der Tafel –, eine ihrer üblichen monatlichen Sonntagsmahlzeiten einnehmen und ihre üblichen gemurmelten, belanglosen Gespräche führen würden: Neuigkeiten aus der Bank, Neuigkeiten über Edens Studium, Neuigkeiten von den Kindern, Neuigkeiten aus Peters und Elizas Familien. Draußen stürmte und loderte die Welt – die Deutschen rückten immer weiter nach Afrika vor, die Franzosen säbelten sich noch immer durch Indochina und, weniger weit entfernt, die jüngsten Schrecken in den Kolonien: Erschießungen, Hinrichtungen durch den Strick und Züchtigungen, Opferungen, Vorgänge, zu fürchterlich, um sie sich zu vergegenwärtigen, und dennoch so nah –, aber nichts von alledem, schon gar nicht das, was sich in nächster Nähe ereignete, durfte die Wolke von Großvaters Abendessen durchdringen, in der alles weich war und das Harte schmiegsam gemacht wurde; selbst die Seezunge war so fachmännisch gedünstet, dass man sie lediglich mit dem gereichten Löffel aufnehmen musste und die Gräten sich dem sanftesten Druck des Silbers beugten. Dennoch war es schwer, schwerer denn je, der Außenwelt das Eindringen zu verwehren, und beim Dessert, einem leicht wie Milchschaum geschlagenen Syllabub aus Ingwerwein, fragte David sich, ob die anderen ebenso wie er an diese kostbare Ingwerwurzel dachten, die in den Kolonien gefunden und ausgegraben, zu ihnen hier in den Freistaaten gebracht und von Koch für viel Geld gekauft worden war: Wer war gezwungen worden, die Wurzeln auszugraben und zu ernten? Wem hatte man sie fortgenommen?

Nach dem Abendessen kamen sie wieder im Salon zusammen, und Matthew goss ihnen Kaffee und Tee ein, und Großvater hatte sich auf seinem Sessel nur ein klein wenig zurechtgesetzt, als Eliza plötzlich aufsprang und sagte: »Peter, ich wollte dir doch schon die ganze Zeit das Bild dieses außergewöhnlichen Meeresvogels in dem Buch zeigen, von dem ich dir letzte Woche erzählte, und ich habe mir geschworen, dass ich es heute Abend nicht wieder vergesse; Großvater Bingham, gestatten Sie?«, und Großvater nickte und sagte: »Selbstverständlich, mein Kind«, und dann stand auch Peter auf, und sie verließen Arm in Arm den Raum, und Eden wirkte stolz, eine Frau zu haben, die über ein so gutes Gespür für alles um sie herum verfügte, die vorausahnte, wann die Binghams unter sich sein wollten, und wusste, wie sie sich auf elegante Weise empfehlen konnte. Eliza hatte rotes Haar und mächtige Glieder, und wenn sie den Salon durchquerte, zitterten und klirrten die kleinen gläsernen Ornamente, die die Tischlampen säumten, doch in dieser Hinsicht war sie behände und flink, und sie alle hatten Anlass, ihr für ihren Scharfsinn dankbar zu sein.

Sie würden also das Gespräch führen, das Großvater ihnen im Januar angekündigt hatte, als das Jahr noch jung gewesen war. Und doch hatten sie Monat für Monat gewartet, und Monat für Monat, nach jedem...

Erscheint lt. Verlag 11.1.2022
Übersetzer Stephan Kleiner
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Amerika • amerikanische Politik • Bedürfnisse • Beziehungen • Dystopie • Ein wenig Leben • Familie • freie Gesellschaft • Geschichte • Homosexualität • Liebe • Manhattan • Nation • New York • Pandemie • Paradies • Scham • Seuche • Utopie • Virologie • Zukunft
ISBN-10 3-8437-2646-9 / 3843726469
ISBN-13 978-3-8437-2646-7 / 9783843726467
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